Herzlich willkommen! - 1 -
Die Pflicht zur Anhörung in Zeiten der Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens - 2 -
Die rechtliche Verfahrenssituation heute Rechtliche Grundlagen rund um die Anhörungspflicht §§ 88, 90, 91 AO Grundsatz: Amtsermittlungspflicht Mitwirkungspflicht Anhörungspflicht der Finanzverwaltung; insbesondere wenn von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zu Ungunsten des Steuerpflichtigen wesentlich abgewichen werden soll - 3 -
Rechtliche Grundlagen: Prüfung durch Amtsträger Die rechtliche Verfahrenssituation heute Rechtliche Grundlagen: Prüfung durch Amtsträger § 150 AO §§ 126, 121 AO - 4 -
Rechtliche Grundlagen: Prüfung durch Amtsträger Die rechtliche Verfahrenssituation zukünftig Rechtliche Grundlagen: Prüfung durch Amtsträger § 150 AO §§ 126, 121 AO Rechtliche Grundlagen: Automationsgestützte Veranlagung NEU: §§ 88 Abs. 5, 150 Abs. 7, 155 Abs. 4 AO §§ 126, 121 AO - NEU: §§ 155 Abs. 4, 173a AO - 5 -
„Es bleibt alles beim Alten!“ Die rechtliche Verfahrenssituation zukünftig Aussage der Finanzverwaltung: „Es bleibt alles beim Alten!“ Grundsatz: Amtsermittlung NEU: Zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen können RMS eingesetzt werden NEU: Anlässe für die Prüfung durch Amtsträger sind gesetzlich geregelt NEU: Einspruchsentscheidung über Steuerfestsetzung kann automationsgestützt erfolgen, es sei denn, es besteht ein Anlass zur Bearbeitung durch den Amtsträger NEU: § 173a AO - 6 -
Gilt für Besteuerungszeiträume nach dem 31.12.2016! Die rechtliche Verfahrenssituation zukünftig Anlässe für die Prüfung durch Amtsträger im Rahmen der automatisierten Steuerfestsetzung Angaben des Steuerpflichtigen im sog. „qualifizierten Freitextfeld“ (§ 150 Abs. 7 AO) Zufallsauswahl durch RMS (§ 88 Abs. 5 AO) Selbstauswahl durch Amtsträger (§ 88 Abs. 5 AO) Auswahl durch RMS aufgrund Prüfungsbedürftigkeit (§ 88 Abs. 5 AO) Gilt für Besteuerungszeiträume nach dem 31.12.2016! - 7 -
Zurück in die Gegenwart Einige ganz reale Beispielsfälle von Kollegen aus Westfalen-Lippe: Krankenversicherung der Rentner: Die Kranken- und Pflegeversicherung für zwei Renten wurden komplett nicht berücksichtigt. Der Bescheid wurde nach dem Einspruch umgehend geändert. Renovierung nach langjähriger Vermietung und Verkauf im Folgejahr: Komplette Streichung der Werbungskosten für das Objekt. Der Bescheid wurde nach dem Einspruch umgehend geändert. Wettbewerbsverbotszahlung an Handelsvertreter: Trotz mehrfacher Mitteilung des Sachverhaltes und Nichtabgabe einer Gewerbesteuererklärung wurde eine nachträgliche Zahlung für ein Wettbewerbsverbot ohne vorherigen Anhörung gewerbesteuerpflichtig behandelt. - 8 -
Zurück in die Gegenwart Weitere ganz reale Beispielsfälle von Kollegen aus Westfalen-Lippe: KV-Beiträge (PKV) Kinder, Beiträge über Basis hinaus wurden nicht anerkannt. Freiw. Beiträge zur gesetzlichen RV wurden trotz Belegnachweis bei Erklärung nicht anerkannt. Die Höhe von PV-Beiträgen war trotz Belegnachweis bei der Erklärung falsch Beiträge Versorgungswerk werden seit 3 Jahren erst im Einspruch berücksichtigt KV-Beiträge Ehemann wurden nicht berücksichtigt; Nachweis erst im Einspruchsverfahren vorgelegt … - 9 -
Die Verfahrenssituation heute Die Beispiele zeigen es deutlich: Wenn für die Veranlagung relevante Daten von Dritten ohne exakte, vorherige Kenntnis des Steuerpflichtigen und seines Beraters an die FV weitergegeben werden, führt das nicht selten zu einer fehlerhaften Steuerberechnung. Der Amtsermittlungsgrundsatz kann schon heute bei fehlender Datentransparenz nicht eingehalten werden. Nur durch rechtliches Gehör können Daten- oder Übertragungsfehler erkannt werden. - 10 -
Bis zum Steuerbescheid: In der Zukunft gilt: Bis zum Steuerbescheid: Daten des Dritten gelten als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit er nicht in einem dafür vorzusehenden Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht Mitteilungspflicht des Dritten gegenüber dem Steuerpflichtigen binnen angemessener Frist - 11 -
Nach dem Steuerbescheid: In der Zukunft gilt weiterhin: Nach dem Steuerbescheid: keine Änderungen bei fehlender Anhörung bzw. Begründung NEU: Berichtigungspflicht, wenn der Steuerpflichtige keine abweichenden Angaben gemacht hat und nachträglich erkennt, dass Drittdaten zu seinen Gunsten fehlerhaft sind NEU: Der Steuerbescheid ist zugunsten sowie zulasten des Stpfl. automatisch zu korrigieren, soweit die Drittdaten nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden NEU: Zwingende Änderung des Steuerbescheid, wenn Drittdaten zulasten des Steuerpflichtigen unrichtig sind NEU: Ablaufhemmung bis zu 9 Jahren - 12 -
Nochmals zur Ausgangssituation Rechtliche Grundlagen: Prüfung durch Amtsträger § 150 AO §§ 126, 121 AO Grundsatz: Amtsermittlungspflicht Anhörungspflicht der Finanzverwaltung, insbesondere wenn von der Steuererklärung zulasten des Steuerpflichtigen wesentlich abgewichen werden soll - 13 -
Was bedeutet wesentlich? Grundsätzliches Was bedeutet wesentlich? Der Begriff „wesentlich“ kann in diesem Zusammenhang nur bedeuten: Jede die Steuerfestsetzung in ihrem Wesen verändernde Abweichung von der Steuererklärung ist der zwingende Ausgangspunkt für eine Anhörungspflicht. - 14 -
Alle Beteiligten „sitzen in einem Boot“. Um den Interessen des Steuerbürgers auch künftig gerecht zu werden, gilt: Das Recht zur Anhörung bleibt unangetastet bestehen Zitat Finanzministerium: „Fragen und Antworten zum Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 17.06.2016 […] Werden auch bei einer automatisierten Bearbeitung meine Rechte eingehalten? Die Modernisierung wird niemanden in seinen Rechten beschneiden. Das Gesetz stellt sicher, dass auch angesichts der Veränderungen im Steuervollzug die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die rechtsstaatlichen Erfordernisse stets gewährleistet bleiben. Die Neugestaltung der rechtlichen Grundlagen, insbesondere in der Abgabenordnung, ist wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzes. Erst die Änderung oder Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen stellt das Modernisierungsvorhaben auf ein solides rechtsstaatliches Fundament. Alle wichtigen rechtstaatlichen Prinzipien, insbesondere das rechtliche Gehör, sind auch künftig sichergestellt.[..]“ (http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2015-12-09-Mod-Besteuerungsverfahren.html) - 15 -
Alle Beteiligten „sitzen in einem Boot“. Zudem gilt, um den Interessen des Steuerbürgers auch künftig gerecht zu werden: IMMER Anhörungspflicht der Finanzverwaltung, wenn von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zulasten des Steuerpflichtigen abgewichen werden soll. Daten von Dritten müssen innerhalb einer angemessenen Frist VOR der Übertragung an die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen mit identischem Inhalt zur Überprüfung gesandt werden! Ablaufhemmung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen überflüssig, Festsetzungsfrist von 4 Jahren reicht! - 16 -
Schon jetzt sind ca. 35 % der Bescheide falsch! Quelle: Bund der Steuerzahler vom 09.06.2015 Erledigte Einsprüche: 3.766.445 Abhilfe: 2.430.520 (= 64,5 %) - 17 -
Prognose 1. Die automatisierte Veranlagung führt NICHT zu einer besseren rechtlichen Qualität der Steuerbescheide. 2. Aufgrund der im Gesetz festgelegten Aussteuerungsvorgaben verbessert sich die Bearbeitungssituation im Vergleich zu heute bei zunehmender Ressourcenknappheit (Personal) in der Finanzverwaltung NICHT. - 18 -
Einzige Maßnahme des Steuerpflichtigen bei Misstrauen gegenüber der Automatisierung: Durch Ausfüllen des Freitextfeldes lässt sich die Prüfung des übermittelten Sachverhalts durch den Amtsträger sicherstellen. - 19 -
Anregung / Forderung an den Gesetzgeber (BMF sowie IT-Umsetzer) Chance: Die im Rahmen von KONSENS bzw. ELSTER untergesetzlichen IT-Maßnahmen sind noch in der Abstimmungsphase. Vorschlag: Der bereits in Nordrhein-Westfalen etablierte „Arbeitskreis Finanzministerium NRW" des Berufsstandes mit dem Finanzministerium sollte sich aktiv in die Konzeptphase einbringen! Das dazu nötige Hintergrundwissen sollte beim BMF und ELSTER-Anwenderbeirat eingefordert werden. - 20 -
Die Automation hat nämlich nur dann Vorteile: Das Fazit Die Automation hat nämlich nur dann Vorteile: Wenn alle Daten korrekt sind! Wenn alle Daten genau denen in der Erklärung entsprechen! Wenn der Steuerpflichtige deutlich vorher diese Daten zur Prüfung erhält! Wenn dennoch ein Anrecht auf Gehör bestehen bleibt und gelebt wird! - 21 -
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit