Pädagogische Woche KÖLN Freitag, 28. Oktober 2005

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 Präsentation transkript:

Pädagogische Woche KÖLN Freitag, 28. Oktober 2005 Schulpastoral Unverzichtbare Dimension des kirchlichen Auftrags zur Mitgestaltung der Gesellschaft? Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer Pädagogische Woche KÖLN Freitag, 28. Oktober 2005

Was mischt sich die Kirche denn jetzt auch noch in den Schulalltag ein? Reicht nicht der schulische Religionsunterricht als Privileg? Schulpastoral in einer Gesellschaft, die am besten gekennzeichnet wird mit dem Stichwort der strukturellen Pluralisierung bzw. der funktionalen Differenzierung, Das schulische Bildungssystem als Mikrokosmos der modernen Gesellschaft

Schulpastoral als Mitgestaltung von Welt und Gesellschaft – beliebige Option oder Ausdruck einer genuin kirchlich-christlichen Verpflichtung?

1.1 Wahrnehmung der Weltverantwortung und Schulpastoral: Dienst am Menschen – Anthropologische Aspektee Personalismus als Sorge um den ganzen Menschen Integraler Ansatz bei der menschlichen Person Wegen dieses Ansatzes hält die Kirche keine „technischen Lösungen“ bereit, legt sie „keine wirtschaftlichen und politischen Systeme oder Programme vor, noch zieht sie die einen den anderen vor“, wenn nur, und damit ist das entscheidende und Maßstab setzende Argument genannt, „die Würde des Menschen richtig geachtet und gefördert wird und ihr selbst der notwendige Raum gelassen wird, ihren Dienst in der Welt auszuüben“. (SRS 41,1) „Centesimus annus“ 1991: „Die Kirche hat in den letzten hundert Jahren wiederholt ihre Stellungnahme zum Ausdruck gebracht, indem sie die Entwicklung der sozialen Frage aus der Nähe verfolgte. Sie tat das gewiss nicht, um vergangene Privilegien zurück zu gewinnen oder ihre Auffassung anderen aufzuzwingen. Ihr einziges Ziel war die Sorge und die Verantwortung für den ihr von Christus anvertrauten Menschen.“ (CA 53,1)

Kompetenz der Kirche: personzentrierte Hermeneutik „Die heutige Soziallehre hat besonders den Menschen im Auge, insofern er in das komplizierte Beziehungsgeflecht der modernen Gesellschaft eingebunden ist. ... Ihr Ziel ist es, unter Zuhilfenahme sämtlicher Beiträge der Wissenschaften und der Philosophie dem Menschen auf dem Weg zu seinem Heil beizustehen." (CA 54,1.) „Redemptor hominis“ „Der Mensch in der vollen Wahrheit seiner Existenz ... - dieser Mensch ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muss: er ist der erste und grundlegende Weg der Kirche“ (RH 14,1).

1.2 Wahrnehmung der Weltverantwortung und Schulpastoral: Ausdruck des Reiches Gottes – eschatologische Aspekte Das „Heil ist in seiner Vollgestalt endzeitliches Geschenk des wiederkehrenden Herrn“ (L. Roos), d.h. das Reich Gottes kann und muss nicht durch Menschenhand und menschliches Bemühen geschaffen oder vollendet werden. Aber: „Obschon der irdische Fortschritt eindeutig vom Wachstum des Reiches Christi zu unterscheiden ist, so hat er doch große Bedeutung für das Reich Gottes, insofern er zu einer besseren Ordnung der menschlichen Gesellschaft beitragen kann.“ (GS 39,2). 1.3 Wahrnehmung der Weltverantwortung und Schulpastoral: Abbild der Solidarität Gottes mit den Menschen - Theologisch-ethische Aspekte Der „Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte, für Gerechtigkeit und Solidarität ist für die Kirche konstitutiv … und eine Verpflichtung, die aus ihrem Glauben an Gottes Solidarität mit den Menschen und aus ihrer Sendung, Zeichen und Werkzeug der Einheit und des Friedens in der Welt zu sein“ resultiert (Nr. 101) und darum zu einer analogen Praxis der Solidarität herausfordert.

1.4 Wahrnehmung der Weltverantwortung und Schulpastoral Ausdruck des sakramentalen Charakters der Kirche – ekklesiologische Aspekte Kirche - ein Element der Zivilgesellschaft wie viele andere auch? Soziologisch mag das eine zutreffende Bestimmung sein, aber: Das II. Vatikanum definiert im deutlichen Unterschied zum Verständnis von Kirche als zivilgesellschaftlichem Akteur die Kirche theologisch als Sakrament (LG 1). Ein Sakrament ist ein wirkmächtiges Zeichen, ein Zeichen also, das die Wirklichkeit schafft, die es bezeichnet, ein Zeichen der wirksamen und spürbaren Nähe Gottes. Die gesellschaftlich-politische Diakonie der Kirche bekommt noch einmal eine in einem sehr weiten Sinn sakramentale Bedeutung.

Die Kirche muss in der Gesellschaft vermitteln, dass sie sich im Blick auf Gottes Heilswillen für den Menschen ein Wissen über eine andere Wirklichkeit aufbewahrt, die in einer zunehmend ökonomisierten und säkularisierten Gesellschaft möglicherweise eine neue Relevanz bekommt. Zusammengehörigkeit der drei Grundfunktionen der liturgia, martyria und diakonia Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler, „Die Arbeiterfrage und das Christentum“ von 1864: „Christus ist nicht nur dadurch der Heiland der Welt, dass er unsere Seelen erlöst hat; er hat auch das Heil für alle anderen Verhältnisse der Menschen, bürgerliche, politische und soziale, gebracht.“

2. Schulpastoral in einer pluralistischen Gesellschaft: Privileg oder Dienst am Gemeinwohl? Wertorientierung: ein zentraler Aspekt politischer Diakonie und christlicher Weltgestaltung Der weltanschaulich neutrale und pluralistische Staat: nicht mehr zuständig für das überzeitliche Heil und auch nicht für das innerweltliche Glück seiner Bürger Notwendige Zurückhaltung im Blick auf religiöse Fragen des Menschen Aus der Sicht des christlichen Glaubens legt sich von der Botschaft Jesu her ein „Ethos des Verzichts auf Gewissheit im Letzten innerhalb des Politischen“ nahe. Ernst-Wolfgang Böckenförde: Der „freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er nicht selbst garantieren kann“. Ralf Dahrendorf Sowohl die politische Demokratie als auch die Marktwirtschaft sind „kalte Projekte“, die zwar große und wichtige Errungenschaften der Neuzeit sind, die aber dem Menschen bei seiner Sinnsuche keine Hilfe bieten können!

3. Schulpastoral und die Frage nach dem Proprium christianum Das ‚unterscheidend’ Christliche“ lässt sich als dasjenige identifizieren, „das alle Menschen verbindet, eint und sie einander gleich macht. Eben dies ist der Heilswille Gottes, die Geschöpflichkeit und Gottebenbildlich­keit aller Menschen“, ihr Erlöstsein. Die gesellschaftlich-politische Diakonie und christliche Weltgestaltung steht stets unter dem Anspruch unbedingter Menschlichkeit und des Humanums. Auch die Gestaltung des öffentlichen Bereichs steht unter dem Anspruch des christlichen Liebesgebotes. Auch das schulpastorale Tun ordnet sich so nach christlichem Verständnis in die Dynamik des Reiches Gottes ein. Eine besondere Aufmerksamkeit auf jene Glieder der Gemeinschaft gerichtet, die wegen eigener Schwächen besonders leicht außer Betracht fallen und in ihren Interessen vernachlässigt werden.

6. Politische Diakonie der Kirche heute kommt ohne Barmherzigkeit nicht aus. 7. Christen in der Welt, und darin besteht durchaus ein christliches Spezifikum, handeln nicht vorrangig, weil die Adressaten Christen sind, sondern weil die Handelnden Christen sind und einen spezifischen Beitrag zur Humanität und zur Kultur des Lebens für alle zu leisten haben. 8. Einer christlich motivierten Weltgestaltung geht es vorrangig um das Einbringen der Perspektive des Humanums, der Menschenwürde, um die Botschaft von der unendlichen Würde des Menschen aus christlicher Verantwortung. Verlässt man sich nicht nur auf menschliches Handeln, sondern bezieht Gottes vorausgehende Heilszusage mit ein, so ergibt sich ein durchaus unterscheidend christlicher Modus, nach dem Christen der Welt ihren Dienst leisten können und sollen: Gerade so wird Gelassenheit und das daraus resultierende Engagement einerseits christlich ermöglicht und andererseits die Erkenntnis gewonnen, dass auch ein "Minimalprogramm" in der Welt schon Achtung verdient - in der Überzeugung, dass das Reich Gottes letztlich umfassend von einem anderen her geschenkt und vollendet wird. 10. Andererseits darf natürlich gerade der Christ nicht "die Hände in den Schoß legen" und resignieren, sondern muss darauf vertrauen, dass sein Tun einen "Schimmer" (LE 27) des neuen Himmels und der neuen Erde erfahrbar machen wird.