Die “Kritischen” Dimensionen im Kausystem

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Die “Kritischen” Dimensionen im Kausystem Die “Kritischen” Dimensionen im Kausystem. Greven M 1,2,3,4 Christiansen G 5 Carmignani A 1,6 Einleitung. Die Indikation für die Durchführung invasiver zahnmedizinischer Behandlungen und bei Patienten mit temporo-mandibularen Funktionsstörungen (TMD) zur Veränderung der okklusalen Beziehungen haben seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts kontinuierlich Kontroversen ausgelöst.1,2 Die Notwendigkeit, reproduzierbare dynamische Messmethoden in die klinische und instrumentelle Funktionsanalyse im Bereich der gesamten zahnmedizinischen Diagnostik und Behandlung zu integrieren, ist gleichermaßen unbestritten und obligatorisch.3 Moderne Patienten sind zunehmend qualitätsbewusst bzgl. zahnmedizinischer Behandlungen und fordern bessere und erhöhte Langlebigkeit zahnärztlicher Therapieformen. Bedingt durch die zunehmende Häufigkeit okklusions-dominierter, funktioneller Erkrankungen in den letzten Dekaden4, einer rapiden Entwicklung und Verbesserung dentaler Materialien und Technologien, die vielfältige neue Optionen beinhalten, muss die dentale Zunft einen geänderten Blickwinkel einnehmen, um entsprechend angepasste diagnostische und planerische Techniken zu implementieren, bevor invasive zahnärztliche Therapien – wie aufwändige prothetische oder kieferorthopädische Rehabilitationen – eingeleitet werden. Dieses wird optimalen, therapeutischen Nutzen für alle Patienten gewährleisten. Die Temporo-Mandibular-Gelenke (TMJs) und ihre 3-dimensionale, räumliche Position innerhalb der Fossa glenoidalis sind die Schlüsselparameter ungestörter Funktionen; nicht nur die des mastikatorischen Systems, sondern auch gleichzeitig als Rezeptor und Modulator der gesamten Körperhaltung 5-14. Kraniomandibuläres System, neuromuskuläres System und okklusales Führungssytem. Die physiologische, funktionelle Gelenkraum des Kiefergelenks ist sehr gering. Jede Abweichung und/oder Auslenkung auf Gelenkniveau von 0,6 - 0,8 mm oder grösser in jede Raumrichtung (kranial, dorsal, oder transversal) erzeugt eine funktionelle (Über-) Belastung der anatomischen Komponenten der Gelenke (Bi-Laminäre Zone, Diskus artikularis, Ligamenta, knöcherne Strukturen)15,16,17,18,19 und führt zu einer neuromuskulären Vermeidungsreaktion (i.e.: funktionelle Kompensation) innerhalb des Kauorgans 20 und der Puffersysteme der benachbarten Organsystemen (Kopfhaltung, Halswirbelsäule, Schultergürtel, Wirbelsäule, etc.)21,22. Dem gegenüber wird die physiologische Position der Kiefergelenke und der statischen und dynamischen Okklusion dominiert und gesichert23. Dieses verhindert muskuläre Hyperaktivität durch gleichmäßige Verteilung der Kräfte der mastikatorischen und assoziierten Muskulatur24,25,26. Das okklusale Kontakt- und Führungsschema, das die räumliche Lage der unterschiedlichen Okklusionsebenen umfasst, spielt eine sehr wichtige Rolle bei dieser Aufgabe27. Es ist offensichtlich, dass eine sequentiell geführte Okklusion mit Eckzahndominanz zur Disklusion der posterioren Region führt und protrusive, laterotrusive und mediotrusive funktionelle Interferenzen im Prämolaren- und Molarenbereich nicht entstehen lässt und somit bestens geeignet scheint für die Bereitstellung interferenzfreier Funktion28,29,30,31. Abweichungen von diesem okklusalen Schema - hinsichtlich sogenannter Zahnfehlstellungen oder okklusal dominierter Fehlfunktionen - kann leicht die Entwicklung von schmerzhaften Symptomen in Form einer temporo-mandibulärer Dysfunktion hervorrufen32,33. Darüber hinaus scheint erwiesen, dass okklusale Störungen Kiefergelenkverlagerungen im Sinne von funktionellen Kompressionen oder Distraktionen induzieren34,35,36,37, die zur Entwicklung von Gewebeschäden führen können, wie z. B. die Kontusion des Synovialapparates, die Irritation des ligamentären Apparates38, Gelenködeme im Sinne einer Kapsulitis, Verlagerung des Kondylus und des Diskus artikularis39, oder, im schlimmsten Fall, Resorptionen der knöchernen Strukturen des Kiefergelenks40. Symptome wie Muskelhypertonizität, muskuläre Dyskoordination, Nackenschmerzen, Kopfschmerzen und andere neurologische Symptome sowie Muskel- oder Gelenkschmerzen und/oder verringerte Mobilität und Motilität der Mandibula zeigen sich in einem sehr hohen Prozentsatz der Fälle 41-51. Die statische und dynamische Okklusion scheint ein neurologischesFeedbacksystem zu sein, das die mandibulären Bewegungen gegen die maxilläre Dentition steuert52,53,54,55. Gleichzeitig gewährleistet die Okklusion eine physiologische, kondyläre Position und einen physiologischen Gelenk-Funktionsraum16,17,18,19,20. Mit dem Wissen, dass okklusale Empfindlichkeit und Taktilität im Bereich von 0,03 - 0,04 mm liegt54,56 61 , dass das Kiefergelenk eine Deflektions-Toleranz von nur 0,6-0,8 mm aufweist16,17,18,19,55, und dass die physiologische Winkeldifferenz zwischen der Steilheit der kondylären Eminenz und der okklusalen Führungsflächen innerhalb jeder skelettalen Klasse ≤ 10° ist59,60,61, wird deutlich, dass sich die Zahnheilkunde mit einem sehr individuellen, komplizierten und komplexen Organsystem auseinandersetzten muss3. Diagnostischer Ansatz. Um eine präzise Diagnose und einen optimalen Behandlungplan zu erhalten, sowie eine maßgeschneiderte Therapie für jeden einzelnen Patienten zu entwickeln, müssen möglichst alle relevanten funktionellen Informationen des einzelnen Patienten durch ein maximal standardisiertes Diagnosekonzept erfasst werden3,55,62,63. Dieses Konzept umfasst nicht nur eine gründliche medizinische und zahnmedizinische Anamnese, eine standardisierte klinische Funktionsanalyse, individuell im Artikulator montierte Präzisionsmodelle in Referenzposition3 inklusive Modell- und Artikulatoranalyse der statischen und dynamischen Okklusion, eine kephalometrische Analyse und Auswertung, sondern auch präzise und reproduzierbare kinematische Messungen/Aufzeichnung des 3-dimensionalen kondylären Bewegungsbahnen des Unterkiefers3,55,64. So ist es möglich, in Echtzeit die Bewegungen des Unterkiefers zu ermitteln und diese Aufzeichnungen mit der statischen und dynamischen Okklusionen zu synchronisieren und patienten-individuell zu simulieren und Behandlungen präzise zu planen und vorherzusagen63. Wenn erforderlich, müssen zusätzliche Analysen oder Untersuchungen angeordnet werden - einschließlich bildgebender Verfahren und konsiliar-ärztlicher Untersuchungen - , um eine Differentialdiagnose zu stellen. Durch diese differentialdiagnostische Abklärung kann die Okklusion als kausaler ätiologischer Faktor für die Entwicklung von Zeichen und Symptomen einer temporo-mandibulären Dysfunktion verifiziert werden65,66. Therapeutischen Ansatz. Die Vorschaltung einer reversiblen Initialtherapie der Okklusion ist ein Muss bei Patienten mit einer potentiell okklusions-dominierten temporo-mandibuläre Dsyfunktion51,67-71. Zeichen und Symptome müssen sich positiv und signifikant verändern, bevor invasive Therapien (z.b. Selektive funktionale Äquilibrierung, kieferorthopädische Behandlungen, Rekonstruktive und/oder prosthodontic Rekonstruktion der okklusalen Oberflächen) eingeleitet werden. Im Falle eines positiven Verlaufes der Vorbehandlung - i. e.:, nach objektiver (durch den Therapeuten) und subjektiver (durch den Patienten) Neubewertung des Zustandes des Patienten nach standardisierten Vorgehen – sind invasive okklusale Behandlungschritte der nächste logische Schritt nach der Initialbehandlung51,52,62,68,69. Nach Bestätigung der Diagnose bzw. des Behandlungserfolges, muss die okklusale Rehabilitation unter strenger Berücksichtigung und Kontrolle der physiologischen kondylären Position und unter präziser Anwendung des sequentiellen Okklusionskonzeptes mit Eckzahndominanz durchgeführt werden3,4,55,59,60,71. Abb.2: Die Reproduzierbarkeit der maximalen Interkuspidation auf Gelenkebene liegt im Bereich 0,03 – 0,04mm (Christiansen, 2011) Abb.3: Abweichungstoleranzen im Bereich des Kiefergelenkes x-, y-, z-Achse (Christiansen, 2011) Abb.4: Die physiologische Winkeldifferenz zwischen der Steilheit der kondylären Eminenz und der okklusalen Führungsflächen innerhalb jeder skelettalen Klasse liegt bei ≤ 10°. (Tao et al., 2015) Abb.1: MRT-Aufnahme einer physiologischen Kiefergelenkposition; sagittal/transversal (Kobs-Klassifikation, 2004) 10° Fazit. Durch den Einsatz von präzisen, objektiven und reproduzierbaren Diagnose- und Messtechniken und die Anwendung eines standardisierten Behandlungsprotokolles für die okklusale Rehabilitation, ist es möglich, verlässliche und vorhersagbare therapeutische Ergebnisse zu erhalten51,62,64. Darüber hinaus ist es möglich, den Verlauf der rekonstruktiven oder kieferorthopädische Behandlung zu überwachen, sowie jederzeit Anpassungen oder Korrekturen der laufenden Behandlungen durch weitere oder erneute Diagnostik vorzunehmen, sollten sich Änderungen ergeben70,72. Markus Greven, Dr.med.dent., MSc, PhD 1,2,3,4 Gerd Christiansen, Dr.med.dent 5 Alessandro Carmignani, Dr. med. dent., MSc, PhD 1,6 1 Vienna School of Interdisciplinary Dentistry, Vienna, Austria, 2 Department of Prosthodontics, University Dental School, Medical University of Vienna, Vienna, Austria, 3 Department of Craniofacial Growth and Development Dentistry, Kanagawa Dental University, Yokosuka, Japan, 4 Private Dental Clinic, Bonn, Germany, 5 Private Office, Ingolstadt, Germany, 6 Private Office, Pontedera, Italy