Kooperativer Mathematikunterricht mit Web2.0-Technologien Mag. Dr. Evelyn Süss-Stepancik
Votragsübersicht Motivation für kooperatives Lernen/Arbeiten Forschungsstand Kooperatives Arbeiten/Lernen Kollaboratives Arbeiten Kooperatives Lernen im Mathematikunterricht Voraussetzungen Vorteile/Nachteile Ein Unterrichtsprojekt Ergebnisse
Alter Wein in neuen Schläuchen? Wir kennen: Gruppenarbeit im Mathematikunterricht Einsatz des Computers und Internets im Mathematikunterricht Fakten: 14% der Schüler/innen erleben im MU Gruppenarbeit regelmäßig 66% selten, 20% nie
Lernen im Mathematikunterricht fremdbestimmt, kooperative Arbeitsformen sind selten, Kommunizieren und Argumentieren fehlt
Gruppenarbeit – Kooperation – Kollaboration Schüler/innen bearbeiten zusammen eine mehr oder weniger umfangreiche Aufgabenstellung (zeitlich befristet)
Kooperatives Arbeiten – Forschungsstand Seit 30 Jahren wird hier geforscht Im Zusammenhang mit Mathematikunterricht: empirische Nachweise positive Effekte Einstellung zum Fach verbessert sich Vertrauen in das eigene mathematische Denken nimmt zu (vgl. Davidson, 1990)
Kooperatives Arbeiten – Charakteristika die Lernenden arbeiten gemeinsam in einer so kleinen Gruppe, dass allen Gruppenmitgliedern die Partizipation an der ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabenstellung ermöglicht wird und dass von den Lernenden erwartet wird, dass sie ihre Aufgabe ohne direkte bzw. unmittelbare Betreuung durch die Lehrperson in gemeinsamer Anstrengung oder mittels systematischer Arbeitsteilung erfüllen (vgl. Cohen, 1992; Reinmann, 2005)
Kooperatives Lernen gemeinsam auf inhaltlicher Ebene und Lernen von Kommunikation und Sozialverhalten Zugehörigkeit zum Team bzw. zur Gruppe Wissenserwerb der Gruppe Arbeit wird auf die Gruppenmitglieder verteilt individuelles Arbeiten Ergebnisse werden zusammengeführt (vgl. Reinmann, 2005)
Kollaboratives Lernen keine Arbeitsteilung von Beginn an wird gemeinsam gearbeitet Ziel: gemeinsames Verständnis für die Thematik verteiltes Wissen der Ausgangssituation + neu erarbeitete Wissen soll bei allen verankert sein (vgl. Hron et al., 2002)
Gemeinsames Lernen erfordert ... Kommunikation und Interaktion der Lernenden Berücksichtigung der sozialen Dimension des Lernens individuelle + soziale Aspekte soziale Interaktion vor individuell kognitiver Leistung Lernen ist soziale Vermittlung
Kooperatives Lernen im MU – Warum? positiver Einfluss belegt Kommunikation ist ein (wenn auch nicht zwingendes) Grundprinzip der Mathematik kooperative Arbeitsformen: als Teil der Wissenschaftsdisziplin ermöglicht das Sprechen über Mathematik Lehrplan des SEK 1 (Argumentieren, Begründen) Lehrplan der SEK 2 (kritisch-argumentatives Arbeiten)
Voraussetzungen für kooperatives Lernen Verantwortung Interaktion, Reflexion, Evaluation Gruppen- und Teambildung Rolle der Lehrperson
Verantwortung Schüler/innen müssen Verantwortung übernehmen: für sich und die Gruppe (Lernprozess) Lernziel können nur alle gemeinsam erreichen Trittbrettfahrer/innen: Einzelleistungen sichtbar machen
Interaktion, Reflexion, Evaluation Austausch von Ideen, Informationsquellen, Material, Lösungswegen, ... Reflexion & Evaluation: Gruppenergebnisse Rückschau auf den gemeinsamen Lernprozess Lernen aus den Erfahrungen
Gruppen- und Teambildung Forming Orientierungsphase, von Höflichkeit und Abtatsen geprägt Storming Konfliktphase, Aushandeln der Positionen Norming Gruppe wird handlungsfähig Performing Ressourcen der Gruppe werden genutzt (vgl. Tuckman, 1965)
Rolle der Lehrperson fachlichen und sozialen Ziele berücksichtigen Aufgabenstellung und Methode passend wählen Zeitrahmen klar definieren adaptive/r Lernberater/in (vgl. Pauli und Reusser, 2000)
Vorteile des netzbasierten k. L. verschiedene Repräsentationsformen (Text, Bild, Video, ...) können parallel verwendet werden mediale Präferenz der Lernenden wird berücksichtigt Wiederverwendbarkeit der Inhalte Steigerung der Medienkompetenz
Probleme beim netzbasierten k. L. fehlende soziale Präsenz – wer ist gerade online? Kanalreduktion – nonverbale Kommunikation fehlt kognitive Be- oder Überlastung Fehlen sozialer Kontexthinweise Lösungsansätze bieten die Technik, das Aufgabendesign und entsprechende Onlinemoderation (vgl. Dörring, 1997; Reinmann, 2005)
Onlinemoderation Zugang und Motivation Online-Sozialisation mit der virtuellen Umgebung vertraut werden Online-Sozialisation einfache Übungen, Gruppen finden, Vertrauensnetzwerke Informationsaustausch Lernenden tauschen online Informationen aus Wissenskonstruktion Lernenden übernehmen die Kontrolle über ihre Wissenskonstruktion, sind Online-Autoren/innen (kritisches Denken, Analysieren, ...) Entwicklung Lernenden übernehmen Verantwortung (vgl. Salmon, 2002)
Wiki-Prinzip direkte Bearbeitung von Dokumenten Ergebnisse sind sofort und für alle verfügbar Versionsgeschichte Sichtbarmachen der Autoren/innen Diskussionsbereich kreativ/kooperatives Arbeiten
Koop. MU – Ein Projekt zwischen Purkersdorf und Berlin zwei Klassen der 10. Schulstufe Exponentialfunktionen in der Anwendung Lehrpläne beider Länder: experimentell-heuristisches Arbeiten Formulieren Begründen Vermutungen belegen Alltagssituationen mit Mathematik bearbeiten ...
Kooperativer Mathematikunterricht Zugang und Motivation – Online-Sozialisation Einschulung in die Wiki-Syntax: Texte Bilder Formeln Kennenlernen Gruppen bilden Kontext wählen Chat außerhalb des Unterrichts Chatzeiten im Wiki vereinbart gegenseitige Vorstellung der Teammitglieder im Wiki
Kooperativer Mathematikunterricht Informationsaustausch Einarbeitung und Aufbereitung des Kontextes Schüler/innen recherchierten schrieben Wiki-Einträge Bilder ergänzten Beiträge erste Wissensbausteine
Kooperativer Mathematikunterricht Wissenskonstruktion und Entwicklung kooperative Bearbeitung der mathematischen Aufgabenstellungen im Wiki Tabellen Graphen Funktionsgleichungen Excel GeoGebra Video
Kooperativer Mathematikunterricht Wissenskonstruktion und Entwicklung aktives Online-Agieren kritisch-analytisches Denken Entdecken und Visualisieren von Zusammenhängen Wiki optimale Unterstützung Text- und Wissensbausteine wurden immer größer Autoren/innen sind nachvollziehbar Schüler/innen haben Verantwortung für den Lernprozess (der Gruppe und den eigenen) übernommen
Ergebnisse aus fachlicher Sicht Ausgezeichnet Lehrerinnen & Schüler/innen waren sehr zufrieden und stolz Schüler/innen haben Datensätze bearbeitet Wertepaare abgelesen verschiedene Modelle zur Beschreibung von Abnahme- und Wachstumsprozesse erstellt und verglichen Modelle wurden verbal, tabellarisch, formal und graphisch beschrieben Modelle mit der Realität verglichen
Bevölkerungswachstum
Bevölkerungswachstum
Lehrplan und andere Ziele experimentell-heuristisches Arbeiten Formulieren Argumentieren, Begründen Vermutungen belegen Alltagssituationen mit Mathematik bearbeiten Funktionen in unterschiedlichen Darstellungsformen bearbeiten Steigerung der Medienkompetenz Erfahrungen im kooperativen Arbeiten Verantwortung
Weitere Ergebnisse Lösungswege und Ergebnisse im Wiki weisen ein hohes sprachliches Niveau auf Arbeit im Wiki (Dokumentieren) zwingt zum nochmaligen Reflektieren (der Lösungswege, des Denkprozesses, ...) Wiki fördert den Austausch von Ideen, Material, Lösungswegen Motivation und Aktivität der Schüler/innen war sehr hoch Diskussionsseite des Mediawiki wurde nicht angenommen
Tipps und Hinweise Infrastruktur Medien- und Methodenkompetenz Zeitrahmen, Struktur und Ziele Gruppenbildung Einarbeitung in die Online-Umgebung Design der Aufgabenstellung abschließende Präsentation und Reflexion
Literaturverzeichnis Cohen, Elisabeth (1992): Restructing the Classroom: Conditions for Productive Small Groups. http://www.eric.ed.gov/PDFS/ED347639.pdf [07.09.2011]. Davidson, Neil (Hrsg.) (1990): Cooperative Learning in Mathematics: A Handbook for Teachers. Addison-Wesley, Menlo Park. Döring, Nicola (1997): Kommunikation im Internet. Neun theoretische Ansätze. In: B. Batinic: Internet für Psychologen. Göttingen, Verlag für Psychologie, S. 267 – 298. Hron, Aemilian et al. (2002): Gemeinsam lernt es sich besser. Kooperatives Lernen und kognitive Prozesse in netzbasierten Szenarien. In: F.W. Hesse (Hrsg.): E-Learning. Die Revolution des Lernens gewinnbringend einsetzen, Stuttgart, Klett-Cotta, S. 83 – 100. Pauli, Christine; Reusser, Kurt (2000): Zur Rolle der Lehrperson beim kooperativen Arbeiten. In: Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften 3, S. 421 – 442. Reinmann, Gabi (2005): Blended Learning der Lehrerbildung. Grundlagen für die Konzeption innovativer Lernumgebungen. Pabst Science Publisher, Lengrich. Salmon, Gilly (2002): E-tivities. Der Schlüssel zu aktivem Online-Lernen. Orell Füssli, Zürich. Tuckman, Bruce (1965): Developmental Sequence in Small Groups. In: Psychological Bulletin, 63, S. 384 – 399.
Viel Erfolg beim kooperativen Arbeiten!