Innenminister Friedrich im Bayernkurier, 16. 3

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 Präsentation transkript:

Innenminister Friedrich im Bayernkurier, 16. 3 Innenminister Friedrich im Bayernkurier, 16.3.2013 „Freizügigkeit gibt aber nicht das Recht auf Zuwanderung unmittelbar in die Sozialsysteme. Wer nur nach Deutschland kommt, um hier Sozialhilfe zu kassieren, muss zurückgeschickt werden. Das hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn die Betroffenen nach der Ausweisung nicht sofort wiedereinreisen dürfen. Wir brauchen deshalb eine Sanktion, mit der in derartigen Fällen die Rückkehr für eine vernünftige Dauer verhindert werden kann.“

Europäische Soziacharta des Europarats (revidierte Fassung, durch die BRD unterzeichnet am 29. Juni 2007; bislang nicht ratifiziert) Artikel 13 – Das Recht auf Fürsorge Um die wirksame Ausübung des Rechts auf Fürsorge zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien: 1. sicherzustellen, daß jedem, der nicht über ausreichende Mittel verfügt und sich diese auch nicht selbst oder von anderen, insbesondere durch Leistungen aus einem System der Sozialen Sicherheit, verschaffen kann, ausreichende Unterstützung und im Fall der Erkrankung die Betreuung, die seine Lage erfordert, gewährt werden; 2. sicherzustellen, daß Personen, die diese Fürsorge in Anspruch nehmen, nicht in ihren politischen oder sozialen Rechten beeinträchtigt werden; (…).

EU-Sozialkommissar László Andor "Manchmal haben wir die Sorge, dass die Diskussionen ein bisschen aufgeblasen sind wegen der innenpolitischen Debatte."

1. Unionsbürger_innen sind. aufenthaltsrechtlich. privilegiert.  1. Unionsbürger_innen sind aufenthaltsrechtlich privilegiert.  Die „Unionsbürger_innenschaft“ verleiht primärrechtlich ein Aufenthaltsrecht, dessen Einschränkung rechtlich und faktisch kaum möglich (und auch nicht wünschenswert) ist.

2. Migrationssteuerung wird daher ins Sozialrecht „outgesourcet“.  durch Einschränkungen beim Arbeitsmarktzugang für Angehörige der Beitrittsstaaten ohne Berufsqualifikation sowie Ausschlüsse für noch nicht erwerbstätige (arbeitssuchende) Unionsbürger_innen vom SGB II und XII. 5

3. Eine Migrationssteuerung auf. dem Wege des Sozialrechts ist 3. Eine Migrationssteuerung auf dem Wege des Sozialrechts ist grundsätzlich abzulehnen.  Ein Ausschluss der Unionsbürger_innen von existenzsichernden Leistungen widerspricht:  der Verfassung  völkerrechtlich bindenden Menschenrechtsabkommen  europäischem Primär- und Sekundärrecht. 6

Widerspruch zur Verfassung 7

BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.7.2012: „Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfGE 125, 175). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Er umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.“

BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.7.2012: „Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

Widerspruch zu völkerrechtlichen Menschenrechtsabkommen  Europäische Sozialcharta des Europarats  Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt, IPwskR) 10

Widerspruch zu Europäischem Primär- und Sekundärrecht Streitpunkte sind insbesondere die Vereinbarkeit eines Leistungsausschlusses mit: Art. 24 Abs. 2 UnionsRL - Unionsbürgerrichtlinie Art. 4 VO (EG) 883/2004 – Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

4. Die geltende nationale. Rechtslage verhindert soziale. Teilhabe.  4. Die geltende nationale Rechtslage verhindert soziale Teilhabe.  Dies ist integrations- und sozialpolitisch kontraproduktiv.  Der Bund entzieht sich seiner sozialpolitischen Verantwortung und überlässt die überforderten Kommunen sich selbst.  Die nationale Rechtslage mit ausländerrechtlichen Ausschlüssen, Sonderregelungen, Spezialvoraussetzungen wird der Realität eines Europa jenseits der wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft nicht gerecht. 12

Beispiel Duisburg: Das kommunale „Handlungskonzept zum Umgang mit der Zuwanderung von Menschen aus Südost-Europa“ (2012) rechnet unter anderem mit folgenden kommunalen Kosten für dringend erforderliche Aktivitäten: Bereitstellung und Finanzierung menschenwürdigen Wohnraums (6 Mio. Euro) Einrichtung von medizinischer (Grund-)Versorgung für bislang nicht krankenversicherte Personen (8,5 Mio. Euro) Zusammen 14,5 Mio. Euro. Bei Anspruch auf SGB-II-Leistungen: kommunale Kosten von 4,5 Mio. Euro (75 Prozent der Unterkunftskosten)

5. Handlungsbedarf gesetzlich. . Existenzsicherung: Streichung von 5. Handlungsbedarf gesetzlich.  Existenzsicherung: Streichung von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und von § 23 SGB XII  Arbeitsmarktzugang: Streichung von § 284 SGB III  Ausbildungsförderung: Änderung von § 8 Abs. 1 BAföG  Integrationskurs: Änderung des § 44 AufenthG 14

6. Handlungsbedarf grundsätzlich.  6. Handlungsbedarf grundsätzlich.  gezielte Förderung: Auflage eines bundesweiten, zielgruppenspezifischen Förderprogramms für Unionsbürger_innen  Schutz von Arbeitnehmer_innen: Einführung eines gesetzlichen, einheitlichen existenzsichernden Mindestlohns  Europa weiter denken statt Nationalstaat restaurieren: Keine Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit  Schaffung eines Europäischen Sozialgerichtshof  Mindeststandards im Bereich der existenzsichernden Grundsicherung vereinheitlichen: Einführung eines europäischen differenzierten Grundeinkommens mit dem Ziel eines europaweiten, bedingungslosen Grundeinkommens statt nationaler Sozialhilfesysteme. 15