Wie Emotionen entstehen

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Wie Emotionen entstehen
 Präsentation transkript:

Wie Emotionen entstehen Eine Kurzleseanleitung zu Joseph LeDoux: „Das Netz der Gefühle“

Emotionen ohne Gefühl bewußt, gefühlt, heiß unbewußte Ansammlung von evolutionär erprobten Reaktionsmustern auf verschiedene Situationen LeDoux konzentriert sich auf Furcht.

unbewußte Kognition bewußt unbewußte Wahrnehmung (eat popcorn, Stereoort), Gedächtnissuche, unlogisches (heuristisches) Problemlösen

James und der Bär Warum rennen wir vor einem Bär weg? Wir fürchten, er könnte uns fressen. Deshalb rennen wir weg. Wir rennen „automatisch“ weg, weil die Evolution uns das lehrte. Und weil wir wegrennen, fürchten wir uns. Naiv: Reiz  Gefühl  Reaktion James, 1884: Reiz  Reaktion  Gefühl

James-Lange-Theorie James, W., The Principles of Psychology, 1890, p.449 Our natural way of thinking ... is that the mental perception of some fact excites the mental affection called the emotion, and that this latter state of mind gives rise to the bodily expression. My theory, on the contrary, is that the bodily changes follow directly the perception of the exciting fact, and that our feeling of the same changes as they occur IS the emotion. Common sense says: we lose our fortune, are sorry and weep; we meet a bear, are frightened and run; we are insulted by a rival, are angry and strike. The hypothesis here to be defended says that this order of sequence is incorrect, that the one mental state is not immediately induced by the other, that the bodily manifestations must first be interposed between, and that the more rational statement is that we feel sorry because we cry, angry because we strike, afraid because we tremble, and not that we cry, strike, or tremble, because we are sorry, angry, or fearful, as the case may be. Without the bodily states following on the perception, the latter would be purely cognitive in form, pale, colourless, destitute of emotional warmth.

Cannon/Bard versus James/Lange James/Lange, 1894: Reiz  Erregung  Gefühl Cannon/Bard, 1929: Das autonome Nervensystem (ANS) ist  zu langsam, (aber: wie schnell sind Gefühle wirklich?)  zu unspezifisch. (aber: James hatte nicht nur ANS gemeint) „Zwei Systeme“: Erregung und Gefühl entstehen unabhängig. Reiz  Gefühl  Reiz  Erregung Erregung verleiht dem Gefühl Dringlichkeit. Gemeinsamkeit: Erregung/Reaktion basiert nicht auf Gefühl. James/Lange-Pfad ist Teil des Zwei-System-Ansatzes

Kognition und Emotion Reiz  Gefühl  ??? Reiz  Erregung Schachter und Singer, 1962: Kognition deutet Erregung: Adrenalin-Injektion + situativer Kontext  durch Injektion ausgelöste Erregung wird situativ interpretiert Valins, 1966: gefälschtes Herzschlag-Feedback Bilder mit „erhöhter“ Pulsrate werden anschließend attraktiver beurteilt.

Kognition und Emotion Reiz ??? Gefühl  Reiz ??? Erregung Arnold, 1960: kognitive Bewertung Reiz  Kognition  Erregung (Bewertung Schaden/Nutzen) (Handlungstendenz) Kritik: kognitive Bewertung ist zu langsam Zajonc, 1980: „kognitive Bewertung“ kann unbewußt bleiben. „bloße Darbietung“: Präferenz für bereits Gesehenes funktioniert auch bei unterschwelliger Darbietung. Bornstein, 1992: Einfluß auf Emotion stärker wenn unbewußt „bloße Darbietung“ von Gesichtern unter/überschwellig, dann: reale Personen äußern unterschiedliche Meinungen  VP schließt sich der Meinung der „bekannten“ Person an. Effekt stärker wenn vorherige Darbietung unterschwellig.

Kognition und Emotion Reiz ??? Gefühl  Reiz ??? Erregung Bargh, 1990: Überschwellig, aber unbewußte Implikationen VP bearbeiten Wortlisten, „neutral“ versus „gerontologisch“, gemessen wird die Zeit, den Korridor hinunterzugehen. Wortlisten „selbstbewußt“ versus „höflich“, gemessen wird die Zeit, bis der Experimentator unterbrochen wird. Corteen & Wood, 1972: dichotic listening + Konditionierung Konditionierungsphase: VP hört Liste von Städtenamen und anderen Worten Bei bestimmten Städten (3 von 6) gibt es einen Elektroschock Testphase: Kopfhörer, links anderer Reiz als rechts (dichotisch) VP „beschattet“ (Nachsprechen) einen (den „relevanten“) Kanal VP bekommt nicht mit, was auf dem irrelevanten Kanal gesprochen wird. Hautleitwertreaktion auf kritische Städtenamen auf dem irrelevanten Kanal, aber auch (abgeschwächt) auf andere Städtenamen (unbewußte Verarbeitung)

Einschub: Unbewußte Verarbeitung Eat Popcorn! Drink Coke! kurze, unbemerkbare Einblendungen in einen Film führten angeblich zu Umsatzsteigerungen eine Wissenschaftsfälschung von J. Vicary, 1957, zugegeben in einem Zeitungsinterview 1962. Mord und Aufklärung in der Fernsehserie Columbo (“Double Exposure”, 1973)

Einschub: Unbewußte Verarbeitung Semantisches Priming Fixationskreuz –Maske – Prime – Maske – Target Knochen Fleisch &*§@/$ %$&*{?§ + 1000 ms 500 ms 20 ms 100 ms Aufgabe: Ist das Target ein Wort? Prime kann unbewusst bleiben Kriterien für Nichtbewusstwerdung (s. u.) Reaktionszeit kürzer, wenn Prime und Target semantisch verwandt (Dauer des Effekts: ca. 200 ms)

Kognition und Emotion - zwei Paar Schuhe Läsionen können perzeptuelle Repräsentation oder emotionale Bewertung beeinträchtigen. Läsionen können kognitive oder emotionale Erinnerungen beeinträchtigen. split-brain Patienten können emotionale Gehalte von einer Hemisphäre zur anderen transferieren, aber nicht kognitive. kognitive Reiz/Reaktionsschemata sind flexibel, emotionale hingegen fest verdrahtet (aber schnell)

Erste Lokalisation Bard, 1929: Läsionsexperimente an Katzen: Ohne Großhirnrinde: fast vollständiges emotionales Repertoire Tiere leicht reizbar, fehlende Kontrolle Ohne Hypothalamus: nur fragmentarische emotionale Reaktionen. Cannon – Bard – Theorie: Sinnesorgan ... Thalamus ........ Großhirnrinde ........ Gefühl Sinnesorgan ... Thalamus ... Hypothalamus ... Reaktion

Erste Theorie Papez, 1937: Papez-Kreis Spekulation Hippocampus via Fornix Mammilarkörper (Hypothalamus) Thalamus Gyrus cinguli Hippocampus Spekulation damals waren Verbindungen nicht zu erheben LeDoux: Papez handelte aus Patriotismus

Das limbische System MacLean, 1952: Erweiterung Rückgriff auf Broca, 1878 spekulativ, keine Tracer-Daten Pierre Paul Broca (*1824), 1878: « grand lobe limbique » auf deutsch: großer Saumlappen keine Funktionszuweisung, zu dieser Zeit war unklar, ob es Einzelneurone gibt.

Das Schisma Basisemotionen Emotionale Dimensionen „Kleine“ Anzahl diskreter Emotionen entsprechen neurophysiologischen/anatomischen Substraten mischbare Komponenten anderer nichtbasaler Emotionen Anzahl und Art umstritten Mowrer (1960): 2 Basisemotionen Arnold (1960): 11 Basisemotionen Emotionale Dimensionen „Kleine“ Anzahl orthogonaler Dimensionen Emotionales Erleben wird beschrieben anhand von Koordinaten eines Euklidischen Raumes

Evolution der Emotionen Darwin, 1872: The expression of emotions in man and animals. (Neuauflage ~1973 Paul Ekman) Ähnlichkeiten emotionalen Ausdrucks: am größten bei verwandten Arten, z. B. Gesichtsausdrücke bei Affen aber auch über viele Arten hinweg: z. B. Fellsträuben = Piloreaktion = Gänsehaut Hinweis auf angeborene Ausdrucksformen für Emotionen vermutete unterschiedliche Entstehungszeit, z. B für Furcht und Sorge

Elementare Emotionen beim Menschen Universale (kulturübergreifende) Mimik Tomkins, 1962: Acht Elementaremotionen Überraschung, Interesse, Freude, Wut, Furcht, Ekel, Scham, Angst Ekman, 1984: Sechs Elementaremotionen Überraschung, Glück, Zorn, Furcht, Ekel, Trauer Plutchik, 1980: Überraschung, Freude, Wut, Furcht, Abscheu, Trauer, Erwartung, Billigung

gemischte Gefühle Plutchiks Emotionskreis elementare Emotionen in räumlicher Anordnung Primäre Dyaden Mischungen ohne Zwischenglied – Freude + Billigung = Freundlichkeit Sekundäre Dyaden mit einem Zwischenglied – Freude + Furcht = Schuldgefühl Tertiäre Dyaden mit zwei Zwischengliedern – Freude + Überraschung = Entzücken Traurigkeit Abscheu Überraschung Wut Erwartung Furcht Billigung Freude

sozialer Konstruktivismus unterschiedliche Auffassungen über Zahl und Art der Elementaremotionen: Sind diese überhaupt elementar? sozialer Konstruktivismus Averill, 1980: Emotionen sozial konstruierte Reaktionsmuster. „ein Wildschwein sein“: Streß ablassen bei den Gururumba. „amae“: sich lieben lassen bei den Japanern. Ekman: sowohl ... als auch ... universale Mimik kulturell geprägte Embleme (Kopfnicken, Achselzucken) Ekman: Darbietungsregeln überformen selbst universale Mimik: Mark Twain: An Stellen, an denen ein naher Angehöriger schluchzt, hat ein intimer Freund einen würgenden Laut von sich zu geben, ein entfernter Bekannter zu seufzen, und ein Fremder lediglich mitfühlend an seinem Taschentuch zu fummeln. Vorführung eines emotional aufwühlenden Films in Japan / USA, mit / ohne Experimentator als Zweitzuschauer: Japan + Zweitzuschauer  weniger emotionale Reaktionen, mehr Lächeln (Zeitlupe: elementare Reaktionen werden überlagert)

Elementare Reaktionen unterschiedliche Auffassungen über Zahl und Art der Elementaremotionen: Sind diese überhaupt elementar? Elementare Reaktionen Ortony & Turner, 1990: nicht Emotionsausdrücke sind elementar, sondern (nicht-emotionale) Reaktionen. Emotionen greifen auf Repertoire biologisch determinierter Reaktionskomponenten zurück: Zittern (bei Kälte oder Furcht), Weinen (bei Freude oder Schmerz), ... Bewertungen bestimmen Auswahl der Reaktionskomponenten. sehr viele unterschiedliche Bewertungen / Reaktionspakete einige davon häufiger als andere, erscheinen elementar Bewertung und „Reaktionspaket“ kann angeboren (elementar) sein. Furchtsamkeit ist genetisch angelegt Rattenzüchtungen, eineiige Zwillinge LeDoux: Vier Elementaremotionen tauchen in allen Listen auf: Furcht – Zorn Ekel – Freude Gegenfrage: Freude über was? gutes Essen? guten Sex? gute Musik? ...

Elementarfunktionen „Mag ein Reh auch vor einer Gefahr davonlaufen, ein Vogel davonfliegen, und ein Fisch davonschwimmen, so sind doch all die verschiedenen Verhaltensmuster funktional gleichbedeutend; sie alle haben nämlich die gemeinsame Funktion, zwischen dem Organismus und einer Gefahr für sein Überleben einen Abstand zu schaffen.“ (Plutchik, 1980)

Elementare Emotionen und Gefühle mehrdimensionaler „Gefühlsraum“ unabhängige Elementaremotionen als Antwort auf elementare Situationen Gefahr: Furcht gutes Futter: Appetit giftiges Futter: Ekel Sexualpartner: Lust ...

Dimensionen Wundt (1896): 3 Dimensionen emotionalen Erlebens Lust – Unlust Erregung – Beruhigung Spannung – Lösung Die ersten beiden Dimensionen sind relativ unstrittig Lust – Unlust  Wohlgefallen  pleasure  valence Erregung – Beruhigung  Aktivierung  arousal Dritte Dimension strittig Reichen zwei? Brauchen wir überhaupt drei? Was stellt die dritte Dimension dar? Spannung-Lösung  dominance  control  social nearness Oder brauchen wir gar vier? (Scherer et al., 2007: unpredictability)

Explizite Urteile auf mehreren Dimensionen Self Assessment Manikin, SAM (Lang, 1985) Gefallen Erregung Dominanz

Beispiel: Bilder aus dem IAPS International Affective Picture System Bradley & Lang (1994) über 800 Bilder mit SAM-Ratings in Wohlgefallen (valence) Erregung (arousal) Dominanz (dominance)

Beispiel: Geräusche aus dem IADS International Affective Digitized Sound System Bradley & Lang (1999) gähnende Frau Babylachen Babyschrei lachende Menschen Schrei einer Frau Gesang Schweinegrunzen

V-Form Valenz-Erregungs-Plot zeigt charakteristische V-Form IAPS widerspricht dem Konzept eines dimensionalen Raumes „Löcher“ im dimensionalen Raum z. B. Versuch eines 2x3-Design mit Valenz: niedrig / mittel / hoch Erregung: niedrig / hoch zwei unabhängige (einander beeinträchtigende) Prozesse? positiver Affekt A+ negativer Affekt A– Watson & Tellegen, 1985 IADS A+ A–

Elementar versus kognitiv mehrdimensionaler „Gefühlsraum“ unabhängige Elementaremotionen Ratings nicht hypothesentestend Multidimensionale Skalierung Erhebung von paarweisen Ähnlichkeitsdaten N items, N·(N1)/2 Paare Erstellung einer mehrdimensionalen Konfiguration

Plutchiks Emotionskreis revised 8 items A: Abscheu D: Billigung G: Erwartung J: Freude M: Furcht P: Traurigkeit T: Überraschung W: Wut 28 Paare gerader Geburtstag: AJ GJ PW JW MP AG DP AD MW JT GP DG JP AP AW GW DM PT DT GM MT TW JM AM GT DW DJ AT ungerader Geburtstag: DT GP DW DP JM AD JW AP PW GJ JT GW AM MT DG DM MP JP GM MW DJ AW GT AJ AG TW AT PT SMS  e-mail D1: 8000 D2: 3400 O2: 6245 MAIL E+: 7676245 SMSMAIL 93 SMS mit je 28 Ratings Skala: 1 = sehr unähnlich, 3 = neutral, 5 = sehr ähnlich SMS-Text: chris*kaernbach.de data AJ7 jg9 ...

Plutchiks Emotionskreis revised simulierte Daten Anzahl der angenommenen Dimensionen Stress Wie viele Dimensionen? Scree plot: Wo ist der „Knick“?

Plutchiks Emotionskreis revised Hörsaalexperiment zu Basisemotionen nach Plutchik Wie viele Dimensionen? Scree plot: Wo ist der „Knick“? Signifikanz: Vergleich mit Zufallsdaten p  0.001 p  0.005 p > 0.1 Interpretation (post hoc) Valenz / Erregung A– / A+ Valence Arousal Valence Arousal A: Abscheu D: Billigung G: Erwartung J: Freude M: Furcht P: Traurigkeit T: Überraschung W: Wut kreisförmig: Streß: 0,235 Original: Streß: 0,312 Valence Arousal A+ A– Streß: 0,125

Frage Polemik Was ist das Gegenteil von süß? Demonstration des dimensionalen Ansatzes in der Gustatorik

Vergessen Gustatorik Fünf Hauptqualitäten (basic qualities) sauer salzig bitter umami entsprechen fünf spezifischen Rezeptoren kein spezifischer Rezeptor  keine Hauptqualität Rezeptoren für Hauptqualitäten arbeiten unabhängig voneinander

Geschmacksdimensionen Zucker Zitronen- saft Neun Flüssigkeiten 3 Konzentrationen von Zucker (10 30 60 Würfel / l)  3 Konzentrationen von Zitronensaft (20 60 120 ml / l) Hörsaalexperiment SS08, 52 Teilnehmer, 4 Tests pro Person Unähnlichkeits-Ratings auf einer Skala von 0 bis 4 Jedes Paar (9 ∙ 8 / 2 = 36) wurde ungefähr sechs mal getestet

Ergebnisse Scree Plot: Konfigurationen: Interpretation: 1 Dimension sehr gut 2 Dimensionen signifikant Konfigurationen: 1-dimensional 2-dimensional p  0.001 p  0.025 p > 0.1 sauer süß Intensität sauer süß Zucker Zitronen- saft Interpretation: 1. Dimension „sauer / süß“ (Valenz?) 2. Dimension „Intensität“ (Erregung?)

Ergebnisse Konfirmatorische MDS Interpretation: Erinnern! Korrelationen mit Konzentration von Zucker Konzentration von Zitronensaft nicht/fast/orthogonales Koordinatensystem Winkel zwischen den Achsen: 113° süß sauer sauer süß Intensität sauer süß Zucker Zitronen- saft Interpretation: 1. Dimension „sauer / süß“ (Valenz?) 2. Dimension „Intensität“ (Erregung?)

süß sauer Vorwissen Vor einem Urteil über den dimensionalen Ansatz sollte man klären: Wieviel ist bekannt über die zugrunde liegenden Mechanismen? Gustatorik: Die zugrunde liegenden Mechanismen sind wohlbekannt. Die leichte Abweichung von der Orthogonalität von süß und sauer regt zum Nachdenken an. Farbwahrnehmung: Elementar Dreifarbentheorie (Helmholtz/Young, Rezeptoren) Perzeptuell Gegenfarbentheorie (Hering, Bipolarzellen) Emotionspsychologie: Die zugrunde liegenden Mechanismen sind strittig. Gibt es Basisemotionen? Wie viele gibt es? Sind sie voneinander unabhängig? ...

Dimensionszahl bei MDS MDS von Klangfarben (timbre) von Musikinstrumenten (Lakatos, 2000) perkussive Klänge: dreidimensional harmonische Klänge: dreidimensional beide Arten von Klängen: dreidimensional Die Dimensionszahl einer MDS-Konfiguration spiegelt nicht notwendig eine Begrenzung des in Frage stehenden (perzeptiven/emotionalen/...) Raumes, sondern eher eine Begrenzung der kognitiven Repräsentation dieses Raumes wider.

Metamerie Farben, die in einem dreidimensionalen Farbraum durch das gleiche Koordinatentripel beschrieben werden, sind ununterscheidbar Flüssigkeiten+, die in einem fünfdimensionalen Geschmacksraum durch die gleichen Koordinaten beschrieben werden, sind ununterscheidbar + geruchlos, keine Nebenqualitäten, gleiche Temperatur... IAPS-Bilder, die durch die gleichen Werte für Valenz, Erregung und Dominanz beschrieben werden, lösen teilweise recht gut unterscheidbare Emotionen aus

Metamerie Bild 4531: Valenz: 5,81  1,94 Erregung: 4,28  2,76 Dominanz: 5,87  1,96 Bild 7351: Valenz: 5,82  1,67 Erregung: 4,25  2,28 Dominanz: 6,00  1,67 erotic male pizza IAPS-Bilder, die durch die gleichen Werte für Valenz, Erregung und Dominanz beschrieben werden, lösen teilweise recht gut unterscheidbare Emotionen aus

Basisemotionen Plutchik, 1980: 8 Basisemotionen Ekman, 1984: 6 Basisemotionen Freude Trauer Angst Ärger Ekel Überraschung neutral etwas differenzierter als dimensionale Modelle Positive Emotionen werden nicht differenziert  sollten sie aber Freude Trauer Angst Ärger Ekel Überraschung neutral positiv negativ Stimuli aus KASPAR, dem Kiel Affective SPeech ARchive arousal valence

Der ganz normale Wahnsinn: Der Mr. Hyde in jedem von uns Anmerkungen zur frühen Interaktion zweier positiver Emotionen

Stoppe deinen Speichelfluss! Hast du Hunger? keine kognitive Kontrolle Stoppe deinen Speichelfluss! Das geht nicht. Speicheln ist eine autonome Reaktion.

Wie dumm ist das Autonome Nervensystem? James, W., The Principles of Psychology, 1890, p. 449 Our natural way of thinking ... is that ... perception ... excites ... emotion, and that this latter state of mind gives rise to the bodily expression. My theory, on the contrary, is that the bodily changes follow directly the perception of the exciting fact, and that our feeling of the same changes as they occur IS the emotion. Cannon-Bard, Schachter-Singer Kritik / Alternativen zum Ursprung der Emotion Nicht in Frage gestellt: The bodily changes follow directly the perception „Autonom“ heißt keine kognitive Kontrolle. Heißt das, dass das Autonome Nervensystem ein „dummes“ Reiz-Reaktions-System ist?

Wozu dienen autonome Reaktionen? Autonome Reaktionen bereiten Handlungen vor Spezifische Reaktionen für spezifische Reize/Handlungen Furchtreize  Herzrate steigt  “Fight or flight” Essensreize  Speichelfluss  Essenseinnahme Sexreize  Durchblutung der  Sexualakt Genitalien steigt Was geschieht im Konfliktfall? zum Beispiel zwei gleichzeitige Reize, die zwei inkompatible Handlungen triggern Vorhersage für ein Reiz-Reaktions-System Jeder Reiz triggert eine spezifische körperliche Reaktion unabhängig von der Anwesenheit anderer Reize Die Entscheidung wird späteren kognitiven Stufen überlassen...

Autonome Reaktion auf Essensreize Hungrigen Menschen Bilder von Essen zeigen Speichelfluss nimmt zu Schluckfrequenz steigt Oberflächenelektromyographie Elektrodenplazierung: Musculus digastricus Infrahyoid Muskeln Automatische Schluckdetektion aus den EMG-Daten musculus digastricus infrahyoid Muskeln Schluck-EMG

Autonome Reaktion auf Sexreize Lüsternen Menschen Sexbilder zeigen Durchblutung der Genitalien steigt Umfang des männlichen Genitals nimmt zu Penisplethysmografie Messung des Penisumfangs mit einem Dehnungsmeßstreifen (Indium/Gallium in Gummischlauch) Eichung mit Kalibrationszylinder Penisumfangs- vergrößerung [mm] Zeit [min]

Conflicting input 30 Teilnehmer (m.) Reize Reizdarbietung Heterosexuell, keine Paraphilien 3 Tage sexuell enthaltsam 15 Stunden nichts gegessen Reize Landschaftsbilder Sexbilder Essensbilder Reizdarbietung 2 Bildströme: 4 s S1, 4 s S2, ... Mausklick bei jedem neuen Bild Versuchsbedingungen S1 S2 LL: Landschaft Landschaft LE: Landschaft Essen LS: Landschaft Sex ES: Essen Sex Strom 1 (S1) Strom 2 (S2) Bildwechsel  Mausklick

Ergebnisse Versuchsbedingungen S1 S2 LL: Landschaft Landschaft LE: Landschaft Essen LS: Landschaft Sex ES: Essen Sex Ergebnisse unabhängige additive Reaktionen, das autonome Nervensystem hat keine Entscheidung gefällt das kognitive System soll entscheiden Sexeffekt Appetit- effekt einander ausschließende Reaktionen, Entscheidung gefällt durch das Autonome Nervensystem Sexeffekt

Ergebnisse Versuchsbedingungen S1 S2 LL: Landschaft Landschaft LE: Landschaft Essen LS: Landschaft Sex ES: Essen Sex Ergebnisse unabhängige additive Reaktionen, das autonome Nervensystem hat keine Entscheidung gefällt das kognitive System soll entscheiden einander ausschließende Reaktionen, Entscheidung gefällt durch das Autonome Nervensystem

Fazit Sex wins Evolutionär gesehen ist Sex (für Männer) wichtiger als Essen Je nach Grad der Deprivation könnte sich ein anderes Ergebnis einstellen Zwei positive Emotionen (Sex und Appetit) treten früh (bereits im ANS) in Konflikt Sie sollten nicht unter derselben Elementaremotion „Freude“ subsummiert werden. Das Autonome Nervensystem trifft eine Entscheidung Vorbereitung auf nur eine von zwei inkompatiblen Handlungen Das ANS steht im Dienste der Handlungskontrolle

Elementaremotionen Die Erforschung kulturunabhängiger angeborener Grundlagen der Emotion ist legitim Differenzierter als der dimensionale Ansatz Insbesondere bei positiven Emotionen muss noch mehr differenziert werden Elementaremotionen sind nicht die „Urfarben“ (Plutchick u. ä.) aller anderen Emotionen Elementaremotionen beschreiben Emotionen als statisch Emotionen sind dynamische Prozesse Ekel z. B. kann man als „Burst-Emotion“ beschreiben Problem für affektive Sprachdatenbanken (z. B. KASPAR): Es ist schwierig, einen ganzen Satz in der Emotion „Ekel“ zu sprechen

Appraisal-Theorien Appraisal-Theorien (Arnold, Scherer) sind dynamisch Appraisal-Theorien erklären den Prozess, wie ein Stimulus eine Emotion auslöst. Das Appraisal kann unbewusst bleiben und kann sehr schnell und automatisch geschehen Appraisal ist feed forward Stimulus – Appraisal – Emotion – Reaktion Kein Platz für die Body Loop Karikaturen werden als witziger geratet von Teilnehmern, die einen Stift zwischen den Zähnen halten sollen, als von Teilnehmern, die ihn mit den Lippen halten. Strack, Martin & Stepper, 1988

Dynamical systems approach Emotionen sind sowohl Ursache als auch Auswirkung von Appraisals Rekurrente Interaktionen (Rückkopplung, Schleifenbildung) Stabile emotionale Zustände resultieren von einem Wechselspiel von verstärkenden Effekten and negativen Feedback-Schleifen “The basic emotional systems may act as ‘strange attractors’ within widespread neural networks that exert a certain type of ‘neurogravitational’ force on many ongoing activities of the brain, from physiological to cognitive.” (Panksepp, 1998) Lewis, M.D.: Bridging emotion theory and neurobiology through dynamic systems modeling. Behavioral and Brain Sciences 28 (2005) 169–245. Periphere physiologische Erregung ist nur Output des Systems, wird nicht in rekurrente Interaktionen einbezogen.

Somatic Marker Hypothese Wikipedia (Damasio, 1991, 1996) Verhalten (besonders Entscheidungen) wird durch kognitive und emotionale Prozesse gesteuert Emotionale Evaluierung über „Somatic Markers“ Assoziationen von Stimuli und affektivem physiologischem Zustand Verarbeitung im ventromedialen präfrontalen Kortex (VMPFC) Iowa Gambling Task Teilnehmer ziehen eine Karte von einem von vier Stapeln zwei sichere Stapel zwei riskante Stapel regelmäßig kleine Gewinne regelmäßig hohe Gewinne gelegentlich hohe Verluste gelegentlich sehr hohe Verluste Gesunde Teilnehmer zeigen Stressreaktion (Hautleitwertreaktion) wenn sie eine Karte von einem riskanten Stapel ziehen VMPFC-Patienten zeigen keine Stressreaktion und keinen Lerneffekt

The True Theory of Emotions Dynamical Systems Somatic Marker Theory

Systemkritik Kritisch zu sehen sind „Systeme“, die die „ganze Emotion“ erklären Limbisches System ein vollständiger Satz von gleichberechtigten Elementaremotionen komplexere Emotionen werden gemischt Dimensionale Erfassung des emotionalen Raumes Emotionale Vorgänge verwenden elementare Module hierarchische Struktur z. B. Sex-Modul aktiviert übergeordnetes Belohnungssystem keine Mischungen, sondern komplexe Interaktionen Forschung über einzelne Module und über deren Vernetzung tut not Sex Hunger Schmerz Harndrang Gefahr Kälte Furcht Belohnung Freude Gänsehaut Tränen  Mimik 

Furcht Warum konzentriert LeDoux sich auf Furcht? Furcht ist allgegenwärtig keineswegs „erledigt“ mit Überwindung der Raubtiere beim Menschen: intellektuell begründete Existenzängste Furcht ist bedeutend in der Psychopathologie Phobien, Panikstörung, posttraumatische Belastungsstörung Furcht ist bei Mensch und Tier ähnlich Notwendigkeit zum Schutz vor gefährlichen Situation ist universal, Reaktionsmöglichkeiten begrenzt: Rückzug, Regungslosigkeit, (defensive) Aggression, Unterwerfung.

Six degrees of separation Small World Network Verhalten Furchtkonditionierung Neurobiologie Läsionsexperimente Tracer

Furchtkonditionierung unkonditionierter Stimulus (US) Pawlow: Fleisch z. B. Stromstoß (bei Ratten) konditionierter Stimulus (CS) Pawlow: Klingel z. B. Ton konditionierte Reaktion (UR/CR) Pawlow: Speichelbildung Furchtreaktion: Starre, Herzschlag & Blutdruck , Piloreaktion, Streßhormone. Tracer-Experimente, differentielle Furchtkonditionierung

Lernen und Vergessen Die CS-US Koppelung wird schnell gelernt. eine einzige Koppelung kann ausreichen. Sie kann zwar gelöscht werden, wiederholte Darbietung von CS ohne US. aber sie wird nie vergessen. bei weiterer CS-US Koppelung: Ersparnis ohne weitere CS-US Koppelung: spontane Erholung Kontext (Erneuerung) US o.ä. (Wiederherstellung) Relevanz: Stabilität der Phobie Illustrationen von Ersparnis, spontaner Erholung, Erneuerung und Wiederherstellung

Unterschiedliche Gedächtnissysteme deklaratives, explizites Gedächtnis prozedurales, implizites Gedächtnis Gedächtnis an Emotionen emotionales Gedächtnis ein System (Temporallappen, Hippocampus, ...) viele Systeme (LeDoux: Furchtgedächtnis, Amygdala) Claparède, 1911: emotionales Gedächtnis bei einer Amnestikerin Graff, Squire, Mandler, 1984: Erinnerung bei Amnestikern je nach Instruktion

Beteiligte Strukturen Amygdala (Mandelkern), Substrukturen Amygdalaläsion:  keine Furchtkonditionierung (bei Vögeln, Ratten, Kaninchen, Affen, Menschen...) Damasio (1995): Patientin mit Amygdalaläsion konnte Emotionen von Gesichtern ablesen... außer Furcht! allgemein: Basalganglien (emotionale Aktionen) Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) Hippocampus (Kontext) präfrontaler Kortex (Bewertungen,  Sorge, Löschung) ...

Spuren zweier Gedächtnissysteme Infantile Amnesie Hippocampus reift langsam implizites Gedächtnis nicht betroffen Blitzlichterinnerungen Adrenalin verstärkt Erinnerung. Adrenalinblocker hebt emotionalen Gedächtnisvorteil auf.

(möglicher Teil-) Schaltplan der Furcht sensorischer Kortex Hippocampus Reiz Thalamus Amygdala Hypothalamus CRF Noradrenalin Hypophyse Medula Locus caeruleus Synthese von vereinfachten Versionen der Abb. S. 223 und S. 258 Vagus wo angeregt, wohin führt er? NTS? ACTH Vagus Corticoide ANS Nebennieren mark Adrenalin Nebennieren rinde

Was bleibt ... ... sind Gefühle