Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin Prof. Dr. Dr. Wolfgang Schneider
Angststörungen 1) Einführung: Angst als Emotion und als psychische Störung 2) Symptomatologie, Diagnose und Differentialdiagnose 3) Epidemiologie, Verlauf, Komorbidität 4) Ätiologische Modellvorstellungen 5) Therapieansätze
Angstsyndrom, dimensional affektiv kognitiv Angst, diffus, ziellos Panik Phobie-Vermeidung Antizipierte Angst Traumatische Angst Leistungsversagensangst Soziale Angst Depersonalisation Derealisation Hypervigilanz Angst vor Kontrollverlust Todesangst Katastrophenhaltung Besorgnisse Zweifel, Unsicherheit Angst vor Beschämung Angst vor Wiederkehr des Traumas
Angstsyndrom, somatische Dimension Tachykardien, Brustschmerz. Schweißausbrüche, Schwindel, Tremor, Hyperventilation, Mundtrockenheit, Oberbauchbeschwerden etc...
Differenzierung von Angstphänomenen Angst als Emotion Subjektiv-kognitive, physiologische, motorische-behaviorale Komponenten State- und Trait-Angst Biologische Funktion Primärangst, Realangst, Signalangst Subklinische Angstphänomene Prüfungsangst Angststörungen (Neurotische Angst) Angst ohne Anlaß: Panikstörung Unangemessene Intensität: Phobie Unangemessene Dauer: Generalisierte Angststörung
Diagnostische Extension Phobische Störungen Panikstörung Generalisierte Angststörung Zwangsstörung Anpassungsstörung Akute Belastungsreaktion Posttraumatische Belastungsstörung
Symptomatologie und Differentialdiagnose
Angst bei psychischen Störungen Neurotische Angststörungen i.e.S.: Angstneurosen (nicht situativ gebunden / "frei flottierend"): Generalisierte Angststörungen (lang anhaltende Angstepisoden) Panikstörung (kurze, heftige Attacken) Isolierte Phobien und Sozialphobie Agoraphobie Neurotische Angststörungen i.w.S.: Zwangsstörung Hypochondrische und dysmorphophobe Störungen Somatoforme Störungen ("Herzangstneurose") PTSD/Anpassungsstörungen Neurasthenie Persönlichkeitsstörungen: Persönlichkeitsstörung des ängstlich-vermeidenden Typs Psychosen/wahnhafte Störungen: Paranoide Schizophrenie
Häufige Einzelsymptome bei Panikattacken
Katastrophisierende Interpretationen vor Panikattacken
Panikstörung, deskriptiv-kategorial
Konzepte isolierter Phobien
Prototypische Beispiele "agoraphobischer Situationen"
Epidemiologie
Angststörungen: Ausgewählte epidemiologische Aspekte Lebenszeitpr. (%) Punktprävalenz Bemerkung Angststörung gesamt 14.0 7.0 W:M = 2:1 Panikattacke 9.0-15.0 1.0 Panikstörung 2.5-3.6 Beginn: Adoleszenz Agoraphobie (+PS) 2.9-6.9 (1.1) 2.9 GAS 4.0-7.0 1.5-3.0 Biphasisch: 20/40 Soziale Phobie 1.0-16.0 4.5 M=W, Beginn: Pubertät Spez. Phobie 5.9-11.5 5.5 Beginn: Kindheit Zwang 2.0-3.0 PTBS 7.5 Wittchen und Perkonnig, 1996
Komorbiditätsmuster spezifischer Angststörungen in einer Stichprobe von N = 112 Patienten
Aufgaben einer spezifischen Krankheitslehre der Angststörungen (1) Erklärung der pathologischen Angstmerkmale bei Angststörungen (2) Ätiologische Differenzierung verschiedener Formen von Angststörungen Weitere Explananda: Zeitpunkt der Erstmanifestation Angstinhalte / "Phobische Wahl" Aufrechterhaltung und Remission
Schematische Darstellung der zweiten Angsttheorie Freuds (1926)
Psychodynamisches Modell der Symptombildung bei "neurotischen" Angststörungen
Ich strukturelle Schwäche Geringe Angstbindung und hohes Ausmaß frei flottierender Angst Traumatisierung Widersprüchliche und bindungsverunsichernde Erfahrung mit primären Objekten Regression fördert frühe Erlebensweisen von Hilflosigkeit und Verlassenheit als unspezifisches und undifferenziertes Bedrohungserleben zutage
Phasen der Entwicklung der Agoraphobie (1) "Schlüsselerlebnis" (a) extremer Angstzustand vor realem Hintergrund (b) panikartige "vegetative Entgleisung" (2) Selbstbeobachtung und Phobophobie Generalisierung durch klassische Konditionierung (Assoziationslernen) (3) Vermeidung Negative Konditionierung (instrumentelles Lernen) (4) Anpassung wichtiger Lebensbereiche an störungsbedingte Einschränkungen
Das "Zwei-Faktoren-Modell„: Auslösung durch Assoziationslernen, Aufrechterhaltung durch Bekräftigungslernen
Angst als "Erwartungskrankheit": Exemplarische kognitive Fehler Panikstörung: Katastrophale Interpretation von Körperempfindungen Generalisierte Angststörung: Unrealistisch hohe Erwartung negativer Ereignisse Zwangsstörungen: Unrealistisch hohe Erwartung negativer Handlungsfolgen
Indikation verhaltenstherapeutischer Techniken bei Angststörungen
Exemplarisches Angstprotokoll mit alternativer Kognition
Exemplarische Angsthierarchie
Konfrontationstechniken: Varianten und Synonyme Verhaltensebene Stufung Graduell Massiert In vivo Habituationstraining; Verhaltenstraining; graduierte Löschung Expositionstraining; “flooding“; Reizüberflutung; Symptominduktion; In sensu Systematische Desensibilisierung; Implosionstherapie (Maximalreiz unter der Annahme einer Relativierung in der Angsthirarchie) Implosionstherapie, Reaktionskonfrontation; Reaktionsüberflutung
Systematische Desensibilisierung Technische Durchführung (1) Vermittlung einer Entspannungstechnik (z.B. PM) (2) Konstruktion einer Hierarchie angstauslösender Stimuli (dabei bereits Entspannungsübungen) (3) Vorstellung der am wenigsten angstauslösenden Szene unter Entspannung (bis zu völliger Angstfreiheit) (4) Vorstellung der nächststärkeren Szene bis zu völliger Angstfreiheit (5) Üben im Lebensalltag
Differierende Wirkannahmen in zwei Modellen der Angsttherapie durch Konfrontation