Erhebliche Wettbewerbs-beeinträchtigung

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Erhebliche Wettbewerbs-beeinträchtigung Adrian Raass / November 2014

Inhalt Erheblichkeit gemäss Einige ungelöste Fragen BVGer Praxis Weko Adrian Raass / November 2014 Inhalt Erheblichkeit gemäss BVGer Praxis Weko formaler Logik Verständnis Wettbewerb als Prozess A maiore ad minus Einige ungelöste Fragen

Erheblichkeit gemäss Urteilen des BVGer Adrian Raass / November 2014 Erheblichkeit gemäss Urteilen des BVGer Urteil vom 19. Dezember 2013 (Gaba): Gebietsabreden beseitigen den Wettbewerb gemäss Art. 5 Abs. 4 KG vermutungsweise, also «ist (…) a maiore ad minus auch bei einer Abrede wie der vorliegenden eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs gegeben, unabhängig von allfälligen Marktanteilen.” (E.11.3.4). Urteil vom 23. September 2014 (Siegenia-Aubi): “Zum heutigen Zeitpunkt besteht im schweizerischen Kartellrecht somit keine per se-Erheblichkeit, weshalb die Auswirkungen von Absprachen auf dem Markt durch die Vorinstanz zu untersuchen sind.“ (E.6.1.3) Vgl. auch Tschudin, Glauben-Wissen-Zweifeln, …, 2014, S. 15 per se-Erheblichkeit ????? Keine per se-Erheblichkeit

Adrian Raass / November 2014 Praxis Weko Zusammenfassung aus Verfügung Kosmetikprodukte vom 21. Oktober 2013, Rz. 219 f Widerlegung der Vermutung gelingt in der Regel, ausser wenn die Abrede im gesamten relevanten Markt besteht und somit auch horizontale Auswirkungen zeitigt Bei der Prüfung der Erheblichkeit werden sowohl qualitative wie auch quantitative Kriterien berücksichtigt Weshalb? Weil der Gesetzgeber Vermutungstatbestände geschaffen hat?* qualitativ schwerwiegende Beeinträchtigung kann trotz quantitativ geringfügiger Auswirkungen erheblich sein (und umgekehrt) Weshalb? Wo ist das Schadenspotenzial (Orientierung an KG 1) Bei der Frage, ob eine Wettbewerbsbeschränkung den Wettbewerb quantitativ beeinträchtigt, beginnt die Analyse ausgehend von einer Situation, in der (hypothetisch) ein uneingeschränkter Wettbewerb besteht. Was heisst «uneingeschränkter Wettbewerb»? Atomistische Konkurrenz? Mehr Wettbewerber immer besser als weniger Wettbewerber? Wo Frage nach Marktmacht? Aus dieser Perspektive werden an die quantitativen Auswirkungen von qualitativ schwerwiegenden Abreden keine hohen Anforderungen gestellt, um die Frage der quantitativen Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu bejahen Weshalb? Wie kann eine Abrede etwas Schädliches bewirken, wenn die Abnehmer/Lieferanten zur Konkurrenz ausweichen können, also Wettbewerb besteht? *Stoffel, 2000, S. 96: Wenig wahrscheinlich, dass ein Wettbewerbsparameter so wenig Bedeutung, dass er als unerheblich erscheint. I.d.P. keine Beispiele für Abreden mit unerheblichen Wettbewerbsparametern.

Adrian Raass / November 2014 Herleitung aus formaler Logik Aus A. Raass, eine Frage der Erheblichkeit. Sic! 2004, S. 911 ff. «für alle x: (Ex^¬Fx) => Ax» Schäden (BV 96, KG 1) bewirkt die Erheblichkeit, nicht fehlende Effizienzgründe Bei der Frage der Erheblichkeit ist zu zeigen, dass die Abrede zu volkswirtschaftlich oder sozialen Schäden führen würde (ungeachtet allfälliger Effizienzvorteile) Notwendige und hinreichende Bedingung: Begründung oder Verstärkung von Marktmacht durch Abrede Beweisführung in der Praxis unbeachtet: «glaube das nicht», «mit Prädikatenlogik lässt sich in der Jurisprudenz wenig anfangen» ᶺ (für alle x gilt: wenn eine Wettbewerbsabreden x den Wettbewerb erheblich beeinträchtigt (E) und ( ^ ) sich nicht (¬) durch Effizienzgründe (F) rechtfertigt, dann bewirkt sie volkswirtschaftliche oder soziale Schäden (A)) (volkswirtschaftlicher oder sozialer Zustand vor Abrede = Z; nach (nicht untersagter) Abrede ist Zustand < Z; Differenz ist E, nicht F, da F = 0 oder > 0)

Herleitung aus Verständnis des Wettbewerbs als Prozess Adrian Raass / November 2014 Herleitung aus Verständnis des Wettbewerbs als Prozess *«Erhöhte Marktmacht bezeichnet die Fähigkeit eines oder mehrerer Unternehmen, Gewinn bringend ihre Preise zu erhöhen, den Absatz, die Auswahl oder Qualität der Waren oder Dienstleistungen zu verringern, die Innovation einzuschränken oder die Wettbewerbspa-rameter auf andere Weise zu beeinflussen.» Leitlinien EU zur Bewertung horizontaler Zusammen-schlüsse, 2004, Rz. 8 Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren (F. A. von Hayek, 1968), d.h. Resultate können nicht vorausgesagt werden «Der Wettbewerb …steuert das Angebot gemäss den Käuferpräferenzen, … schafft Anreize zu bestmöglicher Leistung, … fördert die Produkt- und Prozessinnovation, und er zwingt zur Anpassung an sich verändernde Daten.» (Botschaft KG 1995, S. 472) Den Prozess funktionsfähig halten, dann keine Schäden (BV 96, KG 1) Prozess ist funktionsfähig, solange keine dauerhaften Marktmachtpositionen* Solange Prozess funktionsfähig: NICHT EINGREIFEN! Was muss – nach diesem Wettbewerbsverständnis (Botschaft 95) – Voraussetzung sein, dass Abrede Wettbewerb erheblich beeinträchtigen kann?

Herleitung a maiore ad minus? Adrian Raass / November 2014 Herleitung a maiore ad minus? Kann aus der Vermutung der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs automatisch auf eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung geschlossen werden? Logisch nicht schlüssig Wenn nicht beseitigt, dann nicht zwingend erheblich beeinträchtigt (Prozess kann nach wie vor funktionieren) Wenn Parlament sagt, A ist mit grösserer p schädlich, dann hat A nicht zwingend immer Schädlichkeitspotenzial (vgl. auch das Bäckerbeispiel der Weko in RPW 2008/1, S. 214, Rz. 11) Ökonomische Gründe (Kosten/Nutzen-Überlegungen): Wenn klar, dass (fast) immer schädlich Quick look notwendig (Art. 96 BV und KG 1 sprechen von Auswirkungen; Bäckerbeispiel Weko)? Unterscheidung horizontal - vertikal

Einige ungelöste Fragen Adrian Raass / November 2014 Einige ungelöste Fragen Falls Auswirkungen von Abreden zu untersuchen sind: Wie macht man das? Allfällige Effizienzgründe schon drin, d.h Vermengung Erheblichkeit und Effizienz → Auswirkungen geben Auskunft über (Un)Zulässigkeit, nicht Erheblichkeit Viele Einflussfaktoren, kaum eine Einflussgrösse alleine entscheidend (z.B. Preisdifferenzen bei Produkt X und Y; bei X neben unterschiedlichen Verpackungen CH – Ausland zusätzlich vertragliche Parallelimportbehinderungen; wie gross sind Auswirkungen Parallelimportbehinderungen?) Welches ist das Counterfactual? Konsumentenrente oder soziales Total? bei Preisdifferenzierungen (wir sind mit der Welt verbunden; Unternehmen agieren global; die Behörden interessieren die nationalen Preise)? Bei ex ante Prüfungen (Widerspruchsverfahren)?

Weitere ungelöste Fragen Adrian Raass / November 2014 Weitere ungelöste Fragen Unterscheidung Erheblichkeitsbegriff bei Verticals und Horizontals? Erheblichkeit in der Zusammenschlusskontrolle (SIEC-Test): Andere Erheblichkeit als in Art. 5 KG? Ist die Erheblichkeit das Problem oder sind die Vermutungstatbestände das Problem? Was haben die Vermutungstatbestände in der Praxis gebracht? Was kann aus den Vermutungstatbeständen auf die Erheblichkeit einer Wettbewerbsbeeinträchtigung abgeleitet werden? Rechtssicherheit - Klarheit, Beständigkeit, Vorhersehbarkeit und verlässlichen Gewährleistung von Rechtsnormen?

Vielen Dank für Ihre Geduld! Adrian Raass / November 2014 Vielen Dank für Ihre Geduld! Im Blog Wettbewerbspolitik.org finden Sie ein Weihnachtsmärchen und andere Beiträge zur Erheblichkeit