Der doppelte Bezug der Hochschulpraxis zum Wissenschaftssystem -

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 Präsentation transkript:

Der doppelte Bezug der Hochschulpraxis zum Wissenschaftssystem - Welche Wissensformen braucht die Praxis und wie kann ein Begleitforschungsprojekt wie FideS darauf reagieren? Bezug zu vorherigen Vorträgen Tagungstitel: “Perspektiven und Zukunft der Forschung zum Lehren und Lernen an Hochschulen” Wir möchten die vorangegangen Beiträge durch die Perspektive eines Begleitforschungsprojektes ergänzen. Wir haben im Abstract versprochen, dass wir noch einmal aufzeigen, was Mixed-Methods für entwicklungsorientierte Ansätze in der pädagogischen Hochschulforschung leisten kann. Bei der Erarbeitung dieses Koreferats haben wir jedoch festgestellt, dass wir viel kleiner Anfangen müssen: Um Entwicklungsprozesse zu starten, müssen wir erst einmal fragen, welche Art von Informationen die pädagogische Hochschulpraxis benötigt. Daran schließt die Frage an, welche Methoden diese Informationen hervorbringen können. Wir fokussieren also die Frage: Wie kann Begleitforschung Hochschulpraxis bei Lernprozessen unterstützen und welche Antworten geben verschiedene methodische Ansätze?

BMBF-Förderlinien: Zielsetzungen I Qualitätspakt Lehre (2011-2016/2017-2020) Verbesserung von Studienbedingungen und Lehrqualität Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre (2014-2018) „eine evidenzbasierte Gestaltung von Studium und Lehrbedingungen voranzutreiben“ „Generierung verallgemeinerbarer und transferierbarer Erkenntnisse über Einflussfaktoren und Gelingens- bedingungen für eine anspruchsvolle und auf größeren Studienerfolg zielende Gestaltung des Bereiches Studium und Lehre“ (BMBF 2013, S.1-2)

BMBF-Förderlinien: Zielsetzungen II Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre (2014-2018) „Zwingende Voraussetzung für die Förder- fähigkeit von Projektvorschlägen, die im Kontext dieser Förderrichtlinien eingereicht werden, ist neben dem unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zur Verbesserung der Studien- bedingungen und der Lehrqualität ein möglichst aktives Einbeziehen von für die ausgewählte Fragestellung relevanten QPL-Projekten in das Forschungsdesign. Eine lediglich passive Berücksichtigung („Beforschung“) der QPL- Projekte wäre unzureichend.“ (BMBF 2013, S.1-2)

Akteure und Ihre pädagogische Expertise Pädag. Wissenschaften Experten Laien Prakt. Pädagogisches Wisse QPL – Mitarbeiter Hochschullehrer mit langer Erfahrung Begleitforschung Junge Hochschuldozenten

Akteure und Ihre wissenschaftl. Expertise Andere Wissenschaften Experten Laien Pädago. Wissenschaft Fachdidaktiker Hochschuldidaktiker Hochschulleiter, Hochschullehrer

„ZIelgruppen“ und Akteure in QPL-Projekten Zielgruppe von Wissen Begleitforschung QPL – Mitarbeiter Lehrende Hochschul-leitung Akteure Peer Review Träger praktischen Wissens Anwender theoret. Wissens QPL-Mitarbeiter Peer Review, Rezeption als Teil der Profession Peer learning Anwender pädagog. Wissens - Nutzenorientierte Rezeption Hoch-schul-leitung

regelgeleitetes Wissen Situativ, intuitives Wissen Novizen Fortge-schrittene Anfänger Kompetente Gewandte Experte Kontext-freies, regelgeleitetes Wissen Dreyfus & Dreyfus (1987) Situativ, intuitives Wissen

Situationen Fähigkeiten Handlungen Nach Markowitsch et al. 2006 Situationen Fähigkeiten Handlungen Experte V Ganzheitliche, komplexe Problemsituationen mit Domänenbezug Initiatives, situationsbezogenes Handeln Gewandter Professioneller IV Engagierte Erfassung von Aufgaben Intuitiver Rückgriff auf komplexe Muster Holistisches Verstehen/Erkennen von Ähnlichkeiten Reflektierte Kombination von intuitivem, engagiertem und auf Erfahrung beruhendem Handeln Kompetenter Akteur III Strukturierung der Problemlösebedingungen nach gewählten Zielen Wesentliches von Situationen und Faktorenkonstellationen erkennen, interpretieren Hierarchisch, sequenziell geordnetes Handeln nach gewähltem Plan Fortgeschritt-ener Anfänger II Wirkliche Situation, gekennzeichnet durch viele kontextfreie Fakten und Regeln Verstehen, wie Fakten und Muster zusammenwirken in ihrer Funktion Handeln nach kontextfreien und situativen Elementen unter Einbeziehung praktischer Erfahrung Neuling (Anfänger/ Novize) I Objektive, klare, kontextfreie, unabhängige Tatbestände Unterschiedliche Fakten, Muster anwenden Handeln nach kontextfreien Regeln

Mixed-Methods für das Praxisfeld Argument für qualitative Methoden Qualitative Verfahren generieren kontext-spezifisches Wissen, dass für die Entwicklung professionellen Handelns benötigt wird. Argument für quantitative Methoden Evidenzbasierte Wirkungszusammenhänge generieren kontext-freie Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die in der Hochschulpraxis für die hochschuldidaktische Ausbildung gebraucht werden. Argument für bildungstheoretische Überlegungen Normative Annahmen und der bildungstheoretische Diskurs finden sich in der Hochschulpraxis wieder und müssen deshalb ebenfalls Teil des Forschungsdesigns sein.

Argument 1: Qualitative Methoden Menschliches Lernen und Fallstudien “The case study produces the type of context-dependent knowledge that research on learning shows to be necessary to allow people to develop from rule-based beginners to virtuoso experts” (Flyvbjerg 2006, S. 221). Fallstudien und Evidenz Fallstudien erfüllen nicht den Anspruch des engen Evidenzbegriffs, sondern führen zu Wissen in Form von Narrationen, das für Lernprozesse in der Praxis genutzt werden kann. Evidenzorientierung und ihre Kritik „Auf der Seite der Praxis scheint evidenzbasierte Pädagogik die Möglichkeiten von professionellen Pädagogen massiv einzuschränken, solche Urteile in einer Weise zu fällen, die sensibel und relevant für ihren Handlungskontext ist” (Biesta 2011, S. 99).

Argument 2: quantitative Methoden Novizen und regelgeleitetes Wissen “It is not that rule-based knowledge should be discounted: It is important in every area and especially to novices. But to make rule-based knowledge the highest goal of learning is regressive. There is a need for both approaches” (Flyvbjerg 2006, S. 223). Novizen Fortge-schrittene Anfänger Kompetente Gewandte Experte Kontext-freies, regelgeleitetes Wissen Dreyfus & Dreyfus (1987) Situativ, intuitives Wissen

Welches Wissen wird akzeptiert (Helfrich 2016) Position Ontologie Epistemologie Erkenntnisprinzip Gültigkeit Kritischer Rationalismus Es gibt einen vom Forscher unabhängige Realität Die Realität ist durch Erfahrung und Denken prinzipiell erkennbar. Deduktion und Falsifikation Korrespondenz zwischen den durch Erkenntnis gewonnen aussagen und der Realität Konstruktivismus Die Realität ist eine soziale Konstruktion Basis der Erkenntnis ist die soziale Erfahrung Hermeneutische Rekonstruktion Tauglichkeit für zweckgerichtetes Handeln Systemtheoreitscher Ansatz Relation als soziale Konstruktion. Muss durch die wechselseite Vernetzung einzelner Phänomene beschrieben werden Analyse von Strukturen und Funktionen erlaubt Vorhersagen über Systemverhalten Analyse zirkulärer Kausal-beziehungen Angemessenheit der Vorhersagen über das Systemverhalten

In der Praxis lassen sich drei Wissensbedürfnisse erkennen: Fazit Die Begleitforschung erfordert neben evidenzbasierten Aussagen auch eine enge Zusammenarbeit mit der Praxis. In der Praxis lassen sich drei Wissensbedürfnisse erkennen: Kontext-spezifisches Wissen durch qualitative Methoden (Fallstudien) zur Professionalisierung von Expert*innen Kontext-freies, regelhaftes Wissen durch quantitative Methoden zur Ausbildung von Novizen Wissenschaftlich fundiertes Wissen im Einklang mit den eigenen epistemologischen Überzeugungen und wissenschaftlichen Positionen Welches Wissen brauchen Sie für ihre Arbeit in der HD?

Info und Kontakt

Referenzen Biesta, G. (2011): Warum „What works“ nicht funktioniert. Evidenzbasierte pädagogische Praxis und das Demokratiedefizit der Bildungsforschung. In: Johannes Bellmann und Thomas Müller (Hg.): Wissen, was wirkt. Kritik evidenzbasierter Pädagogik. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss., S. 95- 121. BMBF. (2013). Richtlinien zur Förderung von Vorhaben der Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre. Abgerufen von http://www.hochschulforschung- bmbf.de/_media/FINAL_q_leb_foerderbekanntmachung.pdf Dreyfus, H.L./Dreyfus, S.E. (1987): Künstliche Intelligenz. Von den Grenzen der Denkmaschine und dem Wert der Intuition. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag. Flyvbjerg, B. (2006): Five Misunderstandings About Case-Study Research. In: Qualitative Inquiry 12 (2), S. 219-245. Helfrich, H. (2016): Wissenschaftstheorie für Betriebswirtschaftler. Wiesbaden. MARKOWITSCH, J./ BECKER, M./ SPÖTTL, G. (2006): Zur Problematik eines European Credit Transfer System in Vocational Education and Training (ECVET). In: GROLLMANN, P./ RAUNER, F./ SPÖTTL, G. (Hrsg.): Europäisierung Beruflicher Bildung – eine Gestaltungsaufgabe. Hamburg, 173-198.