Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Europäisches Steuerrecht

Ähnliche Präsentationen


Präsentation zum Thema: "Europäisches Steuerrecht"—  Präsentation transkript:

1 Europäisches Steuerrecht
Prof. Dr. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht Sommersemester 2017

2 Geltung des Unionsrechts
Kompetenzen der EU Einfluss und Geltung des Unionsrechts

3 Grundsatz der Einzelermächtigung
Ausgangspunkt: Regelungskompetenzen auf dem Gebiet des Steuerrechts nur, soweit durch Primärrecht (EUV, AEUV) zugewiesen Grundsatz der Einzelermächtigung: keine „Kompetenz-Kompetenz“ der EU

4 Primärrechtliche Kompetenzzuweisungen
Art. 113 AEUV: Harmonisierung der indirekten Steuern (insb.: MwStSysRL) Zweck der Ermächtigung: Stärkung des Binnenmarktes Art. 114 Abs. 1 AEUV: Rechtsangleichung im Binnenmarkt – gilt ausdrücklich nicht für Steuern (Art. 114 Abs. 2 AEUV)

5 Primärrechtliche Kompetenzzuweisungen
Art. 115 AEUV: Richtlinienkompetenz zur Errichtung oder Stärkung des Binnenmarktes (beachte: Einstimmigkeitsprinzip) Nicht für direkte Steuern gedacht, aber ggf. auch hierfür einsetzbar Art. 352 AEUV: Auffangkompetenz für Ausnahme-fälle – kommt bislang praktisch kaum zur Anwendung

6 Folgen der begrenzten Ermächtigung
Keine „Steuerrechtsunion“ Keine Steuererhebung durch die Union Keine einheitlich kodifizierte europäische Steuerrechtsordnung Keine Unionskompetenz für multilaterale DBA Keine umfassende Kompetenz für sekundärrechtliche Harmonisierung

7 Einfluss des Unionsrechts
Materiell-rechtlich: Positive Integration: Harmonisierungsauftrag (insbes. indirekte Steuern) Negative Integration: Einschränkung nationaler Befugnisse durch Grundfreiheiten, EU-Grundrechte und Beihilfeverbot Verfahrensrechtlich: Zwischenstaatliche Amtshilfe in Steuersachen, insbesondere: AmtshilfeRL, BeitreibungsRL

8 Akte bzgl. direkter Steuern auf Basis von Art. 115 AEUV
Fusions-RL Mutter-Tochter-RL Zins- u. Lizenz-RL Amts-hilfe-RL Beitrei-bungs-RL

9 Verstärkte Zusammenarbeit in Steuersachen
Art. 20 EUV i.V. mit Art AEUV: mindestens 9 Mitgliedstaaten im Rat auf Vorschlag der EU-Kommission mit Zustimmung des EU-Parlaments Voraussetzungen: Keine Wettbewerbsverzer-rungen und keine Hindernisse für einen funktionierenden Binnenmarkt Seit 2013 Ermächtigung für 11 Mitgliedstaaten (darunter DL) zur Einführung einer Finanztrans-aktionssteuer im Rahmen verstärkter Zusammenarbeit

10 Europäische Charta der Grundrechte
Überblick

11 Europäische Charta der Grundrechte
Art. 6 I EUV: Die Europäische Charta der Grundrechte ist Teil der Verträge  Primärrecht Grundrechte-Kanon sehr viel ausführlicher als deutsche Grundrechte, im Schutzniveau aber vergleichbar

12 Europäische Charta der Grundrechte
Bedeutung der GrCh für das Steuerrecht Art. 51 I 1 EU-GrCH: Mitgliedsstaaten sind bei der Durchführung von Unionsrecht an die GrCh gebunden Keine Bindung für Gesetzgebung im Bereich der direkten Besteuerung (Ausnahme: Allg. Gleichheitssatz, Art. 20 GrCh im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten) Bindung staatlicher Organe (z.B. FinBeh., FG) bei der „Durchführung von Unionsrecht“ Zwischenstaatlichen Amtshilfe (EUAHiG/BeitrG auf der Basis von EU-AmtshilfeRl/BeitrRL) Mit GG vergleichbares Schutzniveau (Ausnahme: zwingende Anhörung nach Art. 41 Abs. 2a GrCh)

13 Europäische Charta der Grundrechte
Besondere Bedeutung der Grundrechte-Charta im Steuerstrafrecht: EuGH: Verfolgung und Bestrafung von USt-Hinterziehung dient auch der mitgliedsstaatlichen Verpflichtung zur Erhebung der Mehrwertsteuer nach der MwStSystRL und erfolge daher in Ausführung von Unionsrecht. GrCh daher im Rahmen eines entsprechenden Strafverfahrens zu beachten (EuGH v. v  – C-617/10 – Akerberg Fransson)

14 Grundfreiheiten Überblick

15 Binnenmarkt (Art. 3 III EUV)
Mögliche Handelshemmnisse durch: Physische Hindernisse: Bsp.: Passkontrollen an den inneren Grenzen der Gemeinschaft Technische Hindernisse: Bsp.: unterschiedliche Standards in elektronischem Zubehör Fiskalische Hindernisse: Bsp.: nationalen Systeme zur Erhebung indirekter Steuern

16 Grundfreiheiten und allg. Diskriminierungsverbot
Freier Warenverkehr (Art. 34 ff. AEUV) Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) Freier Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) Problem: Abgrenzung Freier Kapitalverkehr (Art. 63 AEUV) Allgemeines Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV)

17 Verletzung von Grundfreiheiten
Prüfungsreihenfolge: Anwendungsbereich/ Gewährleistungsgehalt Ungleichbehandlung grenzüberschreitender Sachverhalte mit Blick auf die Steuerbelastung führt regelmäßig zu Verstoß (sog. Konvergenz der Grundfreiheiten) Rechtfertigungsgründe Verhältnismäßigkeitsprinzip (Schranken-Schranke)

18 Rechtsfolge einer Verletzung
Grundfreiheiten sind als subjektive Rechte unmittelbar geltendes EU-Recht in den Mitgliedstaaten Verstößt eine nationale Vorschrift im konkreten Fall gegen Grundfreiheiten, ist sie insoweit unanwendbar, bleibt aber gültig Anwendungsvorrang des Unionsrechts kein Geltungsvorrang

19 Verstoß gegen Gewährleistungsgehalt
Diskriminierungsverbot Verbot nicht-diskriminierender Beschränkungen Offene Diskrimi-nierung Versteckte Diskrimi-nierung Keine Beschränkung des Zugangs zu einem MS (Adressat: Aufnahmestaat) Keine Beschränkung des Wegzugs aus einem MS (Adressat: Wohnsitzstaat)

20 Verstoß gegen Gewährleistungsgehalt
Ausgangspunkt: vergleichbare Sachverhalte führen allein wegen Grenzüberschreitung zu anderen steuerlichen Belastungen (Ungleichbehandlung von „Auslandssachverhalt“ gegenüber „Inlandssachverhalt“)

21 Verstoß gegen Gewährleistungsgehalt
Diskriminierung Benachteiligung des beschränkt Stpfl. (EU-Ausländer) ggü. unbeschränkt Stpfl. bei inländischen Einkünften („inbound-Konstellation“  „Diskriminierung“ durch Quellenstaat) Offene Diskriminierung: steuerlicher Tatbestand knüpft an Staatsangehörigkeit oder Sitz an Versteckte Diskriminierung: steuerlicher Tatbestand knüpft nur mittelbar an Staatsangehörigkeit an (z.B. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Ort der Tätigkeit, Zahlungsort) 21 21

22 Verstoß gegen Gewährleistungsgehalt
Beschränkungen Benachteiligung von Auslandseinkünften (im EU-Ausland erwirtschaftet) ggü. Inlandseinkünften bei unbeschränkt Stpfl. („outbound- Konstellation“  „Beschränkung“ durch Ansässigkeitsstaat) Keine Diskriminierung: Unterscheidung gilt für alle unbeschr. Stpfl. Aber: Art. 45, 49 AEUV gehen über ein bloßes Diskrimi-nierungsverbot hinaus; extensive Auslegung durch EuGH: Beschränkungen des Zu-/Weggangs zu/aus einem MS durch einen MS (grenzüberschr. Sachverhalt) führt zu Verstoß

23 Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten
Rechtfertigungsgründe (Schrankenprüfung) Geschriebene Schranken  Art. 36 S. 1 AEUV Öffentliche Sicherheit Öffentliche Ordnung Gesundheitsschutz Ungeschriebene Schranken (nicht für offene Diskriminierungen) Zwingende Gründe des Allgemeinwohls: Kohärenz des Steuersystems Territorialitätsprinzip, Steuerüberwachung S. EuGH, Rs. 120/78 – „Cassis de Dijon“ Grundrechte als „vertragsimmanente Schranken „ordre public“

24 Rechtfertigungsgründe in der EuGH-Rechtsprechung
Beispiele für vom EuGH nicht zugelassene Rechtfertigungsgründe Auswirkungen auf den Haushalt Fehlender Grad der Harmonisierung der Steuersysteme Verweis auf in Zusammenhang stehende anderweitige Vorteile, die kompensierend wirken Beispiel für (restriktiv) angewendete Rechtfertigungsgründe Eingeschränkte Informations- und Kontrollmöglich-keiten der Finanzverwaltung (Steueraufsicht) Kohärenz des Steuersystems, Territorialitätsprinzip Missbrauchsvermeidung (nur, wenn Gegenbeweis im Einzelfall hinreichend einfach zu erbringen)

25 Rechtfertigung von Beschränkungen der Grundfreiheiten
Rechtfertigungsprüfung Legitimes Ziel (= Schrankenprüfung) Verhältnismäßigkeit i. w. S. („Schranken-Schranken“) Geeignetheit der Beschränkung zur Erreichung des Ziels Erforderlichkeit der Beschränkung zur Erreichung des Ziels Angemessenheit der Beschränkungen im Verhältnis zur Zielerreichung (Verhältnismäßigkeit i.e.S.) Wichtiges Abwägungskriterium: Keine schleichende „Unitarisierung“ durch subj. Abwehrrechte  Spannungsverhältnis zwischen Binnenmarkt und Steuerhoheit der MS

26 Anwendung der Grundfreiheiten auf die direkten Steuern
Grundlegende EuGH-Rechtsprechung auf dem Gebiet der Einkommensteuer

27 Geltung der Grundfreiheiten für direkte Steuern?
Grundsatz: EU hat keine Kompetenz auf dem Gebiet der direkten Steuern Kompetenz verbleibt ausschließlich bei den Mitgliedstaaten EuGH: Auch auf Gebieten, auf denen die EU keine Kompetenzen hat, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihr Recht unionsrechtskonform auszugestalten. Daher gelten die Grundfreiheiten als grundlegende Vorschriften des Unionsrechts auch für Rechtsgebiete ohne Kompetenzzuweisung an die EU. Historisch wohl nicht so gewollt, aber heute geltendes Richterrecht

28 Der Fall „Schumacker“ Belgien Deutschland Grenzpendler
EuGH Urteil v , C-279/93 – Schumacker, Slg. 1995, I-225 = DB 1995, 407 Belgien Deutschland Grenzpendler Unbeschränkte Steuerpflicht: Einkünfte aus unselbständiger Arbeit in Deutschland besteuert (Art. 15 DBA-Belgien) Beschränkte Steuerpflicht: Steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Situation (insbes. Ehegattensplitting) oblag dem Wohnsitzstaat und wurde beschränkt Steuerpflichtigen nicht gewährt

29 Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 45 ff. AEUV
Subjektiver Anwendungsbereich: Unionsbürger (Art. 20 AEUV) Sachlicher Anwendungsbereich: Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) Arbeitnehmer sind frei innerhalb des Territoriums eines Mitgliedstaats jegliches Arbeitsverhältnis einzugehen und sich in jedem Mitgliedstaat niederzulassen 29 29

30 Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 45 ff. AEUV
Eingriff? Steuerliche Schlechterstellung von Unionsbürgern ohne deutschen Wohnsitz (mittelbare Diskriminierung) Aber: Vergleichbare Situation von Grenzpendler und Inländer? EuGH: im Bereich der direkten Steuern Gebietsansässige und Gebietsfremde i.d.R. nicht vergleichbar, weil Einkünfte in unterschiedlichen Staaten erzielt werden und Berücksichtigung „persönlicher Lage“ im Wohnsitzstaat möglich bleibt anders aber, wenn im Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte und Einkommen vielmehr im Wesentlichen im Beschäftigungsstaat erzielt, da andernfalls „persönliche Lage“ in keinem Staat berücksichtigt wird 30 30

31 Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 45 ff. AEUV
Rechtfertigung? Ausdrückliche Schranken des Art. 45 Abs. 3 AEUV (-) Ungeschriebene Schranken Kohärenz wegen drohender doppelter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse in Quellen- und Ansässigkeitsstaat  Vorliegend (-), da im Ansässigkeitsstaat keine Berücksichtigung möglich Verwaltungsrechtliche Schwierigkeiten bei der Ermittlung der persönlichen Verhältnisse? Möglichkeit der Amtshilfe 31 31

32 Schumacker-Doktrin Auf dem Gebiet der direkten Steuern sind die Situationen von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht vergleichbar. Steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse obliegt grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat. Bezieht der Steuerpflichtige jedoch kein oder nur einen geringen Anteil seines Einkommens aus seinem Ansässigkeitsstaat und bezieht den ganz überwiegenden Teil seines Einkommens aus einem anderen Mitgliedstaat (Quellenstaat), obliegt dem Quellenstaat ausnahmsweise die steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Unterlässt der Quellenstaat dies, handelt er diskriminierend, da die persönlichen Verhältnisse dann in keinem Staat berücksichtigt werden. 32 32

33 Schumacker-Doktrin Weitere Anwendung und Erweiterung der Doktrin
EuGH vom – Rs. C-107/94 – „Asscher“: Bei familienbezogenen steuerlichen Vergünstigungen für Vergleichbarkeit maßgeblich, wo der überwiegende Teil des Familieneinkommens erzielt wird EuGH vom – Rs. C-391/97 – „Gschwind“: Einkünfte werden grundsätzlich nur „fast ausschließlich“ im Beschäftigungsstaat erzielt, wenn ebenda mindestens 90 % der Einkünfte erzielt werden EuGH v – Rs. C-450/09 – „Schröder“: Sonderausgaben nach § 10 ff. EStG können trotz ihrer Verwurzelung im subjektiven Nettoprinzip mit Einkünften in so engem Zusammenhang stehen, dass sie für die Frage der Benachteiligung wie Betriebsausgaben zu bewerten sind. 33 33

34 Gesetzliche Rentenversicherung Berufsständische Rentenversicherung
Der Fall „Danner“ EuGH-Urteil v , C-136/00 – Danner, Slg. 2002, I-8147 = DStRE 2002, 1449 Finnland Deutschland Gesetzliche Rentenversicherung Beitragsleistung Beitragsleistung Finnisch/Deutscher Doppel-Staatsangehöriger – zog von Deutschland nach Finnland – Beitragsleistungen in Finnland nicht abziehbar Berufsständische Rentenversicherung

35 Dienstleistungsfreiheit Art. 56-62 AEUV
Anwendungsbereich Persönlicher Anwendungsbereich Natürliche Personen: Unionsbürger (Art. 20 AEUV) Juristische Personen: Zuordnung zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats (Sitztheorie/Gründungstheorie) Sachlicher Anwendungsbereich: Dienstleistung: Legaldefinition in Art. 57 AEUV Grenzüberschreitender Sachverhalt (Art. 56 Abs. 1 AEUV) Entgeltlichkeit Geschützt ist Aktive Dienstleistungsfreiheit: Leistender erbringt Dienstleistungen in einem MS, in dem er keinen Betrieb unterhält, oder Passives Dienstleistungsfreiheit: Leistungsempfänger bezieht Dienstleistungen aus einem anderen MS 35 35

36 Dienstleistungsfreiheit Art. 56-62 AEUV
Vorliegend denkbar: Beschränkung des Arztes: Wird von Umzug abgehalten, weil Beiträge nicht abzugsfähig Diskriminierung der Versicherung: Gegenüber ansässigen Versicherern benachteiligt, weil Beiträge für Versicherte nicht abziehbar Rechtfertigung durch Kohärenz, weil vereinnahmte Beiträge von Versicherern in Finnland nicht besteuert werden? 36 36

37 Schlussfolgerungen aus dem Fall „Danner“
Art. 56 AEUV steht einer Regelung eines MS entgegen, nach der Beitragsleistungen zu freiwilligen Rentenversicherungen, die an Anbieter anderer MS gezahlt werden, steuerlich nicht berücksichtigt werden, obwohl solche Zahlungen an ansässige Anbieter berücksichtigt würden. Dienstleistungsfreiheit wird verletzt, indem Steuerpflichtige davon abgehalten werden, Versicherungsleistungen ausländischer Anbieter zu beziehen. Kohärenz der Steuersysteme kann diese Beschränkung nicht rechtfertigen, weil keine unmittelbare Verbindung zwischen der Abzugsfähigkeit der Beitragsleistungen und der Besteuerung der (ausländischen) Rentenbezüge existiere. Kritik?

38 Der Fall „Schempp“ EuGH-Urteil v , C-403/03 – Schempp, Slg. 2005, I-6421 = DStR 2005, 1265 Korrespondenzprinzip: Abzugsfähigkeit setzt Versteuerung beim Empfänger voraus Hr. Schempp Abzug der Unterhaltszahlung in Deutschland? Deutschland Unterhalt Österreich kein Abzug für Unterhaltszahlungen und daher auch keine Versteuerung von bezogenem Unterhalt Geschiedene Fr. Schempp

39 Schlussfolgerungen aus dem Fall „Schempp“
Schutzbereich der Grundfreiheiten kann ggf. auch eröffnet sein, wenn die geschützte Person nicht selbst von ihren Grundfreiheiten Gebrauch macht. Deutschland gewährt Abzug nur, wenn im anderen Mitgliedstaat die Einkünfte besteuert werden – derartige Bezugnahme auf fremdes Steuersystem beinhaltet nach dem EuGH keine Diskriminierung Unerheblich, ob im Inlandssachverhalt die gleiche Voraussetzung greift. Grenzüberschreitende Sachverhalte können mangels Harmonisierung weiterhin hinzunehmende Nachteile auslösen.

40 Der Fall „Gerritse“ Niederlande Deutschland 3.000 €
EuGH-Urteil v , C-234/01 – Gerritse Slg. 2003, I-5933 = DStR 2003, 1112 Niederlande Deutschland 3.000 € Deutsche Abzugsteuer: - § 50a EStG - 25% der Bruttoeinkünfte - Kein Betriebsausgabenabzug Bruttoeinkünfte € Unbeschränkte Steuerpflicht: Freistellung mit Progressionsvorbehalt auf Deutsche Einkünfte (Art. 20 III DBA-NL) Beschränkte Steuerpflicht: Keine steuerliche Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse Keine anteiliger Grundfreibetrag

41 Schlussfolgerungen aus „Gerritse“
Eine Regelung, die (unter bestimmten Umständen) nur die Einkünfte und keine Betriebsausgaben berücksichtigt, stellt eine Diskriminierung dar, wenn ansässige Steuerpflichtige in einer vergleichbaren Situation zum Betriebsausgabenabzug berechtigt sind. Die steuerliche Berücksichtigung des Existenzminimums obliegt dem Staat, in dem der Steuerpflichtige des ganz überwiegenden Teil seiner Einkünfte bezieht. Hinsichtlich des Steuersatzes befinden sich Ansässige und Nicht-Ansässige in einer vergleichbaren Situation. Deshalb ist ein fester Steuersatz für beschränkt Steuerpflichtige grds. diskriminierend, wenn sich unter dem progressiven Tarif des Mitgliedstaats für Ansässige ein niedrigerer Steuersatz ergeben hätte. Reaktion des JStG 2009 v : Abschaffung der Mindestbesteuerung des § 50 III EStG, Möglichkeit einer Nettobesteuerung in § 50a III EStG 2009 statt abgeltende Bruttobesteuerung i.H.v. 15%

42 Grundfreiheiten und Gemeinnützigkeitsrecht

43 Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63-65 AEUV
Anwendungsbereich Beschränkung von Kapitalbewegungen zwischen den Mitgliedstaaten auch Beschränkungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten Keine Definition von “Kapitalverkehr” im AEUV Definition abgeleitet aus der Kapitalverkehrsrichtlinie Verletzungen Diskriminierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs aufgrund von Nationalität Aufenthaltsort Ort der Investition Beschränkungen

44 Kapitalverkehrsfreiheit Art. 63-65 AEUV
Rechtfertigung Art. 64 AEUV: sog. „standstill-clause“ Steuervorbehalt des Art. 65 Abs. 1 a) AEUV: ausdrückliche Rechtfertigung, wenn keine willkürliche Diskriminierung oder “verschleierte Beschränkung” vorliegt Art. 65 Abs. 1 b) AEUV: öffentliche Ordnung und Sicherheit: effektive Steueraufsicht Art. 65 Abs. 3 AEUV: Verbot einer verschleierten Diskriminierung/Beschränkung EuGH: innerhalb der EU regelmäßig Verweis auf die Amtshilferichtlinie Im Verhältnis zu Drittstaaten wohl deutlich kritischer

45 „Centro di Musicologoia Walter Stauffer“) -
EuGH v C-386/04, Slg I-8203 = DStR 2006, 1736 Italien Deutschland Centro di Musicologia Walter Stauffer (Stiftung italienischen rechts) Vermietungseinkünfte Steuerbefreiung des § 5 Abs.2 Nr.3 KStG?

46 - „Persche“ Deutschland Portugal (Spender) Centro Popular di Lagoa
EuGH v C-318/07, Slg I-359 = DStR 2009, 207 Deutschland Portugal Hein Persche (Spender) Sachspende Centro Popular di Lagoa Spendenabzug nach § 10b EStG?

47 - „Persche“ EuGH v C-318/07, Slg I-359 = DStR 2009, 207 Grenzüberschreitende (Sach-)Spenden an in der EU ansässige Körperschaften werden durch die Kapitalverkehrsfreiheit ( Art. 63 AEUV) geschützt Beschränkung auf im Inland ansässige Spendenempfänger verletzen Art. 63 AEUV Erfordernisse der Steueraufsicht können den generellen Ausschluss des Spendenabzugs nicht rechtfertigen Nationales Steuergesetz kann aber Anforderungen an den Nachweis der Gemeinnützigkeit des ausländischen Spendenempfängers stellen, muss nicht die Mittel des grenzüberschreitenden Informationsaustausches (EU- Amtshilfe, s. Kooperations-RL 2011/16/EU) nutzen!

48 Abzugsmöglichkeit von Auslandsspenden
Mitgliedstaat ist berechtigt, allgemein den Nachweis über die Gemeinnützigkeit des Spendenempfängers zu verlangen, den er für die Überprüfung notwendig und angemessen hält Stpfl. trägt die objektive Beweislast Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen: Die Unterlagen für den Nachweis befinden sich nicht in der Sphäre des Stpfl., sondern in der eines ausländ. Dritten!

49 - Spendennachweis BFH v – X R 7/13, BStBl. II 2015, 588 Es kann zwar nicht verlangt werden, dass die Zuwendungsbestätigung des ausländ. Empfängers dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck i.S. des § 50 EStDV entspricht. Zu den notwendigen Bestandteilen der Zuwendungsbestätigung des ausländ. Empfängers gehört aber, dass dieser bescheinigt, er habe die Spende erhalten, verfolge den satzungsgemäßen gemeinnützigen Zweck und setze die Spende ausschließlich satzungsgemäß ein.

50 Folgerung: Änderung der §§ 10b I EStG, 9 I Nr. 2 KStG, 9 Nr. 5 GewStG
Gesetz v , BGBl. I 386: Erweiterung auf in EU/EWR-Staaten ansässige Körperschaften, die nach § 5 I Nr. 9, II KStG steuerbefreit wären, wenn sie inländ. Einkünfte erzielen würden Voraussetzungen: ausländ. Staat leistet nach Maßgabe der Amtshilfe- u. BeitrRL grenzüberschreitende Hilfe Widerspruch: Art. 63 AEUV schützt auch den Kapital-verkehr mit Drittstaaten. Spenden sind aber nach wie vor nicht abzugsfähig.

51 Grundfreiheiten und Erbschaftsteuerrecht

52 - „Margarete Block“ EuGH-Urteil v , C-67/08 – Block, Slg I-883 = DStR 2009, 373 Deutschland Spanien Erblasserin Alleinerbin Block Spanien: beschränkte Erbschaftsteuerpflicht = Territorialitätsprinzip bezogen auf das in einer span. Bank gehaltene Kapitalvermögen DL: unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht = Weltvermögensprinzip, keine Anrechnung spanischer ErbSt n. § 21 II Nr.1 ErbStG i.V. mit §121 BewG 52 52

53 „Block“-Entscheidung
Erbschaft = Kapitalverkehr i.S. des Art. 63 AEUV. Es entsteht zwar eine Doppelbesteuerung. Diese wird aber nicht durch eine Diskriminierung eines Staates (hier durch DL) ausgelöst, sondern durch die gleichzeitige Ausübung ihrer Steuersouveränität durch 2 Mitgliedstaaten. EU-Recht zwingt weder zum Abschluss eines ErbSt-DBA noch zur Harmonisierung der ErbSt innerhalb der EU! EU-Recht zwingt nicht dazu, dass die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen EU-Staat steuerneutral ist!

54 Der Fall „Vera Mattner“
EuGH v – C 310/08, Slg I-3553 = DStR 2010, 861 Deutschland Beschränkte Stpfl. In DL: Freibetrag nur 2 T€ statt 400 T€ Niederlande Mutter Mattner schenkt das in DL belegene Grundstück; beide leben seit vielen Jahren in den NL

55 „Mattner“-Entscheidung
Schenkung = Kapitalverkehr i.S. des Art. 63 AEUV. DL beschränkt den Kapitalverkehr, indem es an die Schenkung inländ. Vermögens unter Gebietsfremden eine höhere Steuer knüpft als unter Gebietsansässigen Rechtfertigung: nicht durch Schumacker-Doktrin; Gefahr kumulierter Steuerfreibeträge (DL+NL); FB-Regelung in DL nimmt aber keine Rücksicht darauf Auch Kohärenzgedanke rechtfertigt Schlechterstellung der Gebietsfremden nicht

56 Folgerung: Ergänzung des ErbStG um § 2 III ErbStG
BeitrRLUmsG v , BGBl. I 2592: Option zur unbeschränkten Steuerpflicht, wenn Erblasser, Schenker oder Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs in einem EU/EWR-Staat ansässig war Freibeträge nach § 16 I ErbStG sind anwendbar; Zusammenrechnung n. § 2 III ErbStG n.F. ist aber unionsrechtswidrig, s. EuGH v – C-479/14, Hünnebeck. Widerspruch auch: Art. 63 AEUV schützt auch den Kapital-verkehr mit Drittstaaten. Gebietsansässige von Drittstaaten sind aber weiterhin von der Option ausgenommen.

57 Der Fall „Eheleute Weite“
EuGH v – C 181/12, IStR 2013, 954 Deutschland Beschränkte Stpfl. In DL: Freibetrag nur 2 T€ statt 500 T€ Schweiz Eheleute Weite lebten seit Jahren in der Schweiz, der Erblasserin Frau Weite gehörte neben Schweizer Geldvermögen (ca.170 T€), Geldvermögen (ca. 33 T€) und das Grdst. in Deutschland  Alleinerbe Ehemann Weite wird beschränkt stpfl. in DL wegen des geerbten Grdst.

58 Unternehmensbesteuerung in Europa
Besteuerung von Gesellschaften und Gesellschaftern

59 Der Fall „Lasteyrie du Saillant“
EuGH v – Rs. C-9/02, Slg I-2431 = DStR 2004, 551 Verkehrswert > Anschaffungskosten Wegzugsteuerauf stille Reserven? KapGes > 25% der Anteile Frankreich Belgien

60 Niederlassungsfreiheit Art. 49 ff. AEUV
Anwendungsbereich Sachlicher Anwendungsbereich: Niederlassung Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit Mittels einer festen Einrichtung In stabiler und kontinuierlicher Weise Persönlicher Anwendungsbereich Natürliche Personen: Unionsbürger (Art. 20 AEUV) Juristische Personen: Zuordnung zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats (Sitztheorie/Gründungstheorie) Bereichsausnahme in Art. 51 AEUV Verstöße Offene Diskriminierung Versteckte Diskriminierung Beschränkungen 60 60

61 Niederlassungsfreiheit Art. 49 ff. AEUV
Rechtfertigungen Geschriebene Rechtfertigungen (Art. 52 Abs. 1 AEUV): Öffentliche Sittlichkeit Ordnung und Sicherheit Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen Ungeschriebene Rechtfertigungen: „Zwingende Gründe des Allgemeinwohls“ (Cassis de Dijon-Formel) Verhältnismäßigkeit der Beschränkung zum legitimen Ziel 61 61

62 Schlussfolgerungen aus „Lasteyrie du Saillant“
Wegzugsbesteuerung bewirkt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) Rechtfertigungsgründe: Wegzugsbesteuerung ist kein generelles Mittel gegen die Steuerumgehung Wegzugsbesteuerung ist nicht erforderlich, um die Kohärenz des französ. Steuersystems zu sichern: kein angemessenes Mittel, um die während der französ. Steuerpflicht eingetretenen Wertsteigerungen zu besteuern Nicht ausreichend: Steuerstundung gegen Sicherheitsleistung, da gegenseitige EG-Amtshilfe möglich sei Reaktion durch das sog. SEStEG v : § 6 V AStG: Stundung des Entstrickungsgewinns §§ 4 I 4, 4g EStG: Entnahmegewinn innerhalb von 5 Jahren als Ausgleichsposten aufzulösen

63 „National Grid Indus“- EuGH (Große Kammer) v. 29. 11
„National Grid Indus“- EuGH (Große Kammer) v – C-371/10, Slg I = IStR 2012, 27 Wegzugsteuer auf stille Reserven in NL? National Grid Indus B.V. Forderung: Kursgewinn Niederlande Großbritannien National Grid Company plc. Sitzverlegung nach GB, Betriebsstätte nur noch in GB  Besteuerungsrecht DBA NL/GB nur noch GB

64 Entscheidungsgründe „National Grid Indus“
Niederlassungsfreiheit Art. 49, 54 AEUV verbietet auch, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung eines Staatsangehörigen/inländ. KapGes. in anderem Mitgliedstaat behindert sofortige Besteuerung des bisher nicht realisierten Wertzuwachses kann Gesellschaft vom Wegzug in einen anderen MS abhalten Rechtfertigung: zwingende Gemeinwohlgründe können Bedürfnisse der Aufteilung der Steuerhoheiten sein  aber Verhältnismäßig-keitsgrundsatz zu wahren!

65 Entscheidungsgründe „National Grid Indus“
Rechtfertigungsgrund „Aufteilung der Steuerhoheiten“ – „Schranken-Schranke“ des Verhältnismäßigkeitsprinzips Wirkt auf den Zeitpunkt der Wertzuwachsbe-steuerung: Besteuerung bereits bei Wegzug gefährdet Liquidität des Unternehmens Lt. EuGH ist sofortige Besteuerung nicht notwendig, um Aufteilung der Steuerhoheiten zu bewirken; (Festsetzung) reiche aus (Wahlrecht der Sofortbesteuerung) Risiko der Nichteinziehung: dem kann durch Sicherheitsleistung begegnet werden; außerdem hilft BeitrRL 2010/24/EU

66 Weitere EuGH-Entscheidungen zur Entstrickung
EuGH v – C-164/12, FR 2014, 466 (Rechtssache DMC) EuGH v – C-657/13, ISR 2015, 144 (Rechtssache Verder LabTec)

67 Inlandsbezug der § 6b EStG-Rücklage EuGH v. 6. 4
Inlandsbezug der § 6b EStG-Rücklage EuGH v – C-591/13, FR 2015, 460 Ersatz-WG-Anschaffung Unternehmen: Veräußerungsgewinn Reinvestition in dt. Betriebsstätte Deutschland EU-Mitgliedstaat Reinvestition in ausländ. Betriebsstätte Verletzt die Beschränkung der § 6b-Rücklage auf die Reinvestition in inland. Betriebsstätten die Niederlassungsfreiheit?

68 Folgerungen aus dem EuGH-Urt. im § 6b EStG-Fall
Rechtfertigungsgrund „Aufteilung der Steuerhoheiten“ – „Schranken-Schranke“ des Verhältnismäßigkeitsprinzips Lt. EuGH ist sofortige Besteuerung nicht notwendig, um Aufteilung der Steuerhoheiten zu bewirken; (Festsetzung) reiche aus (Wahlrecht der Sofortbesteuerung) Der Förderungszweck des § 6b EStG wird auch bei einer Reinvestition in ausländ. Betriebsstätte erreicht Gebot des mildesten Mittels: Stundung des Gewinns bei Reinvestition in ausländ. Betriebsstätte (z.B. auf 5 Jahre)

69 EuGH v. 06.06.2000 – C-35/98 -, Slg. 2000 I-4113 = DStRE 2000, 742 „Verkooijen“
Steuerbefreiung für einen niederländ. Anteilseigner, wenn der ausgeschüttete Gewinn keiner niederländischen Steuer, aber einer belgischen Quellensteuer von 25% unterlag? Mr. Verkooijen Niederlande Gewinnausschüttung Belgien Petrofina NV

70 „Verkooijen“-Entscheidung
Wird eine Steuerbefreiung für Stpfl., die Ausschüttungen für Anteile an eine Gesellschaft, die in einem anderen MS sitzt, versagt, liegt darin eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit i.S. des Art. 63 AEUV. Effekt: Niederländ. Staatsangehörige werden davon abgehalten, ihr Kapital in Unternehmen mit Sitz in anderen MS‘en zu investieren. Keine Rechtfertigung durch das Kohärenz-prinzip weil kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Steuerbefreiung und der Dividenden-besteuerung existiere (separate Steuern die unterschiedlichen Stpfl. auferlegt werden).

71 Petri Manninen schwedische AG
EuGH v – C-319/02, Slg I-7498 = DStRE 2004, „Manninen“ Steueranrechnung für einen finnischen Anteilseigner im finnischen Anrechnungsverfahren für Ausschüttungen einer schwedischen AG, deren Gewinn mit schwedischer Körperschaftsteuer belastet ist? Petri Manninen Finnland Gewinnausschüttung Schweden schwedische AG

72 „Manninen“ Entscheidung – I.
Vergleichspaar: Finnischer Anteilseigner hält Anteile an finnischer oder schwedischer AG ► Das Halten von Anteilen an schwedischer Gesellschaft ist weniger günstig wegen der Verweigerung der Steueranrechnung Effekte: Erschwerung für schwedische Gesellschaften, Kapital aus Finnland zu akquirieren Hält finnische Anteilseigner von Investments in Schweden ab ► Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

73 „Manninen“ Entscheidung – II.
Keine ausdrückliche Rechtfertigung i.S. des Art. 65 I AEUV Abgelehnte Rechtfertigungsgründe: Verlust an nationalem Steueraufkommen Territorialitätsprinzip Kohärenz des des finnischen Steuersystems

74 Folgerungen aus „Manninen“
MS mit KSt-Anrechnungsverfahren müssen ausländ. KSt anderer MS anrechnen. KSt-Anrechnungsverfahren ist bei rein nationaler Ausrichtung mit EG-Recht unvereinbar Aber: MS wollen nicht das Steueraufkommen anderer MS finanzieren Problem: KSt-Anrechnungsverfahren ist die konsequenteste Methode, die wirtschaftl. Doppelbelastung zwischen KapGes u. Ges‘er zu vermeiden

75 Folgerungen aus „Manninnen“
EuGH verneinte die Rechtfertigungsgründe des Kohärenz- u. Territorialitätsprinzips Frage: Was bleibt als dogmatischer Inhalt dieser Rechtfertigungsgründe? In Abweichung zu Verkooijen hat der EuGH hier wenigstens nicht mehr darauf abge-stellt, dass das Kohärenzprinzip bereits wegen dem Vorliegen zweier unter-schiedlicher Steuersubjekte ausscheide.

76 Dänische u. niederländ. AG
EuGH v C 292/04, Slg I-1835 = DStR 2007, u. EuGH v – C-262/09, Slg I-5669 = DStR 2011, 1262 „Meilicke I+II“ KSt-Anrechnung für einen deutschen Anteilseigner, der Ausschüttungen ausländischer AG’en erhält, die in den anderen MS’en dort der KSt unterlegen haben? Wienand Meilicke Deutschland Gewinnausschüttungen Andere MS’en Dänische u. niederländ. AG

77 „Meilicke“ - Entscheidungen
Parallele zur Manninen-Entscheidung Wirkung der EuGH-Entscheidung = ex tunc Begrenzungs-Antrag Deutschlands: Fiskalische Auswirkungen seien zu groß Deutschland habe die KSt-Anrechnung im Vertrauen auf die Europarechtskonformität erlassen Seit der Verkooijen-Entscheidung konnte die deutschen Bundesregierung nicht mehr länger auf die Europarechtskonformität vertrauen

78 „Meilicke“ - Entscheidung
Auffassung der GAin Stix-Hackl (versus früheren GA Tizzano) wurde bestätigt keine Begrenzung der Urteilswirkungen des EuGH Evaluation Die Position des EuGH im Verhältnis zu den MS wäre deutlich geschwächt Rechtsfolgenlotterie ist verhindert worden!

79 BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12 „Meilicke“ – Nachweis der ausländ. KSt
Bestätigung der materiellen Gleichstellung der ausländ. Dividende und der ausländ. KSt mit Inlandsdividenden/KSt Nachweiserfordernis Die ausländ. KSt-Vorbelastung (KSt-Anrechnungsbetrag) muss in substantieller Weise nachgewiesen werden Eine ausländ. Bankbescheinigung, dass tatsächlich KSt von der ausschüttenden KapGes gezahlt worden ist, reicht nicht aus. Ebensowenig reicht eine grobe Schätzung aus.

80 „Bosal“ – EuGH v. 18.9.2003 -168/01, Slg. 2003 I-9430
Abzug der Finanzierungs-kosten als Betriebsaus-gaben? Bosal Holding N.V. Ausschüttung Niederlande In 9 anderen Mitgliedstaaten: Tochterges. 1 Tochterges. 2 Tochterges. 3 ……...

81 Entscheidung - „Bosal“
Mutter-Tochter-Richtlinie ermöglicht den Ausschluss von Holdingkosten vom Abzug auf der Ebene der Mutterges. aber: Grundfreiheiten sind vorrangig gegenüber der Richtlinie! Abzugsverbot für Holdingkosten = Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bei Gründung von Tochterges. in anderen MS, Art. 49, 54 AEUV Keine Rechtfertigung durch das Kohärenzprinzip (NL- Steuersystem), weil kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Steuervergünstigung und dem Abzugsverbot bestehe (unterschiedliche Stpfl. und unterschiedliche Steuern)

82 Lankhorst-Hohorst GmbH
„Lankhorst-Hohorst“- EuGH v – C-324/00 Slg I = DStR 2003, 25 Deutschland Niederlande Lankhorst Taselaar B.V. Darlehen 100 % Zinsen 100 % Lankhorst-Hohorst GmbH Lankhorst-Hohorst B.V.

83 „Lankhorst-Hohorst“-Entscheidung
Vergleichspaar: Deutsche Enkelges. mit Deutscher Mutter/EU-Mutter Diskriminierung/Beschränkung (Art. 49, 54 AEUV) Keine Rechtfertigungsgründe Nationale Steuerausfälle Here: keine Missbrauchsintention ersichtlich Here: keine bloß künstliche Gestaltung

84 „Lankhorst-Hohorst“-Entscheidung
Kohärenz Idee = jeder im Inland erzielte Gewinn hat einmal einer inländischen Steuer zu unterliegen Dieses Prinzip kann der Anteilseigner leicht durch eine Darlehenskonstruktion umgehen: Steuerüberwachung EG-Amtshilfe-RL Konsequenz des nationalen Gesetzgebers: Ausdehnung des § 8a KStG auf rein nationale Sachverhalte (heute: sog. Zinsschranke - § 4h EStG)

85 Unternehmensbesteuerung in Europa
Grenzüberschreitende Zuordnung von Gewinn und Verlusten

86 „Marks & Spencer“ – EuGH v. 13. 12. 2005, C-446/03, Slg
„Marks & Spencer“ – EuGH v , C-446/03, Slg I = DStR 2005, 2168 Marks & Spencer plc keine grenzüber-schreitende Berücksichtigung von Verlusten Marks & Spencer International Holding Ltd. Großbritannien Niederlande Marks & Spencer Netherlands B.V. Verluste Marks & Spencer S.A. Marks & Spencer N.V. Marks & Spencer GmbH Verluste Verluste Verluste Frankreich Belgien Deutschland

87 Rechtfertigungsgründe -„Marks & Spencer“
Niederlassungsfreiheit Art. 49, 54 AEUV: Territorialitätsprinzip: Aufteilung der Steuergewalt zwischen den MS: nur inländ. Gewinn, dann ggf. auch kein Verlustabzug Risiko einer doppelten Verlustberücksichtigung Risiko einer Steuerumgehung Unterschied ist gerechtfertigt! Aber Verhältnismäßigkeitsprüfung: beschränkende Maßnahme darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die verfolgten Ziele zu erreichen (Suche nach weniger belastenden Maßnahmen).

88 Folgerungen aus „Marks & Spencer“
Sitz-Staat der Mutterges. muss ultima ratio die Verluste berücksichtigen, wenn keine Möglichkeit mehr bei den ausländ. Tochterges. Besteht (dazu nun EuGH v – GrK C-172/13, Kommission ./. U.K.) Nachweispflichtig ist das Unternehmen Problem: Unionsrechtswidrigkeit hängt vom Umfang des Verlustabzugs der MS der Tochterges. ab!

89 „A Oy“ – EuGH v. 21.2.2013 – C-123/11, DStR 2013, 392 Fusion Finnland
Schweden Tochter A Oy- Schweden Betriebsstätten nur Verluste Keine Berücksichtigung des Verlustes: Schweden: kein Gewinn Finnland: keine grenzüberschreitende Verlustverrechnung

90 Folgerungen aus „A Oy“ Gleichstellung von ausländ. mit inländ. Tochtergesellschaften Mutterges. muss ultima ratio die Verluste berücksichtigen, wenn keine Möglichkeit mehr bei den ausländ. Tochterges. besteht (finale Verluste) Nationale Gerichte haben zu prüfen, ob A Oy nachgewiesen hat, dass alle Möglichkeiten zur Verlustnutzung in Schweden ausgeschöpft worden sind Verlustfinalität wird aber nicht allein durch umwandlungsbedingten Untergang begründet

91 „Lidl Belgium “ – EuGH v. 15.05.2008 – C-414/06 Slg 2008 I-3601 = DStR 2008, 1030
Deutschland Lidl Belgium (GmbH & Co. KG) Keine Berücksichtigung des Verlustes Luxemburg Verlustverrechnung in späteren Besteuerungszeiträumen Verlust Betriebsstätte

92 EuGH v. 15.05.2008 – C-414/06 „Lidl Belgium “ - Slg 2008 I-3601
Übertragung der Grundsätze von „Marks & Spencer“ auf Betriebsstätten Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist gerechtfertigt Aufteilung der Besteuerungsbefugnis unter den MS Risiko der doppelten Verlustberücksichtigung Verhältnismäßigkeitsprüfung ist vorzunehmen.

93 Folgerungen aus „Lidl Belgium“
Gleichstellung von ausländischen Betriebsstätten mit ausländischen Tochtergesellschaften Sitz-Staat des Stammhauses muss ultima ratio die Verluste berücksichtigen, wenn keine Möglichkeit mehr bei den ausländ. Betriebsstätten besteht (finale Verluste) Nachweispflichtig ist das Unternehmen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit hängt vom Verlustabzug im Betriebsstättenstaat ab.

94 Weitere Entscheidungen zur grenzüber-schreitenden Verlustverrechnung
EuGH v – C-157/07, Slg I-8061 = DStRE 2009, 556 (Krankenheim Ruhesitz Wannsee) EuGH v – C- 337/08, Slg I-1215 = DStR 2010, 427 (X-Holding BV)

95 Unternehmensbesteuerung in Europa
Grenzüberschreitende Zuordnung von Gewinnen u. Verlusten “Controlled Foreign Companies”

96 CFC Aktives und passives Einkommen
Deutsches AStG Klassifizierung von Einkommen Aktive Einkünfte: Produktion u.ä. Passive Einkünfte: Kapitalüberlassung u.ä.

97 „Cadbury Schweppes“ – EuGH v. 12. 9. 2006, C-196/04, Slg
„Cadbury Schweppes“ – EuGH v , C-196/04, Slg I-7995 = DStR 2006, 1686 Cadbury Schweppes plc Cadbury Schweppes Overseas Ltd. GB – Steuersatz 55% Irland (IFSC) – Steuersatz 10% Verluste Gewinne Cadbury Schweppes Treasury Services Cadbury Schweppes Treasury International

98 Entscheidungsgründe „Cadbury Schweppes“
Anwendung der Grundfreiheiten Niederlassung in einem MS, um eine niedrige Besteuerung auszunutzen, stellt noch keinen Missbrauch von Grundfreiheiten dar GB: wenn Steuer > 75% der GB-Steuer, keine Zusatz „CFC“-Steuer ist anwendbar; anders wenn Steuer < 75% der GB-Steuer Eine derartige CFC-Gesetzgebung kann die Ausübung der Niederlassungsfreiheit hindern → Beschränkung der Art. 49, 54 AEUV

99 Folgerungen von „Cadbury Schweppes“
Rechtfertigung: zwingende Gründe des öffentlichen Interesses = Steuerumgehung Verhältnismäßigkeitsprüfung = 3 Elemente öffentliches Interesse ist zu definieren Mittel muss zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses geeignet sein Eingriff in die Grundfreiheit darf nicht über das erforderliche Maß hinausgehen Es gibt keine generelle Vermutung der Steuerhinterziehung Maßnahme muss sich speziell gegen rein künstliche Gestaltungen richten Echte Niederlassung (= tatsächliche Ausübung einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit) fällt nicht darunter

100 Folgerungen aus „Cadbury Schweppes“
Wirtschaftlicher Substanztest Niederlassung verfolgt eigenständiges wirtschaftliches Ziel Niederlassung ist sachlich u. personell in für die wirtschaftliche Aktivität angemessener Weise ausgestattet Ausgestaltung CFC-Gesetzgebung Steuerumgehung muss für jeden Fall analysiert werden Keine generelle Umgehung ohne Möglichkeit des Gegenbeweises der wirtschaftliche Gründe des Gegenbeweises der hinreichenden Ausstattung

101 Reaktion des deutschen Gesetzgebers im JStG 2008
§ 8 II AStG: Entlastungsbeweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit Voraussetzung: EG-Amtshilfe-RL oder Amtshilfe-Abkommen ermöglichen gegenseitige Auskünfte der MS BMF-Schreiben BStBl. I 2007, 99

102 „Columbus Container Services“- BFH v. 21.10.2009, BStBl. II 2010, 774
(Anschlussurteil zu EuGH v – C 298/05 „Columbus Container Services“, Slg. 2007, I = DStR 2007, 2308) Belgien Steuersatz < 30 % Kommanditgesellschaft belgischen Rechts Gewerbliche Einkünfte Personengesellschaft Gesellschafter Anwendung § 20 Abs.2 AStG a.F.?(Anrechnungsmethode) Deutschland

103 „Columbus Container Services“- BFH v. 21.10.2009, BStBl. II 2010, 774
Entscheidung des EuGH v , Slg. 2007, I (Vorlage des FG Münster): Niederlassungsfreiheit Art.49 AEUV und Kapitalverkehrsfreiheit Art.63 AEUV stehen den Umschaltklauseln des § 20 Abs.2, 3 AStG a.F. nicht entgegen. BFH: Verstoß gegen Niederlassungsfreiheit bei Bestehen des sog. Motivtestes Nach Ansicht des BFH ist die Vorlagefrage und damit die Entscheidung unvollständig, da keine Einbeziehung der §§ 7 ff. AStG a.F

104 Folgerungen aus BFH v § 20 Abs.2 AStG ist nicht anzuwenden, wenn der Motivtest bestanden wird. § 20 Abs.2, 3 AStG ist eine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch §§ 7 AStG sind tatbestandliche Voraussetzung für § 20 Abs.2, 3 AStG Rechtsgrundsätze aus „Cadburry Schweppes“ sind auch in diesem Fall anzuwenden Der sog. Motivtest ist EU- rechtskonform in die Regelung hineinzulesen. Rechtslage eindeutig nach BFH, daher keine erneute Vorlage an EuGH

105 Das Beihilfenverbot im Steuerrecht
Art. 107 ff. AEUV

106 Begriff der Beihilfe Ausgangspunkt: Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt durch Steuervergünstigungen einzelner MS für Unternehmen ( = jede selbständig ausgeübte Erwerbstätigkeit am Markt) Danach ist Beihilfe i.S.v. § 107 I AEUV jede Maßnahme, die einen selektiven Vorteil für Unternehmen gewährt, staatlich finanziert ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und wettbewerbsverzerrende Wirkung entfaltet.

107 Insbesondere: Selektiver Vorteil
Selektiver Vorteil liegt vor, wenn durch eine Ausnahme 3-stufige Prüfung der Selektivität: Bestimmung des steuerlichen Referenzsystems „Normalbesteuerung“  Belastungsgrund und Belastungsprinzipien Feststellung einer Abweichung vom Referenzsystem, die zu Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern führt, die sich hinsichtlich des Ziels des Referenzsystems in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden Ausnahme durch die Natur bzw. den inneren Aufbau des nationalen Steuersystems gerechtfertigt?

108 Weitere Merkmale i.R.d. Besteuerung regelmäßig unproblematisch gegeben: Staatliche Finanzierung = Verzicht auf Steueraufkommen Keine Saldierung mit erwarteten Vorteilen (bspw. Investitionsanreize, Zunahme von LSt-Einnahmen durch Vergünstigung) Auswirkung auf Handel und Wettbewerbsverzerrung wird vermutet  Steuervorteile bedeuten ausreichende abstrakte Eignung bzw. Gefahr

109 Übungsfall: Sanierungsklausel EuG v. 4. 2. 2016 - T-287/11 u
Übungsfall: Sanierungsklausel EuG v T-287/11 u. T 620/11, DStR 2016, 390, dazu Anm. de Weerth, DB 2016, 682 (Verfahren vor dem EuGH unter C-203/16 u. C-209/16 anhängig) § 8c I KStG: „Gesammelte“ Verlustvorträge einer Körperschaft verfallen ganz oder teilweise, wenn min. 25 % der Geschäftsanteile innerhalb von 5 Jahren übertragen werden. Hintergrund: Bekämpfung von Missbrauch durch sog. „Verlustmäntel“ Die Regelung ging jedoch zu weit, weshalb der Gesetzgeber Rückausnahmen implementierte, u.a. durch die Sanierungsklausel in § 8c Ia KStG  Keine Abzugsbeschränkung, wenn Anteilsübertragung der Sanierung des Unternehmens dient (dann ersichtlich kein Missbrauch)

110 Übungsfall: Sanierungsklausel
Problem: Sanierungsklausel = Beihilfe i.S.v. Art. 107 I AEUV? Selektiver Vorteil für Unternehmen?  3-stufige Prüfung 1. Stufe: Bestimmung des Referenzsystems Problem: „kleines“ oder „großes“ Referenzsystem? „Großes Referenzsystem“: interperiodische Verlustberücksich-tigung als allgemeines Grundprinzip des Körperschaftsteuerrechts „Kleines Referenzsystem“: Grundprinzip ist die Abzugsbe-schränkung beim schädlichen Beteiligungserwerb

111 Übungsfall: Sanierungsklausel
EuG: „Mischung“ aus beiden, im Ergebnis aber „kleines“ System grds. Möglichkeit der Verlustnutzung mit teilweiser Beschrän-kung als Mittel der Missbrauchsbekämpfung sei der zu betrachtende Rahmen 2. Stufe: Unterscheidung durch Abweichung? DL: Situation sanierungsbedürftiger Unternehmen nicht vergleichbar mit gesunden Unternehmen EuG: Vergleichbarkeit mit Blick auf den Zweck der Grundregel (= Missbrauchsbekämpfung)  auch gesunde Unternehmen können ohne Missbrauchsabsicht oder –möglichkeit Anteile übertragen.

112 Übungsfall: Sanierungsklausel
3. Stufe: Ausnahme durch die Natur bzw. den inneren Aufbau des nationalen Steuersystems gerechtfertigt? Rechtsmittel-Arg.: Sanierungsklausel führt zurück zum objektiven Nettoprinzip = tragender Grundsatz des dt. Steuersystems Dagegen EuG: Steuersystematik muss Unterscheidung rechtfertigen  warum objektives Nettoprinzip nur für sanierungsbedürftige Unternehmen, nicht aber für gesunde Unternehmen, bei denen kein Missbrauch gegeben ist? Trotz weiterer Ausnahmen (Konzern- und Stille-Reserven-Klausel) Anteilsübertragungen ohne Missbrauch denkbar, für die keine Ausnahme greift. Kritik: Typisierungsbefugnis wäre bei Auswahl des zutreffenden Referenzrahmens sachgemäß gewürdigt worden.

113 Verfahrensfragen § 108 III AEUV: präventive Beihilfenkontrolle  geplante Maßnahme, die Beihilfe sein kann, muss der Kommission angezeigt werden (Notifizierungsverfahren). Die Kommission kann genehmigen. § 108 II AEUV: repressive Beihilfenkontrolle  alle als Beihilfe in Betracht kommenden Maßnahmen können von der Kommission laufend kontrolliert werden Bei Verstoß gegen Art. 107 I AEUV: entsprechendes Gesetz ist nicht mehr anwendbar, bereits gezahlte Beihilfe (auch in Form von Steuerbegünstigung) müssen zurückgefordert werden So geschehen im Fall von § 8c Ia KStG!

114 Vergleichsfall: „P Oy“ EuGH v. 18.7.2013 – C-6/12, DStR 2013, 1588
Finnland: Verbot der Verlustnutzung bei Beteiligungswechsel > 50 %, Finanzverwaltung kann Verlustnutzung ausnahmsweise genehmigen Problem: Dispens = Beihilfe? EuGH: Ausnahme von Verlustabzugsbeschränkung kann selektiver Vorteil sein (nicht abschließend entschieden) Gerechtfertigt aber, wenn Genehmigung nur anhand systemimmanenter Kriterien erteilt wird  ledigliche Prüfung, ob Anteilsübertragung Verlusthandel darstellt Systemfremde Genehmigungskriterien (bspw. Arbeitsplatzerhalt) führen jedoch zu verbotener Beihilfe

115 Europäische Amtshilfe im Bereich des Steuerrechts
Überblick

116 Rechtsquellen der Amtshilfe
Grundnorm: § 117 AO Doppelbesteuerungsabkommen Art. 26 OECD-MA: Informationsaustausch Art. 27 OECD-MA: Beitreibungshilfe MwSt-ZusammenarbeitsVO Nr. 904/2010 v , ABl. EU Nr. L 268, 1 EU-AmtshilfeRL 2011/16/EU v , ABl. EU Nr. L 64, 1 EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) Finanzkontenaustauschgesetz (FKAustG) EU-BeitreibungsRL 2010/24/EU v , ABl. EU Nr. L 84, 1 EU-Beitreibungsgesetz

117 Informationsaustausch
Administrazione Finanziaria Finanzverwaltung Auskunft I ital. Einkünfte in DL steuerfrei nach DBA-Italien § 19 EStG

118 Informationsaustausch nach EUAHiG (v. 26.6.2013, BGBl. I 1809)
Umsetzung der Richtline 2011/16/EU v Regelt den Informationsaustausch zwischen EU-Mitgliedstaaten Ziele des Informationsaustausches: Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen fortschreitender Globalisierung und Territorialitätsprinzip Stärkung des Binnenmarktes durch verstärkte Wettbewerbsgleichheit Förderung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Bekämpfung von Steuerflucht

119 Erteilung von Auskünften auf Ersuchen
§ 4 I S. 1 EUAHiG: Eingehende Ersuchen § 6 I EUAHiG: Ausgehende Ersuchen Übermittlung voraussichtlich erheblicher Informationen in Steuersachen für jede Art von Steuern auf Ersuchen Möglichkeit der Erheblichkeit im ersuchenden Staat genügt Keine „Fishing Expeditions“  Auskunftsanfrage ins Blaue hinein Beschaffungspflicht: Behörden ermitteln gewünschte Information wie im Rahmen eines inländischen Besteuerungsverfahrens

120 Erteilung von Auskünften auf Ersuchen
Grenzen der Beschaffungs- und Übermittlungspflicht, § 4 Abs. 3 EUAHiG: Rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit (Nr. 1)  Äquivalenzprinzip Verletzung des Subsidiaritätsprinzips (Nr. 2): Behörde hat ihr zur Verfügung stehende Mittel selbst nicht ausgeschöpft Keine Preisgabe von Handels-, Gewerbe- und Berufsgeheimnissen, sowie von Geschäftsverfahren (Nr. 3) Verstoß gegen Ordre Public (Nr. 4)

121 Automatischer Informationsaustausch
§ 7 EUAHiG: regelmäßiger, elektronischer Auskunftsverkehr ohne Ersuchen zum Zwecke des Abgleichs von Besteuerungsgrundlagen Instrument eines grenzüberschreitenden Risikomanagements Abs. 1: Vergütungen aus nichtselbständiger Arbeit, Aufsichts-/Verwaltungsratsvergütungen, Lebensversicherungsprodukte, Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen, Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen Abs. 2: Finanzkontendaten i.S.v. § 2 FKAustG Verbindliche Auskünfte und APA (Verrechnungspreiszusagen)

122 Spontanauskünfte §§ 8, 9 EUAHiG: „Internationale Kontrollmitteilung“
Informationen, die innerhalb eines inländischen Besteuerungsverfahrens bekannt werden und für ausländische Behörde von Bedeutung sein können § 8 Abs. 1 EUAHiG: Fakultative Übermittlung jeglicher Information § 8 Abs. 2 EUAHiG: Obligatorische Übermittlung von Informationen in bestimmten Fällen (insbes. Steuerhinterziehung, Gewinnverlagerung zwischen verbundenen Unternehmen

123 Grenzüberschreitende Informations-pflicht im Erbfall - § 33 ErbStG EuGH v – C-522/14 – Sparkasse Allgäu Zweigstelle Auskunft: Konten in Österreich

124 Amministrazione Finanziaria
Beitreibungshilfe Beitreibungsersuchen Amministrazione Finanziaria Finanzverwaltung Auskehr StB Vollstreckung nach fruchtloser Zahlungsaufforderung (§§ 249 ff. AO)

125 Beitreibungshilfe nach EUBeitrG (v. 07.12.2011, BGBl I 2011, 2592)
Umsetzung der Richtline 2010/24/EU v Verpflichtet die Behörden untereinander zur Beitreibung von Abgaben aller Art. inkl. Nebenforderungen, Verwaltungsgebühren und Erstattungen Auch Sicherungsmaßnahmen und Zustellungshilfe (§ 7 EUBeitrG) möglich Eigener Auskunftsaustausch zum Zwecke der Beitreibung (§§ 5, 6 EUBeitrG) Bedienstete der ersuchenden Behörde können mitwirken (§§ 17, 18 EUBeitrG) Beitreibung erfolgt nach nationalen Vorschriften (§§ 249 ff. AO) wie Vollstreckung eigener fälliger Steuerforderungen

126 Ausgehende Ersuchen Gemäß § 10 EUBeitrG zulässig wenn:
Abs. 1: Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben und Forderung nicht angefochten oder nicht mehr anfechtbar Ausnahme: eingelegter Einspruch ist offensichtlich aussichtslos (§ 10 Abs. 1 S. 2 EUBeitrG) Abs. 2: Ausschöpfung aller eigenen nach AO gegebenen Vollstreckungsmöglichkeiten  Grundsatz der Subsidiarität Auch, soweit weitere Vollstreckungsmaßnahmen wirtschaftlich sinnlos oder unverhältnismäßig wären § 14 I EUBeitrG: Nur für Forderungen ab 1500 € § 14 II EUBeitrG: Forderung nicht älter als 5 Jahre seit Fälligkeit oder Unanfechtbarkeit oder älter als 10 Jahre seit erstmaliger Fälligkeit

127 Eingehende Ersuchen Eingehende Ersuchen
Werden an das BZSt gerichtet (Zentrale Verbindungsstelle, § 3 I Nr. 1 EUBeitrG) Weiterleitung an das für den Schuldner örtlich zuständigen FA Keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen, aber: BMF-Merkblatt v , BStBl. I 2014, 188, Rz : Grundsatz der Subsidiarität Erkennbare erhebliche Verfahrensmängel im ersuchenden Staat

128 Eingehende Ersuchen Ablehnung der Amtshilfe
§ 14 I EUBeitrG Sofern Beitreibung unbillig wäre Ausprägung des Ordre Public Grundsatzes Insbes.: Rechtsstaatswidrige Forderungen (Bsp: BFH BStBl. II 2011, 401: Zahlungsaufforderungen durch ersuchende Behörde (Italien) erging ohne Rechtsbehelfsbelehrung und nur in italienischer Sprache  keine Vollstreckung durch deutsche Behörden, wegen Verstoß gegen Ordre Public)

129 Eingehende Ersuchen Art. 18 I EU-BeitrRL:
Die ersuchte Behörde ist nicht verpflichtet, die in den Artikeln 10 bis 16 vorgesehene Amtshilfe zu leisten, falls die Beitreibung der Forderung aus Gründen, die auf die Verhältnisse des Schuldners zurückzuführen sind, erhebliche wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten in dem ersuchten Mitgliedstaat bewirken könnte, sofern die in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie die dort übliche Verwaltungspraxis eine solche Ausnahme für nationale Forderungen zulassen. Übernommen von BMF-Merkblatt v , BStBl. I 2014, 188, Rz Kritik?

130 Rechtsschutz im Europäischen Steuerrecht
130

131 Rechtsschutz gegen unionsrechtswidriges innerstaatliches Recht
Grundsatz: Ordentlicher Richter des Unionsrechts ist der innerstaatliche Richter Vorrang von Unionsrecht vor nationalem Recht Finanzgerichte wenden sämtliches Unionsrecht unmittelbar an und legen es eigenständig aus unionsrechtswidrige Vorschriften bleiben unangewendet (EuGH v C-555/07 Seda Kücükdeveci/Swedex GmbH & Co. KG) Bei Auslegungsfragen: Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH: Art. 267 AEUV Für Finanzgerichte fakultativ, Art. 267 II AEUV Für BFH verpflichtend, Art. 267 III AEUV

132 Rechtsschutz gegen unionsrechtswidriges innerstaatliches Recht
Verstoß gegen Vorlagepflicht durch BFH Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258, 259 AEUV Grds. möglich, aber klagebefugt sind nur MS und Kommission Stpfl. hat nur die Möglichkeit einer formlosen Beschwerde bei der EU-Kommission, um ein Vertragsverletzungsverfahren zu initiieren Verfassungsbeschwerde wegen Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG Grds. möglich, aber BVerfG: restriktive Anwendung  nur bei objektiv willkürlicher oder offensichtlich unhaltbarer Unterlassung der Vorlage

133 Rechtsschutz gegen Unionsrecht und sonstige Maßnahmen der Union
Rechtsschutz gegen sekundäres und tertiäres Unionsrecht Vereinbarkeit mit primärem Unionsrecht Keine Prüfungskompetenz nationaler Gerichte, stattdessen ungeschriebene Vorlagepflicht an EuGH (Verwerfungskompetenz des EuGH) Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV vor dem EuG Vereinbarkeit mit Grundgesetz Grds. keine Prüfung durch BVerfG („Solange“-Rspr.) Ausnahme: Unionsrecht verletzt von Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Verfassungsprinzipien, insbes. Art. 1 I GG („Ultra Vires“-Rspr.) s. anschaulich BVerfG v  – 2 BvR 2735/14, NJW 2016, 1149 – Europäischer Haftbefehl

134 Rechtsschutz gegen Unionsrecht und sonstige Maßnahmen der Union
Rechtsschutz gegen Maßnahmen aufgrund von Unionsrecht Durch deutsche Behörden Grds. vollständige Überprüfbarkeit durch nationale Gerichte (inkl. Grundrechtsprüfung  Solange-Rspr. gilt nur für Unionsrechtsakte, nicht für Einzelmaßnahmen!) Aber: bei Maßnahmen wegen zwingendem Unionsrecht keine Prüfungskompetenz der nationalen Gerichte (da eine solche der Prüfung des Unionsrechts selber gleichkommt) Durch Unionsorgane Grds. kein Rechtsweg vor deutsche Gerichte Nichtigkeitsklage vor EuG nach Art. 263 AEUV (s. Übungsfall zur Sanierungsklausel)


Herunterladen ppt "Europäisches Steuerrecht"

Ähnliche Präsentationen


Google-Anzeigen