Änderungen von Arbeitsbedingungen Lübeck – 20. Juni 2018
Festlegung von Arbeitsbedingungen Änderungsoffenheit Änderung durch Änderungsvereinbarung Änderung durch Direktionsrecht/Weisung Änderung durch Widerruf, Vorbehalte, Befristung Änderung durch Änderungskündigung Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers Mitbestimmungsfragen
I. Festlegung von Arbeitsbedingungen – Wodurch werden die Bedingungen festgelegt? auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Zeit Inhalt Ort auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Festlegung durch den Arbeitsvertrag „pacta sunt servanda“ – Verträge binden Grundsatz der Privatautonomie im Arbeitsverhältnis wegen des Kräfteungleichgewichts z.T. erheblich zu Lasten des Arbeitgebers eingeschränkt (z.B. durch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Klauselkontrolle auch nach Maßgaben von Sittenwidrigkeit, Mindestlohngesetz u.v.a.m)
Festlegung durch Konkretisierung? Konkretisierung = Bindung durch längere Ausübung verengt den Arbeitsvertrag auf wenige Tätigkeitsinhalte BAG: nicht ohne sog. Umstandsmoment, Zeitmoment allein nicht ausreichend
Festlegung durch Betriebliche Übung? Voraussetzung: Kollektiver Leistungsgewährungswille bei vielen „Leistungen“ ist der Umfang nicht klar
Festlegung durch Stellenbeschreibungen? stellt Frage nach dem Rechtscharakter von Stellenbeschreibungen unverbindliche Orientierungshilfe, Indiziencharakter oder Vertragsbestandteil? im Zweifel: schwacher Indiziencharakter (BAG: insbesondere bei vielen Arbeitszeitformulierungen unverbindlich und änderungsoffen, z.B. „Die Arbeitszeit ist derzeit im Drei-Schicht-Betrieb zu leisten“
Festlegung auf kollektiver Ebene Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Betriebsvereinbarungen wirken rechtsetzend in das Arbeitsverhältnis hinein, § 77 Abs. 4 BetrVG Tarifvertrage ebenso (§ 4 Abs. 1 TVG) wenn Inhalt des Arbeitsvertrages Änderungssperre
II. Änderungsoffenheit auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Änderungsoffenheit = individuelle Veränderbarkeit grundsätzlich auf allen Regelungsebenen denkbar Schutz des Arbeitnehmers durch verschiedene Sicherungsmechanismen hierdurch Risiko, dass getroffene Änderung/Abweichung nicht anerkannt wird und Klage des Arbeitnehmers Erfolg bringt
Änderungen auf kollektiver Ebene Abweichungsschutz durch Zustimmungserfordernis des kollektiven Partners (BR oder Gewerkschaft) teilweise ohne Zustimmung bei Öffnungsklauseln häufige Fehler: Überdehnung von Öffnungsklauseln, Nutzung tariflicher Öffnungsklauseln ohne Tarifbindung (wenn nicht vorgesehen)
III. Änderung durch Änderungsvereinbarung auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Änderung durch Änderungsvereinbarung vorzugswürdige Variante Anfechtungsrisiko gering häufige Anfechtungsgründe: § 123 BGB Täuschung oder widerrechtliche Drohung Beweislast bei Anfechtung: Arbeitnehmer Streit meist nur bei Beendigungsvereinbarungen
Änderungsvereinbarung kein Schriftformerfordernis es sei denn Schriftformerfordernis ist vereinbart konkludente Aufhebung eines einfachen Schriftformerfordernisses Problem: doppeltes Schriftformerfordernis unwirksam, BAG Urt. v. 20.05.2008 – 9 AZR 382/07
Auswirkungen auf laufende Zeitbefristungen Kollision mit Vorbeschäftigungssperre (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG) nur Verlängerung der Laufzeit des befristeten Vertrags statthaft, nicht Änderung von Arbeitsbedingungen Folge: unbefristeter Vertrag entsteht
IV. Änderung durch Direktionsrecht/Weisung auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Weisungsrecht: Nähere Bestimmung der im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig beschriebenen Leistungspflicht des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach - Zeit - Art und - Ort der Leistung soweit nicht Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz entgegen stehen
Rechtsgrundlage des Weisungsrechts: § 315 Abs. 1 BGB/alt. § 106 GewO vorgegebene Grenze: Ausübung nur nach „billigem Ermessen“ alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles müssen abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden
Befolgungspflicht unbilliger Weisungen – BAG Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 249/11 Arbeitnehmer ist an unbillige Weisung gleichwohl solange gebunden, bis Unbilligkeit rechtskräftig feststeht bis dorthin Befolgungspflicht es darf keine Unwirksamkeit aus sonstigen Gründen vorliegen
Befolgungspflicht unbilliger Weisungen – BAG Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 Arbeitnehmer ist an unbillige Weisung solange nicht gebunden, bis Unbilligkeit rechtskräftig feststeht bis dorthin keine Befolgungspflicht
V. Änderung durch Widerrufsvorbehalte und Befristung auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Änderung durch Widerrufsvorbehalte AGB-Kontrolle von Widerrufsvorbehalten kein „freies“ Widerrufsrecht des Arbeitgebers BAG: transparente Angabe von Widerrufsgründen zwingend erforderlich
Änderung durch Freiwilligkeitsvorbehalte AGB-Kontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Kombination mit Widerrufsvorbehalten immer unwirksam durch strenge BAG-Rechtsprechung i.d.R. unwirksam
Befristete Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit – BAG Urt. v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10 befristet Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit (hier: halbe auf volle Stelle für 3 Monate) ist wesentliche Vertragsänderung wesentliche befristete Vertragsänderung wird nach AGB-Recht geprüft (nicht: TzBfG) AGB-rechtlicher Maßstab sind aber die Wertentscheidungen des § 14 Abs. 1 Ziff. 1 - 8 TzBfG
Gratifikation nach billigem Ermessen – BAG Urt. v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16 Leistungsbestimmung einer Gratifikation nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zulässig Zahlung in gleichbleibender Höhe in den vergangenen Jahren führt nicht zu einer Konkretisierung Alternative zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten
VI. Änderung durch Änderungskündigung auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Änderungskündigung Sonderform der Kündigung (§ 2 KSchG) Beendigungskündigung + Neuangebot soziale Rechtfertigung erforderlich, falls KSchG anwendbar hohe Hürde
Soziale Rechtfertigung des Kündigungsteils Gründe aus § 1 Abs. 2 KSchG: personen-, Verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe bei betriebsbedingter Kündigung insb. Sozialauswahl
Fehler beim Neuangebotsteil Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist überschießendes Änderungsangebot (unnötige zusätzliche Änderungen) zu kurze Annahmeerklärungsfrist
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers Annahme des Änderungsangebots Vorbehaltsannahme und Klage Klage ohne Vorbehaltsannnahme keine Reaktion
VII. Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers abhängig von der jeweiligen ändernden Maßnahme des Arbeitgebers Klage auf Leistung nach bisheriger Durchführungsart Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Maßnahme auch: einstweiliger Rechtsschutz Risiko bei Weigerungshaltung: Abmahnung/Kündigung
VIII. Mitbestimmungsfragen auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen
Änderung von Arbeitsbedingungen als Versetzung 20%-Regel Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs oder die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist
Ideale Regelung von Änderungen von Arbeitsbedingungen: durch Betriebsvereinbarung wenn freiwillige BV, keine Erzwingbarkeit keine Nachwirkung unmittelbare Wirkung zugunsten und zu Lasten der Mitarbeiter keine AGB-Kontrolle von BV-Regelungen (Widerrufsregeln, Befristungen pp.)