Herzlich willkommen! Die aktuelle Entscheidung: BVerfG-Urteil vom 20. April 2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 Außerdem: § 103 gelesen? Strafrecht Grundkurs.

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Herzlich willkommen! Die aktuelle Entscheidung: BVerfG-Urteil vom 20. April 2016, 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 Außerdem: § 103 gelesen? Strafrecht Grundkurs I, II, III wiederholt? Fischer in der Zeit gelesen? Irgendeinen spannenden Fall gefunden? 1

Nötigung, Freiheitsberaubung usw. Delikte gegen die/den persönliche(n) Freiheit/Willen = Willensentschließung, – betätigung Systematik: Kern des Unrechts – Angriff auf Freiheit §§ 234, 237, 238, 239, 240, 241 (L!) – Inhalt? Siehe aber §§ 249 f., 253 f. (Eigentum/Vermögen), Aber: §§ 239a (Mischform) § 235 ? – Personensorge/Entwicklung des Kindes s. a. §§ 108, 177 ff. 2

Nötigung: § 240 („unselige Norm“ W/H I, Rn. 392a) Schutzgut: freie Willensentschließung/-betätigung Verletzung dieses Willens durch - Gewalt - Drohung mit empfindlichen Übel (vgl. §§ 249, 252, 255 -> Gewalt gegen eine Person/Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) Nötigen: Aufzwingen eines dem freien Willen widerstrebenden Verhaltens (das aber vom Genötigten dann gewollt ist [Handlung als willentliches Agieren], aber nicht als frei empfunden wird [nach Abwäg.: Folgen – Beugen/Widerstand]) 3

§ 240: sog. offener Tatbestand Siehe Abs. 2 (s. a. § 253) Ergänzungsbedürftiger Tatbestand (W/H I, Rn. 422) D. h. zu berücksichtigen, dass die Erfüllung des Tatbestandes nicht die Rechtswidrigkeit indiziert Folge: Weite des Tatbestandes kann durch eine Korrektur auf der Ebene der Rechtswidrigkeit eingegrenzt werden. Anders formuliert: Durch die zusätzliche Möglichkeit der Einschränkung der Strafbarkeit fehlt es an dem Zwang einer einschränkenden Auslegung des objektiven Tatbestandes. (S. dazu Rechtswidr.) 4

Gewalt: Was ist Gewalt? körperlich wirkender Zwang bestimmt und geeignet (Wo gibt es das noch?) freien Willen eines anderen zu beeinflussen D. h. rein psychischer Zwang genügt nicht Einverständnis schließt Annahme von Gewalt aus (Unterschied Einverständnis und Einwilligung?) Geschichte des Gewaltbegriffs Verschiedene Formen von Gewalt Finalität 5

Die Geschichte des Gewaltbegriffs in der jüngeren Strafrechtsentwicklung 1.Niemals in der Klausur erörtern! 2.Niemals in der Klausur erörtern! 3.Niemals in der Klausur erörtern – und auch in der Hausarbeit nicht! 4.Aber: in groben Zügen kennen, d. h. nachgelesen haben. (Die Gefahr, diesen Begriff in seiner historischen Dimension zu erörtern besteht, weil es überall geschieht (Entscheid., Kommentare, Lehrbücher), als deskriptiv-narrative Methode.) 6

Entscheidungen, Entscheidungen … Reichsgericht: uneinheitlich, aber i. W.: körperliche Krafteinwirkung zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes (Einschließen, RGSt 13, 49 [Kraft?], Schreckschüsse, RGSt 60, 157 [Kraft]) bzw. als körperlicher Zwang empfunden (Entmietung, RGSt 20, 354) nicht hingegen: Beibringen von betäubendem Mittel (RGSt, 58, 98) BGH: auch betäubende Mittel (BGHSt 1, 145), auch wenn nicht empfunden (bewusstloses Opfer, BGHSt 4, 210; 25, 237) -> Zwangswirkung (körperlich und psychisch, BGHSt 23, 46; 19, 263) 7

BVerfG, BGH – Entscheidungen, die Sie gelesen haben müssen BVerfGE - sog. Blockadeentscheidungen -73, 206; 76, 211: Gewalt kein Indiz für TB; Würdigung aller Umstände des Falles, -92, 1: Verfassungswidrigkeit der erweiternden Auslegung: keine Gewalt bei rein psychischem Zwang -104, 92: Gewalt bei physischen Barrieren -NJW 11, 3020: Bestätigung „2. Reihe-RechtSprechg“ BGHSt 41, 182 (§ 25 Abs. 1, Alt. 2); 44, 34 8

Formen der Gewalt Vis compulsiva: beugende Gewalt, soll einen Willensentschluss erzwingen (z. B. Schläge*, Drängeln im Verkehr, BGHSt 19, 263; BVerfG NJW 07, 1669) = Gewalt ist gegenwärtig Vis absoluta: Willensentschließung ausgeschlossen (Fesselung, Einsperren, Bewusstlosigkeit) = Nötigen zum Dulden Nochmals: Fehlendes Einverständnis – TB (-)! (List?) Subjektiv: Vorsatz – Wille des Täters, Widerstand zu überwinden oder auszuschließen 9

Drohung mit einem empfindlichen Übel Def.: Inaussichtstellen eines Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Drohung Abzugrenzen von einer Warnung Aber: Drohung im Gewand einer Warnung möglich (Interpretation der gesamten Situation!) Vgl. Gewalt* = z. B. Drohung mit weiteren Schlägen, d. h. es ist auch eine konkludente Drohung möglich - Ernstlichkeit, durch Bedrohten für möglich gehalten 10

Übel Nachteil, Verlust, Einbuße, Schaden - Empfindlich (BGH NStZ 82, 287): Wenn erhebliche Einbuße/Verlust (obj. Bewertung, persönl. Verhältnisse) geeignet, besonnenen Menschen zu zwingen (Zirkelschluss?: geeignet, wenn geeignet) (vgl. z. B.: W/H I, Rn. 404) - Wann ist Verlust erheblich? Wer (welches Subjekt) bewertet objektiv? Was ist ein besonnener Mensch? Standhalten in Selbstbehauptung Begriffsakkumulation, Definition ad infinitum Versuch der Normativität (Normen = Begriffe!) 11

Praktische Folgen (z. B. f. d. Klausur) -Kenntnis der Definition -Kenntnis von Beispielen (= entschiedene Fälle: Androhung v. Gewalt, Misshandlung, Strafanzeige, Kündigung, Veröffentlichung von Kenntnissen etc.) -D. h., die Drohung mit einem Übel, das nicht empfindlich ist, weil der Bedrohte verpflichtet ist, standzuhalten, ist tatbestandlich keine Nötigung. -Beispiel bei W/H I, Rn. 404, OLG Hamm, StV 14, 294 (= Vorschau auf Erpressung, § 253 [L!]) 12

Problem: Grenzziehung Vis compulsiva vs. Drohung mit einem Übel Wirkt das, was als Gewalt oder Drohung zu charakterisieren ist, physisch, also körperlich, oder psychisch? Problem: Richten einer Schusswaffe auf Opfer Gewalt? (BGHSt 23, 126, 39, 133) Drohen mit Übel (nämlich Schuss) Problem: Drohung mit Gewalt gegen Sachen/Dritte -> Zwangswirkung beim Opfer 13

Drohung mit Unterlassen -Grundsätzlich: Unterlassen ist rechtlich i. d. R. nur bei Pflicht zum Tun relevant, vgl. §§ 138, 323c, 13 (Begriff der rechtlichen Gebotenheit) -Drohung etwas zu unterlassen, zu dem man rechtlich verpflichtet ist = Androhen eines Übels -Bloßes Ausnutzen einer Zwangslage (Androhen, Hilfe zu unterlassen) ist keine Nötigung (OLG Hamburg, NJW 80, (L!) -Abstellen auf Sozialwidrigkeit: BGHSt 31, 195 – Drohung, rechtlich nicht gebotenes Verhalten zu unterlassen (Problem der Weite des § 240), ist Nötigung (ungeschickt: Täter in W/H I Rn. 431) 14

Nötigungserfolg Tun, Dulden oder Unterlassen gemäß dem Willen des Gewalt Ausübenden oder Drohenden = Kausalität (nicht gegeben, wenn „Opfer“ aus anderen Gründen handelt) Keine Reaktion des Opfers, anderes Handeln, Handeln zum Schein = fehlende Vollendung Wird in Klausuren oft vergessen zu prüfen bzw. positiv festzustellen. Wenn er fehlt: -> Versuchsprüfung 15

Vorschau 4. Mai Rechtswidrigkeit – Verwerflichkeit Aufbau § 240 §§ 239,