Prof. Christian Ruff, PhD Laboratory for Social and Neural Systems Research (SNS-Lab) Universität Zürich Im Zweifelsfall entscheide man sich für das Richtige.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Entscheiden unter Unsicherheit: Heuristiken und Biases
Advertisements

Integration ist Kraftfutter für Kindergehirne
What Computers still cant do A Critique of Artificial Reason Hubert L. Dreyfus.
© Christoph Anrich Sport- Fachbetreuer- Tag Mali-Schule Biberach am 25. Okt Koordination / Vestibularmotorik und „Sinnorientierte Trainingslehre“
Emotion und Motivation
D. ZAMANTILI NAYIR – 8. SEMESTER
Das Stirnhirn Sitz unserer Persönlichkeit
Schöne schlanke Welt???.
PD Dr. Arnold Hinz Sind Lehr- und Unterrichtsevaluationen mittels Ratingskalen valide und effektiv?
Arbeitszufriedenheit und Emotionsregulation - Emotionen, Regulation und Leistung Referent: Jens Möller.
Talk to me, and I will forget, show me and I may remember
Versuch einer Definition Was ist Evaluation!?
Fehler in der Entscheidungstheorie
Heuristiken und Kontexteinflüsse
Das Kontinuum-Modell von Fiske und Neuberg
"Neurobiologische Effekte körperlicher Aktivität"
Primärbedürfnisse materieller und sozialer Art:
Sozialisation 2. Vorlesungseinheit:
Tag der Rückengesundheit 15. März 2008
Theory of Mind und Demenzkrankheiten
Tutorium
2. Steven Covey: Die drei Einflussbereiche
Konzeption und Realisierung von DSS
Fragen können wie Küsse schmecken
Urteilen zwischen Intuition und Reflexion
Die Fairplay Liga im Fußballkreis Aachen
Psychosoziale erste (!) Hilfe in der Inobhutnahme
Rationales Entscheiden
Friederike Küchlin Universität Bern
Manfred Wahl Gewinnen mit Risiko Mgmt Heidelberger Investoren Runde 11. April 2007 Idee: van Tharp Institute, Technischer Analyse Kongress 2006, Frankfurt.
© 2009 Burghof 1 Zum Versagen der Ratingunternehmen in der Finanzkrise: Was muss sich ändern? Prof. Dr. Hans-Peter Burghof Lehrstuhl für Bankwirtschaft.
Wissenschaft der Meditation und Selbsterkenntnis, Kongress der SMMR am Benediktushof, Oktober 2013 Neuronale Mechanismen der verbesserten Emotionsregulation.
Tipps für das Halten Formen Ein paar Tipps ;). Wie halte ich die Form? Sechs Stunden täglich in der Schule, ist es nicht der beste Weg, um in guter körperlicher.
G. Gatterer Geriatriezentrum am Wienerwald
Gesund Bild Leben. Präsentation erfüllt Terentjew Tatjana ein Schüler der 8A-Klasse.
Übung zur Vorlesung Stochastik und ihre Didaktik (BA)
Ostracism Seminar: „Sozialpsychologie der Inklusion und Exklusion“
Zur Psychologie der Emotionen IV
Auswirkungen von körperlicher Aktivität
Wie fit zu bleiben.
Umgang mit Konflikten Mag. Weber Adrian.
Probleme lösen „hilf mir!“: ich helfe dir beim Suchen deiner Lösung!
Computerspielsucht.
Empirische Softwaretechnik
Konzeption und Evaluierung von situationsabhängigen Interaktionsmodellen für synthetische Charaktere in virtuellen Lernumgebungen Saskia Groenewegen.
Die eigene Werbeagentur im Urteil der Werbeauftraggeber
Motivationspsychologie
Clean Code Software-Entwicklung als Handwerkskunst Thomas Nagel, November 2011.
Informationen zur HRV-Analyse Herzrythmusvariabilität
Voraussetzungen für gelingende Lernprozesse
Gewaltprävention durch Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen
Vienna Conference on Consciousness Teil I "Was ist die neuronale Grundlage des Bewußtseins? Wo ist es im Gehirn?" Beitrag von Michael L. Berger (Center.
Anke Märk-Bürmann, Akademie für Leseförderung
Konfliktmanagement Diese Vorlage kann als Ausgangspunkt für die Präsentation von Schulungsmaterialien in einer Gruppensitzung dienen. Abschnitte Abschnitte.
Gesunden Lebensstil Ján Rystvej, 2011/2012.
Einführung in die Politikfeldanalyse 2.Vorlesung Prof. Herbert Gottweis Sommersemester 2006 Studienassistent: Homepage:
als soziologische Kategorie
Lernen Was? Wie?.
Universität Karlsruhe (TH) Forschungsuniversität · gegründet 1825 Lehrstuhl für Programmiersysteme Fakultät für Informatik 1 Anforderungen und Probleme.
Reality is Broken Jane McGonigal Universität zu Köln AM2: Medien zwischen Technologie und Gesellschaft Jonathan Simon.
Die Rolle der Eltern im Berufswahlprozess ihrer Kinder
Group Decision Making in Hidden Profile Situations
Prozesstheorien der Motivation als Grundlage der Anreizgestaltung
Bestrafung und Löschung
Proseminar aus Sozialpsychologie
Schwerpunktprogramm (SPP) Netzbasierte Wissenskommunikation in Gruppen Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft Computervermittelte Informationsintegration.
Theoretischen und Empirischen Vertiefung im Fach Sozialpsychologie!
HEURISTIKEN.
Theorien der Organisationsentwicklung
Erstelle deinen Avatar von Doktor-Conversion. Inhalt Was ist ein Avatar?...…………………………………………………………….. Was ist ein B-Vatar? ……………………………………… ………
 Präsentation transkript:

Prof. Christian Ruff, PhD Laboratory for Social and Neural Systems Research (SNS-Lab) Universität Zürich Im Zweifelsfall entscheide man sich für das Richtige – Wie unser Gehirn Entscheidungen fällt

Was ist eine Entscheidung? ► Jede Handlung in Situationen mit mehreren Alternativen ► Bewusst und unbewusst ► Langsam und schnell ► 35’000 Entscheidungen pro Tag ► Lehrer: Pro Arbeitstag bewusste Entscheidungen mit andauernden Konsequenzen

Warum wir Entscheidungen verstehen sollten ‣ Verhalten und Möglichkeiten des Menschen im Allgemeinen und im Einzelfall ‣ Psychiatrische und neurologische Erkrankungen ‣ “Nous sommes nos choix” – Jean-Paul Sartre ‣ Verhalten über die Lebensspanne

Entscheidungen im Gehirn Drei Phasen: ① Abbildung ② Bewertung ③ Auswahl Alle Phasen laufen ‣ parallel ‣ schnell und beeinflussen sich gegenseitig

Abbildung: Erwartungswert und Risiko

Eintrittswahrscheinlichkeit Ausprägung

Abbildung: Erwartungswert und Risiko Preuschoff et al 2006 Neuron

Abbildung: Erwartungswert und Risiko ‣ Stammesgeschichtlich alte Regionen bilden EV und Risiko ab ‣ Auch in den Gehirnen von Affen, Ratten, und Tauben wird der Erwartungswert und das Risiko von Wahlmöglichkeiten abgebildet

Abbildung: Erwartungswert und Risiko ‣ Stammesgeschichtlich alte Regionen bilden EV und Risiko ab ‣ Bestimmt die Funktion dieser Areale Unterschiede in Risikoneigung?

Eine Lotterie ① CHF 250 Gewinn mit 100% Wahrscheinlichkeit ② CHF 1000 Gewinn mit 25% Wahrscheinlichkeit und CHF 0 Gewinn mit 75% Wahrscheinlichkeit  Was hätten Sie lieber:

Eine andere Lotterie ① CHF 750 Verlust mit 100% Wahrscheinlichkeit ② CHF 1000 Verlust mit 75% Wahrscheinlichkeit und CHF 0 Verlust mit 25% Wahrscheinlichkeit  Was hätten Sie lieber:

Abbildung: Emotion Die Optionen in beide Lotterien haben den gleichen Erwartungswert!  Lotterie 1: CHF 1000*25 + CHF 0*75 = CHF 250  Lotterie 2: CHF 1000*75 + CHF 0*25 = CHF 750 Dennoch versuchen die meisten Menschen:  …sichere Gewinne (durch Risikovermeidung) zu wahren  …mögliche Verluste (durch Risikoakzeptanz) zu vermeiden  Verlustaversion: Automatische Emotionen spielen eine Rolle

Abbildung: Emotion De Martino et al 2010 PNAS

Bewertung: Integration aller Informationen ?

Phineas Gage

Bewertung: Integration aller Informationen Damasio et al 1990 Nature

Bewertung: Integration aller Informationen Chib et al 2009 JNeurosci

Bewertung: Integration aller Informationen Hare et al 2011 JNeurosci

Bewertung: Integration aller Informationen Hare et al 2011 JNeurosci

Auswahl: Impulskontrolle  Menschen sind “schwach” und wählen nicht immer die für sie beste Option, wenn eine momentan verlockendere Option erhältlich ist  Beispiele für solch fehlende Impulskontrolle:  Ungenügendes Sparen für Pension  Ungesund essen  “Fernsehen statt Sport”  Kriminelle Aktivität  Etc.

Auswahl: Impulskontrolle

Figner et al 2011 Nat Neurosci

Auswahl: Soziale Normen  Soziale Normen: Verhaltensstandards, die spezifizieren, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten sollte

Auswahl: Soziale Normen  Soziale Normen: Verhaltensstandards, die spezifizieren, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten sollte  Kennzeichen der menschlichen Zivilisation: Keine Tierart reguliert soziales Zusammenleben im gleichen Maße durch soziale Normen  Es ist verlockend, soziale Normen zu brechen: Unfaires, unehrliches, unkooperatives Verhalten kann von Vorteil sein  Legale und soziale Strafreize sind essentiell für die Normeinhaltung

 Einhaltung sozialer Normen kann mit ökonomischen Paradigmen gemessen werden: CHF 10 Spieler 1 CHF 10-X Spieler 2 CHF X Einhaltung sozialer Normen im Labor

① CHF 0 ② CHF 2 ③ CHF 4 ④ CHF 6 ⑤ CHF 8 ⑥ CHF 10 CHF 10 Spieler 1 CHF 10-X CHF X Spieler 1: Wieviel würden Sie abgeben?

 Einhaltung sozialer Normen kann mit ökonomischen Paradigmen gemessen werden: CHF 10 Spieler 1Spieler 2 CHF 10-X CHF 0 CHF X accept / reject CHF X CHF 0  Spieler 2 kann Spieler 1 auf eigene Kosten bestrafen Einhaltung sozialer Normen im Labor

① CHF 0 ② CHF 2 ③ CHF 4 ④ CHF 6 ⑤ CHF 8 ⑥ CHF 10 CHF 10 Spieler 1 CHF 10-X CHF 0 CHF X accept / reject Spieler 1: Wieviel würden Sie abgeben?

Spitzer et al, 2007, Neuron ‣ Große individuelle Unterschiede in der Transferdifferenz Strafe und soziale Normen

‣ Veränderung neuronaler Aktivität im rechten DLPFC mit transkranialer Gleichstromstimulation (tDCS) ‣ Verstärkt oder reduziert die neuronale Erregbarkeit, in Abhängigkeit der Polarität des Stromflusses Ruff et al., 2013, Science Anode Kathode Anode Dorsolateral prefrontal cortex (DLPFC) Strafe und Soziale Normen: Rolle des DLPFC

‣ Verstärkung / Reduktion der Erregbarkeit des DLPFC durch anodale / kathodale tDCS verstärkt / reduziert Einhaltung von sozialen Normen Dorsolateral prefrontal cortex (DLPFC) Strafe und soziale Normen: Rolle des DLPFC Ruff et al., 2013, Science

‣ Der tDCS Effekt auf Normeinhaltung ist spezifisch für soziale Strafreize! Dorsolateral prefrontal cortex (DLPFC) Strafe und soziale Normen: Rolle des DLPFC Ruff et al., 2013, Science

Entscheidungen im Gehirn Drei Phasen: ① Abbildung ② Bewertung ③ Auswahl Alle Phasen laufen ‣ parallel ‣ schnell und beeinflussen sich gegenseitig

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Entscheidungen benötigen Abbildung der relevanten Informationen im Gehirn ‣ Das Gehirn hat eine begrenzte Verarbeitungskapazität ‣ “Choice Overload”: Zu viele Optionen verringern die Motivation zur Entscheidung und die Zufriedenheit mit dem Ergebnis

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Entscheidungen benötigen Abbildung der relevanten Informationen im Gehirn ‣ Das Gehirn hat eine begrenzte Verarbeitungskapazität ‣ Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Aspekte ist essentiell! ‣ “It's not hard to make decisions when you know what your values are” – Roy Disney ‣ “An expert is someone who has succeeded in making decisions and judgments simpler through knowing what to pay attention to and what to ignore” - Edward de Bono

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Entscheidungen benötigen Abbildung der relevanten Informationen im Gehirn ‣ Das Gehirn hat eine begrenzte Verarbeitungskapazität ‣ Confirmation bias: Unser Gehirn berücksichtigt vor allem Informationen, die unseren vorgefertigten Meinungen entsprechen

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Entscheidungen benötigen Abbildung der relevanten Informationen im Gehirn ‣ Das Gehirn hat eine begrenzte Verarbeitungskapazität ‣ Conjunction fallacy: Unser Gehirn schätzt Ereignisse als wahrscheinlicher ein, die in mehr Detail beschrieben werden

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Schnelle, unbewusst generierte Emotionen sind ständig präsent und beeinflussen unsere Entscheidungen ‣ Dies kann unproduktiv oder suboptimal sein (z.B. Angst, Impulse), gerade bei sozialen Entscheidungen ‣ Beispiele für affektive Einflüsse auf moralische Entscheidungen: ‣ Ekel oder Wut (Ugazio et al, 2008, Emotion) ‣ Attraktivität oder Bekanntheit (Gigerenzer et al, 2009)

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Schnelle, unbewusst generierte Emotionen sind ständig präsent und beeinflussen unsere Entscheidungen ‣ Dies kann unproduktiv oder suboptimal sein (z.B. Angst, Impulse), gerade bei sozialen Entscheidungen ‣ Emotionen als unbewusste Bewertungsprozesse können aber auch eine wichtige Informationsquelle sein, gerade wenn wenig oder zu viele objektive Fakten zur Verfügung stehen ‣ Heuristiken: “Welche Stadt hat mehr Einwohner – San Antonio oder San Diego?” (Gigerenzer et al, 1999)

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Schnelle, unbewusst generierte Emotionen sind ständig präsent und beeinflussen unsere Entscheidungen ‣ Dies kann unproduktiv oder suboptimal sein (z.B. Angst, Impulse), gerade bei sozialen Entscheidungen ‣ Emotionen als unbewusste Bewertungsprozesse können aber auch eine wichtige Informationsquelle sein, gerade wenn wenig oder zu viele objektive Fakten zur Verfügung stehen ‣ Optimale Entscheidungen als Kombination von objektiven Fakten und “Bauchgefühl” - je nach Intensität und Verlässlichkeit der Informationen

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Stress: Reduktion der Abbildungskapazität und Verstärkung von emotionalen Einflüssen durch biologische Flucht/Kampfmechanismen ‣ Lösungen: ‣ “Vorgefertigte” Lösungen und Heuristiken (Fluchtwege, Regeln für Notfallpersonal) ‣ Entspannung und kognitive Regulation (Sokol-Hessner et al, PNAS, 2009)

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Entscheidungen ermüden die beteiligten Hirnprozesse, genau wie körperliche Aktivität Muskeln ermüdet ‣ “Decision Fatigue”: Entscheidungen verringern Entscheidungsmotivation Danziger et al 2011 PNAS

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Entscheidungen ermüden die beteiligten Hirnprozesse, genau wie körperliche Aktivität Muskeln ermüdet ‣ “Decision Fatigue”: Entscheidungen verringern Entscheidungsmotivation ‣ Eine Nacht über wichtige Entscheidungen schlafen! ‣ Vermeidung unnötiger Entscheidungen verbessert die wichtigen Entscheidungen

Entscheidungen im Gehirn: Implikationen ‣ Haben wir überhaupt einen freien Willen? ‣ Unsere Hirne ermöglichen uns den freien Willen überhaupt erst (cf. Phineas Gage) ‣ Wir akzeptieren andere physiologische Grenzen (z.B., Stimme) ‣ Selbst die neurobiologischen Grenzen akzeptieren wir in manchen Fällen (z.B., bei Kindern und Alten) ‣ Wie Muskeln sind Hirnprozesse trainierbar - im Rahmen der biologischen Möglichkeiten ‣ Unser Hirn kann uns dabei helfen, seine eigenen Entscheidungen zu verstehen und zu verbessern

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit “In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige” – Karl Kraus