Was erfordert Pränataldiagnostik von der Hebammenarbeit? Auswirkung der pränatalen Diagnostik auf den Arbeitsalltag der Hebammen auf der Geburtsstation Zahlen Fallbeispiele Andrea Messer, Hebamme
Übersicht Betreute Frauen in Verlustsituationen 2012 69, davon 19 Schwangerschaftsabbrüche 2013 52, davon 12 Schwangerschaftsabbrüche 2014 52, davon 18 Schwangerschaftsabbrüche 2015 76, davon 25 Schwangerschaftsabbrüche bis 25.10.2016: 68, davon 36 Schwangerschaftsabbrüche Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Zahlen bis 25.10.2016 SS- Abbruch bei Genetischer Anomalie 11 SS- Abbruch bei kindlichen Fehlbildungen 18 Spina bifida Herzfehler Skelettfehlbildungen Fehlbildungen des Urogenitaltraktes Hydrozephalus / Anomalie des Gehirnes Siamesische Zwillinge SS- Abbruch bei Genetischer Anomalie 11 Trisomie 21 (9) Trisomie 18 andere SS- Abbruche aus mütterlicher Indikation 7 AIS, nach frühem vorzeitigem Blasensprung Frühe schwere Präeklampsie andere Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Fallbeispiel 1 Fr. X. 35 jährige 2001, 29 4/7 SSW Schwangerschaftsabbruch bei kindl. Hirnatrophie (Verlust v. Hirnsubstanz) Fetocid und Priming mit Mifegyne Einleitung mit Prostin bei St.n. Sectio Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Vorgeschichte Autounfall mit Bauchtrauma in der 23. SSW, bis dahin unauffälliger Schwangerschaftsverlauf US und Hbf-Kontrollen nach dem Trauma unauffällig Erstmaliges Auftreten von Hirn-Auffälligkeiten in der 26. SSW, bei Routinekontrolle Zuweisung in FKI zur weiteren Diagnostik MRI in der 27. SSW: «Deutliche Hirnvolumenminderung supratentoriell. Vd.a. schmales Epiduralhämatom, am ehesten als Bild einer fortgeschrittenenen ischämischen Infarzierung der supratentoriellen Hinrnanteile unklarer Ursache. Vd.a. Ischämie der intratentoriellen Hirnanteile mit Beteiligung des Hirnstamms.» Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Weiteres Prozedere in der FKI Gespräche mit Neonatologen und Neuropädiatern. Es muss mit einer schweren bis schwersten Beeinträchtigung des Kindes gerechnet werden. Eltern äussern den Wunsch nach einem SS-Abbruch, da sie sich ein Leben mit einem schwerstbehinderten Kind nicht vorstellen können Ethikgespräch in der FKI Folgegespräch mit den Eltern und der Lebens- und Trauerbegleiterin. Der vorausgehende Fetozid wird ausdrücklich besprochen. Eltern wirken sehr entschlossen und sehen für sich und ihr Kind keinen anderen gangbaren Weg. Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Einleitung / Geburt Planung des Fetozides und der darauf folgenden Einleitung Priming mit Mifegyne und anschliessende Einleitung mit Prostin, bei St.n. Sectio PDA und Syntocinonunterstützung in der frühen EP Problemlose Spontangeburt und Plazentarperiode Begrüssung und Verabschiedung des Kindes Austritt nach Hause Weitere Betreuung durch die ambulante Hebamme Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Autopsieresultate des Kindes noch ausstehend Zusammenhang mit Autounfall nicht gesichert Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Schwierigkeiten / Fragen «Wunschkind» bis 27. SSW Initiative von den Eltern zum Abbruch? Weiss «man», dass ein Abbruch in dieser Woche gemacht werden kann? Wann und unter welchen Umständen darf / muss ein Abbruch in dieser Woche «angeboten» werden? Fetozid in dieser SS-Woche muss zuerst interdisziplinär besprochen werden. Ethikgespräch Früher Einbezug der Lebens- und Trauerbegleiterinnen / Hebammen, allenfalls Psychiatern Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Fallbeispiel 2 Frau Y. 33 jährige 2001, 18 2/7 SSW Schwangerschaftsabbruch bei Trisomie 21 Priming mit Mifegyne Geburtseinleitung mit Cytotec Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Vorgeschichte Im 1. Routinescreening erhöhte Nackenfalte, flaches Profil und Pyelektasie ( erw. Nierenbecken) bds., kein biochemischer 1.TT erwünscht V.a. Trisomie 21 in NIPD, Überweisung an FKI zur weiteren Diagnostik AC in der 15 4/7 SSW, freie Trisomie 21 Vermittlung einer Beratung durch Lebens- und Trauerbegleiterin Ambivalenz deutlich spürbar Erstvorstellung im Gebärsaal in der 17 5/7 SSW mit dem Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch: «Das Paar kommt mit der Absicht zur SS-Beendigung. Partner ist sich sicher in der Entscheidung für den Abbruch. Fr. Y. äussert, dass sie grosse Angst vor dem Abbruch hat. Sie hat Angst, dass die Entscheidung falsch ist, aber auch, dass die Entscheidung, das Kind zu behalten, genauso falsch ist. Sie möchte nicht nur sich, sondern vor allem dem Kind Leiden ersparen. Die vielen schlechten Aspekte, die im US gewichtet wurden, sind ihr sehr im Kopf geblieben.» Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Einleitung und Geburt Nach diversen Gesprächen und Aufklärung über Einleitung etc. Einnahme von Mifegyne und Entlassung nach Hause Wiedereintritt zur Einleitung in der 18 0/7 SSW. Ambivalenz immer noch deutlich spürbar Gespräch mit Seelsorge, Paar wünscht weiterhin Einleitung Problemlose Spontangeburt in der 18 1/7 SSW, manuelle Plazentalösung «Wickleln das Kind in ein mitgebrachtes Tuch ein. Nimmt es zu sich, weint und spricht leise mit ihm» Austritt und weitere Betreuung durch ambulante Hebamme Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Schwierigkeiten / Fragen «Will nicht die Hebamme vom ersten Kind, schämt sich weil sie den Abbruch gemacht hat» «Ist erschüttert, dass sie so eine Entscheidung getroffen hat» Wann können wir sagen, das machen wir nicht? Beziehen des psychiatrischen Dienstes bei deutlicher Ambivalenz? Rückweisung an Überweiser? Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
fristenregelung Art. 119 Strafloser Schwangerschaftsabbruch 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. 2 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten. 3 Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich. 4 Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen. 5 Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist. Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer
Definitionen «Eine schwere seelische Notlage droht, wenn die Frau leicht in einen dauerhaften psychischen Ausnahmezustand geraten könnte» Die Schwangere muss eine Notlage geltend machen. Diese Notlage muss nicht an objektiven Kriterien gemessen werden; es genügt, dass die Schwangere die Situation als Notlage empfindet und diese gegenüber der Ärztin oder dem Arzt geltend macht. Peter Christian / Schweizerische Ärztezeitung / 2012;9:21 / Strafloser Schwangerschaftsabbruch Herbstfortbildung SHV Sektion Bern 03.11.2016 / Andrea Messer