Entscheidungstheorie Dr. Susanne Eickemeier Institut für Statistik und Mathematik Fachbereich Wirtschaftswissenschaften J.W. Goethe-Universität Frankfurt WS 2001/2002
Gliederung 1. Eine präskriptive Entscheidungstheorie für die Praxis 2. Einzielentscheidungen mit einem Szenarium 3. Einzielentscheidungen mit mehreren Szenarien Entscheidungen bei Ungewißheit Entscheidungen bei Risiko Entscheidungen bei zusätzlicher Information 4. Entscheidungen bei mehreren Zielen 5. Entscheidungen in Gruppen
Betriebswirtschaftslehre Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftlehre Teilgebiet: Entscheidungstheorie Aufgabe der Entscheidungstheorie Gewinnung von Erkenntnissen über das menschliche Wahlverhalten und Einsatz dieser Informationen zur Lösung konkreter Entscheidungsprobleme Punkt 1: Welches sind die in Literatur und Praxis gängigen Verfahren der Bonitäts-(Bilanz-)Analyse? Welche Vor- und Nachteile weisen die Verfahren auf, besonders im Hinblick auf unseren Ansatz. Punkt 2: Was soll unser System können, und wie wird dies mit Hilfe unseres Ansatzes erreicht? Punkt 3: Kurzer Überblick über den Aufbau Punkt 4: Genaue Darstellung der Inhalte unseres Programms, Beschränkung dabei auf die materielle Jahresabschluß-Analyse Punkt 5: Weitere Punkte, die bereits in unserem System berücksichtigt sind, sowie einige offene Fragen
Entscheidung Akt, bei dem bewußt eine von mehreren Handlungsalternativen zur Erreichung eines Ziels ausgewählt wird. Durch Realisierung der ausgesuchten Alternative wird ein System gezielt von einem gegebenen Zustand in einen erstrebten Zustand transformiert. Unterscheidung in echte und Routine-Entscheidungen
Theoretische und praktische Analyse des Entscheidungsverhaltens Präskriptive (normative) Entscheidungstheorie: Vorgabe: Wie soll ein Entscheidungs- träger entscheiden? „Zauberwort“: RATIONAL! Deskriptive (empirische) Entscheidungstheorie: Bestandsaufnahme: Wie entscheiden Entscheidungs- träger tatsächlich?
Homo Oeconomicus Präskriptive Entscheidungstheorie Entscheidungsverhalten soll sich an rational handelndem Entscheider orientieren Homo Oeconomicus - unbegrenzte Rechenkapazität - unbegrenzte Informationskapazität - widerspruchsfreies Zielsystem - Streben nach optimalen Zielerreichungsgrad
Deskriptive Entscheidungstheorie Ausgehend von der empirischen Beobachtung soll ein Zusammenhang zwischen den beobachteten Entscheidungen und der vorliegenden Entscheidungssituation gefunden werden.
Verhaltenstheorie von Unternehmen nach Cyert und March Konzept der Beschränkten Rationalität (Herbert A. Simon 1945, 1955, 1957, 1960) These 1: Im allgemeinen werden keine optimalen Entscheidungen getroffen, sondern der Entscheidungsträger begnügt sich mit zufriedenstellenden Lösungen. These 2: Alternativen und Konsequenzen sind im allgemeinen nicht a priori bekannt, sondern müssen mittels eines Suchprozesses gefunden werden. Verhaltenstheorie von Unternehmen nach Cyert und March (behavioral theory of the firm) 1963: - adaptives Pröblemlösungsverhalten - „Strategie der kleinen Schritte“
benötigt aber Entscheidungsunterstützung bei Alternativenauswahl Praxis ignoriert Konzepte der normativen Entscheidungstheorie wegen realitätsfremden Annahmen benötigt aber Entscheidungsunterstützung bei Alternativenauswahl Ausweg Stärkere Berücksichtigung beschränkt rationalen Verhaltens von Entscheidungsträgern Satisfizierungsansätze!! Integration eines adaptiven Problemlösungsprozesses interaktive, schrittweise Vorgehensweise bei der Informationsaufnahme:
Fuzzy Sets, Fuzzy-Modelle nur größenordnungsmäßig bekannte Modellparameter nicht künstlich verschärfen (keine Mittelwerte!) Parameter entsprechend dem Informationsstand modellieren Fuzzy Sets, Fuzzy-Modelle Modelllösung bestimmen bei Bedarf zielgerichtet weitere Informationen unter Kosten-/ Nutzenabwägungen aufnehmen, um Modelllösung zu verbessern - bei Bedarf - zielgerichtet - Kosten/Nutzen
Aufbau eines Entscheidungsmodells Sachgerechte Auswahl in komplexer Entscheidungssituation Abbildung des in der Realität vorliegenden Entscheidungsproblems (Realproblem) in ein Entscheidungsmodell Modell: - vereinfachte, - aber strukturgleiche - zweckorientierte Abbildung des realen Sachverhaltes
Modellkonzept Realmodell Realproblem selektive und subjektive Wahrnehmung des realen Entscheidungs-problems Modellkonzept Strukturierung des Entscheidungsfeldes und des Zielsystems - Aktionenraum A - Zustandsraum S - Ergebnisfunktion g - Zielsystem (Zielgrößen, Präferenzvorstellungen) Spezifizierung von Relationen, stochastischen Verteilungen und Zugehörigkeitsfunktionen Quantifizierung der Daten Realmodell Operables Modell / Reduktion auf operables Modell Überprüfung der Lösung am Realproblem (Gültigkeit der Annahmen?!)
Inputdaten nicht notwendigerweise deterministisch Problem: Inputdaten nicht notwendigerweise deterministisch Datenkategorien in Abhängigkeit des Informationsstandes des Entscheiders: Exakte/deterministische Daten Technische Anwendungen mit viel Erfahrung und Information Stochastische Daten (unbegründetet) Mittelwerte Gefahr der Fehlmodellierung?! Fuzzy-Daten zweistufiges Vorgehen: - Modellierung des aktuellen Wissensstandes + „einfache“ Infos Reduzierung der Alternativenmenge - Infoaufnahme unter Kosten-/Nutzenabwägungen Rangordnung bzw. Alternativenauswahl
Höhenpräferenzrelation Ziele: Richtlinien bzw. Orientierungsgrößen der unternehmerischen Aktivitäten bezüglich zukünftig angestrebter Zustände; Ziele sind nach Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug zu operationalisieren. Zielsuche operationale Ziele Formulierung der Präferenzvorstellungen bezüglich unterschied- licher Ergebnismerkmale Höhenpräferenzrelation Artenpräferenzrelation Zeitpräferenzrelation Zielbeziehungstypen Indifferenz, Komplementarität, Konkurrenz Unternehmerisches Zielsystem in Form einer Zielhierarchie
Zwang eine der betrachteten Alternativen zu ergreifen Alternativenentscheidung Aktionsraum A = {a1, ...., am} Prinzip der vollkommenen Alternativenstellung Zwang eine der betrachteten Alternativen zu ergreifen Realisierungsmöglichkeit nur einer einzigen Alternative < 1.1 > Anlage von 20.000 € I. Anlage auf einem Sparbuch zu 3% p.a., Betrag beliebig; II. Erwerb 1 Beteiligung am Unternehmen U, Beteiligungsbetrag 18.000 €; III. Erwerb festverzinslicher Papiere des Staates S, Stückelung zu 10.000 €; IV. Erwerb 1 Beteiligung am Unternehmen V, Beteiligungsbetrag 10.000 Anlagealternativen a1: Sparkonto 20.000 € a2: Beteiligung U 18.000 € und Sparkonto 2.000 € a3: festverzinsliche Wertpapiere 20.000 € a4: festverzinsliche Wertpapiere 10.000 € und Sparkonto 10.000 € a5: festverzinsliche Wertpapiere 10.000 € und Beteiligung V 10.000 € a6: Beteiligung V 10.000 € und Sparkonto 10.000 €
optimale Alternative a* A mit Bewertung der Alternativen Auswahlproblem !! Zusammenfassung der Einzelbewertungen zu einem für die Alternative charakteristischen Präferenzwert : A R mit ai optimale Alternative a* A mit
spezielle Präferenzfunktionen Nutzenfunktion Ergebnisfunktion Nutzenfunktion Anforderungen an Präferenzrelation: - Ordnungsaxiom - Transitivätsaxiom Schadensfunktion/Opportunitätskostenfunktion xi Minimierung! Opportunitätskostenfunktion
IQ IQ IQ IQ IQ IQ ... es gibt auch (einleuchtende!?) Verstöße gegen das Transitivitätsaxiom! Kenneth O. May (1954): hypothetische Heiratspartner Annie 1 Mio. € IQ Jamie 500.000 € IQ Mandy 0 € IQ rich, good looking, and fairly intelligent well off, plain looking, and very intelligent poor, very good looking, and intelligent Bernie 1 Mio. € IQ James 500.000 € IQ Mark 0 € IQ poor, good looking, and very intelligent rich, plain looking, and intelligent well off, very good looking, and fairly intelligent
Umweltzustand: denkbare Konstellationen der in einer bestimmten Situation relevanten Umweltfaktoren Zustandsraum S = {s1, s2,..., sn} je nach Kenntnisstand des wahren Umweltzustandes - Sicherheitssituation - Ungewißheitssituation - Risikosituation Klassifikation von Entscheidungsmodellen A. Anzahl der Personen A.1 Der Entscheidungsträger ist ein Individuum. A.2 Der Entscheidungsträger ist ein Gremium. (Gruppenentscheidungstheorie) A.3 Anstelle des fiktiven Gegenspielers "Umwelt” ist der Entscheider mit einem oder mehreren rational handelnden Gegenspielern konfrontiert. (Spieltheorie)
B. Anzahl der Ziele B.1 Modelle mit einer Zielsetzung B.2 Modelle mit mehreren Zielsetzungen C. Informationsstand des Entscheidungsträgers über den wahren Umweltzustand C.1 Sicherheitssituation (deterministische Entscheidungsmodelle) C.2 Risikosituation mit Wahrscheinlichkeiten (stochastische Entscheidungsmodelle) C.3 Ungewißheitssituation C.4 Risikosituation mit Fuzzy-Wahrscheinlichkeiten C.5 Risikosituation mit Possibility-Verteilung D. Informationsstand des Entscheidungsträgers über die Konse- quenzen D.1 Reelle Zahlen oder Zahlentupel (Deterministische Ergebnisse) D.2 Wahrscheinlichkeitsverteilung über RK (Stochastische Ergebnisse) D.3 Fuzzy-Größen über RK (Fuzzy-Ergebnisse)
E. Einstufige bzw. mehrstufige Entscheidungsmodelle E.1 Einstufige oder statische Entscheidungsmodelle E.2 Mehrstufige oder dynamische Entscheidungsmodelle