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Veröffentlicht von:Kiefer Strassner Geändert vor über 10 Jahren
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III. Themen der Sozialpsychologie (4): Aggression
1. Problemstellung und Definitionen 2. Theoretische Perspektiven 3. Problemfelder 4. Wie Aggression vermeiden / reduzieren? 5. Bezug zu Grundprinzipien der SP © Gerd Bohner 2001
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1. Problemstellung und Definitionen
Gewalt als universelles Phänomen Ursachen? Interventionsmöglichkeiten? Arbeitsdefinition: "Aggression is behavior intended to hurt someone" (Smith & Mackie, 2000). wesentliche Elemente fast aller Definitionen: Schädigung mit Absicht weiteres Kriterium: Zielperson ist bestrebt, eine solche Behandlung zu vermeiden (Baron, 1977) Normverletzung liegt vor © Gerd Bohner 2001
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Formen aggressiven Verhaltens:
physisch vs. verbal direkt vs. indirekt (durch Unterlassung) defensiv vs. offensiv instrumentelle Aggression vs. "feindselige" Aggression (auch: "emotionale Aggression", "Ärger-Aggression") © Gerd Bohner 2001
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2. Theoretische Perspektiven
(a) Aggression als angeborenes Verhalten Psychoanalyse Verhaltensforschung Evolutionspsychologie (b) Aggression als situational ausgelöstes Verhalten Frustrations-Aggressions-Hypothese Aggressive Hinweisreize Erregungsübertragung (c) Aggression als gelerntes Sozialverhalten Soziale Lerntheorie © Gerd Bohner 2001
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Aggression als angeborenes Verhalten Psychoanalyse (Freud):
Todestrieb (gr. Thanatos, als Gegenpol zu Eros) hydraulisches Modell Bewältigung durch Katharsis = Äußerung aggressiver Tendenzen in unschädlicher Form (z.B. Phantasie) Verhaltensforschung (Lorenz): Aggressionsinstinkt Energiemodell; Schlüsselreize biologisch funktional Abbau durch kontrollierte Abfuhr kleinerer Energiemengen in sozial akzeptierten Formen der Aggression (z.B. sportl. Wettkämpfe) © Gerd Bohner 2001
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Evolutionspsychologie (z.B. Archer):
Erhöhung der "inclusive fitness" durch aggressives Verhalten sowohl zwischen Spezies als auch innerhalb einer Spezies Beispiele: Verteidigung der eigenen Nachkommen gegen Feinde (Aggression als Altruismus!); Kampf um Ressourcen (Revier, Nahrung); Rivalität zwischen männlichen Individuen um Sexualpartnerinnen Kritik an diesen Ansätzen: Instinkttheorien zirkulär, kein Erklärungsgehalt Evolutionspsychologie im Einklang mit empirischen Befunden (z.B. Geschlechtsunterschieden), aber weniger aussagekräftig hinsichtlich anderer interindividueller und situationaler Variationen © Gerd Bohner 2001
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Aggression als situational ausgelöstes Verhalten
Frustrations-Aggressions-Hypothese (Dollard et al., 1939) ursprünglich: Frustration als notwendige und hinreichende Bedingung von Aggression; Zielsubstitution und Reaktionssubstitution möglich; Katharsis später abgeschwächt: alternative Reaktionen auf Frustration, Aggression auch ohne Frustration möglich Empirie: Frustration ist einer der Faktoren, die Aggressionsbereitschaft erhöhen (aber weitere Faktoren von Bedeutung: z.B. allgemeinere negative Stimulation wie Hitze oder Lärm) © Gerd Bohner 2001
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Tagestemperatur und gewaltsame Unruhen in Städten der USA
Quelle: Carlsmith & Anderson (1979); Reanalyse einer Studie von Baron & Ransberger (1978)
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Aggressive Hinweisreize (Berkowitz)
Erweiterung / Präzisierung des Frustrations-Aggressions-Modells: 1. Frustration bewirkt Ärger und damit erhöhte Aggressionsbereitschaft 2. Aggressionsbezogene Hinweisreize (z.B. Waffen) in der Situation bewirken aggressives Verhalten Schlüsseluntersuchung: Berkowitz & LePage (1967) Cover Story: Experiment über "physiologische Reaktionen bei Stress". Vpn werden von "Mit-Vp" (Konfident) durch Elektroschocks "bewertet" (angebl. Skala von 1 Schock, = sehr gut, bis 10 Schocks, = sehr schlecht") Danach Ärger-Messung, dann Rollentausch. © Gerd Bohner 2001
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- niedrig (Konfident gibt 1 Schock) - hoch (Konfident gibt 7 Schocks)
Versuchsplan mit den Faktoren: Ärger: - niedrig (Konfident gibt 1 Schock) - hoch (Konfident gibt 7 Schocks) aggressive Hinweisreize: - Schusswaffen, "die der anderen Vp gehören" - Schusswaffen "aus einem früheren Experiment" - keine Waffen - Badminton-Schläger und Federbälle (Die Badminton-Bedingung wurde nur in Kombination mit hohem Ärger realisiert.) Zentrale AV: Anzahl der Schocks, welche die Vp dem Konfidenten gibt. © Gerd Bohner 2001
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Berkowitz & LePage (1967): Ergebnisse
© Gerd Bohner 2001
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Ärgerinduktion war erfolgreich.
Ergebnisse: Ärgerinduktion war erfolgreich. Aggressive Hinweisreize erhöhen die Anzahl der verabreichten Schocks nur dann, wenn Ärger hoch ausgeprägt. Aber: Auch ohne Hinweisreize führt hoher Ärger zu mehr Schocks als geringer Ärger. Kritikpunkte: Repräsentiert die aV wirklich Aggression? Aufforderungscharakter der experimentellen Situation? Relevant für die Diskussion um Zugang zu Schusswaffen? © Gerd Bohner 2001
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Quelle: Aronson, Wilson & Akert (2002)
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Quelle: U.S. Department of Justice, Bureau of Justice Statistics
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Erregungstransfer (Zillmann)
Annahme: Fehlattribution von "residualer" Erregung, die eine andere Ursache hat, auf ärger-auslösende Situation führt zu erhöhter Aggressionsbereitschaft. (vgl. Zweifaktorentheorie der Emotion von Schachter) Schlüsseluntersuchung: Zillmann, Johnson & Day (1974) Cover Story: Gedächtnisleistung bei Ablenkung durch körperliche Betätigung. Ablauf: Vp zunächst in Lehrerrolle, Elektroschocks an Konfidenten ("unprovozierte Aggression"). Später erhalten alle Vpn vom Konfidenten Elektroschocks. Dann Radeln auf Fahrrad-Ergometer. Danach Vp wieder in Lehrerrolle, Elektroschocks an Konfidenten ("provozierte Aggression"). © Gerd Bohner 2001
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2 x 3 Design mit den Faktoren
Zeitintervall zwischen körperl. Anstrengung und Gelegenheit zur Aggression (lang, kurz) körperliche Fitness der Vp (hoch, mittel, niedrig) Hypothesen: Fehlattribution der körperl. Erregung nur bei langem Zeitintervall (da die tatsächliche Ursache dann nicht mehr augenfällig) und am ausgeprägtesten bei geringer Fitness (da Erregung noch hoch). In der genannten Bedingungskombination höchste Ausprägung von Aggression. AV: Differenzmaß "provozierte Aggression minus unprovozierte Aggression" (basierend auf Intensität und Dauer der Schocks) © Gerd Bohner 2001
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Zillmann, Johnson & Day (1974): Ergebnisse
© Gerd Bohner 2001
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Aggression als gelerntes Sozialverhalten
Soziale Lerntheorie (Bandura): Lernen durch Beobachtung ("observational learning") als Abfolge von 4 Schritten, die kognitives und operantes Lernen kombinieren. Aufmerksamkeit P nimmt die Handlung eines anderen wahr. Behalten P speichert das Wahrgenommene im Gedächtnis. Reproduktion P führt eine Handlung aus, die das Wahrgenommene kopiert. Motivation Konsequenzen bestimmen die Wahrscheinlich-keit, dass P die Handlung erneut ausführt. © Gerd Bohner 2001
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Experimente zum Beobachtungslernen aggressiven Verhaltens
In einer berühmten Serie von Experimenten ("Bobo doll studies") zeigten Bandura und KollegInnen, dass Kinder (3 bis 6 Jahre alt) durch die Beobachtung anderer ihr Verhalten ändern. Z.B. Bandura (1965): 3 Versuchsbedingungen Modell wird für aggressives Verhalten gelobt Modell wird für aggressives Verhalten bestraft Keine beobachtbaren Konsequenzen AV: Anschließendes Verhalten der Vp gegenüber "Bobo" © Gerd Bohner 2001
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Fazit: Lernen am Modell spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung aggressiven Verhaltens. Beobachtung positiver Konsequenzen scheint für den Erwerb aggressiven Verhaltens nicht erforderlich (Selbstverstärkung?) Lernen am Modell im Alltag v.a. in Familie, unter Gleichaltrigen und durch die Medien. Geschlechtsunterschiede erklärbar durch unter-schiedliche Verfügbarkeit männlicher und weiblicher aggressiver Vorbilder sowie geschlechtstypische Normen und assoziierte Verstärkungsmuster. © Gerd Bohner 2001
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3. Problemfelder Gewalt in der Familie
Vielzahl von Gewalttaten innerhalb der Familie. Besonders gefährdet: Kinder und Frauen. UN: Weltweit werden 20 bis 50 Prozent der Frauen mindestens einmal in ihrem Leben körperlich misshandelt, 10 bis 25 Prozent vergewaltigt. Täter ist in den meisten Fällen der Ehemann oder Partner. Vielfältige Ursachen: geringe Kosten ("Privatheit" – Mangel an Kontrolle) Machtgefälle zugunsten der Männer traditionelle Geschlechtsrollen und Verhaltensnormen © Gerd Bohner 2001
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Gewalt in der Schule und am Arbeitsplatz
Bullying / Mobbing = wiederholte, langanhaltende Viktimisierung einer Person durch eine oder mehrere andere Personen (MitschülerInnen, KollegInnen oder Vorgesetzte). Ursachen / Prozesse: Status- und Machtunterschiede Persönlichkeitsmerkmale von Opfern und Tätern Ausschluss von sozialen Aussenseitern aus der Gruppe Einheitlicher theoretischer Rahmen fehlt weitgehend Positiv: In dieser Forschung werden Täter und Opfer berücksichtigt © Gerd Bohner 2001
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Effekte von Gewalt in den Medien
Zwei Fragen: 1. Erhöht Mediengewalt die Aggressionsbereitschaft? 2. Wenn ja, durch welche vermittelnden Prozesse? Befund: Positive Korrelation zwischen Konsum von Mediengewalt und Gewaltbereitschaft (Metaanalyse: Comstock & Paik, 1991). Erleichternde Bedingungen: Wirksamkeit ("efficacy") Normativität ("normativity") Relevanz ("pertinence") Empfänglichkeit ("susceptibility") Problem bei korrelativen Studien: Selbstselektion (Kausalrichtung!) Efficacy: Aggression wird als wirksames Mittel zur Zielerreichung dargestellt. Normativity: Aggression als gerechtfertigte Handlung der "good guys" – Ausblendung der negativen Folgen für das Opfer Pertinence: Ähnlichkeit zwischen Täter und Zuschauer; Zuschauer kann sic mit Täter identifizieren Susceptibility: Emotionale Erregung verhindert kritische Auseinandersetzung © Gerd Bohner 2001
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Kausaler Einfluss belegt durch
(a) Meta-Analysen über experimentelle Befunde, z.B. Wood, Wong & Chachere (1991, Psych. Bulletin) zu Studien mit Verhalten in unstrukturierten Situationen : Mittlere Effektstärke: Cohen's d = .40 (ungewichtet) (b) Längsschnittstudien, z.B. Eron et al. (1972, Am. Psychologist): Bei Jungen Präferenz für gewalthaltige Fernsehprogramme im Alter von 8 Jahren Aggressivität im Alter von 18 Jahren (r = .31). Umgekehrt r = .01. Kein Effekt bei Mädchen. Vermittelnde Prozesse: Modelllernen Erregungstransfer Enthemmung, Desensibilisierung Erwerb gewaltbegünstigender Einstellungen © Gerd Bohner 2001
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Aggression als Interaktion
Interpretation: Verhalten ist nicht per se aggressiv, sondern wird so interpretiert; Attribution und Perspektive Sozialer Einfluss: Wertneutral kann man Aggression als Verhalten sehen, mit dem sozialer Einfluss ausgeübt wird mit dem Ziel, Kontrolle auszuüben, Gerechtigkeit wiederherzustellen oder die Identität zu behaupten Attribution aversiver Ereignisse als Aggression abhängig von Verantwortlichkeit und Soll-Ist-Diskrepanz © Gerd Bohner 2001
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Normen: Toleranz gegenüber aggressivem Verhalten ist unterschiedlich (als Gegenangriff, unter Alkohol) Verarbeitung sozialer Informationen: Aggression kann Folge von Encodierungs- und Interpretationsdefiziten sein. Abfolge: Encodierung – Interpretation – Abklärung eigener Ziele – Zugang zu Reaktionen – Entscheidung für Reaktion – Ausführung des Verhaltens © Gerd Bohner 2001
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Kollektive Gewalt Deindividuation: Zustand, in dem
Kontrolle über Verhalten nachläßt Normative Orientierung geschwächt wird Eindruck auf andere gleichgültig ist Spätere Konsequenzen nicht bedacht werden Hemmungen verringert werden Konkurrierende Theorie: emergent-norm-theory Extreme Verhaltensweisen nicht wegen fehlender Normorientierung, sondern weil neue Normen entstehen © Gerd Bohner 2001
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4. Wie Aggression vermeiden / reduzieren?
Die diskutierten Erkenntnisse bieten Ansatzpunkte für die Reduktion von Aggression (nach Smith & Mackie, 2000): Änderung individueller Wahrnehmungen und Verhaltensweisen Katharsis (z.B. aggressive Sportarten ausüben) funktioniert nicht! Entfernen von aggressiven Hinweisreizen und Mitteln zur Aggression (Waffen!) Modellierung nicht-aggressiven Verhaltens Nachdenken - Verhalten anderer in Ruhe interpretieren (kontrollierte Reaktionen sind weniger aggressiv als spontane). Empathie trainieren (Feshbach). © Gerd Bohner 2001
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Training alternativer Konfliktlösungen (Verhandlung statt Aggression)
Reduktion von Konflikten zwischen Gruppen durch Kontakt und Kooperation (hierzu mehr in einer späteren Sitzung) © Gerd Bohner 2001
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5. Bezug zu Grundprinzipien der SP
Parallelen zwischen prosozialem und aggressivem Verhalten Soziale Konstruktion der Realität: Zahlreiche (manchmal einander widersprechende) Informationen beeinflussen beide Verhaltensweisen (z.B. Normen, Hinweisreize). Universalität sozialer Einflüsse: Verhalten anderer dient als Hinweis, ob Hilfe bzw. Aggression angebracht ist; Modelllernen beeinflusst beide Verhaltensweisen. Motive: Beide Verhaltensweisen werden instrumentell eingesetzt (Kontrolle) und können der sozialen Identifikation bzw. Abgrenzung dienen (Verbindung mit anderen; Selbstwert) © Gerd Bohner 2001
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Verarbeitungsprinzipien:
Informationen, die für Hilfe oder Aggression relevant sind, können oberflächlich oder tief verarbeitet werden. Faktoren, die systematische Verarbeitung reduzieren (z.B. Zeitdruck, Umweltstressoren) führen zur Nutzung der am leichtesten zugänglichen Cues und "spontanen" Reaktionen (d.h. meist Nichthelfen bzw. sich aggressiv verhalten). Systematische Verarbeitung hingegen fördert i.a. Helfen bzw. Aggressionsvermeidung durch akkurate Interpretationen der Situation und die Heranziehung weniger leicht zugänglicher Information (z.B. Bedürfnisse einer Zielperson oder nicht-aggressive Normen). © Gerd Bohner 2001
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