Pädiatrische Gastroenterologie

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 Präsentation transkript:

Pädiatrische Gastroenterologie • Durchfallserkrankungen im Säuglings- und Kleinkindalter • Pylorushypertrophie • Ileus

Durchfallserkrankungen im Säuglings- und Kleinkindalter

Häufigkeit + Bedeutung  jeder Sgl. hat mindestens 1 x Durchfall  Geschichte: Ende 19. Jhd.: „Cholera infantum“, • Mortalität: 70 – 80 % • Morbidität  durch: bessere Hygiene (Milchhygiene), qual.+quant. bessere Ernährung  Mortalität heute nur noch 1 %  in Entwicklungsländern weiterhin Problem!

Ätiologie 1. Erreger = ex infectione 2.   Ernährungsfehler = ex alimentatione 3.   Vorliegen einer Grunderkrankung = e constitutione

zu 1. Infektionen des Darms  Viren: 80 - 90% Viren: Norwalk-/Noro-Viren 15 % Adenoviren, ECHO-Viren, REO-Viren  Bakterien (5 %): [historisch: E. coli = „Dyspepsie-Coli“ (1. 4 Lb.Monate)] Salmonellen Yersinia enterocolitica, Campylobacter jejuni, Shigellen  Ruhr (E-Ruhr = Sh. sonnei, Flexner-Ruhr)  Parasiten: Lamblien Amöbenruhr nach Auslandsaufenthalt  opportunistische Keime

Rotaviren (Elektronenmikroskopie)

Giardia lamblia (früher Lamblia intestinalis)

zu 2. Ernährungsfehler - zu frühe Gabe von Beikost: Zitrussäfte etc. - unsaubere Nahrungszubereitung - zu rasche Umstellung der Ernährung: „Abstilldyspepsie“

zu 3. Grunderkrankungen - Kuhmilchallergie = Malabsorption + Entzündung - Zoeliakie (ab 6. Monat) = Malabsorption - Mukoviszidose = Maldigestion - Allgemeinerkrankungen

Allgemeine Pathogenese - Prinzipien A) Zerstörung von Epithelzellen, Entzündung der Mukosa  Störung der Darmbarriere Invasion von Bakterien, Toxinen, Antigenen Pfortader Leber  Systemkreislauf  z. B. Niere  z. B. Pyelonephritis

Allgemeine Pathogenese - Prinzipien B) Insuffizienz der Laktase, der Disaccharidasen  Malabsorption von Milchzucker osmotische Diarrhoe zusätzlicher Flüssigkeitsverlust

Allgemeine Pathogenese - Prinzipien C) Sekretion statt Absorption von Wasser + Elektrolyten Flüssigkeitsverlust Elektrolytverlust Hypovolämie Störung der Isotonie/Isoionie Schock in 20 % Hyperosmolarität

Spezielle Pathogenese  3 Gruppen von Pathomechanismen: 1. Enterotoxine  sekretorisch wirkende Enterotoxine (sekretorische Diarrhoe): - Choleratoxin, - E.-coli-Toxin (hitzestabiles, -labiles) - Shigellentoxin  zytotoxische Enterotoxine   2. enteroinvasive Keime: Entzündung (z. T. hämorrhagisch, purulent) 3. enteropathogene Keime: Kolonisierung nach Adhäsion (mittels Pili)

Pathogenetische Folgen 1. Flüssigkeitsverlust = größte Bedeutung!  2. Störung der Isotonie, Isoionie

Störung der Isotonie, Isoionie  durch Dehydratation = „Exsikkose“ 70 % isotone Dehydratation = isonatriämisch (Wasserverlust = Natriumverlust) 20 % hypertone Dehydratation = hypernatriämisch 10 % hypotone Dehydratation = hyponatriämisch (z. B. Cholera)  Hypokaliämie häufig

Gefahren bei Störungen der Isotonie, Isoionie hypertone Dehydratation:    Natriumkonzentration im ZNS-Kompartiment + Bildung von „idiogenic osmols“   Hirnosmolarität  Blutungen  bei zu rascher Infusion von hypotoner Flüssigkeit  Hirnödem hypotone Dehydratation: primäres Entstehen eines Hirnödems

Störung der Isohydrie = Metabolische Azidose! Ursachen: 1. Hungerzustand, fehlende Zufuhr von Energie 2. Hypovolämie 3. Verlust von alkalischen Pankreassäften durch Malabsorption

Ursachen der metabolischen Azidose 1. Hungerzustand, fehlende Zufuhr von Energie + Katabolie (Reserven!)   Lipolyse  Ketonkörperbildung  Ketoazidose

Ursachen der metabolischen Azidose 2. Hypovolämie   Nierendurchblutung  tubuläre Elimination von Säuren  Azidose 

Ursachen der metabolischen Azidose 3. Verlust von alkalischen Pankreassäften durch Malabsorption  Azidose

klinische Symptome - Inappetenz, Mißstimmung, Bauchschmerzen - Erbrechen, evtl. Fieber   Stühle: - erhöhte Stuhlfrequenz - Stuhlkonsistenz: breiig, dünnflüssig bis wässrig  „Spritzstühle“ - Stuhlgeruch: übelriechend-faulig oder muffig-fade (Coli-Geruch), geruchlos bei einigen Viren

klinische Symptome - Stuhlfarbe: mißfarben, schmutzig-grün oder aufgehellt-ocker Ursache für helle Stühle:  Passagegeschwindigkeit +  Chymusvolumen    Gallezumischung pro g Chymus - evtl. Beimengungen: Schleim, Blut - Flüssigkeitshof in Windel mit Stuhlfleckchen in Mitte = oft als Urin mißinterpretiert!!

konsistenzgeminderter, schleimig-blutiger Stuhl

klinische Symptome Nahrungsverweigerung + Wasserverlust:  Gewichtsstillstand (gedeiht nicht)  Gewichtsabnahme:  5 % Gewichtsverlust ( 5 % Wasserverlust) = leichte Dehydratation 5 – 10 % Gewichtsverlust = mittelschwere Dehydratation 10 – 15 % Gewichtsverlust = schwere lebensbedrohliche Toxikose + Bewußtseinstrübung

Zeichen der Exsikkose  Anamnese: Oligurie!! Anurie!!  Inspektion: - halonierte Augen (zurückgesunkene Bulbi) - seltener Lidschlag - blasse, marmorierte Haut, kühle (zyanotische) Akren - trockene Mundschleimhaut (Spatel) - Kußmaulsche Atmung (thorakal!) als Zeichen der metabolischen Azidose   Palpation: - welker Hautturgor, verzögert verstreichende /stehende Bauchhautfalte - eingesunkene Fontanelle

Dehydratation 3. Grades = schwere Exsikkose: stehende Bauchhautfalte

halonierte Augen, seltener Lidschlag, trockene Schleimhäute

Schockzeichen • mattes, teilnahmsloses, benommenes Kind • Zeichen der schweren Exsikkose: - tief in den Höhlen liegende Augen, - seltener Lidschlag mit verlorenem Blick, - Fontanelle eingesunken, - Elastizität der Haut verschwunden • Tachykardie, arterielle Hypotonie • Akren kühl, zyanotisch

Abdomen bei Durchfall - aufgetrieben oder eingesunken - paralytischer Ileus möglich  Sistieren der zuvor häufigen Stuhlentleerungen

Komplikationen - hypovolämischer Schock  sekundäre Niereninsuffizienz - Invaginationsileus - hämorrhagische Colitis - Bakteriämie: Gonarthritis (Yersinien), Sepsis - „Toxikose“ = „Coma dyspepticum“: Somnolenz, klonische Krämpfe, schrilles Schreien, „Fechterstellung“, enge Pupillen, Hyperpyrexie > 40°C („Enzephaloenteritis“: + Hirnödem / Hirnblutungen)

Verlauf Besserung meist innerhalb 4 bis 7 Tagen bei 10 bis 15 % der Kinder Chronifizierung: „postenteritisches Syndrom“ „intractable diarrhea“ = chronische Gedeihstörung • Allergisierung gegen Nahrungsproteine möglich (umstritten)

Dystrophie

Dystrophie, Anämie

Tabaksbeutel-gesäß bei Atrophie

Differentialdiagnosen • hämolytisch-urämisches Syndrom: primäre Niereninsuffizienz durch verozytotoxin-produzierende E. coli • Kuhmilchallergie • Zoeliakie

Diagnostik • Säuren-Basen-Haushalt • Elektrolyte: Natrium, Kalium • Hk: „eingedickt“ • weißes Blutbild • Kreatinin: erhöht? • Urin: Proteinurie, Zylinder (Eindickung), Leukozyturie • Stuhl: Viren + Bakterien Stuhlausstrich  Gramfärbung

Therapie  Die Therapie der Enteritis ist unabhängig vom Erreger Grundprinzip: Rehydratationsphase + Realimentationsphase Therapieziele: Häufigkeit ungünstiger Verläufe reduzierbar durch richtige + rechtzeitige Therapie Abkürzung des Verlaufes durch Therapie möglich

Rehydratation  Ersatz der Flüssigkeits-/ Elektrolytverluste    Frage: Klinikeinweisung ja/nein?

Rehydratation schwere + mittelschwere Erkrankung: = Gewichtsverlust > 5-10 %  parenterale Rehydratation  oder nasogastrale Sonde heftiges Erbrechen  oft hypertone Dehydratation

Rehydratation Therapie der hypertonen Dehydratation: Prinzip: langsamer Ausgleich der hohen Osmolalität im Plasma bei möglichst rascher Auffüllung des Blutvolumens (+ evtl. Pufferung der Azidose) Vorgehen: - physiologische Kochsalzlösung / Vollelektrolytlösung - oder Mischung aus physiologischer NaCl mit Halbelektrolyt- oder Drittellösungen  - Pufferung: nur bei schwerer Azidose (mit Natriumbikarbonat)

Rehydratation leichte Erkrankung = Gewichtsverlust  5 %  orale/enterale Rehydratation mögl. Prinzip: - niedrigosmolare Glukose-Elektrolytlösung - polymere Kohlenhydrate:  Reisschleim oder Möhren-Reisschleimsuppe

Rehydratation

Rehydratation Merke: Bei oraler oder enteraler (Sonde) Rehydratation immer Natrium UND Glukose geben! Grund: Natrium-Glukose-Co-Transport

Übergang Rehydratations-  Realimetationsphase  Rehydratationsphase nicht länger als 6 - 12 Stunden!  - Realimentationsphase rasch anschließen, - Phasen überlappen in d. Regel! - in leichten Fällen Kombination der Phasen

Realimentation  Ernährung der Darmzotten!  Ernährung des Kindes

Realimentation Prinzipien: - Vermeidung osmotisch wirksamer / schlecht absorbierbarer Zucker: Laktose, Fruktose, Saccharose - Gabe von polymeren Kohlenhydraten: Stärke, Maltodextrin - Eiweiße: Proteinverdauung wenig beeinträchtigt, kein Wechsel der Proteinquelle! (Allergisierungsgefahr) - Gabe von Fett möglich (Resorption 60%) - niedrige Osmolalität (wg. geschädigtem Darm-SH-Epithel): Verdünnungsprinzip!C

Traditioneller Nahrungsaufbau bei Enteritis Prinzip: Verdünnen (Osmo) + Präbiotikum (Reis, Möhre) (RS = Reisschleim, SMN = Säuglingsmilchnahrung) Entspricht nicht der Leitlinie, aber Patienten tun dies auch nicht immer!

adjuvante Maßnahmen  Präbiotika/Probiotika: - Reis, Möhre - „Aushungern“ der pathogenen Keime, - Ernährung der physiologischen Darmflora  probiotische Therapie mit Lactobacillus GG: - besonders wirksam bei Rotavirusenteritis - 2-3x tgl. mindestens 109 Keime verabreichen!    Hemmung der überschießenden Sekretion: Enkephalinase-Inhibitor = Racecadotril (Tiorfan®)  Adjuvantien mit unbekanntem Wirkmechanismus: Zink, Smectid („Heilerde“)

nicht mehr generell empfohlen:  Adsorbantien: Carbo medicinalis  Adstringentien: Tannin, Johannisbrot-Kerne