Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt

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 Präsentation transkript:

Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt GYN ALLROUND Winterfortbildung unter südlicher Sonne Fujaiarah-Dubai 3.3.2005 Unterscheiden sich Gestagene in ihren klinischen Wirkungen? Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt

Klinische Wirkungen der Gestagene Endometrium Durchblutung Zervix, Tuben Gefäßwand Brustdrüse Knochen ZNS Hämostase Psyche Fettstoffwechsel Hitzewallungen Kohlenhydratstoffwechsel Haut hepatischer Metabolismus Schwangerschaftserhaltung (Progesteron)

Bedeutung der Gestagene in den oralen Kontrazeptiva antigonadotrope – antiestrogene – gestagene Wirkungen Suppression der Gonadotropin-Freisetzung und dadurch Störung der Follikelreifung Direkte Hemmung der ovariellen Steroidsynthese Hemmmung des präovulatorischen LH-Gipfels und dadurch Hemmung der Ovulation Hemmung der estrogeninduzierten Proliferation des Endometriums vorzeitige Transformation des proliferierten Endometriums Einfluss auf die Zervix: Hemmung der Spermienaszension Veränderung der Tubenfunktion

Wirkungsmechanismen der Gestagene Es gibt 2 Progesteronrezeptoren (PRA und PRB), deren Synthese in den meisten Geweben estrogenabhängig ist, während Gestagene die Estrogen-Rezeptoren supprimieren. PRB stimuliert die Genexpression, während PRA hemmend wirkt. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen Progesteron-, Androgen-, Glukokortikoid- und Mineralokorti-koid-Rezeptoren können Gestagene an diesen Rezeptoren als Agonisten oder Antagonisten wirksam werden.

Partialwirkungen der Gestagene Estrogene Wirkung: ohne klinische Relevanz, wenn mit Estrogenen kombiniert. Androgene Wirkung: normalerweise ohne klinische Relevanz, wenn mit Estrogenen kombiniert. Antiandrogene Wirkung: günstige Wirkung bei Androgenisierungserscheinungen. Glukokortikoide Wirkung: möglicherweise ungünstig bei der Entwicklung venöser und arterieller Erkrankungen, in hohen Dosierungen agonistisch und antagonistisch. Antimineralokortikoide Wirkung: Hemmung der Aldosteronwirkung durch Anstieg des Aldosteronspiegels kompensiert. Trotzdem günstige Wirkung auf Blutdruck und Gewicht?

Weiderpass et al. 1999: Schwedische Fall-Kontroll-Studie Hormonsubstitution und Risiko des Endometriumkarzinoms Dauer RR (95% CI) nie (Jahre) 1.00 Estradiol > 5 6.2 (3.1-12.6) konjugierte equine Estrogene 6.6 (3.6-12.0) Estrogen/Gestagen 1.6 (1.1-2.4) Estrogen/zyklisches Gestagen 2.9 (1.8-4.6) Estrogen/kontinuierliches Gestagen < 5 0.8 (0.5-1.3) Estrogen/Progesteronderivat 3.2 (1.7-6.0) Estrogen/Nortestosteronderivat 0.9 (0.5-1.5)

Porch et al. 2002 (Womens‘ Health Study USA) Hormonsubstitution und Brustkrebsrisiko randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie (ASS,Vit E) Therapie Fälle relatives Risiko keine Hormone 146 1.0 < 0.3 mg CEE 13 0.87 (0.44-1.73) 0.625 mg CEE 160 1.26 (0.96-1.65) > 0.9 mg CEE 27 1.43 (0.89-2.31) CEE + sequentiell Gestagen 61 1.04 (0.74-1.46) CEE + kontin. Gestagen 87 1.82 (1.34-2.48)

Million Women Study Hormontherapie und Brustkrebs Hormontherapie relatives Risiko Therapiedauer: < 5 Jahre > 5 Jahre Estrogene allein 1,21 1,34 Estrogen/Gestagen 1,70 2,21 Tibolon 1,32 1,57 Estrogen + MPA 1,60 2,42 Estrogen + NET 1,53 2,10 Estrogen + NG/LNG 1,97 2,23

Estrogene Partialwirkung Norethisteron Tibolon Gestagene binden nicht an den Estrogenrezeptor. Die estrogene Wirkung wird von Metaboliten verursacht. Beide Gestagene werden in der Leber und anderen Geweben aromatisiert. aus Norethisteron entsteht Ethinylestradiol aus Tibolon (7a-Methyl-norethisteron) entsteht 7a-Methyl-ethinylestradiol.

Androgene Partialwirkung Norethisteron (-acetat) , Levonorgestrel Etonogestrel (3-Keto-desogestrel), Gestoden, Medroxyprogesteronacetat, Norgestimat, D4-Tibolon (7a-Methyl-norethisteron) Die Wirkung kommt durch die Bindung und Aktivierung an den Androgenrezeptor zustande. Durch Kombination mit einem wirksamen Estrogen wird der Effekt ausgeglichen. Leichte Androgenisierungserscheinungen (bei Disposition: Akne, Hirsutismus, Stimme), Leberparameter

Antiandrogene Partialwirkung Cyproteronacetat, Dienogest, Drospirenon, Chlormadinoacetat, Nomegestrolacetat, (Progesteron) Wirkung durch Bindung an Androgenrezeptor (Ausnahme: Progesteron hemmt kompetitiv die 5a-Reduktase). Dadurch wird die Wirkung der endogenen Androgene (DHT, Testosteron) verhindert. Effekt ist abhängig von der Bindungsaffinität und den lokalen Steroidkonzentrationen.

Androgenisierungserscheinungen Bei erhöhten Serumspiegeln von Testosteron (T) und Androgen-Präkursoren: OC reduzieren deren ovarielle und adrenale Produktion (alle OC) und erhöhen SHBG (estrogendominante OC) Senkung des freien Testosterons und der lokalen T-Konzentration. Bei idiopathischen Androgenisierungserscheinungen: 1. verstärkte lokale Bildung von T oder Dihydrotestosteron (DHT) in den Haarfollikeln 2. erhöhte Androgensensitivität der Haarfollikel Hemmung der 5a-Reduktase: Kompetitive Hemmung der Enzymaktivität durch geeignete Gestagene (P, NET, DNG). Hemmung der Bindung von T oder DHT am Androgen-rezeptor durch Gestagene (antiandrogene Gestagene).

antimineralokortikoide Partialwirkung Progesteron Gestoden Drospirenon Die Wirkung kommt durch die Bindung an den Aldosteronrezeptor zustande, wodurch die Bindung und Wirkung des Aldosterons kompetitiv gehemmt wird. Die Abschwächung der Feedback-Hemmung im RAA-Systems führt zu einem kompensatorischen Anstieg des Aldosterons.

Wirkungsweise von Drospirenon als Aldosteron-Antagonist Aldosteron reduziert in der Niere die Ausscheidung von Natrium und Wasser, erhöht die Ausscheidung von Kalium. Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton hemmen die Wirkung von Aldosteron am Rezeptor und wirken dadurch natriuretisch und entwässernd (Diuretikum, 25 mg) Drospirenon bindet am Aldosteron-Rezeptor und hemmt in ähnlicher Weise die Wirkung von Aldosteron. Der Anti-Aldosteron-Effekt von Drospirenon wird durch einen starken Anstieg des Aldosteronspiegels kompensiert.

glukokortikoide Partialwirkung Progesteron Chlormadinonacetat Cyproteronacetat Medroxyprogesteronacetat Gestoden Etonogestrel (3-KDG) Promegeston Die Wirkung kommt über die Bindung an den Glukokortikoidrezeptor zustande. Sie kann vor allem in der Gefäßwand bei der Entstehung kardiovaskulärer Ereignisse eine Rolle spielen. Durch Kompetition mit Cortisol um die Rezeptor-bindung kann dessen Wirkung abgeschwächt werden.

Herkert et al. Circulation 104 (2001) 2826 Hochregulierung des Thrombinrezeptors durch Gestagene Steroidhormon Hochregulierung des Thrombin-rezeptors Rel. Bindungsaffi-nität zum Gluko-kortikoidrezeptor Dexamethason +++ 100% Medroxyprogesteronacetat ++ 29% Progesteron 10% 3-Keto-desogestrel 14% Gestoden 27% Norethisteron - 0% Levonorgestrel 1% Norgestimat Ethinylestradiol

Glukokortikoide und antiglukokortikoide Wirkungen von MPA MPA stimuliert die Synthese des Thrombin-rezeptors in der Gefäßwand und verstärkt die prokoagulatorische Aktivität. MPA hemmt die glukokortikoid-induzierte Knochenresorption. MPA kann den Knochenmasseverlust über seine glukokortikoide Wirkung steigern (Hemmung der Osteoblasten-differenzierung).

Glukokortikoide und antiglukokortikoide Wirkung von MPA Protektiver Effekt normaler Dosen MPA auf die Cortisol-induzierten Osteoporose (i.m. 200 mg MPA alle 6 Wochen über 1 Jahr bei Asthma-Patienten)? 5 x 200 mg MPA reduzieren ACTH-, Cortisol- und ß-Endorphin-Spiegel um 35%. 400-600 mg MPA induzierten Cushing Syndrom. Nach 6 Monaten Therapie mit 100 mg CPA Reduktion der Cortisolspiegel.

Zusammenfassung Bei disponierten Frauen können Gestagene mit androgener Aktivität leichte Androgenisierungserscheinungen hervorrufen. Zur Therapie von Androgenisierungserscheinungen eignen sich Gestagene mit antiandrogenen Eigenschaften. Bei Patientinnen mit Endothelschäden (z.B. Atherosklerose) können Gestagene mit glukokortikoider Wirkung den günstigen Effekt der Estrogene beeinträchtigen. Gestagene mit glukokortikoider Wirkung können die extrinsische Gerinnung fördern. Gestagene mit androgener Aktivität können die estrogen-abhängigen Veränderungen der Hämostase reduzieren. Bei Frauen, die zu Wassereinlagerung und Ödemen neigen, können Gestagene mit antimineralokortikoider Wirkung einen günstigen Effekt haben.