Do. 19. Nov.: I.: Objektivität der Sozialwissenschaften

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 Präsentation transkript:

Do. 19. Nov.: I.: Objektivität der Sozialwissenschaften Vorlesung Wissenschaftspropädeutik Universität Erfurt Wintersemester 2009/10 Do. 12.15-13.45, LG 2/ HS 5 / PD Dr. J. Renn Do. 19. Nov.: I.: Objektivität der Sozialwissenschaften

Vorlesung Wissenschaftspropädeutik – Erfurt – WS 2009/10 – Donnerstag, 19. Nov. Objektivität der Erkenntnis? Wissenschaftstheorie Allgemein: Paradigma, Problem der „Protokoll-Sätze“ Theorieabhängigkeit der Erfahrung Geltung wiss. Aussagen? Sozialwissenschaft: Spezifisch: „Sinn“? Interpretation 1: Max Weber: Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.“ (WuG, S. 1)

Mitwirkung geistiger Vorgänge Vorlesung Wissenschaftspropädeutik – Erfurt – WS 2009/10 – Donnerstag, 19. Nov. Objektivität der Erkenntnis? Sinn des Phänomens: Problem der Deutung Gesetze? Erklärung als Subsumtion der einzelnen Erscheinung unter die Kategorie der Gesetzesaussage Interpretation 1: Max Weber: „Während für die Astronomie die Weltkörper nur in ihren quantitativen, exakter Messung zugänglichen Beziehungen für unser Interesse in Betracht kommen, ist die qualitative Färbung der Vorgänge das, worauf es uns in den Sozialwissenschaften ankommt. Dazu tritt, dass es sich in den Sozialwissenschaften um die Mitwirkung geistiger Vorgänge handelt, welche nacherlebend zu „verstehen“, natürlich eine Aufgabe spezifisch anderer Art ist, als sie die Formeln der exakten Naturwissenschaft überhaupt lösen können oder wollen .“ (Objektivitätsaufsatz: 173) Interpretation 2 Mitwirkung geistiger Vorgänge

Vorlesung Wissenschaftspropädeutik – Erfurt – WS 2009/10 – Donnerstag, 19. Nov. Was heißt: „deutend verstehen“ Und „ursächlich erklären“? Handlung: Einheit der Handlung: Sinn der Handlung Typen des Handelns: -zweckrational -wertrational -traditional -affektuell Motive (subj. Sinn) Folgen (obj. Sinn) Gegenstand: Handlung (Soz. Ordnung) Deutung: Sinn der Handlung (subjekt-/objekt.) Erklärung: Zweckorientierungen (typisch) Typisierung: Idealtypus Rationaler Handlung Aber: Menschen handeln nicht eindeutig „zweckrational“: Modellbildung: „homo oeconomicus“ „homo sociologicus“ Subjektiver Sinn Problem des Zugangs

Vorlesung Wissenschaftspropädeutik – Erfurt – WS 2009/10 – Donnerstag, 19. Nov. Mikroebene: Deutung einer Deutung Makroebene: Deutung der individuellen Wirkung von Deutungen d.h.: Gesetzesaussagen sind nur Mittel zum Zweck: Angabe der objektiv möglichen typischen Verläufe bei „individuellen“ Bedingungen Der Gegenstand der sozialwissenschaftlichen Erklärung ist – in typischen Fällen – ein individuelles Phänomen „Wir ständen, selbst mit der denkbar umfassendsten Kenntnis aller „Gesetze“ des Geschehens, ratlos vor der Frage: wie ist kausale Erklärung einer individuellen Tatsache überhaupt möglich?“ Historische „Erklärung“?: Nomothetische und idiographische Wissenschaften (Windelband/Rickert/Dilthey) Bsp.: „Der Geist des Kapitalismus“ Die „Weber These: Erklärung der Entstehung des modernen Kapitalismus bzw. des „okzidentalen Rationalismus“ durch die „kulturbedeutsame“ Erscheinung der „innerweltlichen Askese“

Vorlesung Wissenschaftspropädeutik – Erfurt – WS 2009/10 – Donnerstag, 19. Nov. Die Sozialwissenschaften bilden „Typen“ von Erscheinungen… …um individuelle Vorgänge entlang objektiv möglicher typischer Verläufe durch Ermittlung der Bedingungen des Abstandes zu erklären Der Idealtypus „wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde.“ (Objektivitätsaufsatz: 191). Logik der Abstraktion: keine induktive Isolierung wesentlicher Merkmale sondern hypothetisch/ theoretische Verallgemeinerung zu heuristischen Zwecken idealtypische Erklärung: „kulturbedeutsame“ (vom Erkenntnis- interesse geleitete) Merkmale „genetischer“ Idealtypen werden „wesentlich“ Was Idealtypen nicht sind: Real wirksame „Ideen“ „Ideale Zustände“ „Werturteilsfreiheit“ der Sozialwissenschaft (Objektivität)

Vorlesung Wissenschaftspropädeutik – Erfurt – WS 2009/10 – Donnerstag, 19. Nov. 1. Erkenntnisinteresse: Fragestellung in Abhängigkeit von gegenwärtig relevanten Phänomenen 2. Genetischer Idealtypus gebildet entlang objektiver Merkmale übersubjektiver Organisationsform: rationale Arbeitsorganisation Beispiel: „kausale“ Rolle der innerweltlichen Askese: „Es kommt also (…) darauf an, die besondere Eigenart des okzidentalen Rationalismus und, innerhalb dieses, des modernen okzidentalen Rationalismus zu erkennen, und in ihrer Entstehung zu erklären.“ Gegenstand ist „…die Bedingtheit der Entstehung einer Wirtschaftsgesinnung“: des „Ethos“ einer Wirtschaftsform, durch bestimmte religiöse Glaubensinhalte, und zwar an dem Beispiel der Zusammenhänge des modernen Wirtschaftsethos mit der rationalen Ethik des asketischen Protestantismus.“ (Weber, Vorbemerkungen zur Religionssoziologie) 3. Typus subjektiver Sinnorientierung „kausale“ Erklärung durch Rekonstruktion „objektiver“ Zusammenhänge zwischen (genetisch) idealtypischen Sinnzusammenhängen