Vorlesung in Innsbruck im Sommersemester 2007

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Vorlesung in Innsbruck im Sommersemester 2007 Soziale Kognition Vorlesung in Innsbruck im Sommersemester 2007 Ina Grau Universität Bielefeld

Themen Paradigmen in der Sozialpsychologie Dissonanz Selbstwahrnehmung Attribution Urteilsheuristiken Schemanutzung Selbstkonzept Attribution und Wahrnehmung in Partnerschaften Soziale Kognition bei der Beantwortung von Fragebogenitems

zusätzliche Themen Interdependenz, Equity Einstellungen Emotionen Bindungstheorie Sozialer Vergleich Intergruppenverhalten

Literatur Stroebe, W., Jonas, K. & Hewstone, M. (2002). Sozialpsychologie. Eine Einführung. (4. Auflage). Berlin: Springer. (Soziale Kognition, Attribution, Emotion, Einstellung, Intergruppenbeziehungen) Fiske, S.T. & Taylor, S.E. (1991). Social Cognition. 2nd. ed. New York: McGraw-Hill. (Selbstkonzept) Frey, D. & Irle, M. (1993). Theorien der Sozialpsychologie. Band I, III. Bern: Huber. (Dissonanz, Equity (I), Konzeptgesteuerte Informationsverarbeitung, Urteilsheuristiken (III))

Literatur Athenstaedt, Freudenthaler & Mikula (2002): Die Theorie sozialer Interdependenz. In D. Frey & M. Irle (Hrsg.). Theorien der Sozialpsychologie. Band II. Bern: Huber Grau, I. & Bierhoff, H.W. (Hrsg.) (2003). Sozialpsychologie der Partnerschaft. Berlin: Springer. (Wahrnehmung und Attribution in Partnerschaften)

Internetadresse Folien http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/fvan_veen

Definition "Social psychologists regard their discipline as an attempt to understand and explain how the thought, feeling and behaviour of individuals is influenced by the actual, imagined or implied presence of others." (Allport, 1954, p. 3)

Grundlegende Paradigmen Evolutionspsychologische Sichtweise: Verhalten wird dahingehend analysiert, welchen Nutzen es für die Fortpflanzung hat Kognitive Sichtweise: Der Mensch verarbeitet Informationen auf rationale Weise Motivationale Sichtweise: Der Mensch handelt, um seine Bedürfnisse zu befriedigen Lernpsychologische Sichtweise: Der Mensch zeigt das Verhalten, für das er in der Vergangenheit belohnt (verstärkt) wurde, und unterlässt das Verhalten, für das er bestraft wurde

Beispiel 1: Evolutionspsychologie Evolutionspsychologische Sichtweise: Verhalten wird dahingehend analysiert, welchen Nutzen es für die Fortpflanzung hat Beispiel: Männer bevorzugen Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter, um ihre Gene weiterzugeben

Beispiel 2: Kognitive Sichtweise Kognitive Sichtweise: Der Mensch verarbeitet Informationen auf rationale Weise Attribution: Wenn Peter immer Angst vor dem Hund Bello hat, niemand sonst Angst vor Bello hat und Peter auch Angst vor anderen Hunden hat, wird die Angst auf die Person Peters attribuiert.

Beispiel 3: Motivationale Sichtweise Motivationale Sichtweise: Der Mensch handelt, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Dissonanztheorie, Balancetheorie, Equity-Theorie, Selbstwertschutz, Impression Management, Soziale Identität Der Mensch strebt nach Konsistenz (Balance, Equity usw.), empfindet Erregung bei Nicht-Erreichen und ist motiviert, den Zielzustand herzustellen. Bei Attribution: Der Mensch attribuiert negative Ereignisse external, um seinen Selbstwert zu schützen.

Beispiel 4: Lerntheorie Lernpsychologische Sichtweise: Der Mensch zeigt das Verhalten, für das er in der Vergangenheit belohnt (verstärkt) wurde, und unterlässt das Verhalten, für das er bestraft wurde Operante (Instrumentelle) Konditionierung Beispiel Impression Management: Man möchte sich positiv darstellen, weil man in der Vergangenheit damit Anerkennung (Belohnung) bekommen hat Equity-Theorie: Auch hier geht es um Belohnung, wobei es allerdings als belohnend empfunden wird, wenn die Ressourcen gerecht verteilt werden

Unterschied Lern - Motivation Lernpsychologische Sichtweise: Der Mensch zeigt Verhalten, für das er in der Vergangenheit mit irgendetwas belohnt wurde. Motivation: Der Mensch strebt nach künftiger, ganz bestimmter Belohnung. Unterschied liegt in der Zeitperspektive und der Austauschbarkeit bzw. fehlenden Austauschbarkeit der Belohnung. Weiterer Unterschied: Lerntheoretiker betonen Umgebungseinfluss (Black Box), Motivationspsychologen betonen innere Zustände des Menschen.

Gemeinsamkeit Lern - Motivation Motivationstheoretiker müssen anerkennen, dass der Mensch etwas gelernt hat, weil er sonst nicht wüsste, mit welchem Verhalten er die Belohnung erlangt. Lerntheoretiker müssen anerkennen, dass Individuen Bedürfnisse haben, weil die Belohnungen sonst nicht belohnend wirken können.

Unterschied Kognition - Motivation Kognition: Der Mensch denkt rational, verarbeitet Informationen möglichst objektiv. Denkfehler entstehen, weil Informationen fehlen bzw. unzureichend erinnert oder verarbeitet werden. Motivation: Der Mensch denkt rationalisierend und manipuliert Kognitionen so, dass Bedürfnisse befriedigt werden, z.B. nach einem positiven Selbstbild.

Einordnung von Theorien in die kognitive Sichtweise Attributionstheorie: Es werden Informationen gesammelt, daraus Schlüsse gezogen bzgl. der Ursache von Ereignissen Kognitive Schemata: Der Mensch nimmt Informationen auf der Grundlage seines Vorwissens auf und verarbeitet sie weiter. Selbstkonzept: Der Mensch hat Kognitionen über sich selbst, die in Auseinandersetzung mit der Umwelt gebildet und weiterverarbeitet werden

Einordnung von Theorien in die kognitive Sichtweise Dissonanztheorie: handelt zwar von dem Bedürfnis nach Konsistenz, allerdings zwischen verschiedenen Kognitionen Balancetheorie: Bedürfnis nach Konsistenz in den Beziehungen zwischen Elementen, diese Beziehungen werden aber in Form von Kognitionen behandelt Equity-Theorie: behandelt Bedürfnis nach Ausgewogenheit in den Belohnungen, das Ausmaß der Belohnungen wird aber kognitiv bestimmt. Die Theorie ist damit gleichzeitig Lern-, Motivations- und kognitive Theorie

Einordnung von Theorien in die kognitive Sichtweise Impression Management-Theorie: Die Herausgeber Frey und Irle ordnen diese in die Motivationstheorien ein (Bedürfnis nach Kontrolle über den Eindruck, den man auf andere macht), der Autor des Kapitels (Mummendey) hält sie für eine Lerntheorie (man hat in der Vergangenheit durch bestimmte Selbstdarstellung Vorteile erlangt). Einordnen könnte man sie auch als kognitive Theorie, da der Akteur Hypothesen darüber aufstellt (durch sein Vorwissen), mit welcher Selbstdarstellung man welche Wirkung erzielt.

Methoden der Sozialpsychologie Methoden der Sozialpsychologie dienen der systematischen Gewinnung empirischer Daten (zur Überprüfung einer Theorie oder zur Untersuchung eines Problems)

Theorie – Hypothese Beispiel: Schachters Affiliationstheorie; Hypothese: Furcht erzeugt den Wunsch, die Gesellschaft von "Leidensgenossen" aufzusuchen. Operationalisierung: Vom Konstrukt zur Variable (z.B.: wie lässt sich "Furcht" operationalisieren, wie "Kontaktsuche"?)

Techniken der Datenerhebung Beobachtung Befragung Implizite Verfahren

Drei Untersuchungstypen deskriptiv korrelativ experimentell

Hauptvorteil des Experiments: Ermöglicht Kausalanalyse. Warum ist Zufallszuweisung der Schlüssel hierzu? Kausalität hat 3 notwendige Bedingungen: dass die aV mit der uV kovariiert, dass die uV der aV zeitlich vorausgeht, und dass eine Verursachung der aV durch alternative Mechanismen ausgeschlossen werden kann. Auch nichtexperimentelle Methoden erlauben die Beobachtung von Kovariation und zeitlicher Abfolge sowie die Kontrolle von bekannten Störvariablen. Allein Zufallszuweisung ermöglicht die Kontrolle bisher unbekannter Störvariablen.

Hauptmerkmale des Experiments: Unabhängige Variable wird vom Versuchsleiter willkürlich manipuliert, abhängige Variable wird gemessen UV ist nominalskaliert, AV meist intervallskaliert Auswertung daher mit Varianzanalyse Versuchsleiter teilt Probanden zufällig in die Gruppen (=Ausprägungen der UV) ein

Faktorielle Versuchspläne: Mehrere uV gekreuzt Vorteile: Erhöht die experimentelle Kontrolle, ermöglicht das Testen komplexer Hypothesen Beispiel: uV1: Qualität der Argumente einer Botschaft uV2: Grad der Ablenkung aV: Einstellung Hypothese: Ablenkung erhöht die Überzeugungswirkung schlechter Argumente und reduziert die Überzeugungs-wirkung guter Argumente. Dies impliziert einen Interaktionseffekt.

Interaktionseffekt: Beispiel 1 gute Argumente schlechte Argumente geringe Ablenkung starke Ablenkung © Gerd Bohner 2001

Interaktionseffekt: Beispiel 2

Kein Interaktionseffekt

Kritik am Experiment / Probleme Künstliche Situation? Alltagsrealismus vs. experimenteller Realismus Ahistorisch? Abstraktion von historisch-kulturellen Besonderheiten Ethisch bedenklich? (Stichwort Täuschung) Zweck der Täuschung; informierte Einwilligung, Aufklärung Nicht alle Fragestellungen experimentell untersuchbar