Erinnern und Vergessen – Zwei Pole der Psychotherapie älterer Patienten oder: Ist die Alterspsychotherapie eine narrative Psychotherapie? Fachtagung des Thüringer Weiterbildungskreises für Psychotherapie und Tiefenpsychologie e.V. Am 10. März 2018 Meinolf Peters
‚Wenn frühere Zeiten keine verlorenen Zeiten sein sollen, dann müssen wir zulassen, das sie präsent sind‘ M. Proust
Zur Bedeutung von Erinnern und Vergessen im Alter Im Alter rückt die Vergangenheit wieder näher. Altern und die Vergangenheit: rückwärtsgewandt, erstarrt, senil? Butler: Über die notwendige und konstruktive Form des Sich- Erinnerns Erikson: Integrität versus Verzweiflung Integrität „bedeutet die Annahme seines einen und einzigen Lebenszyklus und der Menschen, die in ihm notwendig da sein mussten und durch keine anderen ersetzt werden können. Er bedeutet eine neue, andere Liebe zu den Eltern, frei von dem Wunsch, sie möchten anders gewesen sein als sie waren, und die Bejahung der Tatsache, dass man für das eigene Leben allein verantwortlich ist“ Verzweiflung: Hadern mit dem Leben, so wie es war. Zur heutigen Bedeutung der Lebensrückblicktherapie
Was ist das autobiografische Gedächtnis? Der Ausdruck autobiographisches Gedächtnis bezeichnet in der Psychologie den Teil des Gedächtnisses für das Speichern von autobiographischen Episoden mit großer Bedeutung für das Individuum. Markowitsch und Welzer (2005) betrachten das autobiografische Gedächtnis als eine bio-psycho-soziale Instanz, die das Relais zwischen Individuum und Umwelt, zwischen Subjekt und Kultur darstellt. Daniel L. Schacter (2001): Wir sind Erinnerung. Funktionen nach Pillemer (2001): Psychodynamische Funktion Soziale Funktion Direktive Funktion
Autobiografisches Gedächtnis und Alter Altersbedingte Veränderungen im Gehirn: ‚frontales Altern‘ und der Hippocampus Gedächtnisdefizite im Alter: Verluste: Arbeitsgedächtnis, Langzeitgedächtnis, prospektives Gedächtnis u.a. Verluste: Episodisches/autobiografisches Gedächtnis (Quellengedächtnis) Semantisierung des Gedächtnisses im Alter und die Suche nach Sinn Erinnerungstendenzen und –verzerrungen im Alter: Adoleszenzeffekt: ‚Schön war die Jugend‘ Der Positivitätseffekt: ‚Alles in ein rosarotes Licht tauchen‘ (H. Wader) Depression: Mehr negative und mehr übergeneralisierte Erinnerungen Eine notwendige Form des Vergessens: Die nachlassende Inhibitionsfähigkeit
Bindung, Gedächtnis und Alter – klinische Aspekte Prävalenz von Bindungsstilen im Alter: Sichere Bindung: konstant Unsicher-ambivalente Bindung: nimmt ab Unsicher-vermeidende Bindung: nimmt zu Gedächtnis: Sichere Bindung: Gute Erinnerung an positive und negative Erlebnisse Unsicher-ambivalente Bindung: Viele, aber inkohärente und oft negative Erinnerungen Unsicher-vermeidende Bindung: wenig Erinnerungen an Kindheit und Jugend, ‚alles war gut‘
Alterspsychotherapie als narrative Psychotherapie Was sind Erzählungen? Erzählkompetenz Älterer Kohortenspezifische Aspekte: Die erzählte Leben Neuropsychologische Aspekte: Die kristalline Intelligenz und die Langsamkeit des Alters Positive psychosoziale Funktionen: Anerkennung, Resonanz, Generativität, soziale Integration, innere Verarbeitung. Negative Funktionen: zahlreiche Wiederholungen verfestigt, entemotionalisiert, Deckerinnerungen, konkretistischer Erzählstil, Weitschweifigkeit Therapeutische Funktionen Herstellung von Sicherheit und Kontrolle Entwicklung der therapeutischen Beziehung Funktion: Identität, Generativität und Sinngebung
Bindungsstil, Erzählen und therapeutische Haltung Sicherer Bindungsstil: Können Erzählungen produzieren und sich darüber stabilisieren Unsicher-ambivalenter Bindungsstil: Therapeutische Beziehung als sichere Bindung: Containing, Beruhigung, Halt geben, Strukturierung Entwicklung kohärenter Erzählungen Unsicher-vermeidender Bindungsstil: Therapeutische Beziehung als sichere Bindung: Zulassen von Nähe. Aktivierung von Affekten und Erinnerungen
Kohärenz und Integration als Therapieziel? Ph. Lersch beschrieb Integration als einen Vorgang, der dazu führe, dass die unterscheidbaren Teile des seelischen Ganzen einander so durchdringen und beeinflussen, dass sie in der Form strenger gegenseitiger Ausschließlichkeit gar nicht gedacht werden können (Psychologie-Lexikon 1972). H. Luther: Identität als Fragment J. Lomranz: Das Konzept der Aintegration T. Habermas: Eine lebendige Auseinandersetzung! Das Beispiel Joan Erikson!
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