§ 6 Verknüpfung von Leistungs- und Gegenleistungspflicht

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 Präsentation transkript:

§ 6 Verknüpfung von Leistungs- und Gegenleistungspflicht §§ 320, 326 BGB sowie § 273 BGB

Einführende Merksätze zum Verhältnis von § 275 zu § 326 BGB

Merksätze § 275 und § 326 betreffen verschiedene Ansprüche. § 275 erfasst jede Verpflichtung zur Leistung. § 326 betrifft eine (der nach § 275 erloschenen Pflicht) gegenüberstehende Verpflichtung zu einer Gegenleistung. § 326 ist daher nur auf synallagmatische Pflichten anwendbar.

Merksätze § 275 regelt Nichtbestehen/Fortfall der Verpflichtung zu einer Leistung, deren Erbringung unmöglich ist. § 326 regelt den Fortfall einer Verpflichtung, die eine mögliche Leistung zum Inhalt hat.

Merksätze Die Verpflichtung zu einer Geldleistung kann nicht nach § 275 entfallen. Gemäß § 326 entfallen dagegen in aller Regel Geldschulden. Ausnahme: Tausch!

Merksätze Im typischen gegenseitigen Vertrag (Kauf, Miete, Werkvertrag) steht einer Sachleistungspflicht (Verkäufer etc.) eine Geldleistungspflicht (Käufer etc.) gegenüber. Der Sachleistungsschuldner wird nach § 275, der Geldschuldner nach § 326 frei. Das Gesetz bezieht sich, wenn es von Schuldner und Gläubiger spricht, auf die Parteien des Sachleistungsanspruchs.

§ 326 BGB I. Die Rechtsfolgenanordnung: § 326 Abs. 1 Satz 1 Ist der vertragliche Erfüllungsanspruch auf Grund anfänglicher Unmöglichkeit nicht entstanden (§ 275 Abs. 1), so entsteht auch der Anspruch auf die Gegenleistung nicht. Ist der Erfüllungsanspruch entstanden, später aber fortgefallen, so kommt auch nur ein Fortfall des Gegenleistungsanspruchs in Betracht.

§ 326 BGB Prüfungsschema des Fortfalls des Gegenleistungsanspruchs in zwei Schritten: Positiv: Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB. Negativ: Mögliche Hindernisse.

§ 326 BGB II. Voraussetzungen 1. Gegenseitiger Vertrag 2. Ausschluss der Leistungspflicht des Schuldners nach § 275 BGB Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts aus § 275 Abs. 2 und 3 BGB

§ 326 BGB III. Durchbrechungen des § 326 BGB 1. § 326 Abs. 1 Satz 2: Sonderfall des Kaufrechts (später)

§ 326 BGB 2. § 326 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt.: Annahmeverzug des Gläubigers a) Annahmeverzug des Gläubigers Voraussetzungen Erforderlichkeit einer Mitwirkungshandlung des Gläubigers Angebot des Schuldners Tatsächliches Angebot Ordnungsgemäßes Angebot Unterbleiben der Mitwirkungshandlung b) Eintritt der Unmöglichkeit während des Annahmeverzugs c) Unmöglichkeit nicht vom Sachleistungsschuldner zu vertreten Grundsatz: § 276 ff. BGB Ausnahme: § 300 Abs. 1 BGB

§ 326 BGB 3. § 326 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. BGB Beispiel: Kaufvertrag über eine alte Vase. Bevor V die Vase an K übergibt und übereignet, stößt K aus Unachtsamkeit gegen die Vase, die vom Tisch fällt und zerbricht. Problem: Anwendbarkeit auf die Selbstvornahme im Kaufrecht (insb. Abs. 2 Satz 2); dazu später.

§ 326 BGB 4. § 326 Abs. 3 Satz 1 BGB Gläubiger macht den Anspruch auf das stellvertretende commodum gemäß § 285 BGB geltend.

§ 326 BGB 5. § 446 BGB Eintritt der von keiner Seite zu vertretenden Unmöglichkeit nach Gefahrübergang.

Abschließender Fall zu § 326 BGB Der Weinbetrieb V in Bielefeld bietet seine Leistungen in Prospekten mit dem Hinweis an: „Ab 10 Kisten Lieferung frei Haus innerhalb von BI durch eigenen Zustelldienst.“ K, wohnhaft in Brackwede, bestellt 10 Kisten „Wiltinger Schlangengraben“ und vereinbart die Zustellung für den nächsten Abend, 19 Uhr. Als der bei V angestellte Fahrer A zur vereinbarten Zeit liefern möchte, ist K nicht zu Hause. Auf dem Rückweg kann A in Folge einer kleinen Unaufmerksamkeit den Zusammenstoß mit einem Wagen nicht vermeiden, der ihm die Vorfahrt nimmt. Bei dem Unfall geht der Wein zu Bruch. Einige Tage später ruft K den V an, entschuldigt sich für die berufsbedingte Abwesenheit und bittet um erneute Lieferung des Weins. V ist nur bereit, die Rechnung „zu liefern“. Wein werde er nicht nochmals liefern. Muss V nochmals liefern? Muss K zahlen?

§§ 320 und 273 BGB Einrede des nichterfüllten Vertrags und Zurückbehaltungsrecht, §§ 320 und 273 BGB I. Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB Ausgestaltung des Zurückbehaltungsrechts als Einrede; Verurteilung Zug um Zug (§ 274 Abs. 1 BGB) Voraussetzungen (§ 273 Abs. 1 BGB) 1. Gegenseitige Ansprüche Der zurückhaltende Schuldner muss Gläubiger der Gegenleistung sein und umgekehrt. Gleichartigkeit der Ansprüche ist nicht erforderlich; Abgrenzung zur Aufrechnung.

§§ 320 und 273 BGB I. Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB Voraussetzungen (§ 273 Abs. 1 BGB) 1. Gegenseitige Ansprüche 2. Konnexität der Ansprüche Beruhen auf demselben rechtlichen Verhältnis; einheitliches Lebensverhältnis Beispiel: Gegenseitige Ansprüche aus einer ständigen Geschäftsbeziehung; für synallagmatische Pflichten gilt jedoch vorrangig § 320 BGB 3. Durchsetzbarkeit und Fälligkeit des Gegenanspruchs Gegenanspruch darf nicht einredebelastet sein; Ausnahme § 215 BGB 4. Kein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts, z.B. durch Abrede der Parteien (beachte aber § 309 Nr. 2b) oder Gesetz (§ 570, § 393 analog)

§§ 320 und 273 BGB I. Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB Sonderfälle: § 273 Abs. 2 BGB Anspruch auf Herausgabe eines Gegenstands; Verwendungen auf die Sache § 1000 BGB Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Herausgabeanspruch des Eigentümers aus § 985 BGB Verwendungsersatzansprüche des Besitzers aus § 994 ff. BGB Besonderheit: Verwendungsersatzansprüche des Besitzers müssen nicht fällig sein; Vor. der Genehmigung aus § 1001 BGB

§§ 320 und 273 BGB II. Einrede des nichterfüllten Vertrags (§ 320 BGB) Synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung Voraussetzungen Gegenseitiger Vertrag Gegenseitigkeitsverhältnis der Forderungen; besteht nur bei Hauptleistungspflichten, nicht jedoch bei Nebenleistungs- bzw. Schutzpflichten Wirksamkeit und Fälligkeit des Gegenleistungsanspruchs; Besonderheit des § 215 BGB Vertragstreue des Schuldners (kein Verzug) Rechtsfolge: Verurteilung zur Leistung Zug um Zug Unterfall des § 321 BGB: Unsicherheitseinrede bei Vorleistungspflicht