Angst- und Zwangsstörungen

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WOVOR KANN MAN ANGST HABEN? SPEZIFISCHE ANGST Manche Kinder haben große Angst vor bestimmten Situationen oder Dingen, z.B.  Tiere (Hunde, Spinnen...)
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Für dich: Weil wir Freunde sind Osterbuch, 16.Aug. 2009
ICD Diagnosen und Differentialdiagnosen bei Ängsten in der Kinderpsychiatrie Phobien, Angststörungen, Anpassungsstörungen Prävalenz: 10% aller Kinder erfüllen.
 Präsentation transkript:

Angst- und Zwangsstörungen Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Zielasek Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie LVR Klinikum Düsseldorf Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 1

Angst- und Zwangsstörungen Epidemiologie Pathophysiologische Grundlagen Krankheitsgruppen nach ICD-10 Therapie

Angst- und Zwangsstörungen Epidemiologie Pathophysiologische Grundlagen Krankheitsgruppen nach ICD-10 Therapie

ICD-10 Angst- und Zwangsstörungen F40 Phobische Störung F40.0 Agoraphobie (mit oder ohne Panikstörung) F40.1 Soziale Phobien F40.2 Spezifische (isolierte) Phobien F 41 Andere Angststörungen F41.0 Panikstörungen F41.1 Generalisierte Angststörung F41.2 Angst und depressive Störung, gemischt F42 Zwangsstörung F42.0 vorwiegend Zwangsgednanken oder Grübelzwang F42.1 vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) F42.2. Zwangsgedanken und –handlungen, gemischt

Epidemiologie von Angst- und Zwangsstörungen Angst- und Zwangsstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen Sie werden oft bagatellisiert , nicht erkannt oder nicht therapiert Therapiequote GAS 69%, Panikstörung 75%, Phobie 45%, jedoch nur ca. 10% adäquat therapiert Sie nehmen oft scheinbar harmlose Formen an („Flugangst“, „Höhenangst“), können jedoch erhebliche Behinderungen zur Folge haben Sie gehen oft einher mit Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit (ca. 20%) Sie sind häufig mit Depressionen assoziiert (21%), umgekehrt treten bei ca. 24% der Depressiven auch Angststörungen auf

Epidemiologie von Angst- und Zwangsstörungen

12-Monatsprävalenz Angststörungen http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gasts&p_aid=&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=10407::Themenheft#m50

Angst- und Zwangsstörungen Epidemiologie Pathophysiologische Grundlagen Krankheitsgruppen nach ICD-10 Therapie

Pathophysiologie der Angst- und Zwangsstörungen Biologisch Psychologisch Sozial

Pathophysiologie der Angst- und Zwangsstörungen Angststörungen: Amygdala, pPFC, ACC, Insula Zwangsstörungen: „kognitives“ präfrontal-striatales Netzwerk „affektives“ ventrales orbitofrontal-striatales Netzwerk

Psychophysiologisches Modell der Angst- und Zwangsstörungen Individuelle Prädisposition Situative Faktoren schnell, gelernte „konditionierte“ Reaktion interne oder externe Stressoren Körperliche oder kognitive Veränderungen Assoziation mit Gefahr? Angst/ Panikattacke langsame Habituation, kognitive Umstrukturierung Entspannungsverfahren, Reaktionsvermeidung mod. nach Margraf J, Lehrbuch der Verhaltenstherapie Bd. 2, Springer Verlag, S. 10

Angst- und Zwangsstörungen: Angstkreis ich vermeide, Spinne nahe zu kommen Angst, man könnte einer Spinne begegnen Spinne auf der Hand Angst, die Spinne könnte beissen, evtl. Giftbiss Stimulus Organismus Freund erzählt von australischer Giftspinne Konsequenz Rascher Pulsschlag, Schwitzen, schnellere Atmung Reaktion Flucht Hilfesuchen Spinne verjagen Angst, dass es schlimmer wird Angst, zu sterben SORK-Schema

Synonyma für Angst- und Panikstörungen Angstneurose, Angsthysterie, Angstreaktion Herzphobie, Herzneurose, Herzhypochondrie Reizherz, hyperkinetisches Herzsyndrom Vasomotorische Neurose Da Costa Syndrom Neurovegetatives Erschöpfungssyndrom, Neurasthenie (Psycho)Vegetative Dystonie Platzangst Multiple Situationsphobie Anstrengungsphobie mod. nach Margraf J, Lehrbuch der Verhaltenstherapie Bd. 2, Springer Verlag, S. 2

Angst- und Zwangsstörungen Epidemiologie Pathophysiologische Grundlagen Krankheitsgruppen nach ICD-10 Therapie

ICD-10-GM online www.dimdi.de F40.0 Agoraphobie Befürchtungen, das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein, alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. Die Vermeidung der phobischen Situation steht oft im Vordergrund, und einige Agoraphobiker erleben nur wenig Angst, da sie die phobischen Situationen meiden können. F40.00 Ohne Angabe einer Panikstörung F40.01 Mit Panikstörung ICD-10-GM online www.dimdi.de

ICD-10-GM online www.dimdi.de F40.1 Soziale Phobien Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zu Vermeidung sozialer Situationen führt. Umfassendere soziale Phobien sind in der Regel mit niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Sie können sich in Beschwerden wie Erröten, Händezittern, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen äußern. Dabei meint die betreffende Person manchmal, dass eine dieser sekundären Manifestationen der Angst das primäre Problem darstellt. Die Symptome können sich bis zu Panikattacken steigern. Inkl.: Anthropophobie , Soziale Neurose ICD-10-GM online www.dimdi.de

F40.2 Spezifische (isolierte) Phobien Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen, geschlossene Räume, Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen Toiletten, Genuss bestimmter Speisen, Zahnarztbesuch oder auf den Anblick von Blut oder Verletzungen beschränkt sind. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen. Inkl.: Akrophobie , Einfache Phobie, Klaustrophobie Tierphobien ICD-10-GM online www.dimdi.de

F41.0 Panikstörung [episodisch paroxysmale Angst] Das wesentliche Kennzeichen sind wiederkehrende schwere Angstattacken (Panik), die sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken und deshalb auch nicht vorhersehbar sind. Wie bei anderen Angsterkrankungen zählen zu den wesentlichen Symptomen plötzlich auftretendes Herzklopfen, Brustschmerz, Erstickungsgefühle, Schwindel und Entfremdungsgefühle (Depersonalisation oder Derealisation). Oft entsteht sekundär auch die Furcht zu sterben, vor Kontrollverlust oder die Angst, wahnsinnig zu werden. Inkl.: Panikattacke, Panikzustand ICD-10-GM online www.dimdi.de

F41.1 Generalisierte Angststörung Die Angst ist generalisiert und anhaltend. Sie ist nicht auf bestimmte Umgebungsbedingungen beschränkt, oder auch nur besonders betont in solchen Situationen, sie ist vielmehr "frei flottierend". Die wesentlichen Symptome sind variabel, Beschwerden wie ständige Nervosität, Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder Oberbauchbeschwerden gehören zu diesem Bild. Häufig wird die Befürchtung geäußert, der Patient selbst oder ein Angehöriger könnten demnächst erkranken oder einen Unfall haben. Inkl.: Angstneurose Angstreaktion Angstzustand ICD-10-GM online www.dimdi.de

ICD-10-GM online www.dimdi.de F42.- Zwangsstörung Zwangshandlungen oder -rituale sind Stereotypien, die ständig wiederholt werden. Sie werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu, an sich nützliche Aufgaben zu erfüllen. Der Patient erlebt sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das ihm Schaden bringen oder bei dem er selbst Unheil anrichten könnte. Im allgemeinen wird dieses Verhalten als sinnlos und ineffektiv erlebt, es wird immer wieder versucht, dagegen anzugehen. Angst ist meist ständig vorhanden. Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich. Inkl.: Anankastische Neurose, Zwangsneurose ICD-10-GM online www.dimdi.de

ICD-10-GM online www.dimdi.de F42.- Zwangsstörung Wesentliche Kennzeichen sind wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Patienten immer wieder stereotyp beschäftigen. Sie sind fast immer quälend, der Patient versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt, selbst wenn sie als unwillkürlich und häufig abstoßend empfunden werden. ICD-10-GM online www.dimdi.de

F42.0 Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang Diese können die Form von zwanghaften Ideen, bildhaften Vorstellungen oder Zwangsimpulsen annehmen, die fast immer für die betreffende Person quälend sind. Manchmal sind diese Ideen eine endlose Überlegung unwägbarer Alternativen, häufig verbunden mit der Unfähigkeit, einfache, aber notwendige Entscheidungen des täglichen Lebens zu treffen. Die Beziehung zwischen Grübelzwängen und Depression ist besonders eng. Eine Zwangsstörung ist nur dann zu diagnostizieren, wenn der Grübelzwang nicht während einer depressiven Episode auftritt und anhält. ICD-10-GM online www.dimdi.de

F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen [Zwangsrituale] Die meisten Zwangshandlungen beziehen sich auf Reinlichkeit (besonders Händewaschen), wiederholte Kontrollen, die garantieren, dass sich eine möglicherweise gefährliche Situation nicht entwickeln kann oder übertriebene Ordnung und Sauberkeit. Diesem Verhalten liegt die Furcht vor einer Gefahr zugrunde, die den Patienten bedroht oder von ihm ausgeht; das Ritual ist ein wirkungsloser oder symbolischer Versuch, diese Gefahr abzuwenden. ICD-10-GM online www.dimdi.de

Angst- und Zwangsstörungen Epidemiologie Pathophysiologische Grundlagen Krankheitsgruppen nach ICD-10 Therapie

Angst- und Zwangsstörungen: Therapie Pharmakotherapie SSRI , NSMRI (höhere Dosierungen, lange Wirklatenz) Psychotherapie Verhaltenstherapie ERP (Exposure/Response Prevention, Flooding) Funktionelle Bedingungsanalyse, Psychoedukation CBT (irrationale Befürchtungen, Katastrophisierungen, Vermeidungsverhalten)

Angst- und Zwangsstörungen: Therapie Benzodiazepine? „wenn andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben oder zur Überbrückung“ Evidenzbasierte Therapierichtlinien, Deutscher Ärzteverlag

Angst- und Zwangsstörungen: Verhaltenstherapie Informationsvermittlung Vermittlung eines Erklärungsmodells (Teufelskreis) Kognitive Therapie Korrektur der Fehlinterpretationen Konfrontation mit angstauslösenden Reizen Verhaltensexperiment Stress-Bewältigungs-Training Entspannungsverfahren Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson

Angst- und Zwangsstörungen: Verhaltenstherapie Problem: Der Wunsch nach 100%iger Sicherheit Wunsch als nachvollziehbar akzeptieren Zur Veränderung: ad absurdum führen Konsequent zu Ende denken lassen Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen

Angst- und Zwangsstörungen: Verhaltenstherapie Gestufte Exposition vs. Flooding Vorstellung Foto Betrachtung im Realen In die Situation gehen

Angst- und Zwangsstörungen: Verhaltenstherapie Kurzprogramm für Spezifische Phobien Problemklärung, Therapieziele Kognitive Vorbereitung Erklärungsmodell (z.B. Zwei-Faktoren-Modell) „Preparedness“ Vermeidungsverhalten Angstverlauf Unterstützung von Fluchtverhalten als „Kunstfehler“ Bedenkzeit 5-10 Tage massive Reizkonfrontation tgl. 6-8 Stunden lang Aufgabe: in der Situation bleiben, Entspannungsverfahren anwenden Angstlösung abwarten

Angst- und Zwangsstörungen: Verhaltenstherapie Selbstheilung bei Höhenangst „Ich erstieg ganz allein den höchsten Gipfel des Münsterturms und sass in dem sogenannten Hals, unter dem Knopf oder der Krone, wie mans nennt, wohl eine Viertelstunde lang, bis ich es wagte, wieder heraus in die freie Luft zu treten, wo man auf einer Platte, die kaum eine Elle ins Gevierte haben wird, ohne sich sonderlich anhalten zu können, stehend das unendliche Land vor sich sieht… Dergleichen Angst und Qual wiederholte ich so oft, bis der Eindruck mir ganz gleichgültig ward…“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!