Die Raumordnungsprognose 2035 des BBSR nach dem Zensus Dr. Claus Schlömer am 19. November 2015 in Witten
Zum Hintergrund der BBSR-Prognose Im Raumordnungsgesetz und auch im Errichtungsgesetz für das BBR sind Aufgaben definiert, die das BBR für das vorgeordnete Ministerium zu erfüllen hat. Der gesetzliche Auftrag für das Raumbeobachtungssystem des BBR/BBSR findet sich in § 25 Abs. 1 ROG: Führung eines Informationssystems zur räumlichen Entwicklung des Bundesgebiets Dieser Auftrag wird (vor allem) umgesetzt in der Laufenden Raumbeobachtung und der Raumordnungsprognose Daraus ergibt sich auch die Zweckgebundenheit der Prognose Witten, 19.11.2015
Eigenschaften der BBSR-Prognose: fünf Prinzipien Das Wenn-Dann-Prinzip – die Bedingtheit der Prognose die Annahmensetzung bestimmt die Ergebnisse auch die Methodik ist eine Annahme Das Status-quo-Prinzip – die Zweckgebundenheit der Prognose was passiert, wenn die Rahmenbedingunen unverändert bleiben? was passiert bei einer "Weiter-wie-bisher-Politik"? Politikberatung für Bund und Länder, insbesondere im Bereich Raumentwicklung Identifikation von politischem Handlungsbedarf und Handlungsspielräumen das gewollte Nicht-Eintreffen einer Entwicklung ist als Erfolg zu werten (!) Das Geduldsprinzip – die Fristigkeit der Prognose nur die mittelfristige Erkenntnis zählt Vergleiche mit der aktuellen realen Entwicklung sind meist nicht sinnvoll Das Mosaikprinzip – die regionale Differenzierung bundesweit flächendeckende Ergebnisse in relativ feiner räumlicher Differenzierung (z.Zt. Kreise) das Gesamtbild zählt, einzelne Mosaiksteine können nur bedingt verwendet werden Das Eindeutigkeitsprinzip – keine Varianten Entwicklung, die - unter Berücksichtigung des Status-quo-Prinzips - die wahrscheinlichste ist "subjektive Wahrscheinlichkeit" aus der Sicht der Prognostiker Witten, 19.11.2015
Zur Annahmensetzung der BBSR-Prognose Allgemein: Orientierung an langjährigen Mittelwerten und vorsichtige Trendfortschreibung kohortenanalytische Einbindung der Annahmen Mortalität: aus der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (L1, mäßiger Anstieg der Lebenserwartung) regionale Ausdifferenzierung mit leichter Konvergenz Fertilität: vorsichtige Fortschreibung altersspezifischer Trends Ausdifferenzierung über regionale Zwischenebene leichter Abbau von regionalen Unterschieden Binnenwanderungen: vergleichsweise langer Stützzeitraum (Prognose 2030: 2000-2009, 2035: 2000-2009 und 2010-2012) Glättung von Schwankungen und Ausgleich von Kohorten- und Sondereffekten (z.B. Bildungswanderer) Bereinigung von Sonderfällen (Aussiedler, Flüchtlinge usw.) Außenwanderungen: Stützzeitraum (für Verteilung der Zuzüge) identisch mit Binnenwanderungen mittelfristiger Abstieg der Wanderungsgewinne auf ca. 200000 p.a. am Anfang ca. 400000 p.a., am Ende (2035) ca. 160000 p.a. Witten, 19.11.2015
Zum Vergleich von Ergebnissen verschiedener Prognosen Zunächst: die großen Trends und Ergebnisse der meisten Prognosen stützen sich gegenseitig vor allem Ergebnisse für großräumige Gegensätze sind relativ stabil Unterschiede gibt es meist bei den Details Ergebnisse für Großstädte reagieren "sensibel" auf unterschiedliche Annahmen und Inputdaten Ähnliches gilt komplementär dazu für suburbane Räume Ergebnisse für ländliche Räume sind erheblich stabiler Generell: kleinräumige Wanderungen sind schwer zu prognostizieren, beeinflussen aber lokale Ergebnisse erheblich Internationale Wanderungen sind in mehrfacher Hinsicht das große Fragezeichen bezüglich der Höhe und Alterszusammensetzung auf Bundesebene bezüglich der regionalen Verteilung (erneut Großstädte!) bezüglich des Zusammenwirkens mit anderen Modellgrößen, insbesondere Binnenwanderungen Aktuell: Asylbewerber und Flüchtlinge in großen Mengen Relative Zahlen sind stabiler als absolute prognostizierte Einwohnerzahlen z.B. Veränderung in % statt absolute Einwohnerzahlen z.B. regionale Anteile einer Raumeinheit an größeren Einheiten Witten, 19.11.2015
Bewegungen auf der Bundesebene Natürliche Bewegungen: Der Sterbeüberschuss nimmt zu 400000 im Jahr 2035 Sehr sichere Annahme Internationale Wanderungsbewegungen: 200000 Saldo p.a. (langfristiger Mittelwert) Neu: Erheblicher Zuwachs von Asylbewerbern Sehr unsichere Annahme Szenario
Bedingt sinnvoller Vergleich von Städten und Raumordnungsregionen (bzw Bedingt sinnvoller Vergleich von Städten und Raumordnungsregionen (bzw. Analyseregionen) Zunächst (bis ca. 2025): Wachstum Danach: Schrumpfung Witten, 19.11.2015
ROR ROR
ROR ROR Witten, 19.11.2015
Ergänzende Hinweise vom Prognostiker an den Nutzer Mengenproblem: Prognosemodelle sind mathematische Instrumente für Massenerscheinungen, ihre Nutzung setzt daher große Datenmengen voraus. Unschärferelation: Es ist schwer möglich, ein Merkmal sehr eng abzugrenzen und zugleich seine künftige Entwicklung genau zu prognostizieren. Analyse-Paradoxon: Gute Erklärungsmodelle müssen nicht auch gute Prognosemodelle sein. Die Verlagerung des Prognoseproblems auf die Ursachenebene kann kontraproduktiv sein. Entscheidungs-Problem-Verlagerung: Der Prognostiker ist nicht dazu da, dem Politiker sein Planungsproblem oder dem Unternehmer seine Investitionsentscheidung abzunehmen. Realitäts-Paradoxon: Wenn die Prognose eine "unerwünschte" Zukunft zeigt und Maßnahmen das Eintreffen dieser Zukunft verhindern, ist dies ein Erfolg(!) der Prognose (gemäß ihrer Zweckbestimmung). Witten, 19.11.2015