Die Steuerungsproblematik in Aktiengesellschaften im 19. Jahrhundert Klaus Brockhoff Stiftung WHU 21.9.2015.

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 Präsentation transkript:

Die Steuerungsproblematik in Aktiengesellschaften im 19. Jahrhundert Klaus Brockhoff Stiftung WHU

Gliederung 1.Entstehung des Agentur-Problems 2.Ankündigung des Problems 2.1 Alleingesellschafter 2.2 Mehrere Gesellschafter 3.Unterschiedliche Problemlösungsideen 3.1 Staatskontrolle 3.2 Eigentümerkontrolle 3.3 Transparente Geschäftsführungsregeln und Regelbindung der Agenten 3.4 Nutzung materieller Interessen Berechnungsgrundlagen Motivation 3.5 Vertrauen auf moralisches Verhalten 4. Schluss

1. Entstehung des Agenturproblems Wirtschaftliche Gründe, veränderte Einstellungen zum Unternehmertum und rechtliche Gründe fördern das Aufkommen von Aktiengesellschaften insbesondere in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Indiz: Häufigkeit der Nennung „Actiengesellschaft/Aktiengesellschaft“ in der Literatur Quelle: Google ngrams,

1. Entstehung des Agenturproblems Rechtliche Regelungen begünstigen die Trennung von Kapitalbereitstellung (Eigentum) und Leitung der Gesellschaften Es verbleiben bedeutende Regelungsdefizite

2. Ankündigung des Problems 2.1 Alleingesellschafter Der Gewinn hat verschiedene Komponenten (Say, Mill, Marx, Ricardo, Mangoldt, Marshall): – „Wages of Management“ – „Premium for risk bearing“ – „Interest on the owned part of capital“ – Innovationsprämie Die zur Unternehmensführung notwendigen Fähigkeiten sind knapp (Say).

2.2 Mehrere Gesellschafter Knappheit von Kapital (und Motiv der Risikostreuung) führen zu mehreren Gesellschaftern Komponenten des Gewinns bedingen konfliktreiche Verteilungs- und Motivationsprobleme Kontrollorgane der Gesellschaften sind noch nicht rechtlich normiert; effektive private Lösungen müssen sich erst herausbilden Dieser Prozess ist pfadabhängig, weil viele AG aus Personengesellschaften entstehen (und damit offiziell oder inoffiziell Regeln und Verhalten aus den Ursprüngen tradiert werden, die nicht zur neuen Situation passen) Wie soll dieser Komplex von Problemen behandelt werden?

3. Unterschiedliche Problemlösungsideen 3.1 Staatskontrolle Aktiengesellschaften müssen zwar im Laufe der Zeit nicht mehr konzessioniert werden (galt bis 1870 in Preussen)… aber staatliche Kontrolle durch Kommissare oder Präsenz im Aufsichtsrat/Verwaltungsrat wird für erforderlich gehalten Auch staatsnahe Kenner (Schäffle, Courcelle Seneuil) stellen die Ineffektivität und Ineffizienz dieses Systems fest – Kontrolleure kennen das Geschäft nicht (gravierend: Verwaltungsräte betreiben auch operative Geschäfte) – Kontrollfunktionen werden als Pfründe genutzt – Aufsichtsräte/Verwaltungsräte werden aufgebläht (Deutsche Bank: 24 Mitglieder)

3. Unterschiedliche Problemlösungsideen 3.2 Eigentümerkontrolle Voraussetzung: Information, Interesse, Fähigkeit zum Urteil Information: interne Prüfungsrechte (Kommissare: Schäffle), Einführung externer Pflichtprüfungen (in England als Ablösung der Staatskontrolle 1844, aber wieder zurückgenommen) Interesse: Kapitalbeteiligung muss wesentlich sein. Bei Aufsichtsräten oder Geschäftsführern etwa 5% Pflichtbeteiligung am GK (u.a.: Haushofer jr.); Problem: Minderheitsbeteiligungen großer Kapitaleigentümer (wegen ihrer Risikostreuung über mehrere Gesellschaften) Fähigkeit zum Urteil: Eher bei großen Kapitaleigentümern gegeben; Kleinaktionäre benötigen Minderheitenschutz oder ein „système de contrôles“, z. B. durch strikte personelle Trennung von Aufsicht und Geschäftsführung (Vermeidung ‚zwieschlächtiger Wesen‘: Schäffle) Notwendigkeit der Beschränkung der Anzahl der Mandate (Mill, Marshall)

3. Unterschiedliche Problemlösungsideen 3.3 Transparente Regeln und Regelbindung der Agenten Weiterführung der Empfehlung von Adam Smith bis in die preussische Genehmigungspraxis hinein: AG nur in Geschäftsfeldern, die überschaubar risikoarm sind; AG passen nicht zur „eigentlichen Speculation“ (Roscher) Auf dieser Grundlage (Transparenz erleichtert) sind Eigentümerkontrollen der Direktoren leichter möglich Idee ist wegen der Ausbreitung der AG in innovative Geschäftsfelder (Chemie) und der Haftungsbeschränkung der Eigentümer auf das bereitgestellte Aktienkapital nicht durchzuhalten Hierfür sind die Aufsichtsregeln (noch) nicht ausreichend oder die Direktoren werden zu vielen zustimmungspflichtigen Geschäften unterworfen (AG-Novelle 1884, HGB 1897; Kritik: Esser/Esser)

3. Unterschiedliche Problemlösungsideen 3.4 Nutzung materieller Interessen Gewinnbeteiligung ohne eigene Kapitalanteile Erste gesetzliche Berechnungsgrundlage (Soll) erst ab 1900; getrennt für Vorstand und für Aufsichtsrat Gewinn- und Verlustbeteiligung (Emminghaus) Langfristorientierung durch mehrjähriges Gewinnmittel als Ausschüttungsgrundlage (Lindwurm) Frage: Sind die „Manager“ überhaupt materiell interessiert? (Lindwurm, Schäffle) Frage: Bis auf welche Hierarchieebene kann das sogen. Tantieme-System ausgedehnt werden? (Babbage, Schäffle, Mangoldt) Frage: Wie werden Externe als Vorstände behandelt? Kaution (Ernst Abbe, Haushofer)

3. Unterschiedliche Problemlösungsideen 3.5 Vertrauen auf moralisches Verhalten Smith, Mill, Schäffle: Wird bei guter Bezahlung gefördert Marshall: „Faithfulness“ und „loyalty“ müssen gefördert werden. Optimistisch: beides wird stärker im Laufe der Zeit Esprit de corps ist wichtig (Marshall)

4. Schluss Steuerungsalternativen in Abhängigkeit von Unsicherheit und Entwicklung des Rechnungswesens (= Kontrollinstrument, teilweise in rechtliche Normen gefasst) Wie kommt es, dass Berle/Means vor diesen Hintergründen als revolutionär empfunden wurden und werden?