Medizinische Informatik 5. Kodierung und Klassifikation Wintersemester 2010/11 Dozent: Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Schulz
Formate medizinischer Daten Signale, Bilder, Muster Standardisierte Merkmale Freier Text
Formate medizinischer Daten Signale, Bilder, Muster Standardisierte Merkmale Freier Text
Standardisierte Merkmale Eigenschaft mit festgelegten Ausprägungen: Körpergewicht Verhältnisskala Stetig a [0 Kg; 300kg] Körpertemperatur Intervallskala Stetig a [28°; 45°] Apgar-Wert Ordinalskala Diskret a {0;1;2;...;10} Entlassdiagnose Nominalskala a ICD-10
Charakteristik von Wertemengen Zahlenmengen (natürliche Zahlen, reelle Zahlen), sowie Teilmengen davon (z.B. Intervalle, Datumsangaben) Sprachlich kodierte Werte {"ja", "nein", {"m", "w"}, {"leicht", "mittel", "schwer"}
* *Visuelle Analogskala
Charakteristik von Wertemengen Zahlenmengen (natürliche Zahlen, reelle Zahlen), sowie Teilmengen davon (z.B. Intervalle, Datumsangaben) Sprachlich kodierte Werte ({"ja", "nein"}, {"m", "w"}, {"leicht", "mittel", "schwer"} Graphisch kodierte Werte
Charakteristik von Wertemengen Zahlenmengen (natürliche Zahlen, reelle Zahlen), sowie Teilmengen davon (z.B. Intervalle, Datumsangaben) Sprachlich kodierte Werte ({"ja", "nein"}, {"m", "w"}, {"leicht", "mittel", "schwer"} Graphisch kodierte Werte Ordnungssysteme, z.B. ICD-10 (Diagnosen) MeSH (Schlagworte für die medizinische Literaturverwaltung) SNOMED CT (sämtliche Inhalte der elektronischen Patientenakte) OBO-Ontologien: kontrollierte Annotation biomedizinischer Forschungsdaten
Wozu Ordnungssysteme in der Medizin ? der Ordnung des medizinischen Wissens, der Bildung von Zähleinheiten (Klassen) der statistischen Auswertung der Suche nach Einzelfällen (Patienten, Dokumente) der Standardisierung der medizinischen Fachsprache (kontrollierte Vokabularien) der automatisierten inhaltlichen Erschließung med. Texte
Notationen Bezeichnungen in einem Ordnungssystem sind eindeutige Notationen zugeordnet oft bezeichnet als Code oder Schlüsselnummer Der Vorgang des Dokumentierens als Kodierung oder Verschlüsselung bezeichnet.
Notation - Bezeichnung Kode Schlüssel- “Nummer” Notation Bezeichnung +351 Portugal Hubraum < 2 l Bezirk Graz-Umgebung BKAUATWW Bank Austria J01 Akute Sinusitis
Klassifikationen
Klassifikationen Ordnungssysteme, in denen Objekte mit gemeinsamen Merkmalen in Klassen zusammengefasst werden Klassifikationsprinzipien Disjunktheit (nicht überlappend) Vollständig abdeckend Klassenhierarchie
Vollständigkeit
Disjunktheit
Klassenhierarchie
Monohierarchie / Polyhierarchie
International Classification of Diseases
International Classification of Diseases 1855 William Farr (London): Liste von Todesursachen, die Allgemeinkrankheiten, lokalisierte Organkrankheiten, Entwicklungskrankheiten und Verletzungen unterschied. 1893 von Jacques Bertillot: Verzeichnis der Todesursachen 1899 vom Internat. Stat. Institut empfohlen seit 1948 (6. Revision) durch WHO herausgegeben seit 1968 ICD-8, seit 1986 ICD-9 seit 2000 ICD-10 ICD-11 in Vorbereitung Verwendung: Kodierung von Todesursachen Krankheiten abrechnungsrelevanten Zuständen Online: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlamtl2006/fr-icd.htm
Umfang der ICD-10 21 Kapitel 261 Gruppen 2025 3-stellige Kategorien: H00-H59 Krankeiten des Auges 261 Gruppen H25-H28 Affektionen der Linse 2025 3-stellige Kategorien: H25.-Cataracta senilis 12.160 H25.0 Cataracta senilis incipiens Ca. 90.000 ausformulierte Einträge im Grauer Star
Hierarchische Struktur der ICD-10 21 Kapitel mit Krankheiten z.B. “IV Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten” Kapitel I II III IV V VI XXI .......... 261 Gruppen z.B. “E10-E14: Diabetes melllitus” Gruppen E00-E07 E10-E14 E15-E16 ...... E70-90 2036 3-stellige Kategorien z.B. “E10.-: Primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ-I-Diabetes)” Kategorien E10 E11 E12 E13 E14 12161 4-stellige Subkategorien z.B. “E10.1: Primär insulinabhängiger Diabetes mellitus (Typ-1-Diabetes) mit Ketoazidose Sub-Kategorien E10.0 E10.1 E10.2 E10.9 ......... Subdivisionen an fünfter Stelle Sub-Divisionen
Krankheitsgruppen (Codes) Kapitel Krankheitsgruppen (Codes) I. Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten A00-B99 II. Neubildungen C00-D48 III. Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie Störungen mit Beteiligung des Immunsystems D50-D89 IV. Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten E00-E90 V. Psychische und Verhaltensstörungen F00-F99 VI. Krankheiten des Nervensystems G00-G99 VII. Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde H00-H59 VIII: Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes H60-H95 IX. Krankheiten des Kreislaufsystems I00-I99 X. Krankheiten des Atmungssystems J00-J99 XI. Krankheiten des Verdauungssystems K00-K93 XII. Krankheiten der Haut und der Unterhaut L00-L99 XIII. Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes M00-M99 XIV. Krankheiten des Urogenitalsystems N00-N99 XV. Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett O00-O99 XVI. Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben P00-P96 XVII. Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien Q00-Q99 XVI. Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind R00-R99 XIX. Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen S00-T98 XX. Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität V01-Y98 XXI. Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen Z00-Z99 XXII. Schlüsselnummern für besondere Zwecke U00-U99
Kreuz-Stern-System Kreuz-Stern-System Grundkrankheit (Ätiologie) Muß Manifestationsort (Lokalisation) Fakultativ Beispiel 1: „Tuberkulöse Meningitis“ Kapitel I: Infektionskrankheiten? - oder - Kapitel VI: Krankheiten des Nervensystems? Lösung: Kreuz-Stern-System A17.4+ Tuberkulöse Meningitis (G01*)
Benutzung von Inklusive und Exklusive Inklusive [Inkl.] Ergänzungen: verschiedene Zustände, Synonyme keine Unterteilung der Rubrik nicht vollständig Beispiel: K42 Hernia umbilicalis Inkl.: Hernia paraumbilicalis Exklusive [Exkl.] Bezeichnungen, die an anderer Stelle zu klassifizieren sind J01 Akute Sinusitis Exkl.: Sinusitis, chron. oder o.n.A. (J32.-)
Resteklassen
H40.0 H40.1 H40.2 H40.3 H40.4 H40.5 H40.6 H40.7 H40.8 H40.9 „nicht näher bezeichnet“
H40.0 H40.1 H40.2 H40.3 H40.4 H40.5 H40.6 H40.7 H40.8 H40.9 „nicht näher bezeichnet“
DRG-System Diagnosis Related Groups
DRG-System Diagnosis Related Groups Fallgruppensysteme, die einen gesamten Behandlungsfall beschreiben – mit dem Ziel seiner pauschalen und doch bedarfsgerechten Vergütung.
Grundprinzipien des DRG-Systems Ein Behandlungsfall wird exakt einer Fallgruppe (DRG) zugeordnet. Überschaubare Anzahl von DRGs Relative medizinische Homogenität innerhalb einer DRG Statistisch definierte Kostenhomogenität innerhalb einer DRG
DRG - Grouping Grouping = Zuordnung eines Behandlungsfalls zu einer DRG Dabei berücksichtigte Merkmale (G-DRG): Hauptdiagnose Nebendiagnosen (Begleiterkrankungen, Komplikationen) Prozeduren (v.a. OPs, invasive Diagnostik, Beatmung) Beatmungsdauer Alter Aufnahme-/Geburtsgewicht bei Neugeborenen Verweildauer, Art der Aufnahme, Art der Entlassung Arzt, versus administrative daten
Logik des DRG - Grouping Sonder-DRGs Pre-MDC-Auslese Fehler-DRGs Hauptdiagnose MDC01 Nervensystem . . . MDC05 Kreislaufsystem . . . MDC23 sonst. Erkrank. „Führende OP“ Operative Partition Andere Partition Medizinische Partition Basis DRGs: F12 . . . F72 Nebendiagnose Abrechenbare DRGs: F12Z 2,025 . . . F72A 0,871 F72B 0,578
Entgeltberechnung mittels DRG http://www.grdrg.de/GrouperCGI/OnlineGrouper.exe
Medizinische DRG Probleme Rückgang der Verweildauer. „Blutige Entlassung“ 1 Fall => mehrere Fälle, indem der Patient zwischendurch entlassen wird (Inadäquate Wiederaufnahme) (Un)bewußte Tendenz zur Höherbewertung von Diagnosen und Leistungen Hier wird zum einen durch die Verpflichtung zur med. Qualitätssicherung gegengesteuert, zum anderen durch bestimmte Abrechnungsregeln
Abrechnungsregeln ad 1. Grenzverweildauern. Für jede Fallgruppe sind mittlere Verweildauer, obere und untere Grenzverweildauer definiert. Bei Langliegern gibt es Zuschläge, bei Unterschreiten der unteren Grenzverweildauer Abzüge. ad 2. Fallzusammenführung. In bestimmten Fällen wird trotz zweier Behandlungsepisoden nur eine DRG abgerechnet, z.B. bei Wiederaufnahme mit gleicher Hauptdiagnose innerhalb bestimmter Zeiträume oder bei Wiederaufnahme wegen „typischer Komplikationen“ wie einer Wundinfektion. ad 3 MDK-Kontrollen Der Med. Dienst der Krankenkassen hat das Recht auf Einsicht in Krankenakten/ EPA und Qualitätskontrollen
Zusammenfassung DRGs sind wichtige Fallgruppensysteme, die einen gesamten Behandlungsfall beschreiben. Durch Zuordnungsmerkmale wird ein Fall genau einer DRG zugeordnet (Grouping). Ziel ist die medizinische und finanzielle Homogenität innerhalb einer DRG und die aufwandsgerechte Vergütung stationärer Krankenhausleistungen Mechanismen zur Sicherung der med. Qualität: Kurzliegerabschläge und Langliegerzuschläge Regeln zur Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme Allgemeine QS, z.B. Erfassung von Komplikationsraten etc.
SNOMED CT SNOMED CT: Systematized Nomenclature of Medicine-Clinical Terms) standardisiert die Bedeutung von mittlerweile über 700.000 klinischer Terme aus allen medizinischen Fachgebieten) mittels einer logischen Beschreibungssprache Möglicher kommender internationaler Terminologiestandard In deutschsprachigen Ländern (noch) nicht eingeführt http://snomed.vetmed.vt.edu/sct/menu.cfm
SNOMED CT als formales System Hierarchien: Strikte Spezialisierung (is-a)
SNOMED CT als formales System Relationen (Attribute): z.B. Associated morphology Finding site (50 Relationstypen) Restriktionen: auf einfacher Beschreibungslogik beruhend: C1 – Rel – C2 zu interpretieren als: x: instanceOf(x, C1) y: instanceOf(C2) Rel(x,y)
SNOMED CT als formales System definierte vs. primitive Konzepte definierte vs. primitive Konzepte
Defizit von nicht-formalen Ansätzen (frühere SNOMED-Versionen) Unterschiedliche Beschreibungen desselben Sachverhalts sind nicht aufeinander abbildbar Aneinanderreihung von Konzepten und Relationen nicht eindeutig interpretierbar D5-46210 Acute appendicitis, NOS D5-46100 Appendicitis, NOS G-A231 Acute M-41000 Acute inflammation, NOS G-C006 In T-59200 Appendix, NOS M-40000 Inflammation SNOMED INTERNATIONAL
SNOMED CT: Relationen Access (attribute) Associated finding (attribute) Associated morphology (attribute) Associated procedure (attribute) Associated with (attribute) Clinical course (attribute) Component (attribute) Direct substance (attribute) Episodicity (attribute) Finding context (attribute) Finding informer (attribute) Finding method (attribute) Finding site (attribute) Has active ingredient (attribute) Has definitional manifestation (attribute) Has dose form (attribute) Has focus (attribute) Has intent (attribute) Has interpretation (attribute) Has specimen (attribute) Interprets (attribute) Laterality (attribute) Measurement method (attribute) Method (attribute) Occurrence (attribute) Part of (attribute) Pathological process (attribute) Priority (attribute) Procedure context (attribute) Procedure device (attribute) Procedure morphology (attribute) Procedure site (attribute) Property (attribute) Recipient category (attribute) Revision status (attribute) Route of administration (attribute) Scale type (attribute) Severity (attribute) Specimen procedure (attribute) Specimen source identity (attribute) Specimen source morphology (attribute) Specimen source topography (attribute) Specimen substance (attribute) Subject of information (attribute) Subject relationship context (attribute) Surgical approach (attribute) Temporal context (attribute) Time aspect (attribute) Using energy (attribute) Using substance (attribute)
SNOMED CT : taxonomische Hierarchien
SNOMED CT : taxonomische Hierarchien
Präkoordination - Postkoordination Präkoordination: komplexe Ausdrücke sind vorformuliert: Acid chemical burn of cornea and conjunctival sac Vorteil: schnelle Kodierung komplexer, aber häufiger Sachverhalte Nachteil: kombinatorische Explosion der Terminologie Postkoordination: komplexe Ausdrücke werden aus atomaren Konzepten, Relationen und logischen Konstruktoren aufgebaut: Burn AND has-location SOME ((has-part SOME Cornea) AND (has-part SOME Conjunctival sac)) AND causal-agent SOME Acid Nachteil: aufwändige Kodierung Vorteil: Terminologie bleibt pflegbar und übersichtlich Formaler Fundierung erlaubt das Berechnen der Äquivalenz zwischen Prä- und Postkoordinationen