Zeitbefund: Vater heute Erich Lehner IFF/Universität Klagenfurt.

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 Präsentation transkript:

Zeitbefund: Vater heute Erich Lehner IFF/Universität Klagenfurt

Vaterschaft: biologische Notwendigkeit? individueller Lebensentwurf? politischer Gestaltungsauftrag?

Vaterschaft – Biologische Notwendigkeit?

Biologische Notwendigkeit Vater ist eindeutig eine biologische Notwendigkeit Moderne Technik kann Zeugung ersetzen, jedoch nicht die Samenproduktion Unabdingbare biologische Vaterschaft

Vaterschaft: Psycho-soziale Notwendigkeit?

Können Väter dieselbe Beziehung zu (Klein-)Kindern aufbauen wie Frauen?

Männlich/Väterlicher Beziehungsaufbau Väter erkennen ihre Kinder blind, ohne Geruch an ihren Händchen wie Mütter (Kaitz et al. 1992, 1994) Verhalten von Männern/Vätern bei Neugeborenen gleicht dem von Frauen (Klaus et al. 1970) –Hochheben, 20 cm Sichtweite, Stimme erheben, … Veränderung des Hormonstatus bei Vätern Neugeborener –Geringere Testosteron und Cortisol- Werte, höhere Östradiol-Werte (Berg et al. 2001) –höhere Prolaktin-Werte (Weber 2000), wenn Männer früh Säuglinge versorgen

Männlich/Väterlicher Beziehungsaufbau Engrossment (Greenberg et al, 1974) Gefühl der Überwältigung, Zuneigung Mütterliche und väterliche Bindungsbeziehung zu Kleinkindern (Lamb 1997) –Stellt sich bei beiden gleichermaßen ein –Qualitativer Sprung, wenn Väter eine gewisse Zeit Kinder allein versorgen –Bindung abhängig von der Quantität der Kontakte

Auswirkung der väterlichen Präsenz auf die Entwicklung der Kinder?

Positive Effekte (Fthenakis 1999) Vorschulkinder kognitive Kompetenz, verstärkt internale Kontrollüberzeugung, mehr Empathie, ausgeprägtere Geschlechtsrollenmuster Kinder von 6/7 bessere schulische Leistungen und soziale Reife Grundschul- und Jugendalter Selbstkontrolle, Selbstwertgefühl, Fertigkeiten zur Lebensbewältigung sowie sozialer Kompetenz Väterliche Partizipation im Alter von 5 Jahren –ließ Vorhersagen auf spätere empathische Einstellung anderen gegenüber zu –und auf bildungsbezogene und berufliche Mobilität von Söhnen und Töchter im Alter von 20 Jahren Väterliche Präsenz verringert Partnerkonflikte

Allerdings … … positiven Effekte bei Familien, in denen der Vater 40% und mehr der alltäglichen Versorgung übernommen hat … ab einem bestimmten Grad der Beziehungsqualität ist diese nicht mehr durch Anwesenheit des Vaters zu steigern, sondern durch Hausarbeit (Herlth 2002) … im Mannheimer Projekt zur seelischen Gesundheit fand sich die Vaterabwesenheit eher bei den Gesunden (Dornes 2000) … Hinweise, dass Jugendliche von der Vaterabwesenheit auch profitieren (Brähler et al. 2000)

Vaterschaft – Psychosoziale Notwendigkeit? Fundamentaler Wert väterlicher Präsenz ist kein geschlechtsspezifischer –zwei präsente Bezugspersonen –dies gilt auch für homosexuelle Paare Geschlechtsspezifischer Aspekt –authentische Auseinandersetzung über männliche Lebenswelten –Für Buben Entwicklung der Männlichkeit innerhalb einer nahen, emotionalen und körperlichen Beziehung zu einem Mann –Für Mädchen Erfahrung eines Mannes, der emotional und körperlich nahe ist, jenseits von Sexualität Positive Erfahrung wesentlich von ihrer Form abhängig (mehr als bei der Mutter)

Vaterschaft – Psychosoziale Notwendigkeit? Dimensionen väterlicher Beziehung –Zeitliche Kontinuität –Anteilgebende und Anteilnehmende Kommunikation –Konkrete Fürsorgearbeit (Hausarbeit) Rhythmen eines Familienleben –Kleinkindalter sensible Phase –Unterschiedliche Präsenz der Eltern im Gesamt der Entwicklung –Unterschiedliche Versorgungsarrangements bei Trennungen

Vaterschaft – individueller Lebensentwurf

Quelle: Zulehner 2003 Wer soll sich um Kinder kümmern? Berufsmann – Familienfrau13% Frau soll zu Hause bleiben, solange Kinder klein sind 44% Beide sollen berufstätig sein, und sich um Haushalt und Kinder sorgen 38% Hausmann - Berufsfrau2% frühe außerfamiliäre Betreuung von Kleinkinder 1%

Quelle: Zulehner 2003 Auch Männer sollten Pflegedienste leisten MännerFrauen traditionelle32% pragmatische59% unbestimmte50% moderne73% Alle54%75%

Quelle: Zulehner 2003 Väterliche Tätigkeit mit Kindern häufig: Spielen, Spazieren gehen, zu Bett bringen, Sport weniger häufig: Schulfeste besuchen, auf den Elternsprechtag gehen, Hausaufgabe machen, krank Kinder pflegen und mit ihnen zum Arzt gehen, beten Männer bevorzugen Freizeit-Aktivitäten und überlassen Versorgungs-Aktivitäten den Müttern Aber: Frauen machen insgesamt doppelt soviel mit ihren Kindern als Männer

Quelle: Zulehner 2003 Lebensbereiche MännerFrauen WunschWirklichkeitWunschWirklichkeit Arbeit KinderArbeit Partnerin PartnerFreundIn ArbeitPartner Kinder FreundInKinder Ea Freizeit Ea Sozialb Ea Freizeit Politik Religion Politik

Wirtschaft ist nicht familienfreundlich

Gründe gegen Pflegekarenz

Vaterschaft – politischer Gestaltungsauftrag

Mann der Gegenwart ist Berufsmensch gestützt durch … –… historische Tradition –… politische Strukturen –… Männlichkeitsbilder

Historische Tradition Variabilität der Vaterschaft (Schmale 2003) –tyrannische Vater –abwesende Vater –distanzierte Vater –innige Vater Kontinuierlicher Faktor –konkrete Versorgungsarbeit an Säuglingen und Kleinkindern äußerst selten –Verbindung zum Außen

Bürgerliches Eheideal um 1800 Freiherr von Knigge –Männer, die meinen sie könnten als Staatsmänner oder Richter, Hunderte beglücken, und lassen während dieser Zeit sechs Kinder verderben, die nachher Tausende elend machen, handeln unverantwortlich. –Sie haben Berufsgeschäfte, können nicht jede Stunde des Tages ihren Kindern widmen: und doch muß, wer Kinder erziehen will, darauf Verzicht tun, irgend etwas nebenher zu treiben. Im 19. Jhd. wird Mann Berufsmann

Familienmodell Ernährer und Hausfrau – das die gesellschaftlichen Sozialstrukturen nach wie vor prägende Modell

Familienernährermodell Ausgehendes 19. Jahrhundert –Familien auf Einkommen von Frauen angewiesen –Präsenz von Frauen in Fabriken für Bürgertum moralisches Problem –Präsenz von Frauen in Fabriken für männliche Arbeiter Konkurrenz Lösung –Familienlohn, sodass Frauen zu Hause bleiben können –Nicht gleicher Lohn für alle

Familienernährermodell Familienlohn –Arbeitgeber –Staat steuerliche Entlastung Beihilfen Versicherungsleistungen an Erwerbsarbeit gekoppelt Hinter Karenzregelungen –obwohl geschlechtsneutral formuliert –komplementäre Elternrolle (ein Teil ernährt, während der andere bei Kinder bleibt) –Höhe der Beträge machen sie zu Zusatzleistung, die Hauptverdienst erforderlich machen

Hegemoniale Männlichkeit Berufstätigkeit die wesentlichste Ressource für Männer Pflegerische Tätigkeiten eignen sich nur schwer für einen Zuwachs an Männlichkeit

Perspektiven der Veränderung

Resumee Engagierte Vaterschaft Benefit… –…. für Kinder Ergänzend angefügt sei Benefit … –… für Frauen frei für berufliche Ambitionen Konfliktfreiere Partenerschaft –… für Männer Beziehung zu Kinder Kompetenzerweiterung Gesundheit –… für Gesellschaft mehr pflegerisches, weniger konkurrenzorientiertes und gewalttätiges Männerbild –… bei Trennung mehr Sinn für die Aufrechterhaltung der Elternschaft trotz Trennung der Partnerschaft

Resumee Engagierte Vaterschaft … –… abgehandelt als Aspekt individueller Lebensgestaltung –… vernachlässigt als Gegenstand eines politischen Gestaltungsauftrages

Modell Schweden Nach dem Krieg –Statt Kinderfreibeträge Kinderbeihilfe für alle Kinder Verwaltet vom Jugendamt Bar ausbezahlt –Unterstützung für mütterliche Erziehung nicht für väterlichen Unterhalt In 60er/70er Verbindung der Geschlechterrollendebatte mit Vaterabwesenheit

Modell Schweden 1974 Elternurlaub –Für Vater oder Mutter –90%, dann 80% des Einkommens Aufgrund der geringen Reaktion von Männer –Gezielte politische Maßnahmen und Bildungskampagnen –1995 Papamonat (jetzt zwei) Ziel –Zweiversorgerfamilie –FamilienernährerInnen/Familienpflege rInnen

Perspektiven der Veränderung … tiefgreifender öffentlich- politischer Diskurs über das Männerbild … politisch-strukturelle Maßnahmen –in den Arbeitsstrukturen, Familienstrukturen, Bildungsstrukturen, Betreuungsstrukturen –Die Männer unterstützen und anregen ihre Verantwortlichkeiten in der Familie wahrzunehmen