Repetitorium im öffentlichen Recht Öffentlich-rechtliches Verfahren und Rechtspflege.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Verwaltungsprozessrecht
Advertisements

Kanton Basel-Stadt Das Baubewilligungsverfahren. Kanton Basel-Stadt Das BaubewilligungsverfahrenFolie 2 Baubewilligungspflicht Art. 22 Abs. 1 des eidgenössischen.
Schulrecht - Ebenen Gesetze: BayEUG Schulfinanzierungsgesetz
Sozialgerichtsbarkeit
Exkurs: Rechtsöffnungsbegehren
4. Vorlesung Grundsatz des fairen Verfahrens (Fair Trial)
Zivilprozessrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
5 Jahre BehiG - 5 Jahre EBGB
Übungen im öffentlichen Prozessrecht Prof. Dr. Isabelle Häner 7. November 2008.
Grundsätze des Verwaltungsrechts im Zusammenhang mit der Verfügung
Rechtsverhälntissen Probleme der Anwendung des Verwaltungsrechts
Vorbesprechung PS 1 WiWi
Einführung in das Öffentliche Recht für Nichtjuristen
INFORMATIONSVERANSTALTUNG
Bescheidprüfung, Art 144.
Proseminar Grundzüge der Rechtwissenschaft I
Übungen im öffentlichen Prozessrecht Prof. Dr. Isabelle Häner 21. November 2008.
Vorsicht! Ins Arbeitsrecht spielen zahlreiche weite-re Vorschriften hinein, zB aus den Gebie-ten Datenschutz, Gleichstellung von Mann und Frau, Sozialversicherung,
ZGB-Inhaltsübersicht
Weitere Grundlagen der Verwaltungstätigkeit
Neue Gestaltung der ungarischen Verwaltungsgerichtsbarkeit oder Neuregelung des ungarischen Verwaltungsgerichtsverfahrens? Dr. Péter Darák Oberstes Gericht,
Prof. Regina Kiener Öffentliches Prozessrecht I Subsidiäre Verfassungsbeschwerde / Klageverfahren (17. Mai 2011) Prof. R. Kiener.
__________________________________________________________________________________________________________________ Vortrag Juristenverein16. SEPTEMBER.
Das gerichtliche Mahnverfahren
Verwaltungsverfahren
Vortragsstruktur Bauten ausserhalb der Bauzone
Das neue FamFG – rechtliche Grundlagen
Baugesuch und Baubewilligung
1. Übungseinheit Grundlagen des Rechts (Stolzlechner S. 1-35, 62-68)
Aufbau der Rechtsordnung
Verfahrensablauf Ersatzvornahme
Übung zur Vorlesung „Grundrechte“
Art. 81 und 82 EG: Sanktionen, Verfahren, Rechtsmittel - Überblick -
III. Beschlussfassung (inkl
Zivilrechtliche Massnahmen im Kindesschutz Gibt es Veränderungen? Fachtagung 6. März 2015 Jugendheim Platanenhof Andreas Haltinner Präsident KESB Region.
Grobschema zur Rechtmäßigkeit des VA
Modul A-05 Register 10 und 11 USB-Stick
Deutsches Kartellrecht
Vorüberlegung zum Prüfungsaufbau: Zulässigkeit Begründetheit Ergebnis
Übung zu den Vorlesungen im Verwaltungsrecht
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
Der Sachverhalt - F.R. AG seit 1967 um Erteilung einer Konzession bemüht -Wurde von der saarländischen Regierung nicht erteilt, daher Klage vor dem Verwaltungsgericht.
Übungen im öffentlichen Prozessrecht
Prof. Häner, Üb. öff. Prozessrecht, Fall A und B, Übungen im öffentlichen Prozessrecht Prof. Dr. Isabelle Häner 19. September 2008.
Rechtsquellen des Strafprozessrechts
Übungen im öffentlichen Prozessrecht Prof. Dr. Isabelle Häner 5. Dezember 2008.
Übungen im öffentlichen Prozessrecht Prof. Dr. Isabelle Häner 24. Oktober 2008.
Übungen im öffentlichen Prozessrecht Prof. Dr. Isabelle Häner 3. Oktober 2008.
Gerichtsorganisation
Dr. Rolf Marschner Fachgespräch Berlin
Weber1 Behörden- struktur Wettbewerbs- kommission Sekretariat Organisation Zuständigkeit Organisation Zuständigkeit Kommission Kammern.
Verwaltungsrecht – Fall 6
Ρ. ri x ecker.recht Die Exzellenzinitiative Vorüberlegung: Was ist die Fragestellung? Landesregierung beantragt beim BVerfG „festzustellen“, das das „Gesetz.
Ρ. ri x ecker.recht Die auserwählte Oberstudienrätin Worum geht es? O erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen von VG und OVG im Eilrechtsschutz!
Ρ. ri x ecker.recht Erziehung zur Mündigkeit Vorüberlegung: Worum geht es?  T (15 Jahre) erhebt Verfassungsbeschwerde gegen die (behördlichen?) und gerichtlichen.
1 Symposium Der K(r)ampf um das Recht in der Schule
Ρ. ri x ecker.recht Die Shisha-Café Gesellschaft bürgerlichen Rechts Wonach ist gefragt? [S-GbR, A und B erheben VB gegen das NRSchG]  Rechtssatzverfassungsbeschwerde.
Übertragung öffentlicher Planungs- und Bauaufgaben auf Private lic. iur. Christian Bär, Rechtsanwalt, LL.M.
Repetitorium Öffentliches Recht FS 20121Prof. Dr. Markus Schefer Repe Öffentliches Recht FS 2012 Prof. Dr. Markus Schefer.
Das ordentliche Ausländerrecht Anwesenheit. Anwesenheit: Bewilligungspflicht Voraussetzungen der Berechtigung zur Anwesenheit: –rechtmässige Einreise.
Fall 2: „Public Voting“ Urteil BGer 2C_770/2011 vom
Repetitorium im öffentlichen Recht Rechtsstaat. Grundgehalt der Rechtsstaatlichkeit im eigentlichen Sinne: Beschränkung der staatlichen Machtentfaltung.
Gestaltungsspielräume im Urheberrecht Bernd Juraschko, Justiziar und Leiter Wissenschaftliche Services DHBW Lörrach
RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung zu den Grundlagen des Rechts I 6. Stunde Verwaltungsrecht Öffentliches Recht und Privatrecht Das gesamte Recht unterteilt.
MEDIA Ersatzmassnahmen 2014 Mesures compensatoires MEDIA 2014 Information an die Produzenten Information aux producteurs ( heures)
Das ordentliche Ausländerrecht Zulassung. Hauptkriterien der Zulassung Erwerbstätigkeit keine Erwerbstätigkeit Familiennachzug.
RA Philipp Franke, wiss. Mit. Übung zu den Grundlagen des Rechts I 4. Stunde Art. 14 GG - Eigentumsgarantie I)Schutzbereich 1)Personaler Schutzbereich.
Repetitorium im öffentlichen Recht
Einbürgerungsrecht Hinweise. Prinzip: Selbststudium das Einbürgerungsrecht ist im Selbststudium zu erarbei- ten auf der Grundlage: –des Bürgerrechtsgesetzes.
Edgar Oberländer – Mitglied im Landesausschuss Recht, Steuern und Versicherung Stand: Januar 2015 Die wichtigsten Rechtsbehelfe im Steuerrecht.
 Präsentation transkript:

Repetitorium im öffentlichen Recht Öffentlich-rechtliches Verfahren und Rechtspflege

Ordentliches Gesetzgebungs- verfahren (am Beispiel Bund) Anstoss (Initiative) Vorverfahren –Departementsentwurf –Vernehmlassung –Mitberichtsverfahren Bundesratsentwurf (Botschaft in BBl) Beratung und Verabschiedung getrennt in beiden Räten –evtl. Differenzbereinigung –Schlussabstimmung Referendumsfrist evtl. Volksabstimmung Inkrafttreten Publikation (AS und SR)

Verwaltungsverfahren (Handeln durch Verfügung) Merkmale: –nichtstreitiges Verfahren –Charakteristika: formell: Erledigung durch individuell-konkrete Anordnung gestützt auf verfahrensrechtliche Bestimmungen sachlich: inhaltlicher Geltungsbereich gestützt auf materielle Rechtsgrundlage (anwendbarer Erlass) Zuständigkeit: bestimmte (Verwaltungs)Behörde gestützt auf organisationsrechtliche Erlasse –Verfahrensregeln aufgrund der anwendbaren prozes- sualen Bestimmungen

Verfahrensgrundsätze (Maximen) Schriftlichkeit Parteiöffentlichkeit Offizialmaxime für Verfahren von Amtes wegen Dispositionsmaxime für Gesuchsverfahren (Bewilligungen, Konzessionen, Subventionen usw.) Untersuchungsgrundsatz abgeschwächt durch Mitwirkungspflicht insbes. in Gesuchsverfahren Rechtsanwendung von Amtes wegen

Ablauf des Verwaltungsverfahrens Einleitung von Amtes wegen oder auf Gesuch hin Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen –insbes. Zuständigkeit, Ausstandsgründe –Feststellungsinteresse bei Feststellungsverfügung Ermittlung –Sachverhalt –Parteistandpunkte (rechtliches Gehör) –Rechtslage Entscheid –Subsumtion und Entscheidfällung –Eröffnung (förmliche Mitteilung mit Rechtsmittelbelehrung) evtl. Rechtsmittelverfahren Durchsetzung –Vollstreckung –evtl. Vollstreckungsverfahren mit –verfügung, v.a. wenn Verhalten erzwungen werden muss (z.B. Ausschaffung, Geldleistung) –evtl. unter Androhung der Ungehorsamsstrafe (Art. 292 StGB)

Parteirechte im Verwaltungsverfahren persönlichkeitsbezogene Mitwirkungsrechte (rechtliches Gehör) Rechtsgrundlage: –anwendbare Verfahrenserlasse (z.B. VwVG oder entsprechender kantonaler Erlass) –minimale verfassungsrechtliche Mitwirkungsrechte, insbes. Art. 29 BV Gehalt der Rechte: –Verbot der Rechtsverweigerung durch Nichtanhandnahme oder Nichtaus- schöpfung der Kognition und der Rechtsverzögerung –vorgängige Stellungnahme und Anhörung –Akteneinsicht (mit Geheimnisvorbehalt) –Teilnahme am Beweisverfahren –Verbeiständung und Vertretung (insbes. Art. 29 Abs. 3 BV) –Prüfung der Parteivorbringen und Beweisanträge –Entscheidbegründung Rechtsnatur der Parteirechte: –formell (bzw. selbständig) –Heilung ausnahmsweise bei nicht besonders schwerwiegenden Mängeln

Überprüfung der Verfügung Rechtsbehelfe –Merkmal: ohne Rechtsschutzanspruch –Formen: Wiedererwägungsgesuch ausnahmsweise Anspruch auf Behandlung bei wesentlicher Änderung der Umstände oder Rechtslage oder bei neuen Tatsachen oder Beweisen Aufsichtsbeschwerde (Anzeige) auch ohne gesetzliche Grundlage und ohne Parteirechte (nachträgliche) Rechtsmittel (streitiges Verfahren) –Merkmal: mit Rechtsschutzanspruch –Formen: Einsprache (verwaltungsinterne) Beschwerde bzw. Rekurs (verwaltungsexterne) Gerichtsbeschwerde bzw. Gerichtsrekurs Revisionsgesuch

Einsprache Einsprache ohne Rechtsmittelfunktion –kein eigentliches Rechtsmittel –formalisiertes rechtliches Gehör bei Grossprojekten durch öffentliche Auflage (z.B. bei Enteignungen, Nationalstrassen, Eisenbahnanlagen) –im Baubewilligungsverfahren –vor Entscheidfällung bei verfügender Behörde Einsprache mit Rechtsmittelfunktion –förmliches Rechtsmittel –nachträgliches rechtliches Gehör –gegen Verfügung bei verfügender Behörde –insbes. bei Massenverwaltung (z.B. bei Steuern, Sozialversiche- rungen, Subventionen, Verwaltungsstrafen)

Verwaltungsbeschwerde Rechtsmittel nachträglich an höhere Behörde, im Zweifel übergeordnete Aufsichtsbehörde Sprungrekurs: Überspringen der nächsthöheren Instanz, wenn diese Weisung für Einzelfallbehandlung erteilt hat verwaltungsintern (d.h. weisungs- bzw. richtliniengebunden) ordentlich (gegen nicht rechtskräftige Verfügungen) vollkommen (freie Kognition, Sach- und Rechtsfragen sowie Ermes- sen) reformatorisch (neuer Entscheid möglich) mit Devolutiveffekt und in der Regel mit Suspensiveffekt (automati- sche aufschiebende Wirkung) Bund: nur noch ausnahmsweise Beschwerdemöglichkeit von Amt an Departement

Verwaltungsgerichtsbeschwerde Rechtsmittel nachträglich an Verwaltungsgericht oder spezielle Rekurskommis- sion verwaltungsextern (organisatorische, funktionelle und personelle Unabhängigkeit) Rechtsweggarantie aufgrund von Art. 29a BV bzw. Art. 6 EMRK ordentlich (gegen nicht rechtskräftige Verfügungen) vollkommen (freie Kognition, Sach- und Rechtsfragen in der Regel ohne Ermessenskontrolle) bei erster Gerichtsinstanz (Art. 29a BV!), reine Rechtskontrolle bei höheren Instanzen zulässig reformatorisch (neuer Entscheid möglich) mit Devolutiveffekt und je nach dem mit oder ohne Suspensiveffekt (automatische aufschiebende Wirkung) Bund: –Beschwerde an Bundesverwaltungsgericht –Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an Bundesgericht

Verfassungsbeschwerde Rechtsmittel nachträglich an Verfassungsgericht verwaltungsextern (organisatorische, funktionelle und personelle Unabhängigkeit) je nach Regelung ordentliches oder ausserordentliches Rechtsmittel unvollkommen (reine Verfassungsrügen) kassatorisch (nur Aufhebung zulässig) oder reformato- risch (neuer Entscheid möglich) meist ohne Devolutiveffekt und ohne Suspensiveffekt (automatische aufschiebende Wirkung)

Ausgewählte Sachurteilsvoraussetzungen Anfechtungsobjekt angefochtener Verwaltungsakt bzw. Verfügung, gegen die sich Beschwerde richtet Streitgegenstand strittiger Teil des Verfügungsdispositivs, d.h. Entscheiderkenntnis, soweit angefochten Legitimation (Beschwerdebefugnis, Beschwerderecht) –Betroffenheit (Berührtsein) –schutzwürdiges Interesse (auch tatsächlicher, z.B. rein finanzieller, Art) –Aktualität (aktuelles Interesse; Problem: Art. 6 EMRK) –Drittbetroffene: besondere, beachtenswerte Beziehungsnähe erforder- lich (z.B. Nachbarn im Baustreit, Konkurrenten bei Gewerbebewilligun- gen) –Beschwer: materiell: Anfechtungsobjekt muss nachteilig sein formell: Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren

Verbandsbeschwerde Verbände und Organisationen egoistische Verbandsbeschwerde –zur Wahrung der eigenen Interessen wie Private, soweit selbst betroffen –zur Wahrung der Interessen der Mitglieder, wenn Rechtspersönlichkeit Mehrheit oder grosse Zahl der Mitglieder selbst zur Beschwerde berechtigt statutarische Berechtigung, Mitgliederinteressen wahrzunehmen ideelle Verbandsbeschwerde besondere Beschwerdebefugnis in Rechtssatz (z.B. Umwelt- verbände, Denkmalschutz) zur Durchsetzung des objektiven Rechts

Behördenbeschwerde Behörden als Vertreter der Gemeinwesen zur Wahrung von Eigeninteressen –(Gemeinde)Autonomiebeschwerde –soweit Gemeinwesen wie Privater betroffen (z.B. durch Abgabe) zur Durchsetzung des objektiven Rechts –Berechtigung in Rechtssatz –kein aktuelles schutzwürdiges Interesse nötig, aber keine abstrakten, sondern konkrete Rechtsfragen –insbes. eidgenössische Departemente zwecks Einhaltung des Bundesrechts

Rechtsmittel ans Bundesgericht im öffentlichen Recht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) –Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Einzelfallsentscheide (Verfügungen) des Bundes (bzw. des Bundesverwaltungs- und Bundesstrafgerichts sowie der UBI) und letzter Instanzen der Kantone –Stimmrechtsbeschwerde für kantonale oder eidgenössische Stimmrechtsstreitigkeiten –abstrakte Normenkontrolle gegen Erlasse der Kantone –Ausnahmekatalog –Kognition: Rechtsfragen, Sachverhaltskontrolle nur beschränkt subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) –Verfassungsbeschwerde –nur gegen kantonale Entscheide letzter kantonaler Instanzen auch zivilrechtliche Entscheide bei Ausschluss wegen Streitwert –Kognition: nur Verfassungskontrolle –Legitimation: rechtlich geschütztes Interesse nötig (insbes. keine reine Willkürbeschwerde)

Normenkontrolle abstrakte Normenkontrolle hauptfrageweise Überprüfung eines Erlasses auf Übereinstimmung mit höherrangigem Recht, insbes. auf Verfassungsmässigkeit konkrete (inzidente) Normenkontrolle vorfrageweise Überprüfung eines Erlasses im konkreten Anwendungs- fall auf Übereinstimmung mit höherrangigem Recht, insbes. auf Verfas- sungsmässigkeit Bund –keine abstrakte Normenkontrolle –Verbindlichkeit der Gesetze auch im Anwendungsfall, aber auf Völkerrechtskonformität überprüfbar gegenüber Verfassungsrecht kein Überprüfungsverbot, aber Anwendungsgebot –Verordnungen auch auf Verfassungsmässigkeit überprüfbar, aber ist Verfassungswidrigkeit bereits in Gesetz enthalten, ist auf einer entspre- chenden Delegation beruhender Verfassungsverstoss in Verordnung ver- bindlich