Methoden der Chemie III – Teil 1 Modul M. Che

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 Präsentation transkript:

Methoden der Chemie III – Teil 1 Modul M. Che Methoden der Chemie III – Teil 1 Modul M.Che.1101 WS 2010/11 – 10 Moderne Methoden der Anorganischen Chemie Mi 10:15-12:00, Hörsaal II George Sheldrick gsheldr@shelx.uni-ac.gwdg.de

Die Röntgenstrukturverfeinerung Die Atomkoordinaten x, y, z und Auslenkungsparameter U (isotrop) bzw. U11, U22, … U23 (anisotrop, 6 Parameter) werden verfeinert, bis ein Minimum der Summe der gewichteten quadrierten Differenzen Reflexe w (Fo2–Fc2)2 erreicht wird. Bei isotropen Atomen: A=  fj cos[2(hx+ky+ℓz)] exp(–82U sin2/2) B=  fj sin[2(hx+ky+ℓz)] exp(–82U sin2/2) Fc2 = A2 + B2; c = tan–1(B/A) Als Gütekriterium dient: R =  |Fo–Fc| /  |Fo| Dieser R-Wert berücksichtigt aber nicht, dass die Struktur genauer wird, wenn das Daten-zu-Parameter Verhältnis steigt. Als Maßstab für die Genauigkeit einer Strukturbestimmung wäre die Standardabweichung einer typischen Bindungslänge besser geeignet!

Anisotrope Bewegung Für anisotrope Atome wird exp(–82U sin2/2) in der Strukturfaktor-Berechnung ersetzt durch: exp{–22[U11h2a*2+U22k2b*2+U33ℓ2c*2+2U23kℓb*c*+2U13hℓa*c*+2U12hka*b*]} Nach anisotroper Verfeinerung werden die Atome mit 50%-Aufenthalts-wahrscheinlichkeitsellipsoiden (ORTEP-Diagramm) dargestellt. Große Ellipsoide bedeuten aber nicht unbedingt große Bewegungen; sie können von einer nicht aufgelösten Unordnung (zwei oder mehrere Atomlagen nah aneinander) stammen oder von einer falschen Elementzuordnung (das Atom sollte weniger Elektronen besitzen, sollte z. B. O statt Cl sein). Bei den 50%-Aufenthaltswahrscheinlichkeitsellipsoiden ist es zu 50% wahrscheinlich, dass das Atom sich irgendwo anders befindet! Bei großen Ellipsoiden ist bei der Interpretation der dritten Nachkommastelle einer Bindungslänge (in Å) Vorsicht geboten.

Schwingungsellipsoide und ORTEP-Diagramme Die sehr großen Ellipsoide des Anions N(SO2F)2– bei 290 K ließen sich entweder mit großen Bewegungen oder mit einer Unordnung erklären. Zwei oder mehr Lagen eines fehlgeordneten Atoms können mit einem ausgeprägten Schwingungs-ellipsoid modelliert werden. Hier deuten sowohl die normale gestaffelte Konformation bei 112 K und die ekliptische Konformation bei 290 K als auch die Bindungslängen (S-O,F alle im Bereich 1.24–1.36 Å bei 290 K bzw. S-F 1.57, S=O 1.42 Å bei 112 K) auf eine Unordnung hin. 290 K F O O N O S S 112 K O F

Auslenkungsparameter und Unordnung Ungewöhnliche Auslenkungsparameter werden oft durch Fehlordnungen verursacht. Häufig liegt ein Molekül auf einer speziellen Lage, die höhere Symmetrie besitzt, als das Molekül selbst. In diesem Beispiel liegt das Molekül HO auf einer zweizähligen Drehachse, mit der Folge, dass die Hydroxylgruppe eine effektive Besetzung von 50% hat. Ein Versuch, ‘beide’ Sauerstoffatome mit vollen Besetzungen zu verfeinern, führt zum ORTEP-Plot rechts. Eine ähnliche Unordnung wird oft bei einem Toluolmolekül auf einem Inversions-zentrum beobachtet.

Das ORTEP-Diagramm als Diagnostik Wenn die Elementzuordnung nicht sicher ist, kann man die Struktur mit allen Nicht-Wasserstoffatomen als Kohlenstoff gesetzt verfeinern. Anschließend wird ein Ortep-Diagramm mit 50% Aufenthaltswahrscheinlichkeits- ellipsoiden berechnet. Ellipsoide, die zu klein aussehen, sind Atome mit höheren Ordnungszahlen als Kohlenstoff. Mit einer Reduzierung der Bewegung versucht die Verfeinerung die fehlenden Elektronen auszugleichen (hier vor allem beim S-Atom).

Libration Je höher die Temperatur, desto kürzer erscheinen die Bindungslängen, obwohl gleichzeitig die Elementarzelle größer wird! Dies liegt daran, dass endständige Atome sich oft in Kreisbögen bewegen. Diese Bögen werden mit Ellipsoiden gefittet, wobei das Zentrum eines Ellipsoids immer innerhalb des Kreisbogens liegt. U [U (B) – U (A)] Diese Korrektur liegt im Bereich 0.001 – 0.1 Å, je nach U, die mit zunehmender Temperatur steigt. Sie ist besonders ausgeprägt für kleine Ionen wie NO3–, BF4–, ClO4–, PF6– und für –CF3-Gruppen. In der Praxis wird die Librationskorrektur häufig ‘vergessen’. Es ist natürlich besser, Tieftemperaturdaten zu messen, um die Korrektur und die damit verbundene Unsicherheit möglichst klein zu halten. U (B) U (A) r ~ r B = A 2r 2r r

Die Differenzelektronendichtekarte Eine Fouriersynthese mit Beträgen Fo–Fc und Phasen c wird benutzt, um die restlichen (z.B. Wasserstoff-) Atome zu finden. In diesem Beispiel liegen zwei H-Atome in der Ebene: ein Imin-H-Atom an N(4) und ein H-Atom der Methylgruppe C(5).

Beispiel einer problematischen Atomzuordnung Bei der erhofften Verbindung: [(CH3)3Si]2N N Sn [(CH3)3Si]2N war die Struktur auf den ersten Blick wie erwartet, aber die N Sn ‘Doppelbindung’ hatte die gleiche Länge wie die zwei normalen N Sn Einfachbindungen! Die Differenzelektronendichtekarte, nach einer Verfeinerung mit allen Ringatomen als Kohlenstoff, löste das Rätsel. Der Ring ist über C an Sn gebunden und ist über zwei Lagen ungeordnet; an dem Stickstoffatom, das nur eine Einfachbindung mit Sn macht, ist ein Wasserstoffatom gebunden. N

Ferrocen: ekliptisch (D5h) oder gestaffelt (D5d)? Fe D5h oder Fe D5d Die erste Ferrocen-Strukturbestimmung (1956, bei Raumtemperatur) ergab Z = 2 in P21/c. Das Molekül muss dann auf einem Inversions-zentrum liegen, daher ‘muss’ es gestaffelt (D5d) vorliegen. Elektronen-beugung in der Gasphase (1968) zeigte aber annähernd D5h Geometrie. Zwei neue Tieftemperaturphasen sind später untersucht worden. Eine trikline Phase bei 164 K war fast D5h (Abweichung  ca. 9º) und eine orthorhombische Phase bei 98 K war innerhalb der Fehlergrenzen genau D5h. Die Röntgendaten bei 293 K und 173 K (1979) wurden als Unordnung (möglicherweise von einer D5h Struktur) interpretiert, weil die Auslenkungs-parameter der Kohlenstoffatome auch bei tiefer Temperatur sehr groß blieben.

Wasserstoffatome Die Röntgenbestimmung von Wasserstofflagen ist sehr ungenau, weil: H-Atome streuen zu wenig. Die entsprechende Elektronendichte ist ausgeschmiert und asymmetrisch. Der Schwerpunkt dieser Dichte ist signifikant von der Wasserstoff-Kernposition verschoben : H • • C Bindungselektronendichte, nachdem die Kohlenstoffelektronen subtrahiert wurden. H-Atome sind leicht. Somit besitzen C • • H sie große Schwingungsamplituden und erfordern Librationskorrekturen. Die X—H Valenzschwingung ist signifikant anharmonisch (dies führt zu einer Verlängerung von etwa 0.02 Å). <C—H>Röntgen ca. 0.96 Å <C—H>Neutron ca. 1.09 Å E r

Übungsfragen Ein typisches AsF6–-Anion zeigt (bei Raumtemperatur) As–F Bindungsabstände von 1.66 Å und folgende Auslenkungsparameter: As: U = 0.05 Å2 in allen Richtungen; F: U = 0.05 Å2 entlang As–F und 0.40 Å2 senkrecht dazu. Wie lang erscheint die As-F Bindung bei einer Tieftemperatur-messung? 2. Die Reaktion zwischen Na/K-Legierung, iPr2NBF2 und 4-Methylpyridin führte zu dieser Struktur, wenn alle Atome als Kohlenstoff verfeinert wurden (50%- Ellipsoide). Die Isotopenverteilung im Massenspektrum zeigte zwei Boratome und eine Molmasse (bei 11B2) von 328. Versuchen Sie die Atome zuzuordnen!