Forschungsmethoden der Psychologie

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Forschungsmethoden der Psychologie Tutorium -4- 1

Überblick Intentionales Erklärungsmodell - Hypothesenförmigkeit der Erklärungen - Interpretationsoffenheit - empirische Prüfbarkeit - Psychoanalyse Narratives Erklärungsmodell Von wichtigen Inhalten der Vorlesung 2

Intentionales Erklärungsmodell N beabsichtigt Z herbeizuführen N meint, dass H (in der gegebenen Konstellation) das geeignete Mittel ist Also macht N sich daran, H auszuführen Setzt voraus: Ziel- und Mittelwissen 3

Intentionales Erklärungsmodell Gegenstandsverständnis: Welche Art von Fragen gelten in Wissenschaft als angemessen? Wissensideal: Welche Art von Antworten werden als zufriedenstellend erachtet? Welche Fragen: Warum eskalieren manche Konflikte gewaltförmig? Welche Antworten? Win-lose-Konzeption + Mangelnde Nachgiebigkeit + Fehlengewaltfreier mittel führt zu Eskalation 4

Intentionales Erklärungsmodell Begründungszusammen-hang Bedingungszusammenhang Ursache-Wirkung statistische Aussage Bsp. Gesetzesaussage Physik: Wenn Differenz zweier Linien größer x, dann wird Längenunterschied wahrgenommen Wenn Rotkehlchen schrill pfeift, dann ist es wahrscheinlich, dass Warnruf Ziel-Mittel Struktureller Zusammenhang 5

Intentionales Erklärungsmodell Mangelnde Nachgiebigkeit N1 beabsichtigt Z herbeizuführen N1 ist nicht bereit auf Z zu verzichten N1 meint, sich mit N2 im Konflikt über Z zu befinden N1 meint, dass in diesem Konflikt nur 1 gewinnen/verlieren kann Also macht N1 sich daran, Z gegen N2 durchzusetzen (Aggression) Win-lose-Konzept Setzt voraus: Ziel- und Mittelwissen Unter den vorliegenden Mitteln scheinen nur gewaltförmige Mittel verfügbar Mangelnde Verfügbarkeit gewaltfreier Mittel Also macht N1 sich daran, Gewalt anzuwenden 6

Deduktiv-nomologische Erklärung Intentionale Erklärung Beruht auf universeller empirischer Gesetzmäßigkeit (bleibt stets hypothetisch Beruht auf sachlogischem Zusammenhang (mit Sicherheit behauptbar) Objektseitig gegebene Randbedingungen (beobachtbar) subjektseitig gegebene Randbedingungen (nicht beobachtbar; bleiben hypothetisch) 7

Vergleich der beiden Modelle Objektseitig definierte Prämisse Stets hypothetisch Subjektseitig definierte Prämissen, stets hypothetisch N beabsichtigt Z herbeizuführen N meint, dass H (in der gegebenen Konstellation) das geeignete Mittel ist Also macht N sich daran, H auszuführen Struktureller Zusammenhang (sicher behauptbar)

Umweltbe-dingungen 1 Externe Einflüsse Situation1 HANDLUNG Konstellation 1 Intentionen Verhalten Umweltbe-dingungen 2 Intendierte Wirkungen Nebenfolgen Mittelein-schätzung Umweltbedingungen: Biografie, Bedürfnisse, vorheriges, z.B. Milgram dieselbe Umwelt kann unterschiedlich interpretiert werden = Interpretationsoffenheit Übergang Umweltbedingung/Sit = Übergang obj/subj durch Interpretation Verschiedene Ausschnitte derselben Sit. können selbe Konstellation werden Konstellation = Ausschnitt aus der Sit, der handlungsrelevant wird Handlung: z.B. Milgram: Vp in Versuchssit hat Intention Elektroschock zu geben, angemessenes Mittel für Ziel Situation 2 = objektseitig definiert = subjektseitig definiert usw. 9

Intentionen und Mitteleinschätzungen sind subjektseitig definiert Interpretationsoffenheit von Handlungen und Sinngehalten 10

Interpretationsoffenheit von Sinngehalten Umweltbedingungen Situation Konstellation Dieselbe Umwelt kann als verschiedene Sit interpretiert werden Unterschiedliche Umwelt kann als selbe Sit interpretiert werden Verschiedene Sit kann zu gleicher Konstellation werden Aus verschiedenen Ausschnitten der gleichen Sit können verschiedene Konstellationen werden In derselben Konstellation können verschiedene Intentionen zum Tragen kommen Selbe Intentionen können in verschiedenen Konst. Zum Tragen kommen Aus selben Intentionen u Mittelmeinungen kann verschiedenes Verhalten resultieren Aus verschiedenen Intentionen u Mittelwissen kann selbes Verhalten resultieren Intention und Mitteleinschätzung = objektseitig definiert Verhalten = subjektseitig definiert 11

Empirische Prüfbarkeit Falsifizierbarkeit handlungsauslösende Konstellation Wegen Interpretationsoffenheit Zweifel, ob Hypothesen über subjektseitig definierte Handlungsprämissen überhaupt an der Erfahrung scheitern können = Selbstverständnis der Psychologie als Erfahrungswissenschaft Behaviorismus sagt nein: sagt es gibt nur Umwelt = Stimulus und Verhalten = Response und dazwischen nix Seit kognitiver Wende überholt, wir schauen uns jetzt an, ob intentionale Erklärungen falsifizierbar. Dazu Kontext betrachten. Welche Aspekte einer Sit sind für intentionale Erklärung relevant?

Empirische Prüfbarkeit Welche Aspekte der Situation bilden handlungsauslösende Konstellation? Handlung Intentionale (beabsichtigt) kontraintentionale (der Intention entgegenlaufend) paraintentionale (irrtümlich) perinintentionale (in Kauf genommen) Dazu Kontext betrachten. Welche Aspekte einer Sit sind für intentionale Erklärung relevant? D.h. warum wird Handlung ausgeführt? Zeigen, dass Person getan hat, was aus ihrer Sicht zu tun war (sinnvolle Antwort) Erklärung ist immer hypothetisch, aber das ist sie im D-N-Modell auch entscheidend ist, ob Hypothese an der Erfahrung scheitern kann Wann kann sie an der Erfahrung scheitern??? Folgen

Scheitern intentionaler Erklärungen an der Erfahrung Genetische Argumentation Empirische Reduktion Pragmatische Evaluation

Scheitern intentionaler Erklärungen an der Erfahrung Beispiel: Streit der beiden Schwestern um die Orange Genetische Argumentation: Hypothesen können als falsifiziert gelten, wenn die Entstehung der zur Erkklärung des beobachteten Verhaltens unterstellten Sinngehalte nicht von oben rekonstruiert werden kann

Scheitern der genetischen Rekonstruktion Umweltbedingungen 2 1 3 Situation 1 2 3 Konstellation 1 2 Verhalten 1 = Streit der Schwestern Erklärung: jede will Orange essen, aber nicht genügend da => U1 nicht genügend da S1 will essen, aber nur 1 da, Schwester will auch K1 Konkurrenz mit Schwester / win-lose I1 muss mich durchsetzen dann zeigt sich, es sind genügend O da = U3, und Schwestern streiten trotzdem => U1 ist falsch => gescheiterte Rekonstruktion Wenn wir Erklärung trotzdem aufrecht erhalten wollen, müssen wir annehmen, dass die beiden Schwestern nicht wussten, dass genügend da. D das aber nicht nur behaupten, sondern auch plausible Gründe haben, warum sie es nicht wussten Intention und Mitteleinschätzung 1 2 Beobachtung 2 Verhalten 1 16

Erfolgreiche genetische Argumentation Umweltbedingungen 2 1 3 Situation 1 2 3 Konstellation 1 2 Intention und Mitteleinschätzung 1 2 Beobachtung 2 Verhalten 1 17

Scheitern der empirischen Reduktion Umweltbedingungen A B Situation A B C Konstellation A B Intention und Mitteleinschätzung A B Beobachtung B Verhalten A 18

Scheitern der pragmatischen Evaluation = Hypothesen über Handlungsgründe können als falsifiziert gelten, wenn ihre pragmatische Evaluation scheitert, d.h. wenn eine auf die angenommenen Handlungsgründe gestützte Praxis misslingt.

Unkritisierbarkeitsverdacht der Psychoanalyse Primat der Selbstdeutung vor Fremddeutung also: Selbstdeutungen müssen empirisch falsifiziert werden, falls deren Wahrhaftigkeit angezweifelt wird Verdacht der Immunisierung gegen Kritik Unbewusste Motive Widerstand Lösung (in Anlehnung an Freud): Vorschlagscharakter der Deutung des Analytikers Pragmatische Evaluation der Deutungen 20

Narratives Erklärungsmodell Sinngehalte können nicht nach Ursache-Wirkungsmodell rekonstruiert werden Kontextabhängigkeit von Bedeutungen Reflexionstermini Worte, mit denen wir Werte, Einstellungen und Interessen beschreiben diffuses an den Rändern offenes Bedeutungsfeld hermeneutische Analyse 21

Narratives Erklärungsmodell Liefert Erklärung für stattgefundene Veränderung (Transformation) Sinnstiftende Verbindung zwischen zwei perspektivischen Eckpunkten (früher vs. jetzt bzw. objektseitig vs. subjektseitig) Die Frage, „warum jemand unter den objektseitigen gegebenen Bedingungen zu bestimmten Sinngehalten (und entsprechenden Handlungen) gekommen ist“, wird in die Frage überführt, wie die betreffende Transformation stattgefunden hat (Biedermann, 2007). 22

Narratives Erklärungsmodell Struktur: Geschichte Dichte Beschreibung Systematische Rekonstruktion der relevanten Kontexte Vorgeschichte, Verlauf und Nachgeschichte

Schema: (1) x ϵ F in t1 Narratives Erklärungsmodell (2) H ereignet sich mit x in t2 (3) x ϵ G in t3 Sinnstiftende Verbindung zwischen t1 und t3 (1) Anfang (2) Mittelteil (3) Schluss Explanandum Explanans 24

Sozialwissenschaftliche Hermeneutik Subjektive Welt des Menschen als sinn- und bedeutungsstrukturierte Welt Stützt sich auf Deutungs- und Interpretationsleistungen Orientierung an den Selbst- und Weltverständnissen von Menschen vs. methodisch-technisch produzierte Empirie Ablehnung des Primats der Theorie

Sozialwissenschaftliche Hermeneutik Bevorzugung offener Erhebungsinstrumente Transzendierung der Subjektivität (vs. Distanzierung vom Forschungsgegenstand)

Beispiel

Beispiel