Das Rechtsgeschäft.

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 Präsentation transkript:

Das Rechtsgeschäft

Das Rechtsgeschäft Wichtigste Erscheinungsform: Vertrag §§ 145 ff. Einigung zwischen zwei (oder mehr) Parteien über eine Güterbewegung Einigungserfordernis bezweckt: Schutz der individuellen Freiheit (keine Fremdbestimmung) Gesamtwirtschaftliche Effizienz: Güter fließen zu dem, der am meisten zahlt Das ist im Zweifel auch der, der sie am effektivsten nutzt Staatliche Inhaltsregelung entbehrlich

Richtigkeitsgewähr des Vertrages Vertrag wird von der Rechtsordnung anerkannt Weil er vom Willen beider Parteien getragen ist Und idR die angemessene Güterzuordnung realisiert

Funktionsvoraussetzungen: Funktionierender Wettbewerb Richtigkeitsgewähr kann sich nicht entfalten, wenn Ausweichmöglichkeiten fehlen Problematisch deshalb Kartellabsprachen: Laut RG (RGZ 38, 158) schließt Privatautonomie die Freiheit ein, auf ihren Gebrauch zu verzichten Grundlegender Denkfehler: Überhöhnte Preise und unangemessenen Bestimmungen lassen sich nur durch Wettbewerb verhindern Spontane Ordnung des Marktes durch tägliche Entscheidung Tausender Staatliche Lenkung ist keine Alternative, da bisher immer im Staatsbankrott geendet Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zum Schutz der Voraussetzungen von Privatautonomie

Funktionsvoraussetzungen: Annähernd gleiche Verhandlungsstärke Sonderregeln zum Verbraucher-, Miet- und Arbeitsrecht Siehe dazu Folien 2

Ausnahme vom Einigungserfordernis Pflicht zum Abschluss eines Vertrages Sog. Kontrahierungszwang Häufig gesetzlich geregelt für Versorgungsunternehmen (Verkehr und Stadtwerke) Aber zB nicht bei Telefon und Bankkonto Bei lebenswichtigen Gütern und fehlender Ausweichmöglichkeit kann zudem § 826 vorliegen Vertragsschluss als Schadensersatz (§ 249) Zudem bei marktstarken Unternehmen Kontrahierungszwang nach GWB

Ausnahme vom Einigungserfordernis Diskriminierungsfälle wurden bisher ebenfalls auf der Grundlage von § 826 behandelt Jetzt Allg. Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Eckpunkte: Untersagt in allgemeinen Zivilrechtsverkehr Diskriminierung wegen: Rasse/Ethnischer Herkunft Geschlecht Religion Behinderung Alter Sexueller Identität Im Arbeitsrecht zT weitergehende Verbotsmerkmale

Gleichbehandlungungsgesetz Gilt nur für Massengeschäfte Also solche, bei denen das Geschäft: Typischerweise ohne Ansehen der Person Und in einer Vielzahl von Fällen vorgenommen wird Und bei denen kein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien entsteht Besondere Bestimmungen gelten für Miet- und Versicherungsverträge sowie Verträge mit Religionsgemeinschaften Unterschiedliche Behandlung kann ausnahmsweise durch besondere Umstände gerechtfertigt sein. zB Gefahrvermeidung (kein Bungee Jumping mit 95 Jahren) Abgestufte Beweislast

Gleichbehandlungsgesetz Liegt Verstoß vor, ergeben sich Rechtsfolgen: Anspruch auf Beseitigung, d.h. Vertragsschluss Wo nicht mehr möglich, SE in Geld Allerdings nur bei Verschulden (Allg. Rechtsgrundsatz) Zusätzlich Schmerzensgeld Ausschlussfrist für alle Ansprüche von zwei Monaten

Rechtsgeschäft und Vertrag Rechtsgeschäft ist der Obenbegriff Beisp. für systematische Auslegung: Überschriften vor § 104 und § 145 Der Vertrag ist Rechtsgeschäft, aber nicht jedes Rechtsgeschäft ist Vertrag Rechtsgeschäft insbes. auch die einseitige rechtserhebliche Erklärung (Willenserklärung) Vgl. § 105 Beispiele?

Rechtsgeschäfte mehrseitige einseitige Verträge Beschlüsse einseitige zB Kündigung, Anfechtung, Rücktritt, Testament, Auslobung

Willenserklärung: Kernelement beider Gruppen ist die Willenserklärung (WE) Dem Rechtsgeschäft wird Gültigkeit beigemessen, weil es gewollt ist Das Rechtsgeschäft besteht aus einer oder mehreren WE, ggf. in Verbindung mit weiteren Elementen Häufig Verbindung mit Realakt Rechtserhebliche Handlung, bei der es auf einen Willen nicht ankommt zB Besitzverschaffung, § 929, Eintragung ins Grundbuch, § 873

Problemfälle: WE besteht aus Wille und Erklärung Äußeres und inneres Merkmal Was gilt, wenn Erklärung in Wirklichkeit nicht vom Willen gedeckt? Drei mögliche Ansätze: Kein Vertrag (Dissens, § 155), keine Rechtsfolgen Einigung, aber Erklärung kann angefochten werden (§ 119), mit Rechtsfolge Schadensersatz in Höhe der nutzlosen Aufwendungen (§ 122) Vertrag gültig, Bindung des Erklärenden an die fehlerhafte WE.

Anforderungen an die Erklärung (objektiver Teil der WE) Es muss eine Handlung vorliegen Ausdrückliches oder schlüssiges (konkludentes) Handeln mit für Dritte erkennbarem Erklärungswert Aus Sicht des Dritten muss Rechtsbindungswille gegeben sein Verhalten muss auf eine Absicht schließen lassen, sich rechtlich binden zu wollen Fehlt bei reinen Gefälligkeitsverhältnissen Fehlt bei invitatio ad offerendum

Anforderungen an den Willen (subjektiver Tatbestand der WE) Handlungswille Bewusstsein, überhaupt zu handeln Fehlt bei reinen Reflexen, Zuckungen etc. Erklärungsbewusstsein: Bewusstsein, eine rechtserhebliche Handlung abzugeben Fehlt, wenn Erklärender davon ausging, eine rein soziale Handlung vorzunehmen Fall der Trierer Weinversteigerung Geschäftswille: Absicht, gerade eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen Fehlt bei jeder nicht gewollten Rechtsfolge

Obj. Rechtsbindungswille Kann fehlen, wenn der andere Teil ein Angebot machen soll Sog. Invitatio ad offerendum Was vorliegt, ist durch Auslegung nach dem Empfängerverständnis zu klären (§ 157) Kriterien: Zustandekommen übermäßig vieler Verträge Auswahlinteresse des Erklärenden „Angebote“ in Zeitungsanzeigen und Katalogen, Auslagen in Schaufenstern etc. sind daher rechtlich idR keine Angebote Ebenso Angebote auf Websites im Internet

Bedeutung der Unterscheidung A macht Angebot, B nimmt an = Vertrag geschlossen A macht invitatio ad offeredum, B macht Angebot = Vertrag noch nicht geschlossen, A kann nach seiner Wahl annehmen oder ablehnen Fall: Ricardo.de, BGH NJW 2002, 363 f.

Obj. Rechtsbindungswille Rechtsbindungswille fehlt, wenn Erklärender aus Sicht des Empfängers erkennbar nicht rechtlich relevant tätig werden will Unentgeltliches und uneigennütziges Verhalten Allerdings: BGB kennt unentgeltliche Verträge, zB Auftrag, § 662 Schenkung, § 518 Leihe, 598 Unentgeltliche Verwahrung, § 609

Gefälligkeitsverhältnis Abgrenzung Vertrag/Gefälligkeit Wirtschaftliche/Rechtliche Bedeutung der Angelegenheit Grund und Zweck der Gefälligkeit Interesse der Beteiligten an sorgfältiger Durchführung Ausmaß des übernommenen Risikos Beispiele: Beaufsichtigung fremder Kinder Mitnahme von Personen im PKW Ausfüllen und Einreichen des Lottoscheins bei Tippgemeinschaft

Fehlender Wille zum Vertragsschluss Sachproblem: Betonung des Willens schützt den Einzelnen Betonung der objektiven Erklärung schützt den Vertragspartner und die Allgemeinheit Gesetz erklärt weder das eine noch das andere für allein erheblich (§§ 133, 157) Als gesichert gilt: Handlungswille ist unentbehrlich Geschäftswille ist nicht erforderlich, denn Gesetz regelt diesen Fall in § 119 mit der RF Anfechtung Vertrag also zunächst gültig und nur ggf. mit RF Schadensersatz vernichtbar Behandlung des EB ist str. Dissens oder § 119 analog? BGHZ 91, 324; BGHZ 109, 177.

Auf der subjektiven Seite: Behandlung des Erklärungsbewusstseins str.: Handlungswille ist erforderlich Geschäftswille klar (-), da von § 119 ff. anders geregelt Erklärungsbewusstsein: Erst-Recht-Schluss aus § 118? Bedeutung der Erklärungsverantwortung? Kompromiss der Rechtsprechung: Sog. Potentielles Erklärungsbewusstsein BGHZ 91, 327, BGHZ 109, 177

Erklärungsbewusstsein Lösung danach: Hätte Erklärender erkennen können, dass seine Handlung im Verkehr als WE aufgefasst wird, reicht das für Vertragschluss aus Rechtsfolge: Vertragsschluss Aber anfechtbar wegen Irrtums analog § 119 I 2. Alt Erklärender wollte Erklärung dieses Inhalts nicht Allg. Vssgen der Anfechtung müssen vorliegen Andere Partei erhält SE nach § 122

Erklärungsbewusstsein Keine WE: Wenn es keinen Dritten gibt (einseitiges Rechtsgeschäft) Empfänger kannte das Fehlen des Erklärungsbewusstseins Empfänger hätte das Fehlen des Erklärungsbewusstseins erkennen müssen.