Interesse und Identitätskonzepte

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 Präsentation transkript:

Interesse und Identitätskonzepte Sitzung 10

Textgrundlage Sieglinde Rosenberger Interesse – Identität

Kontroverse Identitätsparadigma versus Interessenparadigma Identität: Frage nach Bildung, Zusammenhalt von Gruppen, gruppenspezifische Rechte (Ethnizität, Religion) Interesse: Frage nach Einflussnahme und Beteiligung von (wirtschaftlichen) Interessengruppen an staatlicher Politik

Identity politics Soziale Bewegungen/Fragenbewegungen mobilisieren auf der Basis einer gemeinsamen Identität => „Frauen“ als politisches Subjekt => Frauenbewusstsein als Bedingung für Emanzipation Kritik an der „Kategorie Frau“ (Dekonstruktion)

Konfliktorientierter Politikbegriff Politik = Auseinandersetzung um die Durchsetzung von Interessen (Verteilungskonflikte)

Austragen von Interessenkonflikten 1) Konsensdemokratie (Österreich; korporatistische Kanäle des Interessenausgleichs) 2) Majorzdemokratie (USA; Lobbyismus durch „Interessengruppen“)

Akteure der Interessenvermittlung Traditionell: Parteien, wirtschaftliche Interessengruppen (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände) Seit den 1970er Jahren: Frauen-, Friedens-, Ökologiebewegung, NGOs Unterscheidung: Schwache – starke Interessengruppen Input-output-Modell der Systemtheorie

Ökonomische Theorie der Interessen Joseph A. Schumpeter, Anthony Downs: Rationales Wahlhandeln des homo oeconomicus auf der Grundlage individuellen Nutzenkalküls Joseph A. Schumpeter Anthony Downs

Formen kollektiver Identität nach Castells: legitimierende Identität (durch herrschende Institutionen produziert) – z.B. „Wir“ ÖsterreicherInnen b) Widerstandsidentität (AkteurInnen, die Herrschaftsformen kritisieren) – „Wir sind die 99%“ c) Projektidentität (alternative Lebensformen) - Feminismus

Identitätsdefinition (Castell) Identität als Prozess der Sinnkonstruktion auf der Basis kultureller Attribute Symbolische Identifikation (als individueller Prozess) Identität als Prozess der Gruppenbildung (Funktion: Mobilisierung) Identitätspolitiken haben Inklusions- und Exklusionseffekte (Nationen, Ethnien, Religionen, soziale Bewegungen)

Politikwissenschaftliche Debatten des Identitätskonzepts 1) Identitäre Demokratie (Jean Jacques Rousseau => Ablehnen von Repräsentation; totalitäre Politikkonzepte – Identität von Volk und Herrscher) 2) Ideologiekritische Arbeiten kritisieren Identität als Mittel der politischen Legitimation 3) Konstruktivistische Ansätze (Identitäten sind konstruiert, imaginiert) 4) Soziale Bewegungsforschung (analysiert Prozesse der Gruppenkonstitution)

Politikwissenschaftliche Debatten des Identitätskonzepts 5) Entnationalisierung (Schwinden nationale Identität? Neue Re-Nationalisierungsprozesse, Re-Kulturalisierung im Prozess von Migration) 6) Integration der Europäischen Union (Problem einer Europäischen Identität) 7) Stärkung nationaler und religiös-kultureller Identitäten (populistische Parteien) 8) Ein- und Ausgrenzungspolitiken (anti-muslimischer Rassismus auf der Grudnlage von Identitätspolitiken)

Feministische Debatten Erfindung und Dekonstruktion der „Kategorie Frau“ Feministische Subjektbildung (und Mobilisierung) auf der Basis der Gemeinsamkeit aller Frauen

Feministische Debatten um Identität und Interesse Identität und Differenz: Geschlechtsidentität: Einheit und Gemeinsamkeit aller Frauen plus Unterschied zwischen Frauen und Männern (Basis: Zweigeschlechtlichkeit) Gemeinsamkeit der Gruppe der Frauen auf Basis *der sozialen Positionierung gegenüber Männern *Weibliche Erfahrungen/Lebenszusammenhänge *Mutterschaft, Reproduktion, leibliche Konkretheit von Frauen

Identität und Differenz Differenzfeministische Ansätze – fundamentaler Unterschied zwischen Männern und Frauen, Carol Gilligan „Die andere Stimme“ (weibliche Moral, Fürsorge-Orientierung)(1984) Adriana Cavarero (DIOTIMA) (1989) Kritik: Universalisierung und Essentialisierung von Wieblichkeit Carol Gilligan Adriana Cavarero

Identität und Differenz Standpunkttheorien: Ähnlichkeiten zwischen Frauen basieren auf gemeinsamer Sozialisation; weibliche Identität basiert auf gesellschaftlicher Positionierung in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung

2) Interesse und Gleichbehandlung Gibt es gemeinsame Fraueninteressen – auf der Basis von Diskriminierung, Ungleichheit, Gewalt o der auf der Basis von „Frausein“?

Frauen als Interessengruppe Virginia Sapiro: Frauen sind eine Interessengruppe (keine Identitätsgruppe “als Frau”), weil sie ungleich behandelt werden Irene Diamond, Nancy Hartsock: lehnen den Interessenansatz ab, es gibt keine gemeinsamen Interessen Anna G. Jónasdóttir: fragt nach der Organisierbarkeit von Frauen zur Realisierung von Gleichstellung (Bündnispolitik auf der Basis von Interessen)

Fraueninteressen – poststrukturalistische Ansätze Diskursive Herstellung der Gruppe Frauen und von Fraueninteressen (Pringle und Watson) Rosemarie Pringle Sophie Watson

3) Dekonstruktion und Pluralismus Infragestellung/Dekonstruktion einer Geschlechtsidentität Gegen essentialistische und universalistische Begründungen

Dekonstruktion und Pluralismus Identitäten gelten als konstruiert, sie sind Ergebnisse von Machtprozessen es existieren zahlreiche miteinander konkurrierende Identitätsangebote (Geschlecht, sexuelle Orientierung, Nation, Religion) c) Subjekt ist diskursive Konstruktion

Dekonstruktion Kritik des binären Denkens: der Zweigeschlechtlichkeit, der Heteronormativität Kritik von Repräsentationspolitiken auf der Basis einer imaginierten Identität

Seyla Benhabib: „ Tatsächlich wissen wir nicht länger, wer ‚wir‘ sind. Postmoderne Theoretikerinnen sagen uns, daß dieses ‚wir‘, selbst wenn es nur in einer rhetorischen Geste öffentlicher Rede oder Schrift angerufen wird, politisch suspekt ist, weil es versucht, dort eine scheinbare Gemeinschaft von Meinungen und Ansichten zu schaffen, wo es gewöhnlich keine gibt.“

Ende des Subjekts Frau – Ende der Frauenbewegung? Fragmentierung der Frauenbewegung? Vereinzelung, Individualisierung, Entpolitisierung Chance der Heterogenität durch Dekonstruktion der Kategorie Frau „strategischer Essentialismus“

Nicht-essentialistische Identitätskonzepte I Positionalität (Linda Alcoff) Identitäten entstehen in materiellen Strukturen, sind niemals fix, sondern werden stets interpretiert und verändert; Frauen ist eine Relation 2) politics of presence (Anne Phillips) Möglichst viele unterschiedliche Frauen in repräsentativen Gremien, um Pluralität und Unterschiedlichkeit sichtbar zu machen Linda Alcoff Anne Phillips

Nicht-essentialistische Identitätskonzepte II 3)Gruppenrepräsentation (Iris M. Young) In partizipativen, zivilgesellschaftlichen Kontexten