3. Arbeitskampfrisikolehre

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 Präsentation transkript:

3. Arbeitskampfrisikolehre unter Einschluss einer Einführung in das deutsche Arbeitskampfrecht

3.1 Grundwertungen I Arbeitskampfrecht ist Recht des organisier-ten Kollektivs mit individu-ellem Beteiligungsrecht (Art. 9 Abs. 3 GG) Eigenständiges Kollek-tivrecht mit individual-rechtlichem Reflex > Suspendierungslehre Individuelles Freiheits-recht (Art. 2 Abs. 1 GG) Trifft auf geschriebenes Individualrecht (pacta sunt servanda) > Streik setzt Vertrags-ende voraus!

3.1 Grundwertungen II Die kollektive Theorie des BAG geht vom Vorrang des kollek-tiven vor dem Indi-vidualrecht aus: Was kollektivrechtlich er-laubt ist, kann keine individualrechtlichen Nachteile auslösen Das individualistische Arbeitskampfrecht zB der Weimarer Repub-lik lässt den Arbeits-kampf nur zu, soweit er nicht im Wider-spruch zu individual-rechtlichen Pflichten steht

3.1 Grundwertungen III Auf Grund der angenommenen generellen Schädlichkeit von Arbeitskämpfen sollen Streiks nur um bestimmter – notwendig – kollektiver Ziele willen zulässig sein > Streik und Aussper-rung nur zur Gewährleistung einer Verhand-lungssituation auf dem Weg zu Tarifverträgen, die angemessene und sachkundige Arbeits-bedingungen erwarten lässt. > Idee von Verhandlungs- = Kampfparität

3.2 Die kollektiven Streikregeln Gewerkschaftliche Streikleitung Rechtmäßig tariflich regelbares Ziel Einhaltung der Friedenspflicht Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

3.2 Gewerkschaftliche Streikleitung Recht des tariffähigen Kollektivs mit indi-viduellem Beteiligungsrecht Gewerkschaftlichkeit als Angemessen-heitsvermutung Verbot des „wilden“ Streiks in Trägerschaft einer nicht tariffähigen Ad-Hoc-Koalition Verstoß gegen individualrechtliche Streik-gewährleistung nach Art. 6 Nr. 4 Europäische Sozialcharta (ESC)?

3.2 Rechtmäßig tariflich regelbares Ziel Konnexität zum Tarifvertragssystem Ziel rechtswidriger Tarifregelungen als Regel-verstoß Geprägetheorie als Korrektiv? Regelbarkeit = Erkämpfbarkeit? > Problem der Sozialplantarifverträge

3.2 Friedenspflicht Relative Friedenspflicht; sie ist jedem Tarif-vertrag immanent (richtig: durch Auslegung zu ermitteln; pacta sunt servanda). Keine Streiks um tariflicher Regelungen willen, die es bereits in vollwirksamem Tarifvertrag dem Grunde nach gibt. > Kalkulationssicherheit auf Zeit Absolute Friedenspflicht; nur bei ausdrücklicher Regelung in einem schuldrechtlich wirkenden Tarifvertrag: Jeder Streik während Laufzeit einer solchen Regelung ist verboten. Friedenspflicht für den einzelnen Arbeitnehmer?

3.2 Gebot der Verhältnismäßigkeit Geeignetheit Erforderlichkeit Ultima-ratio-Prinzip Rolle der Warnstreiks Verbot des Sympathie-/Unterstützungsstreiks? Proportionalität Gebot fairer Kampfführung Gewährleistung von Notdienstarbeiten

3.3 Rechtsfolgen rechtmäßiger Streiks Suspendierung der vertraglichen Haupt-leistungspflichten; insbes. Probleme der Entgeltfortzahlung Keine Sanktionen von Arbeitsniederlegungen als Arbeitsverweigerungen Einschränkungen betriebsverfassungsrechtlicher Mitwirkungsrechte

3.3 Verteilung der Kampffolgen nach Risikosphären Ausgangspunkt: Die Chance angemesse-ner Tarifvertragsbedingungen Arbeitskampfrisikolehre bei Unmöglichkeit produktiver Beschäftigung: Lohnrisiko bei Arbeitnehmern (einschl. ALG [§ 146 SGB III] und Kurzarbeitergeld [§ 174 SGB III] Wirtschaftsrisiko bei Arbeitgebern Verdrängung der Betriebsrisikolehre

3.4 Rechtsfolgen rechtswidriger Streiks Individualrechtliche Privilegierung entfällt: Abmahnung und/oder Kündigung wegen Arbeitsverweigerung möglich Gesamtschuldnerische Haftung auf Schadens-ersatz aus Vertrag und Delikt Kollektivrechtliche Haftung der streikleitenden Gewerkschaften Verleitung zum Vertragsbruch > § 826 BGB Haftung aus schuldrechtlichem Teil des TV

3.5 Aussperrungsrecht Herrschend: Institutsgarantie zur Sicherstellung materieller Verhandlungsparität Kampfregeln entsprechend Streikregeln Verbandsmonopol bei Verbandsauseinan-dersetzung Proportionalität Zweifelhaftigkeit lösender Aussperrung Angemessenheit der Abwehr im Verhältnis zur Angriffsintensität

3.6 Kampfregelverletzung bei Streiks um Tarifsozialpläne? Rechtmäßig tariflich regelbares Kampfziel Sperre durch §§ 111 ff. BetrVG? Überhöhte Forderungen? Umgehung? Friedenspflicht Einzelfallfrage: Gibt es Ratioschutztarifverträge oder Ratioschutztarifvertragsregelungen (zB in MTV) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Ultima Ratio und Sozialplanverhandlungen Unternehmerfreiheit als Grenze?

3.7 Kampfregelverletzung durch Unterstützungsstreiks Garantie der Kampf-mittelfreiheit als Aus-prägung der Betäti-gungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG Gewerkschaft wird nicht zu – auch für sie – teuren Streiks auf-rufen, wenn sie nicht Anlass für Hoffnung auf Wirkung hat. Geschädigter ist nicht Adressat der Kampf-forderung und muss auch nicht eingebun-den sein. Friedenspflichtverletz-ung?