Dr. Birgitta Reddig-Korn PH Karlsruhe

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was das Hirn alles kann …
 Präsentation transkript:

Dr. Birgitta Reddig-Korn PH Karlsruhe reddig-korn@ph-karlsruhe.de Die Tücken des Anfangs – der Schriftspracherwerb und seine Schwierigkeiten Dr. Birgitta Reddig-Korn PH Karlsruhe reddig-korn@ph-karlsruhe.de

Da steht Sonne! Das ist eine Sonne! Schulbeginn E N S O N Dehn, Mechthild: Schlüsselszenen zum Schriftspracherwerb. Weinheim 1994 E N Da steht Sonne! S O N Das ist eine Sonne!

Schulbeginn Welches kognitive Schema von Schrift liegt bei Anwar vor? Was muss Anwar noch lernen?

Einsichten Leserichtung von links nach rechts Buchstaben (Grapheme) sind bedeutungsunterscheidend, nicht bedeutungstragend (Hose/Hase) Das Wortbild macht keine Aussage über den Inhalt (Bsp: Kuh/ Schmetterling) Betonung kann Inhalt verändern (umfahren, Blumentopferde) Gleiche Laute werden durch verschied. Grapheme repräsentiert: Axt, Keks Es gibt mehrgliederige Grapheme ...

Unspezifische Teilkomponenten des Leseprozesses Interesse Konzentration Strukturierungskompetenz phonologische, visuelle, sprachstrukturelle, semantische Aspekte Gedächtnis Kontrollverhalten Externes Wissen

Bildungsplan 2016 Prozessbezogene Kompetenzen Lesefähigkeiten entwickeln 1. selbstständig Wörter und Sätze sinnverstehend erlesen 2. Texte sinnverstehend und flüssig lesen 3. selbstgewählte Texte zum Vorlesen vorbereiten und sinngestaltend vorlesen

*Logografisch *Alphabetisch *Orthografisch Frith 1985 Bildungsplan 2016 „Nachdem die alphabetische Strategie bei den Kindern weitgehend gesichert ist, finden Übungen zum flüssigen Lesen regelmäßig statt.“ *Decodieren *Automatisiertes Decodieren *Angemessene Lesegeschwindigkeit *Sinnbetones Lesen

Stufenmodell des Schriftspracherwerbs (Valtin 1987) bezogen auf das Lesen Als-ob Vorlesen Erraten von Wörtern Benennen von Lautelementen Buchstabenweises Erlesen z.T. ohne Sinnentnahme Fortgeschrittenes Lesen Automatisiertes Worterkennen und Hypothesenbildung

Warum können Sie diesen Text lesen? Gmäeß eneir Sutide eneir elgnihcesn Uvinisterät ist es nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wrot snid,das ezniige was wcthiig ist, ist, dass der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion snid. Der Rset knan ein ttoaelr Bsinöldn sien, tedztorm knan man ihn onhe Pemoblre lseen.

Leseprozess Klären Sie gemeinsam die folgenden Begrifflichkeiten. Aufgabe: Klären Sie gemeinsam die folgenden Begrifflichkeiten. Ordnen Sie bitte die Begriffe in eine für Sie nachvollziehbare Struktur. Dr. B. Reddig-Korn Bad Wildbad, 20.05.2017

Fachbegriffe zum Leseprozess optische Analyse akustische Analyse recodieren decodieren Wortschatz direkter Zugang indirekter Zugang Kontext Klangvorgestalt inneres /mentales Lexikon Analyse Synthese Zwei-Wege Modell

Fachliche Grundlagen oder der Lese- und Schreibprozess „Mehrebenenmodell des Lesens“ nach Rosebrock/Nix „dual-route model“ nach Coltheart / „Zwei Wege Modell des Lesens“ nach Scheerer-Neumann

Mehrebenenmodell des Lesens (Rosebrock / Nix 2008)

Zwei Wege-Modell: Wortidentifikation Zwei-Wege-Modell (Scheerer-Neumann 1989)

Mehrebenenmodell des Lesens Lesekompetenzmodell aus didaktischer Sicht Drei Perspektiven auf den Verlauf der Leseentwicklung: Verlauf des Erwerbs von Leseleistung Alle Teilkomponenten für gute Leseleistung Leseförderliche Bedingungen /Angebote

1. Ebene: Prozessebene Der Leseprozess Wort- und Satzidentifikation Lokale Kohärenz Globale Kohärenz Superstrukturen erkennen Darstellungsstrategien identifizieren

Wo steht das Wort xy? Was macht Figur xy? Was meint hier „trotzdem“? Wovon handelt der Text insgesamt? Wie ist der Text organisiert? Worum geht es in dem Text?

„Zwei- Wege Modell“ „dual-route model“(nach Coltheart, 1978) vor allem bei Leseanfängern Direktes Worterkennen Wörter werden als Ganzes erkannt und aus dem orthographischen Gedächtnis abgerufen (kontextabhängig) Indirektes Erlesen / Lautsynthese Beachtung der Buchstaben-Laut Korrespondenz (Kontext wird außer Acht gelassen)

Zwei Wege-Modell: Wortidentifikation Zwei-Wege-Modell (Scheerer-Neumann 1989)

Leseprozess Der Leser nimmt Informationen zeitgleich auf, bewertet, filtert, ordnet und bringt sie mit dem zuvor Gelesenen in Verbindung. Auch gleicht er es mit seinem Weltwissen und Erfahrungswissen ab. Die einzelnen Verarbeitungsschritte beim Lesen verlaufen NICHT nacheinander, sondern parallel und asymmetrisch.

Leseprozess Visuelle Erkennung von Buchstabenmerkmalen Buchstabenidentifikation Graphem-Phonem-Zuordnung Worterkennung Bedeutungszuordnung Bildung propositionaler Einheiten Integration dieser Einheiten in satzübergreifende Zusammenhänge Bildung übergeordneter Einheiten Herstellen von Textkohärenz

Schwierigkeiten auf den verschiedenen Stufen des Leseprozesses Stufe: Phonem-Graphem Zuordnung, Synthese Stufe: Zugriff auf das innere Lexikon Stufe: Sinnzusammenhänge auf Satz- und Textebene verstehen

Schwierigkeiten auf der 1. Ebene: Phonem-Graphem Zuordnung, Synthese Phonologische Recodierung von Wörtern Vernetzung von Recodier- zu Dekodierstrategien Benenngeschwindigkeit Behaltensprobleme Klangvorgestalt wenig Ähnlichkeit mit dem Zielwort Aufmerksamkeitslatenz auf Kontext scheint ausgeblendet (keine Kombination von phonologischen, semantischen und syntaktischen Teilaspekten)

Schwierigkeiten auf der 1. Ebene: Phonem-Graphem Zuordnung, Synthese 3-Monatsmarke! Lautes Lesen artikulatorisches und gedankliches Probierverhalten Lesefehler als Indikator für „echtes“ Lesen Würdigung des Korrekturverhaltens Einüben eines beschränkten Buchstabenbestandes

Schwierigkeiten auf der 2. Ebene: Zugriff auf das innere Lexikon Fehlende Segmentierungsstrategie Strategiedefizit wiederkehrende Silben, Morpheme, Signalgruppen werden nicht als Organisationsprinzip erkannt Defizit bei der Wortbildungsregeln Neue Wörter machen Schwierigkeiten Aufbau eines inneren Lexikons nur möglich, wenn Synthese gelingt Aufbau Sichtwortschatz Nur wenige Buchstaben einführen und damit die Synthese üben (Schlüsselwortverfahren)

Schwierigkeiten auf der 3 Schwierigkeiten auf der 3. Ebene: Sinnzusammenhänge auf Satz- und Textebene verstehen Leseschwache Kinder profitieren von dem Kontext Einzelwortdekodierungen dauern lange ausweichen auf den Satzkontext Erwartbarkeit der Wörter erhöht die Leseleistung Wortschatz ist entscheidend für das Leseverständnis Grammatikalische Kenntnisse und Welt-/Vorwissen

Schwierigkeiten auf der 3 Schwierigkeiten auf der 3. Ebene: Sinnzusammenhänge auf Satz- und Textebene verstehen Zu Beginn des Lesenlernens Fokus auf den phonologischen Fähigkeiten und der Geschwindigkeit der Worterkennung. Zunehmende Komplexität der Texte fordert syntaktische und grammatikalische Kompentezen

Begründung für die Fachlichkeit Wahl der Leselehrmethode Auswahl der zu lesenden Texte Aufbau und Strukturierung von Aufgabenformaten Theoriebasierte didaktische Vorgehensweise Diagnostik und Förderung

Ziel Lesen und schreiben lernen in einem Unterricht, der fachlich fundiert, didaktisch begründet und methodisch abwechslungsreich ist.

Möge es gelingen! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und alles Gute für das neue Schuljahr. Möge es gelingen!

Literaturangaben Bredel, Ursula; Fuhrhop, Nanna; Noack, Christina (2011): Wie Kinder lesen und schreiben lernen. Tübingen. S. 71-154. Bredel, Ursula; Pieper, Irene (2015): Integrative Deutschdidaktik. Paderborn.   Brinkmann, Erika (Hrsg.): (2015): Rechtschreiben in der Diskussion. Grundschulverband. Frankfurt Jeuk, Stefan; Schäfer, Joachim (2013): Schriftsprache erwerben. Berlin. Rosebrock, Cornelia; Nix, Daniel (20178): Grundlagen der Lesedidaktik. Baltmannsweiler.

Literaturangaben Scheerer-Neumann, Gerheid (20062): Entwicklung der basalen Lesefähigkeit. In: Bredel, Ursula et. al. (Hrsg.): Didaktik der deutschen Sprache. Paderborn S. 513-524 Schrüder-Lenzen, Agi (20134): Schriftspracherwerb. Wiesbaden. Thomé, Günther (20062): Entwicklung der basalen Rechtschreibkenntnisse. In: Bredel, Ursula et. al. (Hrsg.): Didaktik der deutschen Sprache. Paderborn. S.269-279.   Topsch, Wilhelm (2005): Grundkompetenz Schriftspracherwerb. Methoden und handlungsorientierte Praxisanregungen. Weinheim/Basel. S. 47-158. Weinhold, S. (2005): Schriftspracherwerb. In: Lange, G.; Weinhold, S. (Hrsg.): Grundlagen der Deutschdidaktik. Sprachdidaktik, Mediendidaktik, Literaturdidaktik. Baltmannsweiler: S. 2-33.