Aktuelle Rechtsprechung zu Versetzungen und ihren Grenzen

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Aktuelle Rechtsprechung zu Versetzungen und ihren Grenzen Lübeck – 26. Juni 2014

Grundlegendes zur Versetzung Arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Versetzung Änderungskündigung Mitbestimmung bei Versetzungen Taktische Fragestellungen

I. Grundlegendes zur Versetzung

Der Großteil der Versetzungen ist operativen Umdispositionen und betrieblichen Veränderungen geschuldet ist sachlich begründet wird von den betroffenen Mitarbeitern akzeptiert wird vom Betriebsrat mitgetragen

Ein Teil der Versetzungen ist aber auch maßregelnd oder bewusst schikanös angelegt sachlich nicht zu begründen auf Herausdrängen der Mitarbeiter aus dem Betrieb gerichtet vom Betriebsrat daher nicht mitgetragen

Fall: Der Kl. ist Altenpfleger, 59 Jahre alt und seit 17 Jahren betriebszugehörig. Das Pflegeheim hat ca. 160 Mitarbeiter. Aufgrund gesundheitlicher Beschwerden (Rücken) sind mit dem Kl. bereits drei BEM durchgeführt worden. Derzeit arbeitet er überwiegend im Bereich der Bewohnerbeschäftigung. Der Arbeitgeber weist dem Kl. ab dem 01.07.2014 einen neuen Arbeitsplatz im Bereich der Schwerstpflegebedürftigen zu.

Typische gerichtliche Streitsituationen zur Versetzung: Elternzeitrückkehr / Teilzeitbegehren Versetzungen im Zuge von Restrukturierungen / Personalabbau erkennbar anlasslose Versetzungen Versetzungen zur Trennung ungünstiger personeller Zusammensetzungen (Kollegenstreit, ineffektive Teams)

Versetzung: nur betriebsverfassungsrechtliche Definition in § 95 Abs. 3 BetrVG arbeitsrechtlich eher offener Begriff in der Praxis vielfacher Streitpunkt, sowohl zwischen Arbeitgeber und Arbeitsnehmer als auch Arbeitgeber und Betriebsrat Streitursache häufig: fehlender Blick für alternative Lösungsoptionen oder Versetzung aus sachwidrigen Gründen

Versetzung: häufig erhebliche Missverständnisse durch Beimessung eines unterschiedlichen Wortsinns zum Begriff „Versetzung“ („Umsetzung“, „abweichender Arbeitseinsatz“, „Zuweisung“, „Bestimmung“, „Neujustierung“ …)

individualrechtlich tatsächlich betriebsverfassungsrechtlich

Versetzung: Kernstreitpunkt im Arbeitsrecht: Ist die Versetzung noch vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt? Kernstreitpunkte im Betriebsverfassungsrecht: 1. Liegt überhaupt eine Versetzung vor? 2. Gibt es anerkannte Gründe, die einer Versetzung entgegen stehen (rechtlich/tatsächlich)?

II. Arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Versetzung

Arbeitsrechtliche Versetzung: nicht gesetzlich definiert im Wesentlichen Frage des Direktionsrechts des Arbeitgebers und dessen Ausübung im Einzelfall

Direktionsrecht/Weisungsrecht § 106 GewO: Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. 

Mögliche Stellschrauben einer Versetzung: Inhalt der Arbeitsleistung Ort der Arbeitsleistung Zeit der Arbeitsleistung

Problemkreis Inhalt der Arbeitsleistung: dynamische Stellenentwicklung Festlegung durch Stellenbeschreibungen Bindung durch vormalige Anhörung des Betriebsrats?

Dynamische Stellenentwicklung 1997: Einstellung als „EDV-Kaufmann“ 2003: Übernahme des Aufgabenbereichs „Internet“ 2007: Verantwortlicher für den Bereich Internetauftritt, Online-Marketing und Online-Vertrieb 2012: Übertragung der Aufgaben des Bereichs Social Media 2014: Kündigung wegen Auslagerung der Tätigkeiten auf externen Dienstleister; Arbeitsplätze im Bereich IT mit sozial weit weniger schutzwürdigen Arbeitnehmern besetzt

Festlegung durch Stellenbeschreibungen: keine nennenswerte Rechtsprechung zur Bindungswirkung von Stellenbeschreibungen Streitfrage: bloß Annex zum Arbeitsvertrag oder feste inhaltlich Vereinbarung abhängig häufig von konkreten Bezugnahme-formulierungen im Arbeitsvertrag

Bindung durch Anhörung des Betriebsrats? grundsätzlich keine Bindungswirkung nur Indiziencharakter für ursprünglichen Zustand/ Vereinbarungsumfang wird dynamisch durch die jeweiligen Mitbestimmungsrechte im Fall von Veränderungen begleitet und ist damit veränderungsoffen

Problemkreis Ort der Arbeitsleistung: Radiustheorie Festlegung durch Stellenbeschreibungen Bindung durch vormalige Anhörung des Betriebsrats?

60 -70 km Verkehrswege, Führerschein, Kfz familiäre Rücksichtnahme sonstiges

Problemkreis Zeit der Arbeitsleistung: generelle Offenheit des Arbeitsvertrags für alle Modelle i.d.R. keine Festlegung auf ein Modell bei Vorfinden bei Beginn des Arbeitsverhältnisses Schichtmodelle pp. müssen i.d.R. ausdrücklich ausgeschlossen sein, um sie vertraglich zu verhindern

Ausschluss bestimmter Arbeitszeitmodelle – BAG Urt. v. 15.09.2009 – 9 AZR 757/08 Arbeitsvertrag grundsätzlich für alle Arbeitszeitregelungen offen kollektiv- und arbeitszeitrechtliche Zulässigkeit muss gegeben sein es müssen konkrete Anhaltspunkte für den beabsichtigten Ausschluss bestimmter AZ-Modelle vorliegen

Vorrang von Arbeitsvertrag Betriebsvereinbarung Tarifvertrag Gesetz

Erweiterung durch arbeitsvertragliche Vorbehalts- und Versetzungsklauseln „Die Einstellung erfolgt als … Die Beschäftigung mit anderen zumutbaren Arbeiten nach der Qualifikation des Arbeitnehmers ohne Entgeltminderung bleibt ausdrücklich vorbehalten. Auch durch eine unter Umständen längere Beschäftigung mit bestimmten Arbeiten wird dieser Vorbehalt nicht gegenstandslos.“

„Die Einstellung erfolgt in der Filiale … Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, auch in anderen Filialen des Unternehmens innerhalb Lübecks tätig zu werden.“

„Die Einstellung erfolgt zunächst in Tagesschicht … Der Arbeitnehmer erklärt sich jedoch bereit, Wechselschicht einschließlich der Nachtschicht, zu arbeiten. Auch eine längerfristige Beschäftigung in einer bestimmten Schicht macht diesen Vorbehalt nicht gegenstandslos.“

Problem: Kontrolle als Allgemeine Geschäftsbedingung - AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen seit 01.01.2002 - Arbeitnehmer ist Verbraucher - § 305 ff. BGB - aber: Besonderheiten des Arbeitsrecht sind zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 S. 2. BGB)

Versetzungsklauseln unterliegen nicht der AGB-Kontrolle, da sie nur ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers betreffen, nicht aber wechselseitige Vertragsbestimmungen. BAG Urt. v. 11.04.2006 - 9 AZR 557/05

Ausübung durch „billiges Ermessen“: Abwägung der beiderseitigen Interessen individuell in jedem Einzelfall kein genereller Vorrang der Interessen einer Partei

Beispiele für die Beurteilung des billigen Ermessens: Entzug von Führungsaufgaben Zuweisung aufgrund gesundheitlicher Indikation örtliche Versetzung bei Kollegenstreit Berücksichtigung familiärer Belange

Beispiel 1: Der Kläger hat ein Jahr Elternzeit absolviert. Kurz vor der Rückkehr an seinen Arbeitsplatz in Lübeck informiert ihn der Arbeitgeber, sein Arbeitsplatz sei ins Stammhaus nach Süddeutschland verlegt worden, er möge sich dort zum Arbeitsbeginn einfinden.

Beispiel 2: Die Klägerin arbeitet als Verkäuferin in der Marktfiliale in der Z-Straße in Lübeck. Der Arbeitgeber versetzt die Klägerin in die in 800 Meter Luftlinie entfernte Filiale in der L-Straße. Dort soll die Klägerin nur noch Ware verräumen. Die Filiale in der L-Straße soll u.U. im kommenden Jahr an eine andere Betreibergesellschaft veräußert werden.

Beispiel 3: Die Klägerin arbeitet seit 10 Jahren in Nachtschicht und erhält eine Schichtzulage von rund 400 EUR im Monat. Durch eine Umorganisation fallen Stellen in der Nachtschicht weg. Die Klägerin soll nur noch in Tagschicht arbeiten.

Konkretisierung eines Arbeitsvertrages (?): Ein ursprünglich veränderungsoffenes Arbeitsverhältnis verengt sich durch mehrjährige praktische Übung auf bestimmte (konkretisierte) Inhalte. - keine maßgeblichen Entscheidungen des BAG - Einzelheiten höchst umstritten - kein zeitlicher Rahmen zuverlässig ermittelbar

Falls Direktionsrecht die beabsichtigte personelle Maßnahme nicht trägt:  Änderungskündigung ggf. auch vorsorglich möglich bei Unklarheit darüber, ob Maßnahme noch vom Direktionsrecht gedeckt oder nicht

Überflüssige Änderungskündigung bei möglicher Änderung per Direktionsrecht – BAG Urt. v. 26.01.2012 – 2 AZR 102/11 Kostenrisiko jetzt beim Kläger/Arbeitnehmer!

Aus Arbeitgebersicht vorzugswürdig gegenüber der Änderungskündigung:  (schriftliche) Änderungsvereinbarung i.d.R. mitbestimmungsfrei Risiko: Anfechtung wegen behaupteter Drucksituation aber: Beweislast Arbeitnehmer

Versetzung/Direktionsrecht vor den Arbeitsgerichten:  entweder Klage des Arbeitsnehmers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Aufgaben-/Orts- oder zeitlichen Zuweisung (auch im einstweiligen Rechtsschutzwege) oder aber  Klage des Arbeitnehmers gegen Kündigung/Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung

 nach Abmahnung dann Kündigungsperspektive Mögliche Konfliktsituation bei Weigerung des Arbeitnehmers, der geänderten Zuweisung zu folgen:  im Raum steht Arbeitsverweigerung  nach Abmahnung dann Kündigungsperspektive

Definition der Arbeitsverweigerung: Weigerung des Arbeitnehmers durch ausdrückliches oder schlüssiges Verhalten, eine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. verhaltensbedingter Kündigungsgrund damit grundsätzlich Abmahnungserfordernis kann entfallen bei „beharrlicher“ Arbeitsverweigerung

Kein Kündigungsgrund bei: Aufgabenzuweisung, die nicht vom Direktionsrecht gedeckt ist Einschätzungsrisiko trägt Arbeitnehmer überholt Arbeitnehmer kann der Anweisung zunächst Folgen, gleichwohl aber auf Feststellung der Unwirksamkeit der Zuweisung klagen.

Direktionsrechtsausübung und Befolgungspflicht – BAG Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 249/11 Arbeitnehmer an Weisung gebunden, solange Unwirksamkeit nicht gerichtlich feststeht gilt selbst bei offenkundiger Rechtswidrigkeit Befolgungspflicht nur ausnahmsweise unverbindlich, wenn aus sonstigen Gründen unwirksam

Betriebsverfassungsrechtliche Versetzung: gesetzlich definiert in § 95 Abs. 3 BetrVG siehe sogleich Bereich „Mitbestimmung“

III. Änderungskündigung

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG).

Bestandteile der Änderungskündigung Beendigung des alten Arbeitsvertrages mit den dortigen Konditionen Schriftformerfordernis § 623 BGB Angebot eines neuen Arbeitsvertrages mit neuen Konditionen formlos möglich, aber unzweckmäßig (Beweisschwierigkeiten)  kann, muss aber nicht in einem Schreiben verbunden sein, aber in zeitlichem Zusammenhang erfolgen 

Vorbehaltsannahme muss innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens 3 Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung erklärt werden Annahme des Änderungsangebots auch später noch möglich (oder: schlichte Weiterarbeit) keine Annahme unter Bedingungen möglich Änderungskündigung aus personen-, verhaltens- und betriebsbedingten Gründen möglich

Häufigste Arbeitgeber-Fehler bei der Änderungskündigung:  kein ausreichender Beendigungswille erkennbar kein hinreichend konkretes Neuangebot liegt vor Kündigungsfrist wird nicht eingehalten Annahmefrist wird unzumutbar kurz festgesetzt Kündigung oder Neuangebot wird unter Bedingungen gestellt gelegentlich: Betriebsrat nicht angehört

Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers:  vorbehaltlose Annahme  neuer Vertrag gilt Vorbehaltsannahme und Klage nur Klage gegen Beendigungsteil keine Reaktion  Arbeitsverhältnis endet

gerichtliche Entscheidung Kündigung sozial gerechtfertigt Änderung sozial ungerechtfertigt Fortsetzung zu Änderungskonditionen Fortsetzung zu alten Konditionen

Betriebsbedingte Änderungskündigung:  Sozialauswahl ist einzuhalten Kündigung von Voll- in Teilzeit möglich Gleichbehandlung i.d.R. kein dingendes betriebliches Erfordernis Kündigung aus unbefristet in befristet grundsätzlich möglich, aber keine Wirksamkeit der Befristung allein wegen der Änderungskündigung

Beteiligungsrechte des Betriebsrates § 102 BetrVG wie bei einer Beendigungskündigung hat der BR aufgrund des Beendigungsteils das Anhörungsrecht des § 102 BetrVG; aus der Nichtanhörung bzw. nicht ordnungsgemäßen Anhörung des BR folgt die Unwirksamkeit der Änderungskündigung

Typische gerichtliche Verfahren zur Änderungskündigung bei Versetzungen: Versetzungen nach Standort- und Abteilungsschließungen Versetzungen nach struktureller Umorganisation Arbeitgeber muss Vorrang der Änderungskündigung zwingend beachten, auch bei „unterwertigem“ Arbeitsplatz

IV. Mitbestimmung bei Versetzungen

Ausgangssituation: eine betriebsverfassungsrechtlich nicht abgesicherte Versetzung ist unwirksam der Arbeitnehmer muss der Versetzungsanordnung bereits deshalb nicht folgen („Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“) damit Ausnahme von BAG 5 AZR 249/11

Beachte: das etwaige Einverständnis des Arbeitnehmers ist für das Verhalten des Betriebsrats im Rahmen des Zustimmungsverfahrens bedeutungslos auch eine vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckte Versetzung ist mitbestimmungspflichtig

Begriff der Versetzung (§ 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG): Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist

Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs 20 % die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet die mit einer wesentlichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist

Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs: Funktionales Verständnis: nicht nur Arbeitsort, sondern auch Art der Tätigkeit und gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation

Ebenfalls als Versetzung gilt: Änderung der Tätigkeitsinhalte im Umfang von regelmäßig mehr als 20 %.

Für die Beurteilung des Arbeitsbereichs spielt eine Rolle:  Inhalt der Arbeitsaufgabe Arbeitsplatz räumlich/örtlich funktionale Bedeutung im Betriebsablauf Über- bzw. Unterstellung Tendenz in der Rechtsprechung: weiter Versetzungsbegriff

Erhebliche Änderung der Arbeitsumstände: wenig rechtssichere Eingrenzbarkeit möglich, da Begriff „erheblich“ äußerst dehnbar ist

Keine Versetzung durch Änderung der Arbeitsumstände ist: vorübergehende Freistellung/Suspendierung „Parken“ in Stellenpools ohne Arbeitsleistung bloßer Vorgesetztenwechsel bloße Umorganisationen auf dem Organigramm

Versetzung kann sein: kurzfristige Dienstreise Stellentausch Bestellung zum Datenschutzbeauftragten Entzug von Führungsaufgaben

Einschränkung durch § 95 Abs. 3 S. 2 BetrVG: Keine Versetzung, wenn Arbeitnehmer nach Eigenart des Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt wird. Beispiele: - „Springer“ / Betriebs- oder Filialreserve - Montagearbeiter - Außendienstmitarbeiter - Leiharbeitnehmer

Verlagerung des Betriebs innerhalb einer politischen Gemeinde BAG Beschl. v. 27.06.2006 – 1 ABR 35/05 keine Versetzung, wenn nur „wenige Kilometer“ entfernt

Zuweisung zu innerbetrieblichen Workshops BAG Beschl. v. 28.08.2007 – 1 ABR 70/06 keine Versetzung, auch wenn sonst Arbeit in Montagestraße

(Temporäre) Versetzungen unter Konzernunternehmen § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG  zwischen Konzernunternehmen nach § 18 AktG wenn Arbeitnehmer nicht zur Überlassung eingestellt und beschäftigt aber: Arbeitnehmer muss einverstanden oder vertraglich gesonderte verpflichtet sein

Mitbestimmung bei Versetzungen unter Konzernunternehmen „normale“ Mitbestimmungsregeln  Versetzung für abgebenden Betriebsrat Einstellung für aufnehmenden Betriebsrat falls Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG  Zustimmungsverweigerung wegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG möglich

Zustimmungsverweigerung durch Betriebsrat:  nur beachtlich, wenn nach Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend genannten Gründe geltend gemacht wird anderenfalls gilt Zustimmung als erteilt falls Wirksam verweigert: Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht ggf. Durchführung als vorläufige personelle Maßnahme (§ 100 BetrVG)

Nr. 1: Gesetzesverstoß pp. … wenn die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz … verstoßen würde. nicht: Arbeitsvertrag gegeben meist nur bei Leiharbeitsproblematiken

Nr. 2: Verstoß gegen Auswahlrichtlinie (§ 95 BetrVG) … wenn die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde. Richtlinie nach § 95 BetrVG ist mitbestimmungspflichtig muss zwingend eingehalten werden, wenn Versetzungen dort geregelt

Nr. 3: Benachteiligung von Arbeitnehmern … die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Nr. 4: Benachteiligung von Arbeitnehmern … der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist. häufigster Zustimmungsverweigerungsgrund vielfältige Benachteiligungsgründe

Nr. 5: Unterbliebene Ausschreibung … eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung unterblieben ist. wenn Versetzung, dann meist auf freie Stelle Ausschreibungspflicht auch bei kurzfristigen und zeitlich beschränkten Besetzungen

Ausschreibung bei Einsatz von Leiharbeitnehmern BAG Beschl. v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12 Ausschreibungspflicht auch bei Einsatz von Leiharbeitnehmern zumindest dann, wenn Zeitraum von mehr als 4 Wochen auf Kurzzeitversetzung von Stammbelegschaft übertragbar?

Rechtsschutzmöglichkeiten des Betriebsrats: einstweilige Verfügung anstelle oder mit dem Arbeitnehmer? Antrag auf Unterlassung nach § 101 BetrVG bei fehlendem oder fehlerhaftem Zustimmungsverfahren sonst nur im Rahmen des regulären Zustimmungsersetzungsverfahrens

V. Taktische Fragestellungen

Erst einmal Zustimmungsverweigerung?

Zur einstweiligen Anordnung raten?

Sollte der Betriebsrat bei Einverständnis des Arbeitnehmers allein deshalb zustimmen?