STRAFRECHT BT DIEBSTAHL Art. 139 StGB Prof. Dr. H. Vest Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern
DIEBSTAHL (GRUNDDELIKT) Tatbestandsvoraussetzungen: Objektiv: Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache Subjektiv: Vorsatz Aneignungswille Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern Prof. Dr. H. Vest
OBJ. TB – TATOBJEKT / TATHANDLUNG Fremde, bewegliche Sache vgl. Aneignungsdelikte Wegnahme Gewahrsam: Herrschaftsmöglichkeit und Herrschaftswille Anknüpfung an tatsächlicher Sachlage (faktisches Verfügen-Können) mit normativer Korrektur Prof. Dr. H. Vest
OBJ. TB.: TATHANDLUNG Abgrenzung zwischen strafrechtlichem Gewahrsam und zivilrechtlichem Besitz: – sog. ,Besitzdiener‘ (Boten, Reinigungspersonal) haben keinen zivilrechtl. Besitz, jedoch strafrechtl. Gewahrsam – mittelbare Besitzer haben i.d.R. keinen Gewahrsam – Haben ex lege im Erbschaftsfall Besitz erwerbende Erben Gewahrsam? (str.): - generell (Schubarth/Albrecht, Art. 137 N 61 ff.)? - sofern Erblasser selbst Gewahrsam besessen hatte? (BSK-Niggli/Fiolka, Art. 139 N 6) - m.E. nur, wenn zumind. ein Erbe selbst im krit. Zeitpunkt Gewahrsam hat (z.B. im gl. Haushalt) Prof. Dr. H. Vest
OBJ. TB – HERRSCHAFTSMÖGLICHKEIT Herrschaftsmöglichkeit erfordert das Wissen, wo sich die Sache befindet (und) die Möglichkeit des Zugangs zur Sache – direkte Kontrolle (etwa im öffentlichen Raum) – gelockerter Gewahrsam (Fahrzeuge; kurzes Stehenlassen von Gepäck etc.) – Gewahrsam des Ortes (‚Das Haus verliert nichts‘; kurzes Zurücklassen im Herrschaftsbereich eines Dritten) – Mitgewahrsam und mehrstufiger (d.h. über- und untergeordneter, so z.B. Gewahrsamsdiener) Gewahrsam Prof. Dr. H. Vest
OBJ. TB – HERRSCHAFTSWILLE Fähigkeit der natürlichen Willensbildung, also keine Urteilsfähigkeit erforderlich (Kleinkind, Geisteskranker) Genereller Gewahrsamswille ausreichend Der Herrschaftswille allein kann die fehlende Herrschaftsmöglichkeit nicht ersetzen In dem öffentlichen Gebrauch dienenden Räumlichkeiten entsteht Gewahrsam erst mit Kenntnisnahme durch berechtigte Hausherrin (vgl. Art. 720 Abs. 3 ZGB) Prof. Dr. H. Vest
OBJ. TB. - PHASEN DER TATHANDLUNG Die Tathandlung lässt sich in 2 Phasen unterteilen: 1. Gewahrsamsbruch gg. fremden Willen 2. Begründung neuen Gewahrsams: = Vollendung des Diebstahls Apprehensionstheorie: Ergreifen der Sache Kontrektationstheorie: Berühren der Sache Ablationstheorie: Fortschaffen der Sache Illationstheorie: Bergen der Sache am neuen Verwahrungsort Prof. Dr. H. Vest
SUBJEKTIVER TATBESTAND Vorsatz bezüglich allen objektiven TB-Elementen Aneignungswille (Abgrenzung zur straflosen Gebrauchsanmassung bzw. Sachbeschädigung vgl. Aneignungsdelikte) Dauerhafte Enteignung der Sache vom Eigentümer Vorübergehende Zueignung des Täters Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu berei-chern vgl. Aneignungsdelikte Prof. Dr. H. Vest
QUALIFIZIERTE FÄLLE Gewerbsmässiger Diebstahl StGB 139 Ziff. 2: Elemente der Gewerbsmässigkeit sind: Objektiv: Berufsmässigkeit: Mehrfache Begehung Subjektiv: Absicht, ein Erwerbseinkommen zu erzielen (auch Nebenerwerb) Bereitschaft zur Begehung einer Vielzahl von Taten Rechtsfolge: Freiheitsstrafe bis zu zehn (Ziff. 1: fünf) Jahren oder Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätze Prof. Dr. H. Vest
QUALIFIZIERTE FÄLLE Besondere Gefährlichkeit StGB 139 Ziff. 3 Mitglied einer Bande Schusswaffe oder andere gefährliche Waffe Generalklausel „sonstwie gefährlich“ Rechtsfolge: Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen Prof. Dr. H. Vest
PRIVILEGIERTE FÄLLE Art. 139 Abs. 4: Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen (vgl. Art. 110 Abs. 1, 2) nur auf Antrag Persönliche Beziehung muss zur Zeit der Tat vorhanden sein Geringfügiges Vermögensdelikt (Art. 172ter) nur auf Antrag = Übertretung (Anwendung der Art. 103 - 109 StGB: Versuch und Beihilfe nicht strafbar!) Prof. Dr. H. Vest