Erste Beckwith-Wiedemann Consensus-Guidelines

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 Präsentation transkript:

Erste Beckwith-Wiedemann Consensus-Guidelines T. Eggermann, D. Prawitt, C. Kratz, M. Elbracht, F. Brioude, E. Maher, Teilnehmer des BWS-Consensus-Treffens, März 2017/Paris Institut für Humangenetik Aachen

Ergebnisse des European Congenital Imprinting Networks Einheitliche Benennung der Erkrankungen Standardisierte Nomenklatur der geprägten Genorte (HGVS/LRG konform) EMQN-Ringversuch für 11p-Erkrankungen CUGCs Consensus Guidelines: SRS (2017), PHP (in Vorbereitung), BWS (2018)

Nat Rev Endocrinol. 2018 Jan 29. doi: 10.1038/nrendo.2017.166.

Vorgehen Leitung: E. Maher, F. Brioude Pre-Consensus Meetings ab Februar 2016 Consensus-Meeting: März 2017 (Paris): 41 Teilnehmer aus 36 Einrichtungen aus 9 europäischen Ländern + Katar, USA; 2 Vertreter von Selbsthilfegruppen; Klinische Genetik, Molekulargenetik, Päd. Endokrinologen, Päd. Onkologen, Orthopäden, Nephrologen, Oro-Facial Surgeons) Sichtung von >1500 Artikeln 3 Arbeitsgruppen (Clinical diagnosis, Molecular Diagnosis, Clinical Management) Modifizierter Delphi-Consensus-Prozess 72 Recommendations Finanziert durch COST BM1208, University of Cambridge/UK; keine Industrie

Definition des BWS-Spektrums (BWSp; Zielgruppe des Consensus) vom klassischen BWS (OMIM #130650) bis hin zum isolierten, einseitigen Großwuchs (isolated lateralized overgrowth; frühere Bezeichnung isolated hemihypertrophy oder isolated hemihyperplasia, OMIM # 235000). Darüber hinaus zeigen einige Patienten mit molekularen Veränderungen in 11p15.5 ein klinisches Bild, welches sich weder der erstgenannten noch der zweitgenannten Gruppe sicher zuordnen lässt, so dass diese als „atypisches“ BWS im Rahmen der vorliegenden Konsensus-Empfehlungen eingeordnet wurden. Zusammenfassend wurde aufgrund der überlappenden Phänotypen und der gemeinsamen molekularen Basismechanismen entschieden, Patienten aller drei Untergruppen dem übergeordneten BWS-Spektrum (BWSp)zuzuordnen, für das die vorliegenden Konsensus-Empfehlungen gelten.

Klinisches Scoring-System Kardinal-Symptome (2 Punkte je Symptom) Makroglossie Bauchwanddefekt Einseitiger Großwuchs Multifokaler und/oder bilateraler Wilmstumor oder Nephroblastomatose Hyperinsulinismus (über 1 Woche andauernd und therapiebedürftig) Pathologische Befunde: Nebennierenrinden-Zytomegalie; plazentare mesenchymale Dysplasie; pankreatische Adenomatose   Hinweisende Symptome (1 Punkt je Symptom) Geburtsgewicht > 2SDS Fazialer Naevus simplex Polyhydramnion und/oder Plazentamegalie Ohrkerben Anhaltende Hypoglykämie (< 1 Woche) Typische BWSp Tumore (Neuroblastome, Rhabdomyosarkome, unilaterale Wilmstumore, Hepatoblastome, Nebennierenrindenkarzinome, Phäochromozytome) Nephromegalie und/oder Hepatomegalie Nabelhernie und/oder Rektusdiastase Für die klinische Diagnose eines klassischen BWS ist ein Score von > 4 notwendig. Bei klinischer Diagnosestellung eines klassischen BWS besteht die Diagnose auch dann, wenn sich keine 11p15-Veränderung nachweisen lässt. Bei einem Score von >=2 wird die molekulargenetische Diagnostik empfohlen. Bei Patienten mit einem Score <2 sollte das mögliche Vorliegen einer Differentialdiagnose diskutiert werden. Klinische Merkmale des BWSp und klinisches Scoring-System (Score ≥4: klassisches BWS; Score ≥2: genetische Testung ist indiziert; Score <2: genetische Testung nicht indiziert).

Die chromosomale Region 11p15.5 und BWSp

Molekulare Subtypen des BWSp und Wiederholungswahrscheinlichkeiten Molekulare Veränderung Häufigkeit Wiederholungswahrscheinlichkeit IC1 GOM 5% - Wenn keine genomische Veränderung vorliegt: <1% - Wenn eine genomische Veränderung vorliegt (z.B. pathogener SNV oder CNV in der DMR): bis zu 50% in Abhängigkeit der elterlichen Herkunft IC2 LOM 50% Upd(11)pat 20% (s. auch paternale Unidiploidie) - <1% Funktionsverlust-Mutationen in CDKN1C 5% (40% in familiären Fällen) - 50% bei maternaler Vererbung Dup(11)(p15.5)pat ~2-4% - 50% bei väterlicher Vererbung - Risiko für das Auftreten eines Silver-Russell-Syndroms bei mütterlicher Vererbung Deletionen unter Einschluss der Region 11p15 1-2 % Abhängig von Ausmaß und Position des CNV und von der elterlichen Herkunft Paternale Mosaik-Unidiploidie („genomweite paternale UPD“) Bis zu 10% der upd(11)pat Gering MLID 33% der IC2 LOM-Fälle In Einzelfällen auf der Basis genomischer Veränderungen erhöht.

Klinisch-genetischer und molekularer Test-Algorithmus

Klinische Charakteristika der 11p15-Veränderungen Molekulare Veränderung Häufigkeit Klinische Charakteristika (im Vergleich zu anderen molekularen Subtypen) IC1 GOM 5% - selten Bauchwanddefekte - hohes Risiko für Wilms-Tumore IC2 LOM 50% - häufig Bauchwanddefekte - geringes Risiko für Wilms-Tumore Upd(11)pat 20% (s. auch paternale Unidiploidie) - häufig einseitiger Großwuchs - hohes Risiko für Wilms-Tumore und Hepatoblastome Funktionsverlust-Mutationen in CDKN1C 5% (40% in familiären Fällen) Dup(11)(p15.5)pat ~2-4% - Deletionen unter Einschluss der Region 11p15 1-2 % Paternale Mosaik-Unidiploidie („genomweite paternale UPD“) Bis zu 10% der upd(11)pat - hohes Neoplasie-Risiko MLID 33% der IC2 LOM-Fälle Unklar

Klinisches Management I Pränatales Management: US-Auffälligkeiten, Beta-hCG, AFP; Präeklampsie/HELPP-Syndrom Wachstum/einseitiger Großwuchs: bis zu 65% der 11p-Träger sind großwüchsig (bsd. IC1-GOM, upd(11)pat). lateralisierter Großwuchs: bei Beinlängendifferenz >2cm: Epiphyseodese Makroglossie: bei 90% der klassischen BWS-Patienten. Operation bei ca. 40%, möglichst zwischen 2.-3. Lebensjahr Bauchwanddefekte: bsd. bei IC2-LOM und CDKN1C; Therapie wie isolierte Bauchwanddefekte Hypoglykämie auf der Basis eines congenitalen Hyperinsulinismus: Bis zu 60% der Patienten, bsd. upd(11)pat. Meist transient, in 20% länger Kardiale Fehlbildungen Bis zu 20% Nephro-Urogenitale Fehlbildungen: Bis zu 61%; 10 % kortikale und medulläre Nierenzysten. Prävalenz von Hypercalciurien und Nephrolithiasis ist erhöht.

Klinisches Management II Tumorüberwachung Häufigkeit embryonaler Tumoren: 8% Wilms-Tumor: 52%, Hepatoblastome: 14%, Neuroblastome: 10% Rhabdomyosarkomen: 5%, Nebennierenrindenkarzinome: 3 IC1 GOM: 28%; upd(11)pat: 16%, CDKN1C-Mutationen: 6,9%, IC2-LOM: 2,6% Upd(11)pat/paternale uniparentale Disomie: breites Risiko Empfohlenes Screening-Programm: abdominelle Ultraschalluntersuchungen alle 3 Monate bis zum 7. Lebensjahr, keine AFP-Bestimmung. Kein Screening für IC2-LOM (d.h. 50% der Patienten) Langzeitprognose: derzeit unzureichende Datenlage

BWSp: Molekulare Subtypen, Tumorkorrelation und -vorsorge I Tumorrisiko (% der Patienten)   Tumorentitäten mit empfohlener Vorsorge Art der Vorsorge Zeitabstände der Vorsorge IC1 LOM Tumorrisiko insgesamt 2,6 % Hepatoblastome 0,7 % Rhabdomyosarkome 0,5 % Neuroblastome 0,5 % Schilddrüsenkarzinome 0,3 % Wilmstumore 0,2 % Melanome 0,1 % Tumorinzidenz ist deutlich geringer als bei anderen molekularen Subtypen; variables Tumorspektrum; nur die Hälfte der Tumoren entwickeln sich im Abdomen Keine Routine-Sonografie; Klinische Kontrolle und Sonografie bei Auftreten einer Symptomatik oder ggf. elterlicher Sorge - IC1 GOM Tumorrisiko insgesamt 28,1 % Wilmstumore 24 % Neuroblastome 0,7 % Pankreatoblastome 0,7 % Wilmstumore Abdomen-sonografie Alle drei Monate bis zum vollendeten 7. Lebensjahr Upd(11)pat Tumorrisiko insgesamt 16 % Wilmstumore 7,9 % Hepatoblastome 3,5 % Neuroblastome 1,4 % Nebennierenrindenkarzinome 1,1 % Phäochromozytome 0,8 % Lymphoblastenleukämie 0,5 % Pankreatoblastome 0,3 % Hämangiotheliome 0,3 % Rhabdomyosarkome 0,3 % Wilmstumore; Hepatoblastome; Nebennieren-rindentumore Abdomen-Sonografie

BWSp: Molekulare Subtypen, Tumorkorrelation und -vorsorge II Tumorrisiko (% der Patienten)   Tumorentitäten mit empfohlener Vorsorge Art der Vorsorge Zeitabstände der Vorsorge CDKN1C-Mutationen Tumorrisiko insgesamt 6,9 % Wilmstumore 1,4 % Neuroblastome 4,2 % Akute lymphoblastische Leukämie 1,4 % Neuroblastome Abdomen-Sonografie Alle drei Monate bis zum vollendeten 7. Lebensjahr Klassisches BWS ohne molekulare Diagnosesicherung Tumorrisiko insgesamt 6,2 % Wilmstumore 4,1 % Neuroblastome 0,6 % Hepatoblastome 0,3 % Rhabdomyosarkome 0,3 % Nebennierenrindenkarzinome 0,3 % Wilmstumore

Perspektive der BWS-Guidelines, nächste Schritte Deutschsprachige Zusammenfassung in der Klinischen Pädiatrie im Frühjahr 2018 Überarbeitung der Guidelines in den nächsten 5 Jahren, incl. Harmonisierung EU-USA…. Aufbau einer BWS Global Alliance (ähnlich SRS) Anlaufstelle für BWS-Management in DE: Prof. Dr. med. C. Kratz, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, MHH EMQN-Ringstudie

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!