Kartellrechtsdurchsetzung in den Vereinigten Staaten von Amerika Florian Wagner-von Papp.

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Kartellrechtsdurchsetzung in den Vereinigten Staaten von Amerika Florian Wagner-von Papp

Überblick A.Überblick über das materielle Recht B.Institutionen zur Kartellrechtsdurchsetzung C.Rechtsfolgen, insbesondere: I.Strafrechtliche Durchsetzung (DOJ) II.Privatrechtliche Durchsetzung D.Internationale Aspekte E.Was heißt das für Europa?

A. Überblick über das materielle Recht I.Bundesrecht 1.Sherman Act 1890 (v.a. §§ 1, 2) 2.Clayton Act 1914 (v.a. §§ 2, 3, 7, 8) 3.FTC Act 1914 (v.a. § 5) II.Recht der Einzelstaaten

A. Überblick über das materielle Recht I.Bundesrecht 1.Sherman Act 1890 a.Section 1 Sherman Act: contract, combination or conspiracy against trade  horizontale und vertikale Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen ≈ Art 101 AEUV, § 1 GWB i.Horiz. hardcore Kartelle: per se verboten (Trenton Potteries) ii.Sonstige horizontale Kooperation: rule of reason (balancing of pro- and anticompetitive effects, BMI) iii.Vertikale Vereinbarungen: seit 2007 sämtlich rule of reason (einzige Ausnahme: tying (Kopplung) unterliegt einer qualifizierten per se rule, Jefferson Parish) b.Section 2 Sherman Act: monopolization + attempted monopolization ≈ Art 102 AEUV, § 19 GWB –Ausbeutungsmissbrauch nicht erfasst –Tendenziell sehr enge Auslegung; Präferenz für Fehler zweiter Art (Nichteingreifen trotz Behinderungswettbw.)

A. Überblick über das materielle Recht I.Bundesrecht 2.Clayton Act §2 (geänd.dch. Robinson-Patman Act): Preisdiskriminierung [nicht unähnlich § 20 GWB, aber behördlich nicht mehr durchgesetzt] 2.§ 3: Kopplung (tying) 3.§ 7: Fusionskontrolle (Ändergen dch Celler-Kefauver [asset deals] und Hart-Scott Rodino [Notifizierungspflicht, § 7A]) 4.§ 8: Interlocking Directorates (fast nicht durchgesetzt) 3.FTC Act 1914 –§ 5 FTC Act: FTC kann “unfair methods of competition, and unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce” verbieten ≈ Mischung aus UWG und Tatbestände, die von Sherman Act erfasst sind oder in dessen Vorfeld liegen (“incipiency”).

A. Überblick über das materielle Recht II.Recht der Einzelstaaten Einzelstaaten haben ihre eigenen Gesetze; meist kopieren diese lediglich die Vorschriften des Sherman Act manchmal sehen sie aber auch weitergehende Verbote, etwa nach Art des § 19 GWB, vor; Wichtige einzelstaatliche Gesetze: insb. Cartwright Act in Kalifornien und Donnelly Act in New York Maryland verbot zB vertikale Preisbindung per se, nachdem Leegin auf Bundesebene rule of reason einführte Wird hier im weiteren Vortrag nicht berücksichtigt (obwohl u.U. praktisch äußerst relevant!) Bei Interesse: s Wagner-von Papp, Liber Amicorum Kovacic, 23

B. Institutionen z. Kartellrechtsdurchsetzung I.Department of Justice Antitrust Division (seit 1903; “DOJ”): Kann (u.a.) Sherman Act und Clayton Act durchsetzen; Kann §§ 1, 2 Sherman Act strafrechtlich oder administrativ durchsetzen. In der Praxis heute: nur horizontale hardcore Kartelle werden strafrechtlich verfolgt Teilt sich Fusionskontrolle mit der FTC (auf der Grundlage eines Memorandum of Understanding (nach Industriezweig); derzeit Debatte, ob Unterschiede in Fusionskontrollstandards zwischen DOJ und FTC angeglichen werden sollen) Muss Sanktionen/Fusionsverbot gerichtlich durchsetzen (vor dem District Court) Kann als privater Kläger dreifachen Schadensersatz für den Bund einklagen (für Verletzung des Sherman oder Clayton Acts)

B. Institutionen z. Kartellrechtsdurchsetzung II.Federal Trade Commission (FTC) (1) Setzt FTC Act und Clayton Act durch; über § 5 FTC Act können alle Tatbestände, die unter den Sherman Act fallen, auch von der FTC durchgesetzt werden; darüber hinaus auch Vorfeldtatbestände (“incipiency”) Teilt sich Fusionskontrolle mit dem DOJ (auf der Grundlage eines Memorandum of Understanding, s.o.).

B. Institutionen z. Kartellrechtsdurchsetzung II.Federal Trade Commission (FTC) (2) Sanktionen und Verfahren richten sich nach FTC Act: administrative Durchsetzung, also z.B. keine strafrechtlichen Sanktionen; i.d. Praxis meist “cease and desist” orders (§ 5(b) FTC Act und § 11 Clayton Act) dch. consent agreement Wenn kein consent agreement erreicht wird: –Verfahren vor dem Administrative Law Judge der FTC, das zu einer “initial decision” führt, –Diese kann mit Rechtsmittel vor dem Plenum der FTC Commissioner angegriffen werden; –dort neue mündliche Verhandlung und “final decision”. –Diese kann mit Rechtsmittel zum Court of Appeals angegriffen werden. FTC kann aber auch direkt eine Verfügung vor dem District Court beantragen (§ 13(b) FTC Act; meist: um eine Fusionen zu untersagen, aber auch, um Vorteile abzuschöpfen oder Kompensation anzuordnen).

B. Institutionen z. Kartellrechtsdurchsetzung III.Einzelstaaten (State Attorneys General) Können sowohl einzelstaatliches Kartellrecht als auch Clayton und Sherman Act durchsetzen Soweit Clayton und Sherman Act durchgesetzt wird: nur “injunctive relief” oder dreifacher Schadensersatz als parens patriae (also: nicht strafrechtlich), also wie private Kläger (s.u. IV.) Einzelstaatliches Kartellrecht kann aber auch Kriminalstrafen vorsehen (eg, Cartwright Act in Kalifornien und Donnelly Act in New York)

B. Institutionen z. Kartellrechtsdurchsetzung IV.Private Kläger Können einstweilige Verfügungen erreichen (injunctive relief, § 16 Clayton Act) und dreifachen Schadensersatz einklagen (treble damages, §4 Clayton Act) Evtl. auch Rechte unter einzelstaatlichen Gesetzen Relevant insbesondere: –Unter Bundesrecht haben nur direkte Abnehmer (direct purchasers) Klagebefugnis (Illinois Brick, 431 US 720 (1977)); Folge der Ablehnung der passing on defence in Hanover Shoe, 392 US 481 (1968) (arg: concentration of claims; avoiding difficulties in determining pass on; avoiding multiple litigation from different levels) –Aber: einzelstaatliche Gesetze dürfen vorsehen, dass auch indirekte Abnehmer Klagebefugnis haben (California v ARC America, 490 US 93 (1989)). Das hat die Mehrheit der Staaten getan.

C. Rechtsfolgen Untersagungsverfügungen für Verletzungen des Sherman Act oder Clayton Act, durchzusetzen von FTC, DOJ, State AGs, private Kläger, und für Verletzungen des FTC Act, durchzusetzen von der FTC Strafrechtliche Sanktionen für Verletzung von §§ 1, 2 Sherman Act (faktisch: heute nur noch horizontale hardcore Kartelle unter § 1 Sherman Act), durchzusetzen vom DOJ [ggf: einzelstaatliche Strafgesetze von State AGs] Dreifacher Schadensersatz (DOJ; State AGs; private Kläger)

C. Rechtsfolgen — I. Strafrechtliche Durchsetzung Obwohl §§ 1, 2 Sherman Act von Anfang an als Strafgesetz konzipiert waren, begann strafrechtliche Durchsetzung tatsächlich erst Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre (vorher sporadische Anklagen; zwischen 1981 und 1988 wurden mehr Anklagen erhoben als in all den Jahren zuvor zusammen) Höchststrafandrohung wurde 1974 von 1 Jahr auf 3 Jahre (felony) angehoben; dann 2004 auf 10 Jahre erhöht. Während der 70er und 80er Jahre des 20. Jhds bis 1987 waren tatsächlich verhängte Haftstrafen von äußerst geringer Dauer, nämlich unter 45 Tage

C. Rechtsfolgen — I. Strafrechtliche Durchsetzung Mit den Sentencing Guidelines 1987 hat sich das geändert: in den 1990er Jahre betrug die durchschnittliche Haftstrafe 8 Monate; von 2000 bis 2009: 20 Monate; von 2010 bis 2015: 24 Monate (DOJ, jail-charts). jail-charts In den zehn Jahren von 2005 bis 2014: im Durchschnitt 54 Individuen/Jahr angeschuldigt wurde die bisher höchste Strafe für Kartelltätigkeit in der Berufungsinstanz bestätigt: fünf Jahre im Fall United States v. Frank Peake (1st Cir, 14 October 2015)

C. Rechtsfolgen — II. Private Durchsetzung Im Jahr 2015 wurden 769 private Kartellrechtsklagen vor US District Courts erhoben (2014: 799; 2013: 817; 2012: 702) figures/2015/09/30 figures/2015/09/30 NB: in den 70er Jahren des 20. Jahrhunders waren es ca. doppelt so viele (Höhepunkt war 1977: 1600) (Kolasky)

C. Rechtsfolgen — II. Private Durchsetzung Faktoren, die die private Kartellrechtsdurchsetzung in den USA attraktiv machen: Notice-pleading (traditioneller Test: Conley v Gibson, “no set of facts”; doch s.u.: Twombly) Discovery American cost rule + einseitiges fee-shifting Treble damages Opt-out class actions Contingency fees — Anwälte als “entrepreneur” No contribution rule — dadurch kontinuierliche Finanzierung der Kosten eines laufenden Verfahrens ACPERA

C. Rechtsfolgen — II. Private Durchsetzung Aber private Klagen werden schwieriger (1): Materielles Recht Reduzierung von per se Tatbeständen, vermehrte Anwendung der rule of reason –insbes. vertikale Beschränkungen: GTE Sylvania 1977 (vertikale Gebietsabsprachen); State Oil v Khan 1997 (vertikale Höchstpreisbindung); Leegin 2007 (vertikale Mindestpreisbindung); –potentiell effiziente horizontale Kooperationen, s. BMI v ASCAP –Skepsis gegenüber Robinson-Patman Act (Volvo) –Skepsis in § 2 Sherman Act (Brooke Group, Trinko). Insgesamt: klare Präferenz für Fehler zweiter Art Heute überwiegend follow-on Klagen in Kartellfällen.

C. Rechtsfolgen — II. Private Durchsetzung Aber private Klagen werden schwieriger (2): Prozessuales I “Antitrust injury” als Voraussetzung für die Klagebefugnis (Brunswick 1977). Dadurch werden insbes Wettbewerberklagen in vielen Fällen ausscheiden. Keine Klagebefugnis für indirekte Abnehmer auf Bundesebene (Illinois Brick 1977; aber: Illinois Brick Repealer Statutes auf Ebene der Einzelstaaten, s.o.)

C. Rechtsfolgen — II. Private Durchsetzung Aber private Klagen werden schwieriger (3): mehr Einfluss für Richter Matsushita (1986): während vor Matsushita in Antitrust-Klagen der Grundsatz galt, dass summary judgments (richterliche Entscheidung nach Discovery, aber vor der Hauptverhandlung) zu meiden seien, da die Jury und nicht der Richter die Beweise würdigen solle, erlaubt Matsushita eine Bewertung der Plausibilität des Klägervorbringens Twombly (2007) als Verschärfung des notice pleading (“sufficient facts to state a plausible claim”)  richterliche Plausibilitätsprüfung sogar schon in der motion to dismiss (regelmäßig vor Discovery); Annäherung an “fact pleading” Class certification erschwert: Früher war auch hier der Grundsatz, dass der Richter die Beweisaufnahme nicht vorwegnehmen solle (Eisen v.Carlisle & Jacquelin); heute: Duke v Wal-Mart (2011): Teilvorwegnahme der Begründetheit bei Prüfung der class certification-Voraussetzungen Dez Revision der FRCP Rule 26: Discovery unter richterlicher Verhältnismäßigkeitskontrolle; evtl. häufiger fee-shifting für discovery requests

C. Rechtsfolgen — II. Private Durchsetzung Probleme Discovery abuse & discovery blackmail –Einfluss der American rule; –Einfluss von Stundenhonoraren: discovery als “cash cow”; –Einfluss der non-contribution rule Treble Damages verzerren Klagevorbringen (Vertragsverletzungen/unlauterer Wb u.ä. als Kartellrechtsverletzung; Kooperation als Kartell) Gefahr eines negativen Einflusses auf Leniency-Programme. Aber: seit 2004 ACPERA: detrebling für den erfolgreichen Leniency- Antragsteller, der mit privaten Klägern zusammenarbeitet. Enge Auslegung der materiellen Kartellrechtstatbestände (insb § 2 Sherman Act); wo in Europa (bisher) Kartellbehörden eine “Filterfunktion” vornehmen (durch Priorisierung im Rahmen des Opportunitätsprinzips) droht bei weiter Auslegung in den USA private Kartellrechtsdurchsetzung auch wo sie objektiv unerwünscht ist. Dadurch wird aber auch die Durchsetzung durch die Behörden in den USA eingeschränkt.

D. Internationale Aspekte Seit 1948 in Alcoa gilt die effects doctrine (Auswirkungsprinzip) für die internationale Anwendbarkeit der materiellen Kartellrechtsregeln: wo eine Kartellrechtsverletzung spürbare und beabsichtigte Wirkungen in den USA zeitigt, kann US Recht angewendet werden. FTAIA hat dies leicht eingeschränkt, um US Exporteure zu begünstigen: soweit nicht Importhandel betroffen ist, müssen Wirkungen in den USA unmittelbar, spürbar und vorhersehbar sein (direct, substantial and foreseeable) und dort “einen” Anspruch entstehen lassen. Auslegung in Empagran: dort hatten ausländische Kläger, die von ausländischen Kartellbeteiligten bezogen hatten, in den USA geklagt, weil unstreitig auch in den USA erhöhte Preise verlangt worden waren. Supreme Court lehnte das ab: “a claim” im FTAIA sei als “der (eingeklagte) Anspruch” zu lesen. sog. component cases (zB Motorola v AU Optronics, 775 F.3d 816 (7th Cir 2015).

D. Internationale Aspekte Internationale Aspekte und Strafrecht Nippon Paper, 109 F.3d 1 (1st Cir 1997) und kürzlich in Hui Hsiung 778 F.3d 738 (9th Cir 2014, amended 2015): Auswirkungsprinzip gilt auch für das Kartellstrafrecht USA haben angekündigt, verstärkt von Auslieferungsabkommen Gebrauch zu machen (s. Pisciotti-Fall, BVerfG, 17 February 2014, 2 BvQ 4/14, WuW/E 4275—Auslieferung wegen Kartellverstoßes). Was Herrn Pisciotti in Deutschland passiert ist, kann umgekehrt einem Deutschen, der über ein Drittland reist, ebenso passieren.

E. Was heißt das für Europa? Die europäische Schadensersatzrichtlinie (2014/104/EU) versucht, die Vorzüge des US-amerikanischen Systems (Kompensation, verbreitete private Durchsetzung) ohne deren Nachteile (discovery abuse, discovery blackmail, Bereicherung einer “Anwalts- und Expertenindustrie”) zu kopieren (“Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass”). Welchen Fehler man einzugehen gewillt ist, wird sich noch zeigen; vermutlich in verschiedenen MS unterschiedliche Entwicklung (s. schon jetzt Differenzen im Bereich kollektiver Klagen: Consumer Rights Act 2015, s 81 mit Schedule 8 im Vereinigten Königreich) Ein zusätzliches Problem könnte sein, dass die private Kartellrechtsdurchsetzung Leniency Programme beeinträchtigen könnte; in den USA privilegiert der ACPERA den erfolgreichen Leniency-Antragsteller auch zivilrechtlich, in Europa kaum (außer über Art 6(6), 7(1), 11 der Schadensersatzrichtlinie). Ob das tatsächlich ein Problem darstellt, ist streitig (a.A. zB Roth, J, in National Grid, und Guttuso in Beaton-Wells & Tran) und hängt davon ab, ob wir derzeit Leniency-Antragsteller zu stark privilegieren.

E. Was heißt das für Europa? In den USA wird die private Kartellrechtsdurchsetzung von vielen kritisch gesehen, da sie nur eingeschränkt zur Kompensation der Opfer führe (Crane) und zu einer restriktiven Auslegung der materiellen Kartellrechtstatbestände führt, die auch die behördliche Durchsetzung beeinträchtigt (zB Hovenkamp, Kovacic); andere sind dagegen von der zusätzlichen Abschreckung und Kompensationsfunktion überzeugt (in den USA zB das American Antitrust Institute, Robert Lande, Joshua Davis; in Europa zB Guttuso).

E. Was heißt das für Europa? Relativ große Einigkeit besteht dagegen in den USA, dass die dortige effektive strafrechtliche Durchsetzung des Kartellverbots einen Beitrag zur Verhinderung von Kartellen leistet. Vielleicht sollte man über eine effektive strafrechtliche Durchsetzung verstärkt auch in Europa und Deutschland nachdenken (s. z.B. Monopolkommission, HG XX und SG 72; Wagner-von Papp in Möschel/Bien; Beiträge von Daniel Zimmer und Wagner-von Papp im “On Topic”-Teil der Zeitschrift Concurrences No ; dagegen aber der Vizepräsident des BKartA Konrad Ost). Vielen Dank!

Literatur Allg. zum US-Kartellrecht, eg, Herbert Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, 5. Aufl. (West 2015) Ders., The Antitrust Enterprise (Harvard Univ. Press 2008) Rechtspolitische Vorschläge: Antitrust Modernization Commission, Report and Recommendations, Eine klägerfreundliche Sicht: American Antitrust Institute, The Next Antitrust Agenda (vandeplas 2008), agenda Zum Kartellprivatrecht: Albert A Foer & Randy M Stutz (Hrsg) Private Enforcement of Antitrust Law in the United States — A Handbook (EE 2012) (zum “black-letter law”) William Kolasky, Antitrust Litigation: What’s Changed in Twenty-Five Years?, Antitrust Vol 27 (Fall 2012) 9 Speziell zur Beweismitteloffenlegung (Discovery): Wagner-von Papp, Florian, Access to Evidence and Leniency Materials (February 18, 2016), (R’Vgl US, England, Deutschland, EU-RL) Rechtsvergleichend zum Föderalismus in den US und der EU im Kartellrecht: Wagner-von Papp, Comparative Antitrust Federalism […] in Charbit & Ramundo, William E Kovacic Liber Amicorum – An Antitrust Tribute, Vol II (2014), 23,