Einführung in die Industrie- und Organisationssoziologie GS4, SOZ-BA-S3, G LA1-5, L-POWI-W Proseminar Di 10:00 - 12:00 Raum AfE 502 Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink.

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 Präsentation transkript:

Einführung in die Industrie- und Organisationssoziologie GS4, SOZ-BA-S3, G LA1-5, L-POWI-W Proseminar Di 10:00 - 12:00 Raum AfE 502 Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink Universität Frankfurt Fachbereich Gesellschaftswissenschaften Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse   Tel: 069-798-225423 e-mail: b.blaettel-mink@soz.uni-frankfurt.de web:  http://www.gesellschaftswissenschaften.uni-frankfurt.de/ora

23.11.10 Organisationen – Strukturen und Umwelt Lektüre Lawrence, Paul R./ Lorsch, Jay W. (1967): Organization and Environment. Managing Differentiation and Integration. Boston: Harvard Business School Press, S. 1-18 Thompson, James D. (1967): Organizations in Action. Social Science Bases of Administrative Theory. New York u.a.: Mc Graw-Hill, S. 14-38

Organisationen – Strukturen und Umwelt Inhalt 1. Der kontingenztheoretische Ansatz 2. Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch: Organization and Environment 3. James D. Thompson: Organizations in Action

Kontingenztheoretischer Ansatz Ausgangsproblem und Grundannahmen Erklärung von Unterschieden in der Organisationsstruktur Die formale Organisationsstruktur hat einen starken Einfluss auf die Effizienz einer Organisation Es gibt keine universell effizienten Organisationsstrukturen Um effizient zu sein, müssen Organisationen ihre Strukturen an ihre jeweiligen Umwelten anpassen

Kontingenztheoretischer Ansatz Die Kontingenztheorien entwickelten sich Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre vor allem als Kritik am Bürokratiemodell in der Organisationsforschung, bemängelt wurde die unzureichende bis fehlende Erfassung von Umwelt- oder Situationsaspekten Es entstand ein neues Paradigma, das sich von der Untersuchung geschlossen-rationaler bzw. geschlossen-natürlicher Organisationen abwandte und die Organisation statt dessen als offen-rationales System verstand Im deutschen Kontext spricht man auch vom Situativen Ansatz , im englischen Raum hingegen wird entweder von einem „situational approach“ oder „contingency approach“ gesprochen Mit dieser Bezeichnung soll die Annahme zum Ausdruck gebracht werden, dass Organisationsstrukturen von anderen Größen abhängig (= kontingent) sind

Kontingenztheoretischer Ansatz Spezielle Fragen Wie können Organisationsstrukturen beschrieben - in Begriffe gefasst - und wie können die Beschreibungen für empirische Erhebungen operationalisiert werden, so dass Unterschiede zwischen realen Organisationsstrukturen deutlich werden? Organisationsstruktur als Abhängige Variable (AV) Dimensionen: Formalisierung, Spezialisierung, Zentralisierung, Standardisierung, Automatisierung Welche situativen Faktoren oder Einflussgrößen erklären die ermittelten Unterschiede zwischen Organisationsstrukturen? (Unabhängige Variable – UV) z.B. Größe, Technologie-/Branchenzugehörigkeit, Alter, Umwelten Welche Auswirkungen besitzen situative Faktoren und Organisationsstrukturen auf das Verhalten der Organisationsmitglieder und die Zielerreichung?

Kontingenztheoretischer Ansatz Die formale Organisationsstruktur hat einen starken Einfluss auf die Effizienz einer Organisation Es gibt keine universell effizienten Organisationen Um effizient zu sein, müssen Organisationen ihre Strukturen an ihre jeweilige Situation anpassen Das Ausgangsmodell

Kontingenztheoretischer Ansatz Joanne Woodward (ca. 1960) Branche als unabhängige Variable z.B. Stahlindustrie vs Flugzeugbau Organisationsstruktur als UV Stahl: Hohe Formalisierung, geringe Spezialisierung, hohe Zentralisierung, hohe Standardisierung, geringe Automatisierung Flugzeugbau: mittlere Formalisierung, hohe Spezialisierung, eher Dezentralisierung, geringe Standardisierung, hohe Automatisierung Tom Burns /G.M. Stalker (1961) Stabile vs. Dynamische Umwelten (UV) Mechanische vs organische Strukturen (AV)

Kontingenztheoretischer Ansatz Die Erweiterung durch die „Aston-Gruppe“ (Aston-University, Birmingham)

Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch Organization and Environment Nicht die gesamte Organisationsstruktur wird in einheitlicher Weise von der Umwelt geprägt Verschiedene Bereiche einer Organisation sind mit unterschiedlichen Umwelten konfrontiert und entwickeln dafür umweltbezogene Strategien Forschungsfrage: Erklärung managerieller Strategien

Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch Organization and Environment Die Organisationsstruktur ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis von Differenzierung und Integration Differenzierung: Unterschiede in der kognitiven und emotionalen Orientierung der Manager in den verschiedenen Bereichen / Abteilungen der Organisation Ziel-, Zeit- und zwischenmenschliche Orientierung der Mitarbeiter sowie der Formalisierungsgrad einer Abteilung sind hier relevant Je größer diesbezüglich die Unterschiede zwischen verschiedenen Bereichen sind, desto höher ist der Differenzierungsgrad eines Unternehmens. Integration beschreibt dann die Qualität der notwendigen Zusammenarbeit zwischen den Bereichen

Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch Organization and Environment 1. Verhältnis externe Umwelten (Herausforderungen) und interne Strukturen (effektives Organisieren) 2. Gibt es einen Zusammenhang zwischen stabilen Umwelten und zentralisierten Strukturen? Woran liegt das? Geringerer Integrationsbedarf? 3. Zusammenhang Arbeitsteilung / funktionale Differenzierung und Umweltbedingungen 4. Zusammenhang Differenzierung und Integrationsbemühungen Forschungsfragen

Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch Organization and Environment Hypothesen Die Mitglieder eines Subsystems werden sich primär an Zielen orientieren, die sich auf ihre funktionsspezifische Umwelt bezieht Je heterogener die Umwelt, um so höher ist der Differenzierungsgrad einer Organisation Je heterogener die Umwelt, um so geringer wird die Integration zwischen den Subsystemen sein Wenn die Differenzierung zwischen den Subsystemen einer Organisation den Erfordernissen der Umweltsektoren entspricht und zwischen den - je nach Dynamik der Gesamtumwelt relevanten - Subsystemen ein hoher Integrationsgrad besteht, dann wird die Organisation eine hohe Effizienz erzielen Wenn die Umwelt heterogen ist, dann sind - über die Management-Hierarchie hinaus - zusätzliche Integrations-Einrichtungen zu erwarten

Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch Organization and Environment Ergebnisse einer vergleichenden Studie in 10 Unternehmen der USA – unterschiedliche Branchenzugehörigkeit 1. Die relevante Umwelt beeinflusst die Ausprägung der Differenzierungsvariablen. Je höher z.B. die Unsicherheit ist, desto langfristiger ist die Zeitorientierung der Manager und desto geringer ist der Formalisierungsgrad 2. Der Differenzierungsgrad ist umso höher, je unterschiedlicher die Umweltsektoren der Unternehmensbereiche sind

Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch Organization and Environment Ergebnisse einer vergleichenden Studie in 10 Unternehmen der USA – unterschiedliche Branchenzugehörigkeit 3. Je höher der Differenzierungsgrad ist, desto schwieriger ist die Integration. - Integrationsmechanismen; Teams; Integrationseinheiten, effektive Konfliktlösung? 4. Die Konfliktlösung ist umso wirksamer, je offener Konflikte ausgetragen werden, je mehr Positions- und Expertenmacht die Integrationseinheiten besitzen, je weniger sich einzelne Bereiche übergangen fühlen und je stärker zugleich der Einfluss der Einheiten ist, die über das relevante Wissen verfügen. (Integrationseinheiten sind am wirkungsvollsten, wenn sie im Verhältnis zu den zu integrierenden Bereichen einen mittleren Differenzierungsgrad aufweisen und ihr Anreizsystem die Gesamtzielerreichung honoriert.) 5. Unternehmen, deren Differenzierung den Anforderungen der Umwelt entspricht und die zugleich die erforderliche Integration innerhalb der Organisation sicherstellen, sind erfolgreicher als andere Unternehmen.

James D. Thompson: Organizations in Action Organisationen sind sowohl offene als auch geschlossene Systeme - Doppelstruktur. Als offene Systeme sind sie mit Unsicherheit konfrontiert, als geschlossene Systeme stehen sie unter dem Anspruch der Rationalitätssteigerung, die wiederum den weitreichenden Ausschluss von Unsicherheit voraussetzt. Theoretische Ausgangspunkte Alvin W. Gouldners Unterscheidung in natürliche und rationale Systeme Talcott Parsons Differenzierung in technische, managerielle und institutionelle Ebene Philip Selznicks Idee des „co-alignment“ (aufeinander abgestimmte Ausrichtung) zwischen Organisationen und ihren institutionellen Umwelten Paul Simon und James G. March’s Analyse zu begrenzter Rationalität und Entscheidungsprozessen in Organisationen.

James D. Thompson: Organizations in Action Paradox of Administration - Verwaltung Paradoxie des Organisierens als Dualität Einerseits – Andererseits Turbulente und unsichere Umwelten – es bedarf planbarer Kontexte und Sicherheit Dynamik der Umwelt erfordert flexible Anpassungsstrategien – zur Erstellung von Leistung braucht es stabile Strukturen Unsicherheit als fundamentales Problem komplexer Organisationen und der effiziente Umgang mit Unsicherheit als das Wesen des Verwaltungsprozesses.

James D. Thompson: Organizations in Action Thompson nennt zwei Arten von Rationalität im Unternehmen bzw. in der Organisation: Koordinationsprobleme erster Ordnung Technologische Zweck-Mittel-Rationalität Wissen um Kausalwirkungen - technische Ebene Abhängig von bestimmten Voraussetzungen Sicherung von Ressourcen – Aufgabe des Managements Organisationale Rationalität Aktive Pufferung, Stabilisierung und Schutz des Kerns (technischer Kern) gegenüber Unsicherheiten und Veränderungen der Umwelt Die managerielle bzw. institutionelle Ebene hat die Aufgabe, die Beziehung zu den externen Umwelten zu erhalten und zu ermöglichen Modell einer Zwiebel im Gegensatz zu Lawrence/Lorsch’s horizontalen Allianzen

James D. Thompson: Organizations in Action Zentrales Problem und Rationalitätskriterium für komplexe Organisationen ist dann die Koordination der unterschiedlich operierenden Teile: Koordinationsproblem zweiter Ordnung Maxime der „minimalen Koordinationskosten“ – Organisationen sind dann rational, wenn sie die realisierbaren Koordinationsformen (zwischen den Bereichen) so nutzen, dass die internen Transaktionskosten (vgl. Williamson) minimal sind und die zu beherrschenden Interdependenzen (wechselseitige Abhängigkeiten) effizient gehandhabt werden können „Begrenzte Rationalität“ als Lösung der Koordinationsprobleme, denn die Interdependenzen bleiben und sind nicht völlig rationalisierbar bzw. integrierbar in das jeweilige Subsystem.

Kritik Die Situation determiniert nicht die Organisationsstruktur Der Situative Ansatz enthält kein Konzept, das die Anpassung der Organisationsstruktur an die Situation erklärt Der Situative Ansatz verschleiert die Ausübung von Herrschaft in Organisationen Organisationsstrukturen lassen sich nicht objektiv, d.h. unabhängig von Wahrnehmungen, Intentionen und Handlungen der Organisationsmitglieder konzipieren und erfassen Regelmäßigkeiten in den Beziehungen zwischen Situation und Organisationsstruktur sind von Kultur zu Kultur unterschiedlich