Grundlagen der Internationalen Beziehungen

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Grundlagen der Internationalen Beziehungen Vorlesung Philipp Pattberg Vertretung von Prof Wolf Professor für IB an der VU Amsterdam und Forscher am IVM Ziel der Vorlesung: Überblick über Gegenstandsbereich, Zugänge und Theorien, und Kernprobleme/Sachbereiche der IB Begleitend zur den BA Seminaren/Klausur am 17. Juli 2007

Überblick Welche praktische Relevanz hat das Studium der „IB“? Besonderheiten der internationalen Politik als Gegenstand der Politikwissenschaft Welche Problemstellungen und Fragen treiben die Teildisziplin IB um? Wodurch ist die wissenschaftliche Analyse gekennzeichnet?

Warum IB studieren? Globale Probleme – nationale Lösungen? (z.B. Nichtverbreitungsregime; Klimawandel) Interdependenz: Denationalisierung, Entgrenzung und Verflechtung Aussenpolitik (Irak, Afghanistan) Von der ungezügelten zur entwerteten Souveränität (Schimmelfennig) Zu Beginn möchte ich mich kurz der Frage der praktischen Relevanz des Studiums der IB zuwenden. Internationale Beziehungen als Gegenstand des Faches Internationale Beziehungen geniessen zunehmende Sichtbarkeit und Dringlichkeit. Denken Sie Z.B and globale Probleme, zunehmende Denationalisierung und damit verbundene gesteigerte Interdependenz, die Auswirkungen unilateraler Akte (Aussenpolitik) sowie die fortgeschrittene Transformation der internationalen Beziehungen von Internationaler Politik zu Global Governance. Bewusste Gestaltung/Veränderung ist nur auf Grundlage robuster Kenntnisse und Funktionszusammenhänge möglich.

Internationale Politik als Gegenstand der Politikwissenschaft Was gehört zum Gegenstandsbereich und was nicht? Worin unterscheidet sich grenzüberschreitendes Regieren vom Regieren innerhalb eines Staates? Zwei Punkte zur Abgrenzung des Gegenstandsbereiches.

Was zählt zur IB? Deutsche Energiepolitik UN Menschenrechtskonferenz G20 Finanzgipfel und zivilgesellschaftlicher Protest Start einer Nordkoreanischen Rakete Weltforstrat (FSC) Folgende Beispiele sollen die Schwierigkeit aber auch Notwendigkeit erläutern, den Begriff7gegenstand IB zu erfassen und von anderen Konzepten und Forschungsgegenständen abzugrenzen Deutsche Energiepolitik erscheint national: stark eingebunden in die supranationale Struktur der EU sowie funktional verbunden mit internationalen Regelungen (z.B. Klimaschutz) UN Menschenrechtskonferenz in Genf: UN als internationale Organisation, Staaten als Akteure (Boykott) G20 Finanzgipfel in London: informelle Organisation (Club) mit Thema globale Wirtschafts- und Finanzkrise (Themenbereich kann im Bereich der Int Bez liegen/Bad bank Plan der BR nicht Thema int Politik Start einer ballistische Rakete durch Nordkorea als auusenpolitischer Akt mit Weltpolitischer Bedeutung FSC: private Politik als Gegenstand der IB?

Worin unterscheiden sich Innenpolitik und Außenpolitik? Wirkungsrichtung: nationalisierend vs. Internationalisierend Legitimitätsgrundlagen: autoritative vs. Nicht-autoritative Normsetzung Politikstil: hierarchisch verordnend vs. horizontal steuernd (Verfassung/Mehrheitsentscheidung vs. Vertrag/ Bargaining/Arguing) Differenzierungsprinzip: territorial vs.funktional

Ordungsprinzipien im internationalen System ANARCHIE H I E R A C Staat Staat Macht Horizontale Koordination Kurz gesagt, internationale Politik ist Politik unter den Bedingungen der Anarchie Anarchie ist das Ordnungsprinzip welches int. Beziehungen strukturiert Waltz: keiner von ihnen (den Staaten) ist berechtigt zu befehlen, keiner verpflichtet zu gehorchen“ Was die int. Politik von der nationalen Politik unterscheidet ist letztendlich die Notwendigkeit zur horizontalen Kooperation durch das Medium Macht (was Macht ist und wie man sie misst ist eine der anhaltenden Kontroversen des Fachs IB) Staaten verfügen über zwei Arten von Souveränität: interne und externe Interne: territoriales Herrschafts- und Gewaltmonopol Externe: fehlendes Gewaltmonopol überhalb des Staates (Weltstaat) Das int System ist Westpfälisch, d.h. gleichberechtigt souverän nach innen und aussen (allerdings empirisch stark differenziert) Das Int System als Anarchie ist eine idealtypische Ordnungsform, andere sind denkbar: Reiche (Rom), mittelalterliche Ordnung (persönliche Bindungen, funktional differenziert (Kirche und Kaiser) Aber, das heute bestehende Int System hat auch seine empirischen Ausreisser: failed states, horizontale Koordination im Staat (Markt), Verregelung des Systems (WTO): im Schatten der Anarchie (jederzeit kündbar) Historisch: Übergang von Einzelstaaten zum Staatenbund und Bundesstaat (USA, Schweiz) Gesellschaft Gesellschaft

Welche Fragen treiben die „IB“ um? Welche grenzüberschreitenden Konflikte und Daseinsgefährdungen interessieren uns? Was sind deren Ursachen? Welches sind die Voraussetzungen für friedliche Konfliktbearbeitung, effektive Problemlösung und legitimes Regieren jenseits des Staates? Fragen: Beschreibung/Klassifikation: Welches sind die relevanten Akteure und welche Bedeutung haben sie? Wie wird man Akteur? Wie verhalten sie sich und welche Ressourcen (vor allem Macht) stehen ihnen zur Verfügung? Welche Verhaltensmuster lassen sich erkennen (Kooperation, Konflikt aber auch welche Konfliktformationen)? Welche Systemstrukturen lassen sich erkennen (Unipolar, Multipolar, Bipolar) Konflikte und Allianzen? Erklärungen: Warum sind manche internationale Politiken erfolgreicher als andere? Kann man das Konfliktpotential/Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen bestimmten Akteure vorhersagen? Normativ: Was sind Merkmale einer gerechten Weltordnung? Welche Mittel sind zu ihrer Erreichung angemessen?

Was kennzeichnet die wissenschaftliche Analyse dieser Fragen? Erkenntnismöglichkeiten: Gibt es allgemeine Gesetzmäßigkeiten? Modellbildung und (Politik-) wissenschaftliche Weltbilder Erklärungsarten und -ansätze Theorieschulen und deren Erklärungsangebote Mehr dazu nächste Vorlesung, aber kurz: IB als Teil der Politikwissenschaft trachtet nach verallgemeinerbaren Aussagen und nicht nach Einzelfällen (Geschichtswissenschaft) Verallgeminerung anhand von Fällen: Gegenstand oder Prozess x hat bestimmte Charakteristika, y auch. X und y sind Fälle von Z. Für alle z gilt, unter den Bedingungen A geschieht B (immer, oft, nie). Modelle helfen die Realität zur vereinfachen. Int System ist ein Modell Erklären oder verstehen. Vorrausagen oder normativ vorschreiben Dabei helfen uns die Theorien der IB (im Plural) Hier nur eine Auswahl als Einstieg

Die Vorlesung im Überblick I Methoden; IB-Theorie Schulen, ihre Entwicklung, Grundannahmen und Erklärungsangebote Realismus und Institutionalismus Idealismus, Konstruktivismus und Kritische Theorie

Die Vorlesung im Überblick II Aussenpolitikanalyse Problemfeld Sicherheit: Krieg und Frieden Problemfeld Wohlfahrt: Handel und Umwelt Problemfeld Herrschaft: Demokratisierung und Menschenrechte Global Governance: von der internationalen zur transnationalen Politik I und II Schlussbetrachtungen (Klausur am 16.7.) Klausur am 17. Juli PAUSE

transnationale Politik/ Begriffsfeld Innenpolitik Außenpolitik Internationale Beziehungen internationale Beziehungen internationale Politik Wie definieren wir den Gegenstandsbereich der Disziplin? IB als Oberbegriff, der int. Politik, transnationale Politik und Aussenpolitik einschliesst Begriffe: International (intergouvernemental) oder regierungsamtlich (also auch die Verwaltungen und Behörden) Transnational über Grenzen, mind ein Nichtstaatlicher Akteur Supranational: Hierarchie oberhalb des Staates Aussenpolitik als zielgerichtete Handlungen eines Staates das int System betreffend internationales System transnationale Politik/ Beziehungen

Was ist Politik? Politik ist die Wertezuteilung, die verbindlich durch das politische System und de facto zwingend durch große gesellschaftliche Akteure auf den Gebieten Sicherheit, Wohlfahrt und Herrschaft vorgenommen wird. (Ernst-Otto Czempiel) Nähern wir uns langsam an: Politik (verbindliche Wertezuteilungen: Geld, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit)

Internationale Politik ist die Summe aller gesellschaftlich relevanten Handlungszusammenhänge, die einen Bezug aufweisen zur verbindlichen Werteverteilung und Normsetzung in der internationalen Umwelt. Verbindlich nicht gleich legal/gesetzlich, sondern allgemeiner als sozial anerkannt (von vielen, unter bestimmten Bedingungen etc)

Öffentliche und private Akteure institutionalisieren grenzüberschreitende Handlungszusammenhänge Internationale Organisationen (IGO) Regierung A Regierung B Land A Land B Transnationale Wirtschaftsunternehmen Trend der Entgrenzung: Transnatioanlisierung Modell der transnationalen Beziehungen Gesellschaft Gesellschaft Transnationale nichtstaatliche Organisationen (NGO)

Entterritorialisierung Entgrenzung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Interaktions- und Wirkungsräume grenzüberschreitende Handlungszusammenhänge lösen sich von ihrer Ortsgebundenheit Entterritorialisierung territoriale Reorganisation Funktionalitätsprinzip Globale Risiken/Globaler Wandel Entgrenzung: EU/ Städtenetzwerke Entflechtung nationaler Grenzfunktionen

Entgrenzung Autonomieverlust Verlust an Problem- lösungsfähigkeit internationale Kooperation Generell: Entgrenzung als Triebkraft der Transformation von IP nach Global Governance (Regieren jenseits des Staates, mit, aber nicht auschliesslich mit dem Staat, ohne Staat)

Legitimität als Kriterium für das Regieren jenseits des Staates Frieden: Legitimität durch ethische Normerfüllung (Gewaltverbot) Effektivität: Output-Legitimität durch effektive Problemlösung Demokratie: Input-Legitimität durch gesellschaftliche Partizipation Wie können wir diese Trends bewerten?

Zusammenfassung IB als Disziplin und Gegenstand Praktische Relevanz: Internationalisierung und Globalisierung Internationale Politik: Anarchieproblematik Theorien als „Brille“ Kernherausforderungen: Sicherheit, Wohlfahrt und Herrschaft Trend: von der internationalen Politik zur Global Governance Worum ging es? Was kommt nächste Woche? Tips: Lesen, Lesen, Lesen