Bipolare affektive Störung

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 Präsentation transkript:

Bipolare affektive Störung

ICD-10 F 31.0 – F 31.2: hypomanische oder manische Episode mit oder ohne psychotische Symptome F31.3 – F31.5: leichte oder mittelgradige depressive Episode mit oder ohne somatischem Syndrom F31.4 – F31.5: schwere depressive Episode mit oder ohne psychotische Symptome F31.6:gemischte Episode F31.7: gegenwärtig remittiert F31.8: sonstige bipolare affektive Störungen F31.9: nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung

Definition „Manie ist das Feuer, Depression ist die Asche.“ Die bipolare affektive Störung (manisch-depressive Erkrankung) ist eine psychische Störung und gehört zu den affektiven Störungen. gekennzeichnet durch episodisch, willentlich nicht beeinflussbare und kontrollierbare zweipolig entgegengesetzte (bipolare) Auslenkungen des Antriebs, der Stimmung und der Aktivität, die weit über dem Normalniveau abwechselnd in Richtung Depression oder Manie reichen. Episodischer Verlauf mit depressiven, manischen oder gemischten Episoden

Depressive Episode Überdurchschnittlich gedrückte Stimmung Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit, innere Leere Häufig sind suizidale Gedanken, -impulse oder –handlungen Interessenverlust Gewichtsverlust oder –zunahme um mehr als 5% im Monat Schlafstörung oder übersteigertes Schlafbedürfnis Psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung (Erschöpfung) Gefühl der Wertlosigkeit oder ausgeprägte und unangemessene Schuldgefühle (können wahnhaft sein)

Depressive Episode Verminderte Fähigkeit, zu denken oder sich zu konzentrieren und/oder Entscheidungsunfähigkeit Wiederkehrende Todesgedanken (nicht nur Furcht zu sterben), wiederkehrende Suizidgedanken ohne spezifischen Plan oder ein Suizidversuch oder eine konkrete Planung eines Suizids Die Symptome verursachen ein Leiden und eine Beeinträchtigung im sozialen, beruflichen und familiären Rahmen

Manische Episode Gesteigerter Antrieb und Rastlosigkeit, häufig mit inadäquat euphorischer oder gereizter Stimmung einhergehend Fähigkeit zur Prüfung der Realität stark eingeschränkt oder aufgehoben Betroffene können sich in große Schwierigkeiten bringen Gehobene, überschwängliche oder gereizte Stimmung Übertriebenes Selbstbewusstsein bis zum Größenwahn Verringertes Schlafbedürfnis (Erholungsgefühl bereits nach 1 -3 Stunden Schlaf, auch Schlaflosigkeit ist nicht selten) Rededrang, gesprächiger als üblich Ideenflucht oder subjektives Gefühl des Gedankenrasens Zerstreutheit (Aufmerksamkeit wird zu belanglosen oder unwichtigen Reizen gelenkt) Zunahme zielgerichteter Aktivitäten oder psychomotorische Unruhe Exzessive Beschäftigung mit angenehmen Tätigkeiten (geschäftliche Investitionen, sexuelle Aktivitäten, Kaufräusche) Oft Selbst- und Fremdschädigung, oft mit psychotischen Symptomen (Wahn)

Hypomanische Episode Keine stark ausgeprägte Manie typischerweise ohne gravierende soziale Konsequenzen Dennoch deutlich über dem normalen Aktivitäts- und Stimmungsausschlag mit ständig gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die eindeutig verschieden von der üblichen nichtdepressiven Stimmung ist Symptome wie in der Manie, jedoch nicht so ausgeprägt, dass es zu ausgeprägten Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder familiären Aufgabenbereichen kommt Es gibt keine psychotischen Merkmale (Realitätsbezug bleibt erhalten)

Gemischte Episode Gleichzeitiges oder rasch wechselndes Auftreten von Symptomen der Manie und der Depression Z.B. verstärkter Antrieb bei gedrückter Stimmung (Suizidgefahr!) Die Störung der Stimmung kann sehr ausgeprägt sein Psychotische Begleitungen sind möglich Oft negative Folgen im beruflichen, sozialen und familiären Bereich Häufig von Suizidalität begleitet (Suizidgedanken, -impulse und –versuche) – durch erhöhten Antrieb ist das Suizidrisiko höher als in der reinen Depression, in der der Antrieb vermindert ist Mischzustände treten häufig in der postmanischen Phase auf Schwere Episoden, die oft schwerer zu behandeln sind als die klassischen Phasen der bipolaren Störung

Suizidalität Suizidrisiko ist sehr hoch (15 bis 30 %) Gehäuft zwei bis fünf Jahre nach Erstmanifestation Gefährdet sind depressive Menschen, bei denen die Lähmung des Antriebs noch nicht vorhanden oder bereits wieder verbessert ist In Mischphasen oft Verzweiflung mit gehobenen Antrieb Nach mehreren durchlebten Phasen wird die Antizipation einer erneuten depressiven Phase häufig zur Qual

Diagnosestellung Diagnostik erfordert eine ausführliche Anamnese und Exploration der Betroffenen Häufig werden über Jahre Fehldiagnosen gestellt Schwierig: ca. 30% gemischte Episoden Komorbidität, insbesondere Alkohol- und Drogenkonsum, insbesondere in manischen Phasen („…um runter zu kommen…“) führt zur Fehldiagnostik Die rezidivierende unipolare Depression ist weitere häufige Fehldiagnose (hypomane Phasen werden nicht als solche erkannt) Abgrenzung zum ADHS oft schwierig Psychotische Symptome, die bei schweren Manien oft vorkommen, werden häufig als Schizophrenie oder schizoaffektive Störung diagnostiziert.

Verlauf Auftreten meistens nach einem belastenden Lebensereignis Erstmanifestation meistens im Alter zwischen 15 und 30 Jahren Innerhalb der ersten 10 Jahre meistens 4 verschiedene Phasen (Phasen dauern unterschiedlich lang, jedoch sind die manischen Phasen meist kürzer, mit zunehmendem Alter längere depressive Phasen) Nach einigen Phasen Ausbildung einer inneren Rhythmik auch unabhängig von äußeren Einflüssen

Verlaufsformen Bipolar I: 7 bis 14 Tage (selten länger) andauernde manische Episode (Hochphase), gefolgt von mindestens einer depressiven Episode Bipolar II: mindestens 14 Tage andauernde depressive Episode gefolgt von mindestens einer hypomanischen Phase Switching (Polaritätswechsel): übergangsloser Wechsel zwischen Manie (oder Hypomanie) und Depression Rapid cycling: mindestens vier Episodenwechsel in einem Jahr

Ursachen Genetische Faktoren (insbesondere Verwandtschaft 1. Grades) Biologische Faktoren (Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin hemmen oder verstärken die Informationsübertragung) Psychosoziale Faktoren (Lebensgeschichte, angstauslösende Situationen) Sozialisierungsfaktoren (unregelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus, Schlafmangel, Überarbeitung, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Stress)

Psychodynamik der Bipolaren Störung Nach der elementaren Konstituierung des Selbst mit seiner Abgrenzung vom Objekt (Mutter) und der elementaren Integration der „guten“ und „bösen“ Selbst- und Objektanteile muss der Aufbau des Selbstwertgefühles erfolgen (Herstellung der subjektiven Überzeugung von Güte, Größe und Stärke des Selbst). Ausstattung des Selbst mit Eigenschaften, die es lieb, bewundernswert, achtenswert und einzigartig erscheinen lassen. Dieser Prozess führt nach gelungener Entwicklung zu einem stabilen, realistisch-fundierten Selbstwertgefühl (langer und komplizierter Vorgang).

Psychodynamik der bipolaren Störung „Der Glanz in den Augen der Mutter“ (Kohut) trägt erheblich zur gesunden Entwicklung des Ideal-Selbst bei. Das Lob, die Ermutigung, die Bewunderung durch die Mutter (und wichtiger Bezugspersonen) erhält das Selbstwertgefühl lebenslang aufrecht. Die Beziehungsgestaltung ist für die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühles extrem wichtig. Im Erwachsenenalter werden neben dem Leitbild der Eltern auch andere Leitbilder gesucht (Idealisierung).

Psychodynamik der Bipolaren Störung Das Über-Ich ist weitere wichtige Instanz zur Regulation des Selbstwertgefühls. Über-Ich = moralische Instanz, Gewissen (Strenge, Disziplin, Strafe, Gebote, Verbote) Was hat das mit Liebe und Bindung zu tun? Das Kind macht sehr früh die Erfahrung, dass die Zuwendung und Liebe der Eltern sowie die Befriedigung seiner sonstigen Bedürfnisse an bestimmte Bedingungen (Einhalten von Regeln, Verboten usw.) gebunden ist.

Psychodynamik der Bipolaren Störung „Die besondere Leistung der mit dem Schlagwort Über-Ich bezeichneten Struktur des Ich besteht nun darin, die Summe aller dieser erforderlichen „Bedingungen“ in einem kohärenten „Gesetzbuch“ zur Verfügung zu stellen und das Individuum dazu zu bringen, dieses „Gesetzbuch“ als selbst gewollt und selbst geschaffen zu empfinden.“ (Stavros Mentzos, 2002) ist das gut gelungen, entsteht die subjektive Überzeugung: „Das sind meine Prinzipien.“ Gelungene Entwicklung bedeutet somit, dass das Selbst und das Über-Ich am „selben Strang“ ziehen und somit das Selbstwertgefühl regulieren. Das Selbst wird gestärkt, Selbstwertgefühl und Selbstachtung sind stabil.

Psychodynamik der Bipolaren Störung Misslingt dieser wichtige Entwicklungsprozess des Selbst ist der Mensch vulnerabel für die Herausbildung psychischer Störungen. Menschen sind psychisch weniger stabil und höher verletzlich Kommt es zu einer Gefährdung des Selbstwertgefühls „steuert“ der Mensch dagegen (Wunsch der psychischen Integrität) entweder: regressive Mobilisierung des Größenselbst (Manie) oder regressive Mobilisierung einer früheren Stufe der allmächtigen Eltern- Imago (Depression)

Psychodynamik der Bipolaren Störung „Die Depression oder Manie ist ein verzweifelter Versuch zur Rettung des Selbstwertgefühls, sei es durch „Überbordwerfen des Über-Ichs (Freud) bei gleichzeitiger Aufblähung des Größenselbst oder umgekehrt (in der Depression) durch die Überaktivierung archaischer Formen des Über-Ichs sowie der Elternidealisierung (der Depressive verdammt und erniedrigt sich selbst, während er das Objekt idealisiert.“ (Stavros Mentzos, 2002)

Therapie Eine gute medikamentöse Einstellung ist wichtig (Neuroleptika, SNRI, Benzodiazepine, Lithium ist das bewährteste Mittel zur Phasenprophylaxe) Dabei ist zu beachten: Alkohol- und Drogenabstinenz Keinen oder wenig Koffein Gesunde Schlafarchitektur Vermeidung von Stress Gesunde Ernährung, genügend Bewegung Günstig: stabile Beziehungen

Therapie Neben einer exakten medikamentösen Einstellung ist ein auf die Störung abgestimmte psychotherapeutische Behandlung wichtig und notwendig. Im Akutfall ist eine supportiv stützende Therapie indiziert. Bei einer guten phasenprophylaktischen Einstellung ist eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sehr sinnvoll, um biografische Entitäten zu klären und Entwicklungsdefizite zu erkennen und somit dem Selbst die Chance der Nachreifung zu ermöglichen. Psychoedukation ist notwendig (Die Betroffenen können mit ihrer Erkrankung meist besser umgehen, wenn sie sie verstehen.)

Beziehungsgestaltung Gut zuhören !!!!! Die Stimmung der Betroffenen kann sich täglich ändern! Empathie, Wertschätzung, Authentizität und Akzeptanz sind die wichtigsten Prämissen der Gesprächsführung. Bei psychischer Labilisierung: Übernahme von Hilfs-Ich-Funktionen Eigene emotionale Befindlichkeiten immer reflektieren (Weshalb reagiere ich so oder so und was hat das mit mir oder mit dem Klienten zu tun?) Ggf. Bahnung einer stationären Aufnahme zur Krisenintervention im Krisenfall