III. Themen der Sozialpsychologie (2): Emotionen und Stimmungen

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III. Themen der Sozialpsychologie (2): Emotionen und Stimmungen 1. Grundlagen, Begriffe, Fragestellungen 2. Sozialpsychologische Emotionstheorien 3. Stimmung

1. Grundlagen, Begriffe, Fragestellungen Emotion, appraisal, Gefühl, Stimmung, affect Emotion = "Eine genetische und erworbene motivationale Prädisposition, auf bestimmte interne und externe Zustände mit Gefühlen, physiologischen Veränderungen und Verhalten zu reagieren" (Carlson & Hatfield, 1992).

"Appraisal" (Bewertung) = Kognitive Interpretation und Beurteilung der Bedeutung einer Situation und ihrer Veränderbarkeit in bezug auf eigene Belange, Werte, Ziele. Gefühl = Aspekt der dem Bewusstsein zugänglichen subjektiven Erfahrung. Stimmung: Während Emotionen an ein auslösendes Ereignis gebunden und oft von kurzer Dauer sind, haben Stimmungen ("moods") keinen Objektbezug, sind weniger intensiv und meist länger anhaltend.

Bedeutung von Emotionen u. Stimmungen für SP: "affect" vs. "Affekt": "Affekt" im Deutschen meist eng begrenzt auf extreme Emotionen (z.B. "Tötung im Affekt"); "affect" im Englischen allgemeiner, Oberbegriff für Stimmungen und Emotionen. Bedeutung von Emotionen u. Stimmungen für SP: als Explanandum: sozialpsychologische Theorien der Emotionsentstehung, z.B. Schachter & Singer; Weiner als Explanans: z.B. Aggression u. Hilfeleistung; Forschung zu Stimmungseinflüssen auf soziale Urteilsbildung

Komponenten einer Emotion (Ereignis) (Dessen Wahrnehmung / Bewertung) Physiologische Reaktion Subjektives Gefühl Motorischer Ausdruck (Mimik, Stimme, Gestik) Handlungstendenz

Funktionen von Emotionen Vorbereitung adaptiven Verhaltens (z.B. Weglaufen) Regulierung von Interaktionen Emotionsausdruck erlaubt anderen Rückschlüsse auf Handlungstendenzen Emotionen entkoppeln Reiz und Reaktion, geben Latenzzeit zur Neubewertung des Ereignisses und Folgenabschätzung des Verhaltens Erlauben, Unwichtiges von Wichtigem zu trennen Subjektives Gefühl dient der Reflexion, dadurch kann man den Emotionsprozess regulieren und kontrollieren

2. Sozialpsychologische Emotionstheorien Zweifaktorentheorie (Schachter & Singer, 1962): Kognition und Physiologie als Quellen des subjektiven Erlebens von Emotion Vorläufertheorie: James-Lange-Theorie Alltagsverständnis: erst das Erleben, dann der Ausdruck (z.B.: wir erstarren und reißen die Augen auf, weil wir uns fürchten) James: umgekehrt! (d.h. wir fürchten uns, weil wir erstarren etc.)

Drei Elemente (James, 1890): Wahrnehmung (und Bewertung) einer erregenden Tatsache ist hinreichende Bedingung für körperliche Veränderung. Veränderungen sind emotionsspezifisch und können bewusst erlebt werden. Das bewusste Erleben der körperlichen Veränderung ist die Emotion.

Kritik von Cannon (1927) – 5 Einwände: Autonome Reaktionen sind zu unspezifisch. Autonome Reaktionen sind zu langsam. Die inneren Organe sind relativ unempfindlich. Abtrennung der viszeralen Rückmeldungen vom ZNS führt nicht zum Ende emotionalen Erlebens. Künstliche Herbeiführung typischer viszeraler Veränderungen führt nicht zum Erleben einer entsprechenden Emotion.

Zwei-Faktoren-Theorie von Stanley Schachter Schachter greift Teile der Kritik Cannons auf (s.o. Punkte 1 und 5) Von James übernimmt Schachter die Annahme, dass körperliche Empfindung einen notwendigen Bestandteil von Emotionen bildet Aber: körperliche Empfindung nicht hinreichend für die Entstehung einer Emotion. 2 Faktoren notwendig: Physiologische Erregung (Intensität) Kognition (Qualität)

Worin besteht die kognitive Komponente? Spezielle Kausalattribution: Zuschreibung der Erregung auf eine emotionale Ursache. Keine Emotion entsteht, sofern eine nicht-emotionale Ursache identifiziert wird (z.B. Medikament). In natürlichen Situationen sind beide Faktoren "vollständig miteinander verwoben". Erklärung wird "automatisch" ausgelöst Zur Überprüfung muss "natürliche Verwobenheit" aufgebrochen und eine Situation hergestellt werden, in der ein Erklärungsbedürfnis existiert.

Schlüsseluntersuchung: Schachter & Singer (1962) 3 Faktoren: Erregung: Injektion von Adrenalin vs. Placebo (Cover Story: Angeblich soll Einfluss d. Vitamins "Suproxin" auf die Sehfähigkeit getestet werden.) Erklärungsbedürfnis: Vpn werden über "Nebenwirkungen von Suproxin" richtig informiert, falsch informiert, oder nicht informiert. Emotionale Kognition: Eine "Mitversuchsperson" verhält sich entweder euphorisch oder ärgerlich. Abhängige Variablen: Verhalten Selbst-Ratings der Emotion

gemeinsam haben, unterscheiden sich nicht bei p < .05 ab a b b ab a ab b a a a a a b Einzelvergleiche in rot: Mittelwerte innerhalb einer Zeile, die ein Subskript gemeinsam haben, unterscheiden sich nicht bei p < .05

Bewertung der Ergebnisse: Nur teilweise Bestätigung, deutlicher beim Verhalten als bei den Selbstberichten. Werte in Placebogruppe überraschend hoch. Aber: Viel Nachfolgeforschung ausgelöst, Replikationen nicht immer erfolgreich (s. Überblicksartikel von Reisenzein (1983, Psychological Bulletin)

Ross, Rodin & Zimbardo (1969): Modifikation des Emotionserlebens Beispiele: Ross, Rodin & Zimbardo (1969): Modifikation des Emotionserlebens Vpn erwarten Elektroschock. Lärm als Quelle für Fehlattribution. Verhaltensmaß für Furcht: Wahl einer von zwei Puzzle-Aufgaben (Geld verdienen oder Schock vermeiden). Ergebnis: Bei Fehlattribution der Erregung auf Lärm wurde weniger lange an Puzzles gearbeitet, mit denen man den Schock vermeiden konnte.

Valins (1966): Herstellung von Emotion ohne Erregung These: nicht tatsächliche Erregung von Bedeutung, es genügt der Glaube, erregt zu sein. Also: rein kognitive Theorie. Experiment: männliche Vpn, Bilder aus "Playboy", falsche Rückmeldung der "Herzfrequenz". AVn: Attraktivitätsrating, Bilder mitnehmen (Emotion?) Ergebnis: Bilder, die mit "erhöhter Herzfrequenz" gekoppelt waren, werden präferiert. Vermittelnder Prozess: Selbstpersuasion Effekte sind zeitstabil (Valins, 1966), änderungsresistent (Aufklärung zwecklos; Valins, 1974), kapazitätsabhängig (nur bei langer Betrachtungsdauer; Barefoot & Straub, 1971)

Fazit zu Schachter: Zweifaktorentheorie war sehr anregend für die Forschung, kann jedoch als widerlegt gelten. Gutes Beispiel für theoriegeleitetes Experimentieren Evidenz gegen physiologische Erregung als notwendige Bedingung emotionalen Erlebens. Entsprechend fokussieren neuere Emotionstheorien allein auf die kognitive Interpretation der Situation ("appraisal theories")

Bewertungstheorie (Arnold, 1960; Lazarus, 1966) Wiederholte Neubewertung des Gegenstands Primäre Bewertung: ist das Ereignis angenehm, unangenehm, zieldienlich? Sekundäre Bewertung: ist Person fähig, mit dem Ereignis umzugehen? Bestimmte Bewertungsmuster verursachen bestimmte Emotionen, z.B. Ärger bei unerwartetem unangenehmem Ereignis, das von anderer Person absichtlich herbeigeführt wurde, eigene Bewältigungsmöglichkeiten hoch

Empirische Studien zur Bewertungstheorie Erinnerung an Emotionen, nachträgliches Bewertungsprofil Vignetten in bestimmter Situation, anschließend Einschätzung der wahrscheinlichen emotionalen Reaktion Personen, die gemeinsam ein emotionsauslösendes Ereignis erleben, werden zu Bewertungen und Emotionen befragt (Prüfung, verlorengegangenes Gepäck) Probleme: unabhängige Erfassung von Bewertung und Emotion möglich? Soziale Schemata über angemessene emotionale Reaktion?

Interkulturelle Gemeinsamkeiten Gesichtsausdrücke werden weltweit gut erkannt Wörter für subjektive Gefühle lassen sich in verschiedenen Kulturen in die beiden Dimensionen positiv-negativ und aktiv-passiv einordnen und: Physiologische Spezifität wird zur Zeit untersucht (z.B. höhere Herz- und Atemfrequenz bei Furcht, Blutdruck und Hautleitfähigkeit bei Ärger)

Interaktion der Emotionskomponenten Wenn man eine Komponente verändert, was passiert dann mit den anderen? Zwei konkurrierende Annahmen: Katharsis: Erregung wird durch motorischen Ausdruck abgeführt Propriozeptive Rückmeldung: Emotionsausdruck verstärkt Emotion (Experimente zu facial feedback)

3. Stimmung Beliebter Forschungsgegenstand in SP: vielfältige Einflüsse alltagsrelevant kann im Labor induziert werden Forschungsthemen: Stimmung und … Hilfeverhalten Erinnerung soziale Urteilsbildung Einstellungsänderung Problemlösen

Stimmungskongruenz (Bower, 1981; Isen, 1984): Positive (negative) Stimmung aktiviert positive (negative) Gedächtnisinhalte direkte Effekte auf die Erinnerungsleistung Unterstützende Evidenz aus Studien zu Gedächtnis und Urteilsbildung

Stimmungsbedingte Unterschiede im kognitiven Stil positive Stimmung: eher schemageleitet ("top-down") und heuristisch, aber auch flexibel und kreativ negative Stimmung: eher am Detail orientiert ("bottom-up"), systematisch

Stimmungseinflüsse auf die Verarbeitung einer persuasiven Botschaft Quelle: Bless, Bohner, Schwarz & Strack (1990), Personality and Social Psychology Bulletin

Erklärung: strategische Nutzung von Stimmung als Information positive Stimmung "alles in Ordnung" d.h. man kann sich einerseits auf vereinfachende Routinen verlassen, andererseits gefahrlos Neues ausprobieren negative Stimmung "Situation ist problematisch" d.h. man muss genau aufpassen und Details hinterfragen Je nach Problemstellung ist gute oder schlechte Stimmung förderlich.