»Mit einem Bein im Knast?«

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 Präsentation transkript:

»Mit einem Bein im Knast?« Verantwortung einer Führungskraft für die Arbeitssicherheit Dr. Monika Seifert Fachbereich Chemie, Universität Essen

Inhalt Ein Fallbeispiel Verantwortung und Haftung: Begriffliches Aufgaben und Pflichten Garantenstellung Versicherungsschutz für die Führungskraft?

Fallbeispiel: Unfall Objekt Elektrisch betriebener Heißluftfön Problem Kurz vor dem geplanten Einsatz des Heißluftföns in einem Praktikum wird die Netzanschlussleitung beschädigt. Ein weiterer Fön ist nicht vorhanden, regulärer Praktikumsschluß ist in einer halben Stunde. Der Fön wird bei der laufenden Reinigung durch Feststoffdestillation bei der letzten „Stufe“ unbedingt benötigt. »Lösung« Ein Student bietet an, schnell einen neuen Stecker anzuschließen; der betreuende Wissenschaftler stimmt zu Fehler Der Student macht bei der Reparatur einen Anschluss- fehler Unfall Ein anderer Beschäftigter erleidet beim Berühren der Anlage einen elektrischen Stromschlag und verletzt sich

Zwei Fragen nach dem Ereignis • Wer haftet für den entstandenen Schaden? • Wer trägt die Verantwortung für den Unfall?

Haftung Bedeutung des Begriffs: Einstehen müssen für eine Leistung (z. B. Schadensersatz) betrifft: Zivilrecht vgl. § 823 BGB: Pflicht zum Schadensersatz »(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.«

Haftung im Beispielfall Unfall Der Verletzte ist eine über die Landesunfallkasse (LUK) versicherte Person => Leistung aus gesetzlicher Unfallversicherung => kein direkter Schadensersatzanspruch gegen den Verursacher Kostenübernahme durch Heilbehandlung, Rehabilitation, Invaliditätsrente, LUK Hinterbliebenenversorgung Regressmöglichkeit des Schadensersatz durch den Verursacher (bei grober Versicherers Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz)

Verantwortung Bedeutung des Begriffs: Pflicht, für eigene Handlungen (Tun oder Unterlassen) einzustehen und die Folgen zu tragen Rechenschaftspflicht für eigene Entscheidungen (kein Entscheidungsspielraum => keine Verantwortung) betrifft: sämtliche Rechtsbereiche (Zivilrecht, Arbeitsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Strafrecht, ...) vgl. § 8 Abs. 2 BAT: »Der Angestellte ist verpflichtet, den dienstlichen Anordnungen nachzukommen. Beim Vollzug einer dienstlichen Anordnung trifft die Verantwortung denjenigen, der die Anordnung gegeben hat. Der Angestellte hat Anordnungen, deren Ausführung - ihm erkennbar - den Strafgesetzen zuwiderlaufen würde, nicht zu befolgen.«

Schuldhaftes Handeln I »schuldhaft«: vorsätzlich oder fahrlässig Fahrlässigkeit: Außerachtlassen von Sorgfaltspflichten - Zivilrecht: § 276 Abs. 1 BGB: »... Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lässt. ...« Unterscheidung leichte / grobe Fahrlässigkeit Bedeutung Aufteilung der Haftung (z. B. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer)

Schuldhaftes Handeln II Fahrlässigkeit im Strafrecht: Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt verletzt, zu der er - nach den tatsächlichen Umständen des Falles und - nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist und infolgedessen entweder unbewusst - den Unfall nicht voraussieht, den er bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte voraus- sehen können, oder bewusst - den Eintritt des Unfalls zwar für möglich hält, aber darauf vertraut, dass er nicht eintritt.

Voraussetzung für Strafbarkeit Sachlich: • Straftatbestand erfüllt • schuldhaftes Handeln (Tun oder Unterlassen) • fehlende Rechtfertigung (wie z. B. Notwehr, Nothilfe) Persönlich: • Schuldfähigkeit Nicht vorausgesetzt: Detailkenntnis der strafrechtlichen Bestimmungen (»Unwissenheit schützt vor Strafe nicht«) Mögliche Folgen: Geldstrafe, Freiheitsstrafe »vorbestraft«

Aufgaben und Pflichten Arbeitssicherheit und Umweltschutz: • Welche Aufgaben und Pflichten bestehen? • An wen richten sich die Aufgaben und Pflichten? • Wer ist für die Erfüllung zuständig?

Grundpflichten Arbeitssicherheit und Umweltschutz Grundpflichten • ermitteln, welche Vorschriften anzuwenden sind • Gefährdungen ermitteln • prüfen, ob weniger gefährliche Lösungen möglich sind • Schutzmaßnahmen festlegen (Beschäftigte, Umwelt) • Personal auswählen, schulen und unterweisen • erforderliche Mittel bereitstellen • Umsetzung der festgelegten Maßnahmen kontrollieren Dokumentation • Ergebnisse sämtlicher Schritte dokumentieren

Rangfolge der Maßnahmen Gefährdungen vermeiden Stoffe oder Verfahren ändern Gefährdungen verringern Schutzmaßnahmen (technisch, organisatorisch, personenbezogen) Unfallauswirkungen begrenzen Notfallplanung

Akzeptiertes und toleriertes Risiko zulassen Vorgesetzte freiwillig anordnen RISIKO unfreiwillig wagen Beschäftigte hinnehmen im Privatleben im Betrieb

Vorschriften ... ... eine kleine Auswahl: ArbSchG, AMBV, PSA-BV, LasthandhabV, BildscharbV BImSchG, StörfallV GefStoffV, BiostoffV ChemVerbotsV BGV (früher: VBG) ArbStättV, ASR StrlSchV, RöV GSG, DruckBehV, DampfKV, AufzV, VbF GGVS KrW-/AbfG SprengG GÜG BauO, TPrüfVO MuSchG JArbSchG

Adressaten der Aufgaben und Pflichten § 3 Abs.1 BGV A 2: »Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass elektrische Anlagen und Betriebsmittel nur von einer Elektrofachkraft oder unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft den elektrotechnischen Regeln entsprechend errichtet, geändert und instand gehalten werden.« § 3 Abs.1 ArbSchG: »Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes ... zu treffen ...« Wer ist der Arbeitgeber / der Unternehmer? Im Hochschulbereich: Bundesländer, Kultus- und Wissenschaftsminister der Länder, Personen, die in Hochschulen Leitungsaufgaben übernehmen (Kanzler, Rektor, Dekan, Hochschullehrer) ... und wer noch?

Arbeitgeber-/Unternehmer-Zuständigkeit Arbeitgeber-/Unternehmer-Zuständigkeit im Arbeits- und Gesundheitsschutz I § 13 ArbSchG »(1) Verantwortlich für die Erfüllung der ... Pflichten sind neben dem Arbeitgeber 1. sein gesetzlicher Vertreter, 2. das vertretungsberechtigte Organ einer juristischen Person, 3. der vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, 4. Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse, 5. sonstige ... beauftragte Personen im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse.«

Arbeitgeber-/Unternehmer-Zuständigkeit im Arbeits- und Gesundheitsschutz II GUV 19.17 »3.3 Verantwortung haben auch Personen, wenn sie bestimmte Aufgaben im Rahmen ihres Dienst-, Arbeits- bzw. Werkdienstvertrages erfüllen. Dies sind z. B. Lehrbeauftragte, Leiter von Institutswerkstätten, Chemikalien- ausgaben, Servicelabors sowie Beamte und Angestellte des Mittelbaus. » 3.4 Die Hochschulleitung trägt die Organisations- und Kontrollverantwortung für den Vollzug der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Technischen Regeln und Normen für den Umgang mit Gefahrstoffen. Sie hat hochschulintern die organisatorischen und personellen Strukturen für den Vollzug der Vorschriften festzulegen.

Arbeitgeber-/Unternehmer-Zuständigkeit im Arbeits- und Gesundheitsschutz III GUV 19.17 »3.5 Die Leiter müssen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, daß die Bedingungen für das Arbeiten nach den für sie geltenden Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften gegeben sind.

Garantenstellung Bedeutung: Stellung einer Person, die mit besonderen Schutzpflichten gegenüber anderen Personen verbunden ist, insbesondere der Pflicht zum Tätigwerden Grund Garant Gesetz Unternehmer / Arbeitgeber Pflichtenübertragung ausdrücklich beauftragte Person Position bzw. Funktion mit Inhaber der Position / Funktion Entscheidungsbefugnis gefahrenschaffende Verursacher der Gefahr Handlung

Praktische Umsetzung I »Die Pflichten der Arbeitssicherheit - eine Zeitbombe?« »Wie soll ein einzelner Mensch das schaffen?« delegieren Aufgaben und Pflichten an geeignete Personen zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen (z. B. Hochschullehrer => Assistent) andere beteiligen Mitarbeiter in die Erfüllung der Aufgaben einbeziehen (z. B. Grundlagen ermitteln lassen) sich beraten lassen Fachkundige hinzuziehen

Praktische Umsetzung II/Delegieren möglich: Delegation an geeignete Personen sinnvoll: Schriftlich Delegation unter Nennung des Umfangs der ihnen obliegender Aufgaben, die in eigener Verantwortung wahrgenommen werden sollen, sowie Befugnisse nennen: - Befugnisse zur Durchsetzung von Abhilfemaßnahmen (Ressourceneinsatz, Entscheidungskompetenz) - Vorgehensweise (z. B. Antrags-, Hinweis- und Melde- pflichten) prüfen: Sind die mit den Aufgaben Betrauten in der Lage, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgaben- erfüllung zu beachtende Bestimmungen einzuhalten und notwendige Maßnahmen durchzuführen.

Flexibilität contra Arbeitssicherheit? Uni-Betrieb Arbeit unter hohem Zeit- und Kostendruck »kopflastig« (viele Wissenschaftler und Ingenieure, wenige Techniker) wissenschaftliche oft weite Aufgabengebiete, wechselnde Aufgaben Mitarbeiter (theoretische und praktische Arbeiten) Qualifikation für sämtliche praktischen Tätigkeiten? Kenntnis der Schutzvorschriften / Beherrschung sicherer Arbeitstechniken? Anspruch auf Schutz von Leben und Gesundheit (»Fürsorge«) gilt auch im Forschungsbetrieb!

Verantwortung ablehnen Kann eine Führungskraft die Verantwortung ablehnen? Innerer Zusammenhang: Verantwortung ergibt sich zwangsläufig aus Entscheidungsbefugnis => Übernahme der Entscheidungsbefugnis müsste abgelehnt werden! Kann Entscheidungsbefugnis abgelehnt werden? Arbeitsrecht: Frage nach der Zumutbarkeit (Qualifikation nach Ausbildung, Erfahrung, Arbeitsgebiet)

Versicherung der Führungskraft Schadensfolgen: Haftpflichtversicherung (Berufs-/Amtshaftpflicht!) Kosten: Versicherungsprämie Strafrechtliche Folgen: Versicherung im üblichen Sinn nicht möglich Ausweg: • gewissenhaftes Vorgehen • Dokumentation des Vorgehens • Information der Vorgesetzten bei fehlenden eigenen Mitteln => kein schuldhaftes Handeln (Tun oder Unterlassen) => keine strafbare / ordnungswidrige Handlung! Kosten: Zeitaufwand