Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht

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Vorlesung Wirtschaftsprivatrecht 18. Einheit – 06.01.2009 Dr. Fabian Jungk

Grundbegriffe des Sachenrechtes Das Sachenrecht (Drittes Buch, §§ 854 bis 1296 BGB) beschäftigt sich mit Rechtsbeziehungen zwischen Rechtssubjekten (Personen) und Rechtsobjekten (insbesondere Sachen). Diese Rechtsbeziehungen werden dingliche Rechte genannt. /70

Sachenrecht Systematik Fahrnisrecht Liegenschaftsrecht Regelungen über: Dingliche Rechte an beweglichen Sachen Liegenschaftsrecht Regelungen über: Dingliche Rechte an Grundstücken /70

Sachenrecht Ihrem Umfang nach können die dinglichen Rechte umfassend und begrenzt sein, d.h.: Eigentum Umfassende Herrschaftsbefugnis, § 903 BGB Beschränkt dingliche Rechte Begrenzte Herrschaftsbefugnisse /70/2

Sachenrecht II. Abgrenzung zum Schuldrecht Schuldrechtliches Das Schuldrecht befasst sich demgegenüber mit Rechtsbeziehungen zwischen Rechtssubjekten. Wichtige Unterschiede: Dingliches Verfügungsgeschäft (Z. B. Übereignung) - Ausschluss Dritter (vgl. § 903 BGB) - Absolute Wirkung gegenüber jedermann - Typenzwang / n.c. - Erforderliche Verfügungs- befugnis Schuldrechtliches Verpflichtungs-geschäft (Z. B. Kaufvertrag) - Relative Wirkung (zw. den Beteiligten) - Vertragsfreiheit /70/2

Sachenrecht Wichtiger Grundsatz: Aufgrund des Abstraktionsprinzips sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte scharf zu trennen, beide sind voneinander fehlerunabhängig! (z.B.: Übereignung (dingliches Rechtsgeschäft) ist wirksam, auch wenn der Kaufvertrag (schuldrechtl. Rechtsgeschäft) nichtig ist. /70/2

Sachenrecht – Bezugspunkt dinglicher Rechte (1) Dingliche Rechte beziehen sich stets auf konkrete, einzelne Sachen, (Spezialitätsgrundsatz), selbst wenn mehrere Sachen zu einer organisatorischen Sachgesamtheit zusammengefügt sind. Unselbständige Teile e. Sache sind ihre wesentlichen Bestandteile (§ 93 BGB), insbesondere Gebäude und Gebäudeteile bezüglich eines Grundstückes (§ 94 BGB; Ausnahme: Verbindung nur zu vorübergehendem Zweck, so genannter Scheinbestandteil, § 95 BGB). Werden Bestandteile oder Früchte von der Hauptsache getrennt, gelten die §§ 953 bis 957 BGB. /70/3

Sachenrecht – Bezugspunkt dinglicher Rechte (2) Bloßes Zubehör (z. B. Autoradio) ist dagegen eigentumsrechtlich selbständig, § 97 BGB, es gilt aber im Zweifel als mitverkauft (§ 311c BGB) bzw. -übereignet (§ 926 BGB). /70/3

Sachenrecht – Der Besitz (1) Der Besitz stellt die tatsächliche Sachherrschaft (im Gegensatz zum Eigentum als rechtlicher Sach-herrschaft) dar, die mithin auch bei Nichtberechtigten, wie dem Dieb, vorliegt. Arten des Besitzes Unmittelbarer Besitz, § 854 BGB Mittelbarer Besitz, § 868 BGB /71

Sachenrecht – Der Besitz (1) Unmittelbarer Besitz, § 854 BGB Erwerb durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft, §§ 854, 856 BGB • Selbst oder durch Besitzdiener (§ 855 BGB) • auch als Teil- (§ 865 BGB) oder Mitbesitz (§ 866 BGB) • als Fremd- oder Eigenbesitz (§ 872 BGB) Der Besitzerwerb/-verlust ist Realakt, der lediglich einen hinreichenden natürlichen Willen voraussetzt. /71

Sachenrecht – Der Besitz (2) Mittelbarer Besitz, § 868 BGB Der unmittelbare Besitzer (Besitzmittler) vermittelt kraft Besitzmittlungsverhältnis einem Dritten eine Besitzposition: • Rechtsverhältnis gewährt Besitzrecht nur auf Zeit (z. B. Miete). • Besitzmittler will für Dritten besitzen. Auch mehrstufig denkbar, § 871 BGB (z.B. bei Untervermietung); Nicht bei weisungsabhängigem Besitzer im Haushalt oder Erwerbsgeschäft: Besitzdiener, § 855 BGB. /71

Sachenrecht Der Besitz – Rechtsfolgen (1) Rechtsfolgen aus der Besitzer-Position Besitzschutzrechte Selbsthilfe gg. Verbotene Eigenmacht Possessorische Ansprüche (z.B. Herausgabe) Publizitäts- funktion /71/2

Sachenrecht Der Besitz – Rechtsfolgen (2) Besitzschutzrechte I. Selbsthilfe gegen verbotene Eigenmacht, §§ 859, 860 BGB - Besitzwehr und -kehr bei gegenwärtiger Störung oder Entziehung - Auch durch Besitzdiener, § 860 BGB II. Possessorische Ansprüche (Herausgabe, Beseitigung, Unterlassung) §§ 861, 862, 869 BGB • Verbotene Eigenmacht, § 858 Abs. 1 BGB • Fehlerhafter Besitz, § 858 Abs. 2 BGB • Frist, § 864 Abs. 1 BGB /71/2

Sachenrecht Der Besitz – Rechtsfolgen (3) II. Possessorische Ansprüche Auch gegenüber besser Berechtigten, § 863 BGB (Ausnahme: Bessere Berechtigung rechtskräftig festgestellt: § 864 Abs. 2 BGB); Grund: Verhinderung von Selbstjustiz! III. Weitere Ansprüche § 1007 BGB (bösgläubiger neuer Besitzer oder Abhandenkommen, es sei denn jetziger Besitzer ist besser berechtigt, Abs. 3); § 823 Abs. 1 BGB: Besitz als sonstiges Recht /71/2

Sachenrecht Der Besitz – Rechtsfolgen (4) Publizitätsfunktion Eigentumsvermutung für gegenwärtigen unmittelbaren Besitzer, § 1006 BGB (Beweislastumkehr). Anknüpfungspunkt für den Rechtsschein bei gutgläubigem Erwerb, §§ 932 ff BGB. /71/2

Sachenrecht - Das Eigentum (1) Im Gegensatz zum Besitz stellt Eigentum die rechtliche Herrschaft über eine Sache dar. Möglich ist Miteigentum mehrerer Personen gemäß §§ 1008 bis 1011 BGB (gesamthänderisch oder Bruchteilseigentum). /71

Sachenrecht - Das Eigentum (2) Inhalt und Schranken § 903 BGB berechtigt den Eigentümer zur beliebigen Verfahrensweise mit der Sache unter Ausschluss anderer. Schranken: 1. Öffentlich rechtliche Grenzen (z. B. Bau-, Umwelt-, Naturschutzrecht) 2. Entgegenstehende fremde Rechte, insbesondere Nachbarrecht, §§ 905 ff BGB Duldung unwesentlicher oder ortsüblicher Immissionen des Nachbargrundstücks, § 906 BGB 3. Rechtsgeschäftliche Einschränkungen - schuldrechtliche Vereinbarung des Eigentümers mit Dritten (z. B. Mietverträge) - Einräumung beschränkt dinglicher Rechte an Dritte (z. B. Wegerecht). /72

Sachenrecht - Das Eigentum Schutz des Eigentums (1) 1. Herausgabeanspruch, § 985 BGB • Eigentum des Anspruchstellers • Besitz des Anspruchsgegners • Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB 2. Abwehranspruch (Beseitigung und Unterlassung), § 1004 BGB • Beeinträchtigung des Eigentums durch Anspruchs- gegner (Störer) • Rechtswidrigkeit (keine Duldungspflicht, § 1004 Abs. 2 BGB, siehe Schranken) • Für Unterlassungsanspruch: Wiederholungsgefahr, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB /72/2

Sachenrecht - Das Eigentum Schutz des Eigentums (2) 3. §§ 823, 812 BGB: Deliktsrecht, Herausgabe- anspruch 4. § 47 InsO: Aussonderung im Insolvenzverfahren; § 771 ZPO: Widerspruch gegen fremde Zwangs- vollstreckungsmaßnahmen /72

Sachenrecht – Eigentumserwerb (1) Erwerb von Eigentum an beweglichen Sachen Der Erwerb von Eigentum kann aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch Rechtsgeschäft erfolgen. Bei Letzterem sind der Erwerb vom Berechtigten und der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten zu unterscheiden. Kraft Rechtsgeschäft Alt.: Vom Berechtigten Alt.: Vom Nichtberechtigten (nur gutgläubig möglich) Kraft Gesetz /73

Sachenrecht – Eigentumserwerb (2) Erwerb des Eigentums kraft Rechtsgeschäft 1. Alt.: Vom Berechtigten - § 929 Satz 1 BGB - § 929 Satz 2 BGB - § 930 BGB - § 931 BGB 2. Alt.: Vom Nichtberechtigten (nur gutgläubig mögl.) - § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB - § 932 Abs. 1 Satz 2 BGB - § 933 BGB - § 934 BGB /73

Sachenrecht – Eigentumserwerb (3) Erwerb des Eigentums kraft Gesetz - Verbindung/Vermischung, §§ 946 bis 949 BGB - Verarbeitung, § 950 BGB Beachte: Unabhängig von Verfügungsbefugnis oder Abhandenkommen auch durch Nichtberechtigten; Ausgleich gemäß § 951 BGB - Erbfall, § 1922 BGB - Ersitzung, §§ 937 ff BGB - Fund, § 973 BGB - Aneignung, § 958 BGB /73

Sachenrecht – Eigentumserwerb (4) Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb an beweglichen Sachen Zu unterscheiden ist zwischen dem Erwerb vom Berechtigten (§§ 929 – 931 BGB) und dem gutgläubigem Erwerb vom Nichtberechtigten (§§ 932 – 935 BGB). Erwerb vom Berechtigten Der Eigentumserwerb vom Berechtigten hat drei wesentliche Voraussetzungen: Einigung Übergabe Berechtigung /74

Sachenrecht – Eigentumserwerb (5) I. Einigung Vertrag (§§ 145 ff BGB) mit d. Inhalt, dass Eigentum übergehen soll /74

Sachenrecht – Eigentumserwerb (5) II.Übergabe 1. Definition Vollständige Besitzaufgabe und Verschaffung des Besitzes an Erwerber (bzw. dessen Besitzdiener/- mittler), falls der nicht schon besitzt (§ 929 Satz 2 BGB). 2. Übergabesurrogate Die Übergabe kann ersetzt werden, nämlich - § 930 BGB: Besitzkonstitut (Besitzmittlungsverhältnis, kraft dessen Erwerber mittelbarer Besitzer wird, z. B. bei der Sicherungsübereignung), - § 931 BGB: Besitz eines Dritten, Veräußerer nur mittelbarer Besitzer, statt Übergabe Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen Dritten. /74/1/2

Sachenrecht – Eigentumserwerb (6) III. Verfügungsbefugnis Der Veräußerer muss zur Übertragung des Eigentums befugt sein, d. h. - Eigentümer, sofern nicht Einschränkung (z. B. gemäß § 80 InsO!). - Sonstiger Verfügungsbefugter, z. B. Ermächtigter, § 185 BGB, oder Insolvenzverwalter, § 80 InsO /74/2

1. Veräußerung durch Nichtberechtigten Sachenrecht – Eigentumserwerb (7) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten Der Rechtsverkehr darf grundsätzlich vom Besitz auf das Eigentum einer Person schließen (§ 1006 BGB). Daher ist ein Eigentumserwerb des gutgläubigen Erwerbers trotz fehlender Berechtigung des Veräußerers gerechtfertigt, wenn der Eigentümer den Rechtsschein des Besitzes veranlasst hat. Voraussetzungen: 1. Veräußerung durch Nichtberechtigten 2. Guter Glaube 3. Kein Abhandenkommen /74/2

Sachenrecht – Eigentumserwerb (8) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten I. Übereignung gemäß §§ 929 – 931 BGB durch den Nichtberechtigten II. Gutgläubigkeit des Erwerbers 1. Definition, § 932 Abs. 2 BGB - Glaube an das Eigentum des Veräußerers (bei Veräußerungen e. Kaufmannes auch an dessen Verfügungsermächtigung, § 366 HGB) - Keine Kenntnis/grob fahrlässige Unkenntnis vom fehlenden Eigentum 2. Zeitpunkt Bei Abschluss des Erwerbes, d. h. abweichend von den §§ 930 und 931 BGB grundsätzlich bei Übergabe vom Veräußerer an den Erwerber (Ausnahme: § 934 Fall 1 BGB). /74/3

Sachenrecht – Eigentumserwerb (9) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten III. Kein vorheriges Abhandenkommen, § 935 BGB - unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes - beim Eigentümer oder Besitzmittler - keine Geltung bei öffentlicher Versteigerung, Geld oder Inhaberpapieren Rechtsfolgen Der Erwerber wird Eigentümer, Herausgabeansprüche bestehen daher nicht (Ausnahme beim unentgeltlichen Erwerb: § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der frühere Eigentümer kann vom Veräußerer Schadensersatz oder Erlösherausgabe verlangen §§ 823 ff, 816 BGB. /74/3

Sachenrecht Eigentümer–Benutzer–Verhältnis (1) Eigentümer-Benutzer-Verhältnis (EBV) Ist der Besitzer (z. B. als Mieter) dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt, hat er nicht heraus- zugeben (§ 986 BGB). Die Rechte und Pflichten ergeben sich dann aus dem zum Besitz berechtigenden Rechtsverhältnis. Anders liegt dies beim unrechtmäßigen Besitzer. Der Herausgabeanspruch ist nur die Hauptfolge, Die Nebenfolgen (Nutzungsersatz, Schadensersatz und Verwendungsersatz) ergeben sich grundsätzlich unter Ausschluss sonstiger gesetzlicher Schuld- verhältnisse aus den Regeln des EBV (§§ 987 ff BGB). /75

Sachenrecht Eigentümer–Benutzer–Verhältnis (2) Eigentümer-Benutzer-Verhältnis (EBV) Der bösgläubige Besitzer, der wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass er mangels Besitz- berechtigung herausgeben musste, haftet nach diesen Vorschriften verschärft. Ihm wird d. auf Herausgabe bereits verklagte Besitzer gleichgestellt. Der gutgläubige Besitzer, der sich ohne grobe Fahrlässigkeit für berechtigt hält, hat dagegen grundsätzlich nur herauszugeben. /75

Sachenrecht Eigentümer–Benutzer–Verhältnis (3) Eigentümer-Benutzer-Verhältnis: Nutzungsersatz Sind die in der Besitzzeit gezogenen Nutzungen (z. B. Gebrauchsvorteile, § 100 BGB) herauszugeben? - Bösgläubiger oder verklagter Besitzer, §§ 987, 990 - Gutgläubiger Besitzer nur, wenn unentgeltlicher Besitz, §§ 988, 993 BGB. Eigentümer-Benutzer-Verhältnis: Schadensersatz Ist bei schuldhafter Beschädigung oder Untergang der Sache während der Besitzzeit Schadensersatz zu leisten? - Bösgläubiger oder verklagter Besitzer, §§ 989, 990 - Deliktischer Besitzer (ohne Verschulden), §§ 992, 848 - Keine Ersatzpflicht des Gutgläubigen, § 993 BGB. /75/2

Sachenrecht Eigentümer–Benutzer–Verhältnis (4) Eigentümer-Benutzer-Verhältnis: Verwendungsersatz Erhält der Besitzer Wertersatz für die auf die herauszugebende Sache getätigten Verwendungen? - Bösgläubiger oder verklagter Besitzer: nur notwendige Verwendungen, § 994 Abs. 2 BGB - Gutgläubiger Besitzer: notwendige und nützliche (d. Wert erhöhende) Verwendungen, §§ 994, 996 BGB Luxusverwendungen nie; Wegen Verwendungsersatz Zurückbehaltungsrecht, gem. § 1000 BGB /75/2

Fall 45 E ist Eigentümer eines mit einem größeren Gebäude bebauten Grundstückes. In dem Gebäude sind eine Gewerbeeinheit sowie zwei Wohneinheiten eingerichtet. Die Gewerbeeinheit hat E an A vermietet. An der größeren Wohneinheit hat E für seine Schwester B ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt und im Grundbuch eintragen lassen. Die zweite Wohneinheit darf Student C absprachegemäß für einen halbjährigen Studien-aufenthalt in Hamburg als gelegentliche Bleibe kostenlos benutzen. E verkauft und übereignet das Grundstück an den D. Kann D von A, B und C Räumung verlangen?

Fall 45 – Lösung (Sachenrecht, § 985 BGB, Pachtvertrag) I. Anspruch des D gem. § 985 BGB D könnte gegen A, B und C einen Anspruch auf Räumung gem. § 985 BGB haben. Dann müsste D Eigentümer der Gebäudeeinheiten sein. Nach den Angaben des Sachverhaltes ist D Eigentümer des Grundstückes. Das Gebäude ist als wesentlicher Bestandteil des Grundstückes rechtlich Teil des Grundstückes (§§ 93, 94 BGB). Die einzelnen Einheiten des Gebäudes sind daher nur Teile der Gesamtsache. D ist somit Eigentümer der Gebäude- einheiten geworden, da ihm das Grundstück von E wirksam übereignet wurde.

Fall 45 – Lösung (Sachenrecht, § 985 BGB, Pachtvertrag) A, B und C sind jeweils Besitzer der von ihnen benutzten Gebäudeeinheiten. Gemäß § 865 BGB ist Teilbesitz möglich. Grundsätzlich besteht das Eigentum gemäß § 903 BGB schrankenlos, Einschränkungen können sich aber insbesondere aus Rechten Dritter ergeben. Fraglich ist daher allein, ob die Beteiligten gemäß § 986 BGB ein Recht zum Besitz haben.

Fall 45 – Lösung (Sachenrecht, § 985 BGB, Pachtvertrag) 1. Wohnrecht gem. § 1093 BGB Die B könnte ein Recht zum Besitz gem. § 1093 BGB haben. B hat von E als damaligem Eigentümer ein lebenslanges Wohnrecht gemäß § 1093 BGB erhalten. Es handelt sich um ein dingliches Recht am Grundstück, das im Grundbuch eingetragen ist. Dieses gilt daher auch dem späteren Erwerber eines Grundstückes gegenüber ohne Weiteres fort, da dingliche Rechte gegenüber jedermann wirken. B hat gegenüber D ein Recht zum Besitz gem. § 1093 BGB und muss daher nicht räumen.

Fall 45 – Lösung (Sachenrecht, § 985 BGB, Pachtvertrag) 2. Mietvertrag gem. 535 ff. BGB A könnte ein Recht zum Besitz aufgrund seines Mietvertrages haben. Der zwischen E und A geschlossene Mietvertrag ist nur schuldrechtlicher Natur. Schuldverhältnisse wirken grundsätzlich nur zwischen den an ihrer Entstehung beteiligten Personen, hier also E und A. Für Mietverträge an Grundstücken und Räumen haben die §§ 566, 578 BGB aber eine Ausnahme gemacht. Nach dieser Norm tritt D in das Mietverhältnis mit A ein und hat also dessen Verbleib zu dulden. A hat gegenüber D ein Recht zum Besitz gem. §§ 566, 578 BGB und muss daher nicht räumen.

Fall 45 – Lösung (Sachenrecht, § 985 BGB, Pachtvertrag) 3. Leihvertrag gem. 598 ff. BGB Bei dem zwischen E und C geschlossenen Vertrag handelt es sich dagegen um eine Leihe, da eine gelegentliche unentgeltliche Gebrauchsüberlassung vereinbart war. Fraglich ist, ob C ein Recht zum Besitz aufgrund dieses Leihvertrages haben könnte. Der zwischen E und C geschlossene Leihvertrag ist nur schuldrechtlicher Natur. Schuldverhältnisse wirken grundsätzlich nur zwischen den an ihrer Entstehung beteiligten Personen, hier also C und E. Für Leihverträge an Grundstücken und Räumen gibt es im BGB jedoch keine Ausnahme.

Fall 45 – Lösung (Sachenrecht, § 985 BGB, Pachtvertrag) Aufgrund des schuldrechtlichen Charakters des Leihvertrages mit dem ehemaligen Eigentümer E kann C kein Recht zum Besitz gegenüber D geltend machen. C hat die Räume daher an D herauszugeben (zu räumen).

Fall 45a E ist Eigentümer eines Ölgemäldes, welches er für € 5.000,00 veräußern will. Mit Antiquitätenhändler K vereinbart er daher, dass dieser das Bild in seinem Geschäft anbietet und bei erfolgreicher Vermittlung eine Provision von 10 % erhalte. K bietet das Bild seinem Stammkunden A zum Kauf an, dabei verspricht er sich aber und nennt lediglich einen Betrag von € 4.000,00. A ist einverstanden und nimmt das Bild mit. Hinsichtlich des Kaufpreises soll vereinbarungsgemäß eine Verrechnung im Rahmen späterer Geschäfte, die A und K planen, erfolgen.

Fall 45a Bereits kurze Zeit später verliert A den Gefallen an dem Bild und veräußert es deshalb für € 3.000,00 an den Interessenten B. Als der Kaufpreis zwischen A und K verrechnet werden soll, stellt sich der Versprecher des K heraus, weshalb dieser den Vertrag sofort anficht, da E von ihm € 5.000,00 abzüglich der vereinbarten Provision verlangt. Können E bzw. K Herausgabe des Bildes verlangen? Abwandlung: Wie wäre die Lage, wenn A das Bild an B verschenkt hätte?

Fall 45a – Lösung (Sachenrecht, Abstraktionsprinzip) I. Anspruch des E gegen B gem. § 985 BGB E könnte gegen B einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB haben. Dann müsste E weiterhin Eigentümer des Bildes sein. E war ursprünglich Eigentümer, er das Eigentum am Bild auch nicht durch die Kommissionsabrede mit K verloren. Der Verlust des Eigentums könnte aber durch die Übereignung des Bildes von K an A gemäß § 929 Satz 1 BGB eingetreten sein. Laut Sachverhalt haben sich (der im eigenen Namen handelnde) K und A über den Eigentumsübergang am Bild geeinigt, insbesondere war kein Eigentumsvorbehalt vereinbart. Eine Anfechtung dieser dinglichen Einigung ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Fall 45a – Lösung (Sachenrecht, Abstraktionsprinzip) Das Bild ist auch an A übergeben worden. K war ferner verfügungsbefugt. Er war zwar nicht selbst Eigentümer, aber durch den Eigentümer E gemäß § 185 Abs. 1 BGB ermächtigt. Damit ist A Eigentümer des Bildes geworden, der es später an B weiterveräußerte. Ansprüche des E gegen B aus § 985 BGB scheiden somit aus.

Fall 45a – Lösung (Sachenrecht, Abstraktionsprinzip) II. Anspruch des E gegen B gem. § 812 BGB E könnte gegen B einen Herausgabeanspruch gemäß § 812 BGB haben. Dann müsste B das Bildes ohne Rechtsgrund erworben haben. Der zwischen A und B wirksam geschlossene Kaufvertrag ist jedoch ein Rechtsgrund für den Eigentums- und Besitzerwerb des B. Ein Anspruch gegen B gem. § 812 BGB scheidet somit aus. Herausgabeansprüche gegen A scheiden aus, da dieser nicht mehr im Besitze des Bildes ist.

Fall 45a – Lösung (Sachenrecht, Abstraktionsprinzip) III. Anspruch des K gegen A gem. § 812 BGB K könnte gegen A einen Herausgabeanspruch gemäß § 812 BGB haben. Dann müsste A etwas erlangt haben, durch Leistung des A und zwar ohne Rechtsgrund. K, der im eigenen Namen und nicht als Stellvertreter handelte, hatte zunächst mit A einen Kaufvertrag über das Bild geschlossen. K wurde später durch Einigung und Übergabe auch Eigentümer des Bildes. Den Kaufvertrag hatte K jedoch gem. § 119 Abs. 1 BGB Fall 2 angefochten, mit der Konsequenz der Nichtigkeit des Kaufvertrages gem. § 142 BGB.

Fall 45a – Lösung (Sachenrecht, Abstraktionsprinzip) Aufgrund der Nichtigkeit des Kaufvertrages hat A das Bild ohne Rechtsgrund durch Leistung des K erlangt. Die Voraussetzungen des § 812 BGB liegen vor. A ist zur Herausgabe des Erlangten zwar verpflichtet, aber nicht mehr imstande, da er das Bild an B weiter- veräußert hat. Daher ist grundsätzlich der Wert zu ersetzen. Wegen der Weiterveräußerung an B ist A indes über einen Betrag von € 3.000,00 hinaus entreichert. Lediglich diesen Betrag hat er daher an K heraus-zugeben (Anmerkung: Für K wäre es deshalb günstiger, den Kaufvertrag nicht anzufechten und Zahlung des verein- barten Kaufpreises (4.000,- EUR) zu verlangen).

Fall 45a – Lösung (Sachenrecht, Abstraktionsprinzip) I. Anspruch des K gegen B gem. § 822 BGB K könnte gem. § 822 BGB einen Anspruch gegen B auf Herausgabe des Bildes haben. Dann müsste zunächst d. ursprüngliche Bereicherungs- schuldner, der A, infolge der Entreicherung von dem Herausgabeanspruch frei geworden sein. Der vorher gegen A bestehende Herausgabeanspruch ist infolge der unentgeltlichen Weitergabe an B durch Entreicherung ausgeschlossen. K kann daher von B Herausgabe des Bildes gemäß § 822 BGB verlangen.