Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen bei interkultureller Beschäftigung

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 Präsentation transkript:

Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen bei interkultureller Beschäftigung Hamburg-Harburg – 31. März 2016

Praktika / Mindestlohn Anerkennung von Qualifikationen Fragen der Vertragsgestaltung Diskriminierungsschutz Religiöse Rücksichtnahmepflichten

I. Praktika / Mindestlohn auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

- 3 Monate Maximallaufzeit - Orientierungspraktika vor Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums - 3 Monate Maximallaufzeit - Pflichtpraktika nach einer Schul-, Studien- oder Ausbildungsordnung - keine Laufzeitbegrenzung, Ordnung gibt vor - Freiwillige Praktika während Ausbildung oder Studium - 3 Monate Maximallaufzeit - negative Belegung des Begriffs, Verwendung in Auseinandersetzungen vermeiden kein Praktikum ohne Mindestlohn nach Ausbildung oder Studium (Ausnahme: Minderjährige o. Neuorientierung)

§ 22 Abs. 3 MiLoG „Praktikanten“ Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.

Einstiegsqualifikanten - § 22 I Nr. 4 MiLoG, Qualifikationsmaßnahme nach § 54a SGB III oder §§ 68 bis 70 BBiG privilegiert, obwohl diese gerade keine Praktikanten nach §§ 22 Abs. 1 S. 2 MiLoG und 26 BBiG sind negative Belegung des Begriffs, Verwendung in Auseinandersetzungen vermeiden

Jugendliche - § 22 Abs. 2 MiLoG unter 18 Jahren (§ 2 JArbSchG) keine abgeschlossene Berufsausbildung Zweck: Förderung der Berufsausbildung; junge Menschen sollen von dieser nicht absehen, weil sie bei einer Alternativtätigkeit den „hohen“ Mindestlohn erhalten negative Belegung des Begriffs, Verwendung in Auseinandersetzungen vermeiden

Sonstige Formen von Einstiegsbeschäftigung: „über die Schulter schauen“ Gast im Betrieb Schnuppertage Probebeschäftigungen Erprobungen zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse

Wann liegt ein Arbeitsverhältnis vor? Weisungsgebundenheit Eingliederung in den Betrieb

Risiken bei „Probebeschäftigung“, falls doch Arbeitsverhältnis: Owi Mindestlohngesetz (Zoll) Entgelt(differenz)klage Begründung eines (unbefristeten) Arbeitsverhältnisses

Fazit: Auch ohne vorliegen eines (privilegierten) Praktikumsverhältnisses oder einer sonstigen Probe- oder seitens der Agentur für Arbeit geförderten Beschäftigung kann das Beschäftigungsverhältnis „frei“ eingegangen werden  nur eben unter Zahlung des Mindestlohns!

II. Anerkennung von Qualifikationen auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Voraussetzung der Berufsausübung in zahlreichen Berufen Anerkennung durch die jeweils zuständige Stelle (z.B. IHK, Handwerkskammer, Gesundheitsamt) Entscheidung durch Verwaltungsakt Kosten- und Arbeitsaufwand  keine arbeitsrechtliche Einstellungsvoraussetzung

Hauptprobleme: fehlende Zertifikate mangelnde Vergleichbarkeit der Berufsbilder, Ausbildungsgänge fehlen von vergleichbaren Ausbildungsgängen und Abschlüssen insgesamt evtl. Angabe von Qualifikationen, die tatsächlich nicht vorliegen

Lösungsansätze zum Qualifikations-Check: Qualifikationsanalysen Arbeitsproben Fachgespräche Fachpräsentationen  regional angebotsabhängig

III. Fragen der Vertragsgestaltung auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Grundsatz: Für alle Beschäftigten gilt – unabhängig von ihrem etwaigen ausländerrechtlichen Status – das selbe Arbeitsrecht.

Befristungsrecht: generell anwendbar Befristung des Aufenthaltstitels kein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG

Befristungsgründe § 14 Abs. 1 TzBfG: vorübergehender betrieblicher Bedarf im Anschluss an Ausbildung oder Studium zur Vertretung wegen Eigenart der Arbeitsleistung zur Erprobung in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe …

Zeitarbeit: Asylsuchende und Geduldete erst nach 15 Monaten ununterbrochenem Aufenthalt Fachkräfte u.U. bereits nach 3 Monaten

Arbeitsvertrag in deutscher Sprache mit ausländischem Arbeitnehmer BAG Urt. v. 19.03.2014 – 5 AZR 252/12 (B) Annahmeerklärung auch dann wirksam, wenn AV in deutscher Sprache und AN der deutschen Sprache nicht mächtig keine Übersetzungspflicht AG

Beim Vertragsschluss unterlassen: Differenzierung im Sinne einer betrieblichen Statusgruppe „Flüchtlinge“ oder „ausländische Arbeitnehmer“ Konditionenabweichungen gegenüber vergleichbaren EU-Beschäftigten Regelungen betreffend „religiöse Ausnahmetatbestände“ ( besser über Weisungsrecht)

IV. Diskriminierungsschutz auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Zentrale Regelung: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Wovor schützt das AGG? Das AGG soll Benachteiligungen beseitigen oder verhindern aus Gründen der Rasse wegen der ethnischen Herkunft der Religion der Weltanschauung …

Wer wird durch das AGG geschützt?  „Beschäftigte“ Arbeitnehmer Auszubildende Bewerber arbeitnehmerähnliche Personen Arbeitnehmer auch nach Ende des AV Leiharbeitnehmer Praktikanten

In welchen Bereichen spielt das AGG eine Rolle? Zugang zur Erwerbstätigkeit (=Einstellung) Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen Berufs(aus)bildung und Weiterbildung Sozialschutz und soziale Vergünstigungen eigentlich nicht: Kündigung

Das Verbot gilt für Arbeitgeber Arbeitnehmer Dritte (z.B. Kunden, Geschäftspartner)

Wann ist eine unterschiedliche Behandlung erlaubt? § 8 AGG – allgemeiner Ausnahmetatbestand § 9 AGG – Ausnahmen für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften

§ 8 Abs. 1 AGG „Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen“ Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

§ 5 AGG „Positive Maßnahmen“ Ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 … benannten Gründe ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.

Wozu wird der Arbeitgeber vom AGG verpflichtet? Stellenausschreibungen unter Beachtung des AGG Schulung von Mitarbeitern und Vorgesetzen Kundgabe des AGG im Betrieb Maßnahmen gegen „Störer“

V. Religiöse Rücksichtnahmepflichten auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Allgemeine (nicht religiös intendierte) Rücksichtnahmepflichten:  wie alle anderen Arbeitnehmer auch allgemeine Fürsorgepflicht familiäre Rücksichtnahme evtl. besondere Rücksichtnahme wegen Folgen von Flucht und Vertreibung Diskriminierungsschutz (s.o.)

Hauptfallgruppen religiöser Rücksichtnahme Gebetspausen religiöse Feiertage Kleiderordnungen Tätigkeitseinschränkungen neu: abgelehnte Kontakte zu Frauen

Art. 4 GG – Glaubens- und Gewissensfreiheit Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Praxisbeispiel: Eine Gruppe muslimischer Arbeitnehmer beantragt bei Arbeitgeber A die Zurverfügungstellung eines angemessenen Gebetsraums die Einräumung von drei in die Schicht fallenden (unbezahlten) Gebetspausen einen Schrank zur Lagerung von Gebetsteppichen die Zusicherung von Urlaub an den islamischen Feiertagen des Opferfestes, des Ramadanfestes und der Aschura

Kleiderordnungen sind mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG) Kernrechtsprechung betrifft Streit um Tragen eines Kopftuchs im öffentlichen Dienst müssen religiöse Rücksichtnahmepflichten beachten aber: wie weitgehend?

Kündigung wegen Glaubenskonflikts BAG Urt. v. 24.01.2011 – 2 AZR 636/09 beruft sich AN bei Tätigkeit auf entgegenstehenden Glaubenskonflikt, kann Beharren des AG auf Vertragserfüllung ermessenfehlerhaft sein Kündigung gleichwohl auch ohne Pflichtverletzung möglich, wenn AG den AN nicht ohne Schwierigkeiten anderweitig sinnvoll einsetzen kann

Direktionsrecht (Weisungsrecht): Nähere Bestimmung der im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig beschriebenen Leistungspflicht des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach - Zeit - Art und - Ort der Leistung

Rechtsgrundlage: § 315 Abs. 1 BGB, § 106 GewO Prüfungsmaßstab: Ausübung nach „billigem Ermessen“

Das Direktionsrecht umfasst in der Praxis im Kern: Zuweisung eines betrieblichen Arbeitsplatzes Befugnis zur Übertragung konkreter Arbeitsaufgaben und von Arbeitsinhalten Einteilung in bestimmte Schichten/ Arbeitszeitmodelle

Mit in den Abwägungsprozess bei der Beurteilung der Wahrung billigen Ermessens einzustellen: religiöse Rücksichtnahmepflichten aber auch: - Wahrung des Betriebsfriedens - Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - Wahrung der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes - Sicherstellung von Arbeitsabläufen und – ergebnissen