ADHS AufmerksamkeitsDefizit-/HyperaktivitätsStörung Dr. med. M. Döhnert mirko.doehnert@uniklinik-leipzig.de Micheal Phelps hat ADHS Albert Einstein hatte ADHS Mozart hatte ADHS ... kann doch nicht so schlecht sein Evolutionäre Bedeutung!? („mutig aus der Höhle treten“)
Symptomatik Aufmerksamkeitsstörung situationsübergreifend Impulsivität vor dem 6./7. Lebensjahr beginnend Hyperaktivität min. 6 Monate andauernd Ggf. Video / Patient Aufmerksamkeitsstörung, Impulsivität, Hyperaktivität – situationsübergreifend Beginn vor dem 6. Lebensjahr Hausaufgabensituation Insgesamt grosse klinische Heterogenität Meist mit komorbiden Störungen Einzelsymptome zu den drei Hauptsymptomen entsprechend ICD-10 und DSM-IV (Bsp. Verlesen) drei Kardinalsymptome
Aufmerksamkeitsstörung hohe Ablenkbarkeit Tätigkeiten werden nicht beendet bei selbstgewählten lustbetonten Tätigkeiten weniger vorhanden (z. B. Gameboy)
Impulsivität plötzlich und ohne überlegen zu handeln Kein Bedürfnisaufschub platzen häufig mit Antworten heraus schnell emotionale Ausbrüche Streit erhöhtes Unfallrisiko
Hyperaktivität extreme Ruhelosigkeit hohe motorische Aktivität im Unterricht plötzlich aufstehen zappeln
Klassifikation DSM-IV versus ICD-10 DSM-IV - combined type - inattentive type - hyperactive/impulsive type ICD-10 - Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung - Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens - Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität
Epidemiologie Jungen deutlich häufiger betroffen (2:1 ... 5:1) 3-5% nach DSM-IV im Schulalter Vorstellung häufig im Vor- und Grundschulalter sehr häufig Anlass zu kinderpsychiatrischer Diagnostik kulturübergreifend
Komorbidität 2/3 der Patienten mit weiterer Störung 50% oppositionelle Störung des SV 30-50% SSV 10-40% depressive Störungen 20-25% Angststörungen 10-25% Lernstörungen (Lese-/Rechtschreibstörung etc.) bis 30% Ticstörungen Komorbide Störung des Sozialverhaltens prognostisch ungünstig Delinquenz, Substanzmissbrauch, Antisoziale PKS Depressive Symptomatik durch schulische Misserfolge und soziale Probleme 70% der Patienten mit Tourettte haben eine ADHS
Ätiologie Multifaktorielle Genese Biologische Faktoren offenbar überwiegend
Ursachen Prozesse Ebenen Genetik Neurotransmitter-störungen Biochemie Neurophysiologie Neuropsychologie Symptome Interaktionen Komorbidität Hirnschädigung? Nahrungsmittel? Neuropsychologische Störungen ADHS-Symptome Ungünstige psychosoziale Bedingungen Negative Interaktionen Komorbide Symptome
Genetik Heritabilität zw. 60 und 90% Molekulargenetik Kandidatengene insbesondere im dopaminergen System DRD-4-Rezeptor DAT1-Transporter
Neurobiologisch Dysfunktion in frontosubkortikalen Regelkreisen (Verbindung zwischen präfrontalem Kortex und versch. subkortikalen Strukturen) Genetische Faktoren Schwangerschafts-/ Geburtskomplikationen Toxisch (Rauchen in der Schwangerschaft)
Psychosoziale Faktoren offenbar keine primäre Ursache Psychosoziale Belastungen tragen entscheidend zum Schweregrad einer ADHS bei
Endophänotypen Endophänotyp Endophänotyp = „Brücke“ zwischen Verhalten →„Phänotyp“ Gene →„Genotyp“ Endophänotyp Umwelt Endophänotyp = „Brücke“ zwischen Genotyp und Phänotyp … nutzt messbare Marker oder Aspekte von ADHS - sucht klarere Beziehung mit Genen
Neuropsychologie Inhibitionsdefizit (Barkley) Delay Aversion (Sonuga-Barke) gestörte State-Regulation Hypoarousal (Sergeant) Konditionierungsdefizit (Sagvolden) Working memory Defizit Derzeit keine ADHS-spezifische neuropsychologische Diagnostik für ADHD verfügbar
Neuropsychologische Tests Beispiel: Arbeitsgedächtnis Hier veranstalten Tiere einen Wettlauf. Es laufen immer zwei Tiere derselben Tierart gegeneinander, sonst wäre es ungerecht. Also der Hase läuft mit dem anderen Hasen um die Wette, der Frosch mit dem anderen Frosch. Deine Aufgabe ist es, Alarm zu geben, wenn ein Tier seinen Laufpartner fast eingeholt hat. Das ist dann, wenn nur noch ein einziges anderes Tier zwischen den beiden ist. Drücke dann so schnell wie möglich auf die rechte Maustaste.
Klinische Untersuchung Anamnese / Interview zu ADHS Spezifische Fragebögen für Eltern und Lehrer (Conners, CBCL, SDQ) Psychodiagnostik (Intelligenz, Teilleistungs- störungen, Verhaltensbeobachtung etc.) Körperliche Untersuchung ggf. Labor (z. B. TSH) ggf. EEG Fakultativ: neuropsychologische Tests
mindestens 6 Symptome
mindestens 3 Symptome
mindestens 1 Symptom
Differentialdiagnosen entwicklungsbedingte Hyperaktivität Situative motorische Unruhe + Konzentrationsstörung (emotionale Anspannung etc.) Anpassungsstörungen (als Folge von Konflikten, Belastungen etc.) Störung des Sozialverhaltens Angststörungen Deprivations-/Bindungsstörungen Hirnstörungen = organisches Psychosyndrom (nach Meningitis, SHT, Intoxikation etc.) schwere geistige Behinderung Autismus-Spektrum-Störungen Schizophrenie Drogenproblematik Komorbide Störung des Sozialverhaltens prognostisch ungünstig Delinquenz, Substanzmissbrauch, Antisoziale PKS Depressive Symptomatik durch schulische Misserfolge und soziale Probleme 70% der Patienten mit Tourettte haben eine ADHS
Therapie Multimodal Aufklärung/Beratung (Psychoedukation) Elterntraining / Interventionen in der Familie Interventionen in KiGa/Schule Psychotherapie Pharmakotherapie
Pharmakotherapie Medikamente der ersten Wahl Psychostimulanzien MPH – Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®, Concerta®) Atomoxetin (Strattera®)
ADHS: Dopamin und Noradrenalin Präfrontaler Kortex (Großhirnrinde im vorderen Stirnlappen) Hinterer parietaler Kortex (Großhirnrinde im Scheitellappen) Dopamin: wesentliche Rolle bei Antrieb und Motivation Key points: CORE SLIDE Das Model nach Pliszka und Himmelstein zeigt einen Zusammenhang zwischen Noradrenalin und ADHS. Nach diesem Modell ist die wechselseitige Wirkung von Noradrenalin und Dopamin wichtig für die Modulation der Verarbeitung externer Stimuli im Gehirn und der Steuerung einer Antwort auf diese Impulse. Nach diesem Modell ist Noradrenalin besonders an der Verarbeitung neuer Stimuli beteiligt. Es hemmt die Spontanaktivität der Neurone im präfrontalen Kortex und verstärkt ihre Reaktion auf neue Reize. Auch Dopamin hemmt die Spontanaktivität der Neurone im präfrontalen Kortex, aber im Gegensatz zu Noradrenalin hemmt es auch die Reaktion auf neue Reize. Ein übermäßiger Noradrenalin-Tonus im Bereich des Locus ceruleus verringert die Fähigkeit, neue Reize zu verarbeiten. Vorderes Aufmerksamkeitssystem Noradrenalin: wesentliche Rolle bei der Aufmerksamkeit Hinteres Aufmerksamkeitssystem Modifiziert nach Pliszka et al. (1996): Catecholamines in attention-deficit hyperactivity disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry, 35 (3): 264--272, sowie Himelstein et. al (2001):The neurobiology of attention-deficit hyperactivity disorder. Front Biosci 5:D461-78
Untersuchung verschiedener Therapieformen im Verlauf MTA-Studie (National Institut of Mental Health, USA) N=579 Untersuchung verschiedener Therapieformen im Verlauf Verhaltenstherapie und Standardtherapie Pharmakotherapie und Kombinationstherapie
MTA study Ergebnisse der MTA-Studie ... unterstreichen wichtigen Stellenwert der Pharmakotherapie
Ergebnisse der MTA-Studie nach 36 Monaten ... unterschiedliche Therapieformen nähern sich an … es gibt unterschiedliche Verlaufsformen unabhängig von der Behandlung … Class 2 (52%) signifikant häufiger gestartet mit MTA Medication Algorithm Class 1: 34% of the MTA sample Class 2: 52% Class 3: 14%
Therapie Umstritten Diäten ungesättigte Fettsäuren Homöopathie
Prognose Persistenz der Symptomatik bis ins Erwachsenenalter Suchterkrankungen Dissoziale PKS Risikofaktoren für chronifizierenden und schweren Verlauf: Niedrige Intelligenz Frühe SSV Schlechte soziale Einbindung Psychische Störungennbei den Eltern Familiäre Instabilität Niedriger sozioökonomischer Status Strafender/inkonsistenter Erziehungsstil
ADHS und Neurofeedback-Therapie
Einführung - EEG & ERP bei ADHS + - CTRL ADHD Theta typische EEG-Veränderungen bei ADHS Verlangsamung erhöhte Theta Power, reduzierte Alpha und Beta Power Unreife oder Hypo-Arousal Alpha + - CTRL ADHD CNV typische ERP-Veränderungen bei ADHS reduzierte cue-Aktivität (P300 and CNV) reduzierte Go & NoGo Aktivität (P300) gestörte Aufmerksamkeits-, Timing- und Kontrollfunktionen NoGo P300 Barry et al. 2003; Banaschewski et al. 2003, 2004
Neurofeedback Therapie bei ADHS Frequenz Training – Theta/Beta-Training Verbesserung im Verhalten und in neuropsychologischen Tests ähnliche Wirksamkeit wie Stimulantientherapie Thompson & Thompson (1998); Monastra et al. (2002 + 2005), Rossiter et al. (1995 + 2004), Fuchs et al. (2003) SCP Training Verbesserungen in der Aufmerksamkeit, im Verhalten und im IQ Ähnliche Effekte wie Frequenztraining Wirksamkeit auf Hirnaktivität (CNV-Amplitude erhöht) Heinrich et al. (2004), Strehl et al. (2004), Leins et al. (2006) sLORETA-Neurofeedback ... in Erprobung
Ausblick funktionelle Bildgebung bei ADHS fMRI – und LORETA Befunde Unteraktivierungen im ACC und PFC (inferior dorsolateral) In zahlreichen fMRI –Studien fand man Veränderungen der zerebralen Aktivität in fronto-striatalen und parietalen Netzwerken Bei Aufgaben, in denen verschiedene exekutive Funktionen getestet werden zeigen ADHS-Betroffene im Vergleich zu Kontrollen häufig Unteraktivierungen im anterioren Cingulum und ventralen bzw. dorsolateralen Präfrontalkortex – Befunde dazu relativ konsistent (Bush, Valera und Seidman (2005)) (Bei Inhibitionsaufgaben, z.B. Stopp-Signal- oder Go/Nogo-Paradigma, zeigten hyperaktive Kinder und Jugendliche eine reduzierte Aktivität im rechten inferioren und ventralen präfrontalen Kortex; EEG-LORETA-Untersuchungen: ebenfalls frontale Unteraktivierung bei ADHS, wenn Hemmprozesse erforderlich waren. Im CPT-Tests (O-X-Version) eine signifikant verminderte Aktivierung des anterioren Cingulums (Brodmann Areal 24) in der NoGo-Bedingung) Das anteriore Cingulum und der Präfrontalkortex werden mit kognitiven Kontroll- und Aufmerksamkeitsprozessen in Verbindung gebracht. Obwohl meist beide Hirnregionen an unterschiedlichen exekutiven Leistungen beteiligt sind (z.B. Rubia 2001, 2003) und offenbar auch stark interagieren (Markela-Lerenc et al., 2004, Luks et al., 2006), gibt es auch Hinweise auf eine funktionelle Spezialisierung (Blasi et al., 2006). Demnach spielt das anteriore Cingulum eine zentrale Rolle bei Überwachungsleistungen, v.a. bei der Konflikt- und Fehlererkennung (z.B. Botvinick et al., 2001, Holroyd et al., 2004), wohingegen der ventrolaterale und dorsolaterale Präfrontalkortex stärker bei der Inhibitionskontrolle aktiviert ist (Blasi et al. 2006). Kurze Anmerkung zur Lokalisation Dorsolateral vs. Ventrolateral
Ausblick sLORETA – Neurofeedback zur Aktivierung des ACC
herzlichen dank für ihre aufmerksamkeit