§§ 116 - 118.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Rechtliche Grundlagen
Advertisements

Fall 1 D hat gerade ein Beratungsbüro eröffnet und benötigt noch eine Menge Büromaterialien. Er bestellt beim Händler H die per Sonderangebot angebotenen.
Probeklausur Z I vom Prof. Dr. Christoph Paulus
Willensmängel §§ 119 – 123.
Auslegung der Willenserklärung
Kündigung Recht zur Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft Dauerschuldverhältnis: Geschuldet ist ein dauerndes Verhalten.
Culpa in Contrahendo §§ 311 II, 241 II.
Vertriebsrecht (Fortsetzung)
Vorlesung BGB II - Übungsteil Übung im Bürgerlichen Recht für Anfänger
Handelsbrauch und Handelsklauseln
Rechtsverkehr im Internet
Bürgerliches Vermögensrecht I Übungsfall 2
Herzlich Willkommen zu der heutigen Informationsveranstaltung!
Tutorium Privatrecht I + II
Mängel in der Geschäftsfähigkeit Mängel im rechtsgeschäftlichen Willen
Mängel des Vertragsschlusses
Erteilung der Prokura Prokuraerteilung
Rechtsgeschäfte Einseitige Mehrseitige (Verträge)‏ z. B. Kündigung
Auch der Tod nimmt Einzug in unsere digitale Welt
Anfechtung von Willenserklärungen nach §§ 119 ff BGB
Haben Sie vorgesorgt? AWO Betreuungsverein Kompass Stand:
ZÜCHTERTAGUNG RECHTSFRAGEN IM ZUSAMMENHANG MIT DER ZÜCHTUNG UND DEM KAUF/VERKAUF VON HUNDEN Von RA Daniel Haeberli und lic. iur. Janine Hofmann Sonntag,
Rechtsanwälte Salfeld & Kollegen
Der Online-Kauf und seine Abwicklung Saarbrücken, 28. Oktober 2008
Da in casu die Frau entmündig ist, kann sie nicht mündig sein. Daraus resultiert bereits ihre Handlungsunfähigkeit. Dies geht explizit aus ZGB 17 hervor.
§ 1 Das Bürgerliche Gesetzbuch
1 STRAFRECHT BT STRAFRECHT BT HEHLEREI (ART.160) FS 2008 Prof. Dr. H. Vest Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern.
Das neue Gewährleistungsrecht
§ 5 Stellvertretung.
Stellvertretung: §§ 1002 ff ABGB
Privatrecht II Lektion 5 Mangelhafte Verträge (§ 3, V)
Vertragsschluss und Vertragsauslegung
Vertragsschluss und Vertragsauslegung
Bekanntgabe.
...und alle heißen Leo Der täuschende Zuruf. Hab ihn! Lass ihn! LEO!
EINHEIT 4 – Vertragliche Schuldverhältnisse II
Unser Jahresleitvers: Werdet stark im Herrn und
Klaus Eichhorn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht
Willenserklärungen sog. Rechtsbindungswille erkennbares Verhalten
Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 (sog. Leistungskondiktion)
Registrar-Tag Dr. Barbara Schloßbauer Mag. Bernhard Erler Rolle des Registrars Ein Erfahrungsbericht aus der Rechtsabteilung Datum:
Vorgehen in der Klausur insb. Anspruchsgrundlagen
Vertretung - Konstellation
VERWALTUNGSAKTE / RECHTSPRECHUNGSAKTE
Mittelstandsrecht SoSe 2015 ra-freimuth.de Vorlesung vom , – Uhr 1.
- Entscheidungen treffen Auch du kannst Ja oder Nein sagen! - Entscheidungen treffen.
Mittelstandsrecht SoSe 2015 ra-freimuth.de Vorlesung vom , – Uhr 1.
Prof. Dr. Burkhard Boemke Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene 1. Klausur „Der (vermeintliche) Spieler“ Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene.
Aktuelle Bilanzierungs- und Prüfungsfragen aus der Facharbeit des IDW
Mittelstandsrecht SoSe 2015 ra-freimuth. de Vorlesung vom
Vertragsrecht IV Anfechtung
§ Alt. Herstellen einer unechten Urkunde Was erscheint als erklärt: Willenserklärung Zeugniserklärung Wodurch wird scheinbar erklärt: dauerhafte.
1. Thema: VOLLMACHTEN NACH DEM BGB bürgerliches Recht rechtliche Beziehungen die Streitigkeit, -, -en das Schuldrecht, -s, - das Erbrecht, -s, - die Bestimmung,
Examinatorium Schuldrecht Fall 15 – Geschäftsführung ohne Auftrag.
§ Alt. Herstellen einer unechten Urkunde Was erscheint als erklärt: Willenserklärung Zeugniserklärung Wodurch wird scheinbar erklärt: dauerhafte.
Vortrag : Generalvorsorgevollmacht Jutta Siempelkamp, Notarin und Rechtsanwältin Bundesallee Berlin Tel: 030/ Fax: 030/
Kap 2 - Arten des Kaufvertrags 1 Barta: Zivilrecht online Arten des Kaufs Arten des Kaufs qNormaler Kauf = Zug um Zug - Kauf l § 1052 ABGB qKreditkauf.
Universität Karlsruhe (TH) BGB für Anfänger, Prof. Dr. iur. Peter Sester 1 Rechtsgeschäftliche Grundlagen Definition: Unter einem Rechtsgeschäft versteht.
1 Lerneinheit 6 – Überblick B.Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Geschäftsführung ohne Auftrag.
Europäisches Institut für das Ehrenamt Dr. Weller § Uffeln GbR Europäisches Institut für das Ehrenamt Dr. Weller § Uffeln GbR 1 Urheberrecht Persönlichkeitsrecht.
Lerneinheit 1 – Überblick A.Leistungsstörungen 1. Abschnitt - Grundlagen § 1Einführung § 2System des Leistungsstörungsrechts 2. Abschnitt -
1 Lerneinheit 7 – Überblick B.Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Geschäftsführung ohne Auftrag.
Herzlich Willkommen zum Bürgerinformationsabend des SPD Ortsvereins Erlensee zur Kommunalwahl 2016.
1 Eramusstudenten: Bitte bei Lehrstuhl per mit Namen und Matrikelnummer zur mündlichen Prüfung am Ende des Semesters anmelden. Prüfungstermin: Montag,
1 Lerneinheit 7 – Überblick A.Leistungsstörungen 3. AbschnittLeistungsverzögerung § 10 Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 I, II, 286.
Fortfall der Vertragsbindung Teil II. Vorlesungsgliederung I. Begriff des Vertrages II. Abschluss und Inkrafttreten von Verträgen III. Auslegung von Verträgen.
Headhunting leicht gemacht! (C) RA M. Hoffmannwww.ra-michael-hoffmann.de2 Headhunting leicht gemacht! B ist Personalvermittler für hochqualifizierte.
1 Lerneinheit 4 – Überblick A.Bereicherungsrecht § 6Umfang und Grenzen des Bereicherungsanspruchs.
SchuldR AT 1 7. Woche.
Abgabe und Zugang der WE
 Präsentation transkript:

§§ 116 - 118

§ 116, geheimer Vorbehalt: Rein empirisch liegt Nichteinigung vor: Erklärender wollte Rechtsfolgen nicht Empfänger hingegen schon (erkennt Empfänger den Vorbehalt, liegt falsa demonstratio vor) Objektiver Empfängerhorizont führt aber zur Gültigkeit der WE Wenn Vorbehalt nicht erkennbar, aus objektiver Sicht unbeachtlich

§ 117, Scheingeschäft Einverständlich nicht gewollte Erklärung gilt nicht Beiderseitiges Verständnis geht dem objektiven Anschein vor Fall der falsa demonstratio Statt dessen gilt das wirklich Gewollte Sofern dieses Geschäft die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt Beispiel: Scheinbeurkundung bei Grundstücksgeschäften

§ 118 - Scherzerklärung Lässt sich in dieses System nicht einordnen Wenn Empfänger sie ernst nehmen durfte, müsste die Erklärung eigentlich gültig sein Mit Anfechtung, wenn Irrtum vorlag § 118 geht aber von Ungültigkeit aus Allerdings mit Rechtsfolge § 122 entsprechend Insofern kein Unterschied zur Anfechtungslösung Insgesamt systemwidrige Ausnahme

Ausnahmen von falsa – demonstratio - Grundsatz Erklärungen an eine Vielzahl von Personen: AGB, manche Gesellschaftsverträge Hier nur objektives Verständnis maßgeblich Für AGB Sonderegelung in § 305 c II: Auslegung gegen den Verwender Problem auch bei formbedürftiger Erklärung Testament, Grundstück Inwieweit kann Auslegung zu einem nicht formgütig erklärten Inhalt führen?

Ergänzende Auslegung Ausfüllung von Lücken im Vertrag Primäre Auffüllung durch Gesetzesrecht Wenn dort nichts geregelt: Bewusste oder unabsichtliche Lücke? Auffüllung unbewusster Lücken durch mutmaßlichen Parteiwillen Was hätten redlich denkende Dritte vereinbart, wenn sie das Problem erkannt hätten? Auch hier Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung Real feststellbarer Wille hat aber immer Vorrang Keine Vertragskorrektur gegen den Parteiwillen

Abgabe der WE Notwendigkeit der Abgabe folgt aus dem Handlungswillen: Nur die mit Handlungswillen getätigte WE ist gültig Fehlt, wenn nicht wissentlich in den Rechtsverkehr gelangt Sog. abhanden gekommene WE Bedeutung auch für § 130: Eintritt von Tod oder Geschäftsunfähigkeit nach Abgabe Erforderlich ist eine erkennbare Willensäußerung Bei empfangsbedürftiger WE ein bewusstes Auf- den- Weg- bringen in Richtung auf den Empfänger

Beispielsfälle: Versehentliches Absenden von Post durch Personal Versehentliches Betätigen eines Bestell- Buttons bei Internetgeschäft Fehlender Handlungswille oder fehlendes Erklärungsbewusstsein? Zum Nachlesen: Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839. Zum Merken: Abgabe der WE liegt vor, wenn die Erklärung mit Wissen und Wollen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gelangt ist.

Zugang: Gesetz fordert außer einer Abgabe der WE auch den Zugang, § 130 Mit ihm wird die Erklärung verbindlich Kann nicht mehr widerrufen werden Wichtig vor allem für fristgebundene Erklärungen (zB Kündigung) Hier ist Zugang innerhalb der Frist nötig, um Rechtsfolgen auszulösen

Zugang entbehrlich: Bei der nicht empfangsbedürftigen WE Regelfall ist die „gegenüber einem anderen abzugebende“ WE Vgl. §§ 143, 145 Sog. empfangsbedürftige WE Hier sind Abgabe und Zugang erforderlich Auch die meisten einseitigen WE sind empfangsbedürftig: zB Anfechtungserklärung, § 143, Widerruf, § 355 Ausnahmen nur Testament, Auslobung (§ 657) und Eigentumsaufgabe (§ 959). Wenn nicht empfangsbedürftig, genügt die Abgabe der WE (erkennbarer Wille) Zugang entfällt.

Begriff des Zugangs Nicht näher definiert Erklärungsmöglichkeiten?

Begriff des Zugangs Möglich ist eine Negativabgrenzung: Bloße Absendung kann nicht gemeint sein Das wäre idR dasselbe wie Abgabe Auch tatsächliche Kenntnisnahme wohl nicht Das Gesetz schreibt Kenntnis, wenn es Kenntnis meint Vgl. §§ 122, 179 II und III

Begriff des Zugangs: Hinter der Begrifflichkeit steht ein Sachproblem: Risikoverteilung Welche Partei soll Risiko des Erklärungsverlustes tragen? Grds. diejenige, die das Risiko besser und mit weniger Aufwand beherrschen kann Auswahl des Kommunikationsmittels, Organisation des Kommunikationswegs Verantwortung endet, wenn Erklärender Verbleib der Erklärung nicht mehr kontrollieren kann Dort beginnt Verantwortungsbereich des Empfängers Auch dieser muss seine Kommunikation so organisieren, dass eingehende Nachrichten beachtet werden

Lösung: Verteilung des Risikos nach objektiven Kriterien Unabhängig von einem persönlichen Verschulden Abgrenzung nach Verantwortungssphären „Machtbereichslösung“: Tatsächliche Kenntnis führt immer zum Zugang Gleichgültig, auf welchem Wege die WE der Empfänger erreicht hat Fehlt tatsächliche Kenntnis (oder kommt sie zu spät), kommt es darauf an, ob die WE in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, und zwar so, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen von ihr Kenntnis nehmen könnte.

Lösung: Führt zur Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen: Erklärender trägt das Risiko, dass die Erklärung den Machtbereich des Empfängers nicht oder nicht rechtzeitig erreicht Empfänger trägt das Risiko, wenn er die rechtzeitig in den Machtbereich gelangte Erklärung nicht beachtet

Kenntnisnahme ist zu erwarten: Hängt von Verkehrsgewohnheiten ab Ggf. auch Abrede zwischen den Parteien Ansonsten gilt: Post bei der nächsten zu erwartenden Leerung des Postkastens Objektiv zu bestimmen, also auch bei Urlaub, Krankheit etc. Bei Nachsendung erst im Machtbereich des Nachsendeorts Einschreiben erst bei Abholung (BGHZ 137, 205, 208)

Elektronische Kommunikation: Wann geht E- Mail zu? Oder ein Telefax? Oder eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter? Beispiel: A übermittelt Mail an Provider 1, dieser an den Provider 2 (Provider des Empfängers), dieser an den Empfänger B Wo beginnt der Machtbereich des B? Genügt Eingang beim Provider des B? Oder erst Eingang am eigenen PC?

Zugang an und durch Dritte WE muss nicht höchstpersönlich abgegeben werden § 164 Natürliche Personen können sich vertreten lassen Juristische Personen sind als solche handlungsunfähig, müssen sich vertreten lassen Einsetzung von Erklärungsboten und Stellvertretern Letztere kraft Gesetzes oder rechtsgeschäftlich

Vertretung auf Seiten des Erklärenden Erklärung wirkt für und gegen den Vertretenen, § 164 Gilt für den Boten entsprechend Schwieriger ist Vertretung auf Seiten des Empfängers Handelnde Person muss dem Machtbereich des Empfängers angehören Kann sich aus Gesetz ergeben: GF, § 37 GmbHG, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte, Ladenangestellte (§§ 49 – 56 HGB) Ansonsten auch rechtsgeschäftliche Vollmacht (§ 164) möglich Sog. Empfangsvertreter Ihr Handeln wirkt für und gegen den Empfänger Wird behandelt wie persönliches Handeln des Empfängers

Empfangsbote: Außerhalb der ausdr. Bevollmächtigung Figur des Empfangsboten: Person ohne Vertretungsmacht, aber nach der Verkehrsanschauung geeignet: Nähebeziehung zum Empfänger Und Geeignetheit zur zuverlässigen Weiterleitung der Nachricht Im Geschäftsbereich zB Pförtner, Menschen am Informationsschalter Teil des Machtbereichs des Empfängers Im Privatbereich Familienangehörige, ältere Kinder Zweifelhaft für Nachbarn, WG-Genossen, Hausmeister

Jenseits dessen: Liegen die Voraussetzungen des Empfangsboten nicht vor, kann betreffende Person nur Vertreter des Erklärenden sein Steht dann aber nicht im Lager des Empfängers Sein Handeln wird dem Erklärenden zugerechnet Kein Zugang, wenn Erklärung nicht weitergeleitet wird.

Zugang ggü. Anwesenden In § 130 nicht angesprochen Folgt aber denselben Grundsätzen: Bei verkörperter Erklärung Übergabe ausreichend, tatsächliche Kenntnis nicht erforderlich Bei mündlichen Äußerungen Kenntnis sofort Problem: Verständnisschwierigkeiten des Empfängers Sprachunkenntnis, Schwerhörigkeit, Unaufmerksamkeit

Zugang ggü. Anwesenden Behandlung str: Teil der Lit: Bei unverkörperter Erklärung Zugang nur bei tatsächlichem Verständnis Grund: Empfänger kann nicht nachlesen und prüfen Dann aber alle Risiken beim Erklärenden Daher Regel analog § 130 zu befürworten: Zugang liegt vor, wenn mit Verständnis zu rechnen war.

Zugangsvereitelung: Empfänger macht sich bewusst unerreichbar Verhindert Eingang in den Machtbereich Ohne dazu berechtigt zu sein (Notwehr-Fälle) Damit kein Zugang Verschulden im hier favorisierten objektiven System nicht berücksichtigungsfähig Es kommt nicht darauf an, wer am fehlenden Zugang schuld war Ausnahme nach § 242? BGHZ 137, 205: Nein, nur Frist wird fingiert: Erklärender muss Zugang herbeiführen Notfalls im Wege der öffentlichen Zustellung (§ 192 ZPO) Eine dadurch ggf. verstrichene Frist ist unbeachtlich, Empfänger ist es verwehrt, sich auf Fristablauf zu berufen (§ 242)