5.5.4 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal: vier klassische Probleme

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 Präsentation transkript:

5.5.4 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal: vier klassische Probleme Würfelverdoppelung Winkeldrittelung Quadratur des Kreises Konstruktion des regulären n-Ecks Wie uns heute bekannt ist, sind die drei ersten Probleme unlösbar und das vierte nur in Ausnahmefällen lösbar. Dies wurde im wesentlichen in der Algebra des 19. Jhdts. bewiesen (Abel, Galois, Lindemann), vgl. z.B. K.Meyberg, Algebra 2, S.24ff, oder R. Hartshorne, Geometry: Euclid and beyond, S.242ff und 250ff. Historisch interessant sind die in diesem Zusammenhang von den Griechen neu eingeführten Methoden

Winkeldrittelung Aufgabe: einen beliebig vorgegebenen Winkel mit Zirkel und Lineal in drei gleiche Teile teilen Allein mit Zirkel und Lineal ist dies nicht möglich Die Lösung ist möglich mit Hilfe weiterer Hilfsmittel, nämlich „mechanisch“ (also durch Bewegung) erzeugter Kurven (deren Punkte sich nicht allein mit Zirkel und Lineal konstruieren lassen) Hippias von Elis: die „Quadratrix“

Kreisquadratur Gegeben ein Kreis mit Radius r; konstruiere ein flächengleiches Quadrat, also eine Strecke s mit s2 = πr2. Äquivalent: Konstruiere eine Gerade, deren Länge der Umfang des Kreises ist. Unlösbar, weil die Kreiszahl π „transzendent“ (also nicht Lösung einer algebraischen Gleichung) ist (Resultat des 19. Jahrhunderts) Unsere Redewendung „das ist die Quadratur des Kreises“ bezeichnet traditionell ein schwieriges bis unlösbares Problem Antike Lösungsversuche: „Ausschöpfung“ des Kreises durch reguläre Vielecke Möndchenquadratur des Hippokrates leistet zumindest eine Quadrierung von durch Kreisbögen begrenzten Flächen Lösung mithilfe der Quadratrix: die Strecke AQ hat die Länge 2/π. Allerdings ist Q nicht konstruierbar

5.6. Mathematik im Hellenismus 5.6.1 Alexandria: Zentrum des Wissens 5.6.2 Euklid und die „Elemente“ 5.6.3 Archimedes

5.6.1 Alexandria: Zentrum der hellenistischen Wissenschaft Philipp II. von Makedonien (359-336): Aufstieg Makedoniens zur führenden Macht in Griechenland Sein Sohn Alexander („der Große“) erobert in ausgedehnten Feldzügen ganz Vorderasien von Ägypten bis zum Indus (Hellenismus) Alexander gründet 332-330 v.Chr. die nach ihm benannte Stadt im Nildelta Alexandria entwickelt sich zum Zentrum der hellenistischen Wissenschaft: Der Leuchtturm (Pharos) zählt zu den sieben Weltwundern Alexanders Nachfolger Ptolemaios I. gründet das Museion, eine Art Universität, das 300 Jahre lang bedeutende Gelehrte beherbergte (Euklid, Apollonius, Archimedes) Herzstück des Museions ist seine Bibliothek (mindestens 700000 Papyrusrollen) Ein Teil der Bibliothek wurde bereits bei Cäsars Ägyptenfeldzug (47 v.Chr.) zerstört, der Rest später von fanatischen Christen (391 n.Chr.) und auf Befehl des Kalifen Omar (642 n.Chr.) Gleichzeitig kommt der arabischen Welt das Verdienst zu, die Hauptwerke der antiken griechischen Philosophie und Wissenschaft in arabischer Übersetzung über das Mittelalter aufbewahrt und weiterentwickelt zu haben.

5.6.2 Euklid Lebte vermutlich zwischen 360 und 280, seine Werke entstanden um 300 v.Chr. Diese Zeitangaben können nur aus Proklos' Kommentar erschlossen werden Euklid greift Leistungen von Eudoxos und Theaitetos auf, die Schüler Platons waren Laut Proklos berichtet Archimedes über ein Zusammentreffen von Ptolemaios I. und Euklid Vermutlich Lehrer für Mathematik am Museion von Alexandria

Die „Elemente“ (1) Titel bedeutet „Grundbestandteile“ (auf denen alles weitere aufbaut) Keine Zusammenfassung allen geometrischen Wissens der Antike, sondern die Grundlagen, mit deren Hilfe alle Teile der Mathematik weiterentwickelt werden können Das ältere Werk des Hippokrates sowie die Theorien von Eudoxos und Theaitetos sind inhaltlich einbezogen Das Werk richtet sich an Studenten der alexandrinischen Universität; rein wissenschaftlich; alles Praktische wird bewusst vermieden.

Die „Elemente“ (2) 13 Bücher (zwei weitere als unecht erkannt) Lehrsätze, Hilfssätze, Konstruktionsaufgaben basieren auf den Bausteinen Definitionen, Postulaten und Axiomen Unterscheidung Postulat-Axiom fließend (und historisch mehrfach umgestellt); Postulate eher geometrischer Grundsatz, Axiom eher logischer Grundsatz Die Definitionen sind noch an Anschauung gebunden

Nachwirkung der „Elemente“ (1) Trotz der wissenschaftlichen Ausrichtung waren Euklids „Elemente“ über Jahrhunderte das Standard-Geometrie- Lehrbuch des höheren Schulunterrichts, bis in die jüngste Vergangenheit Auch galten Euklids Beweise als vorbildlich an logischer Strenge; im Mittelalter sagte man, eine Wissenschaft sei „more geometrico“ (nach geometrischer Art) aufgebaut, wenn sie streng axiomatisch-deduktiv aufgebaut war Auch in der Neuzeit haben sich Mathematiker an dieser Strenge orientiert und sie sogar überboten: David Hilbert, Grundlagen der Geometrie, 1899 (Verzicht auf an Anschauung gebundene Definitionen) Nicolas Bourbaki (Pseudonym einer frz. Mathematikergruppe), Éléments de Mathematique, seit 1939 (axiomatischer Aufbau der gesamten Mathematik)

Nachwirkung der „Elemente“ (2) Das 5. Postulat (oder Axiom 11) ist auch als „Parallelenaxiom“ bekannt. Es hat offensichtlich nicht die selbe Evidenz wie die Postulate 1.-4. Man hat jahrhundertelang versucht, es aus 1.-4. abzuleiten, aber ohne Erfolg Die Geometrie, die nur aus den Postulaten 1.-4. abgeleitet werden kann, nennt man „absolute“ Geometrie Bereits der Satz von der Winkelsumme im Dreieck benötigt jedoch das 5. Postulat Im frühen 19. Jahrhundert kamen unabhängig voneinander Gauß, Bolyai und Lobatschewski auf die Idee, anstatt des 5. Postulats seine Negation anzunehmen („nichteuklidische Geometrie“) Da die so erhaltene Geometrie widerspruchsfrei ist, gibt es also mehrere Geometrien (übrigens sogar mehrere nichteuklidische) Z.B. in der sphärischen Geometrie (auf der Oberfläche einer Kugel) hängt die Winkelsumme im Dreieck von der Größe des Dreiecks ab Die Frage, welche dieser Geometrien denn nun unseren physikalischen Raum korrekt beschreibt, hängt mit Einsteins Relativitätstheorie zusammen; Relativierung des Begriffs „Wahrheit“ in der Mathematik

Euklid und die Primzahlen Euklid beweist: es gibt unendlich viele Primzahlen