PowerPoint-Folien zur 5. Vorlesung „Bionik I“ Ingo Rechenberg PowerPoint-Folien zur 5. Vorlesung „Bionik I“ Widerstandsverminderung in der Natur Wie schnelle Wassertiere Energie sparen
1. Grenzschicht-Laminarhaltung durch Thunfisch- / Pinguin-Form Fünf Methoden der Widerstandsverminderung 1. Grenzschicht-Laminarhaltung durch Thunfisch- / Pinguin-Form 2. Laminare Grenzschichtwellendämpfung durch Delfinhaut 3. Turbulenzdämpfung durch polymeren Barrakuda-Schleim 4. Glättung wandnaher Schlingerbewegungen durch Haifisch-Rillen 5. Mikroblasen-Einhüllung durch Luftejektion aus dem Pinguin-Kleid
Widerstand in Reinstform a) Druck- oder Formwiderstand Wirbel !!! nicht Turbulenz a) Druck- oder Formwiderstand Durch Stromlinienform reduzierbar b) Reibungswiderstand Das Problem ist der Reibungswiderstand
Theorie – Reibungswiderstand Für den Reibungswiderstand gelten die Formeln: n wasser = 1·10-6 m2/s n luft = 15·10-6 m2/s Kinematische Zähigkeit Theorie – Reibungswiderstand
Diese Platte hat den größeren Strömungswiderstand 1 2 Diese Platte hat den größeren Strömungswiderstand
Reibungsbeiwert cf an einer längs angeströmten ebenen Platte Log-Skala ! U-Punkt
Reibungsbeiwert cf an einer längs angeströmten ebenen Platte Log-Skala ! U-Punkt
Entdeckung von Osborne Reynolds (1883) Rohrströmung laminar turbulent Kinematische Viskosität:
Phänomen: Umschlag laminar/turbulent 6 ·d TS-Wellen Tollmien-Schlichting-Wellen Grenzschichtdicke d Instabilitätspunkt Re = 1,1·105 Umschlagpunkt Re = 3·106 Schwingendes Band (Störung) REYNOLDSzahl: Hitzdrahtanemometer Phänomen: Umschlag laminar/turbulent
Große Reibung Kleine Reibung turbulent laminar
1. Laminarhaltung durch Beschleunigung der Grenzschicht Widerstandsverminderung in der Natur 1. Laminarhaltung durch Beschleunigung der Grenzschicht
Eine beschleunigte Strömung wirkt stabilisierend Die Theorie zeigt; Ein bauchiges Geschwin- digkeitsprofil stabilisiert die laminare Grenzschicht Eine beschleunigte Strömung wirkt stabilisierend
Thunfisch-Form
Pinguin-Form
Rumpfkörper in Biologie und Technik Beschleunigte Strömung Thunfisch Geschwindigkeitsverteilung Pinguin Laminarspindel Theorie Delfin Rumpfkörper in Biologie und Technik
Evolutionsstrategisch optimierte Luftschiffkörper Facht Schwingung an ~v 2 ~v Dämpft Schwingung Evolutionsstrategisch optimierte Luftschiffkörper T. Lutz, Stuttgart
2. Laminarhaltung durch Dämpfung der TS-Wellen Widerstandsverminderung in der Natur 2. Laminarhaltung durch Dämpfung der TS-Wellen
Delfin-Haut
M. O. Kramer: Widerstandsverminderung mittels künstlicher Delphinhaut. Literatur: M. O. Kramer: Widerstandsverminderung mittels künstlicher Delphinhaut. Jahrbuch der WGLR 1969. Vieweg-Verlag, Braunschweig 1970.
Delfine überholen Ozeandampfer
Graysches Paradoxon: Das Graysche Paradoxon ist ein Strömungseffekt, der bei schnellen Walen, etwa den Delfinen auftritt. Der Körper vor allem dieser Arten verfügt in der Realität über weit bessere Strömungseigenschaften, als diese bei einem technischen Körper mit der gleichen Form der Fall ist. Die Namensgebung geht auf den britischen Zoologen James Gray zurück, er hatte festgestellt, die Muskulatur dieser Meerestiere sei nicht kraftvoll genug, um die beobachteten Schwimmgeschwindig-keiten von zehn Meter pro Sekunde gegen den Widerstand des Wassers aufrecht zu erhalten. Das Graysche Paradoxon gilt heute nicht mehr. Steht ein Delfin aufrecht auf seiner Flosse über der Wasseroberfläche, ist die Kraft mit bis zu 1800 Newton sogar bis zu 20 mal höher, als lange angenommen.
Aufbau einer Delfinhaut (nach M. O. KRAMER) a: 0,2 mm glatter Film b: 0,5 mm gummiartig c: 0,5 mm f lüssig / filzig d: ledrig Interpretation der Hautschichten: Film für glatte Oberfläche b) Elastische Membran c) Flüssigkeits-Dämpfung d) Schutzhaut Aufbau einer Delfinhaut (nach M. O. KRAMER)
Technische Nachbildung der Delfinhaut M. O. Kramer Technische Nachbildung der Delfinhaut
Reibungswiderstand – künstliche Delfinhaut Bester Messwert von M. O. KRAMER für eine Federsteifigkeit der Haut von 220 N/cm2 c f = 0,003 Re = 1,5·107 Kramer-Punkt Reibungswiderstand – künstliche Delfinhaut
Aktiv nachgiebige Wand Versuche zum Delfinhauteffekt am Institut für Luft- und Raumfahrt an der TU Berlin (Prof. W. Nitsche) Aktiv nachgiebige Wand Bei den Experimenten soll die Verzögerung des Umschlages durch Dämpfung der Tollmien-Schlichting-Instabilitäten (TS-Wellen) mittels aktiv geregelter Gegenwellen erreicht werden. Die natürlichen Störungen werden dabei durch einen Referenzsensor erfasst und stromab mit einer daraus berechneten Gegenwelle überlagert, so dass am Fehlersensor hinter dem Aktuator nur noch minimale Störungen verbleiben.
Aktive Erzeugung einer Gegenwelle? Ergebnis: Messung der TS-Welle und aktive Erzeugung einer gegenläufigen Wandwelle am Aktuator-Feld dämpft die TS-Welle! Siehe Antilärm-Kopfhörer Aktive Erzeugung einer Gegenwelle?
Isotrope Wand: Form der Nachgiebigkeit unabhängig von der Strömungsrichtung Isotrope nachgiebige Wand Passiv nachgiebige Wand Anisotrope Wand: Form der Nachgiebigkeit ändert sich mit der Strömungsrichtung Wirkprinzip einer anisotropen Wand Die anisotrope Nachgiebigkeit der Wand soll eine bessere passive Dämpfung von TS-Wellen ermöglichen transversal longitudinal Schnitt durch eine Delfinhaut (Foto V. Pavlov)
Zum Delfinhaut-Effekt Pendel Viskoelastische Flüssigkeit Zum Delfinhaut-Effekt Gedankenexperiment zur passiven Schwingungsdämpfung
3. Turbulenzdämpfung durch Fädchenmoleküle (Fischschleim) Widerstandsverminderung in der Natur 3. Turbulenzdämpfung durch Fädchenmoleküle (Fischschleim)
Fischleim zur Wirbeldämpfung
W. M. Rosen and N. E. Cornford (1971) Reibungsmessungen in einer turbulenten Rohrströmung mit Fischschleim angereichertem Wasser W. M. Rosen and N. E. Cornford (1971) 11,5 ppm Festsubstanz Barrakudaschleimwasser ergibt 62,5 % Widerstandsverminderung
Fallversuche zum Fischschleimeffekt
a b c Versuch mit Polyäthylenoxid (künstlicher „Fischschleim“) a) Farbwasser in klares Wasser. Injektion gemäß linkem Versuchsaufbau b) Farbwasser mit 20 ppm Schleim in klares Wasser mit 20 ppm Schleim c) Wie b, aber Schleim 5 s mit 18800 U/min in einem Küchenmixer gerührt
Turbulenzdämpfung durch fischschleimähnliche Substanz in einer Kanalströmung (H = Kanalhöhe)
Einsatz von Polyox bei der New Yorker Feuerwehr Mit Polyox Ohne Polyox Einsatz von Polyox bei der New Yorker Feuerwehr
Schwimmbecken: 25 m lang, 10 m breit, 2,5 m tief 3125 g Polyox = 5 ppm
Additivtechnik Adhäsionstechnik Der Fisch sondert laufend Schleim ab (vielleicht nur beim Jagen oder auf der Flucht) und hüllt sich so in eine Additiv-Wolke ein Adhäsionstechnik Die Fadenmoleküle des Fischschleims haften an der Körperoberfläche und bilden so ein dämpfendes Molekülfell
Hypothese des Energietransfers Die Energie, die den Molekülfaden zerreißt, wird von der Turbulenzintensität abgezogen
4. Turbulente Schlingerdämpfung durch Längsrillen (Riblets) Widerstandsverminderung in der Natur 4. Turbulente Schlingerdämpfung durch Längsrillen (Riblets)
Haie haben Längsrillen Wolf Ernst Reif 1945 - 2009 Schnell schwimmende Haie haben Längsrillen auf ihren Schuppen Hai-Schuppen
Schuppen großer weißer Hai Schuppen-Replikat Hammerhai (Dietrich Bechert)
S = 3,5 ·d * ? BECHERTs Rillen-Experimente im Berliner Ölkanal
Die laminare Unterschicht Grenzschicht-Geschwindigkeitsprofil turbulent laminar Die laminare Unterschicht
d * = Dicke der laminaren Unterschicht t w = lokale Wandschubspannung Auslegung der Rillenfolie für ein Surfbrett Gleitgeschwindigkeit v = 5 m/s, Lauflänge x = 1 m, n wasser = 1·10-6 m2/s d * = 0,028 mm S = 3,5 ·d *= 0,10 mm
Die „Stars & Stripes“ gewinnt den Americas Cup 1987 mit einer Haifisch-Rillen-Oberfläche
Reklame für einen bionischen Schwimmanzug
Fastskin-Schwimmanzug der Firma
Aufbringen einer Haifisch-Rillenfolie auf einen Airbusflügel
Riblets für Turbomaschinenschaufeln Laser gefertigt (Laser-Zentrum Hannover) Lackabdruck (Firma Holotools GmbH)
Streifenstruktur (= Schlingern) der Strömung während eines Wüstensturms Dämpfung der Schlingerbewegung durch Rillen (Riblets)
Die Streifen sind Längswirbel Längswirbelabstand Bedingung für die Schlingerdämpfung der Wirbel Abstand der Rillentäler Abstand der Längswirbel
Führung der Längswirbel in den Rillentälern CFD-Rechnung Computational Fluid Dynamics Führung der Längswirbel in den Rillentälern
5. Schwimmen in einem Schleier von Mikroblasen Widerstandsverminderung in der Natur 5. Schwimmen in einem Schleier von Mikroblasen
Mikroblasen-Schleier an einem schnell schwimmenden Pinguin
Anwendung des Pinguin-Effekts
Widerstandsverminderung durch Mikro-Luftblasen im Wasser w = Frequenz der strö-menden Luftbläschen m = Zähigkeit des Wassers w = Wandschub- spannung am Messort Widerstandsverminderung durch Mikro-Luftblasen im Wasser
Zum Salvinia-Effekt Aus einer Pressemeldung Das Salvinia-Blatt umgibt sich mit einer dauerhaft haltenden Lufthülle Aus einer Pressemeldung ® Salvinia -Effect Mit dem bionischen Bootslack ausgestattete Schiffe könnten dann in Zukunft in einer Hülle aus Luft durch das Wasser gleiten und so den Schiffsbau revolutionieren
Zum Salvinia-Effekt Zur (scheinbar) guten Idee, Luft auf einer vom Wasser überströmten Oberfläche festzuhalten Festgehaltener Luftfilm
Falsch ist die Annahme: Wasser schlittert über die Luft Richtig ist die Tatsache: Wasser klebt an der Luft und schleppt diese mit Das ist die Haftbedingung oder no-slip-Bedingung der Fluiddynamik
Luftfilm
Die stromab geschobene Luft müsste kontinuierlich nach vorn zurückgespeist werden
Wie lässt sich ein Luftfilm auf einer Oberfläche halten ? Kapillar-Aszension hydrophile Wand hydrophobe Wand Kapillar-Depression Nicht durch eine Kapillar-Aszension, aber durch eine Kapillar-Depression Kapillar-Depression Luftfilm mit superhydrophober Kapillar-Depression W A S S E R L U F T
Ein Rohrwandstück, das durch Kapillar-Depressionen Luft festhält Superhydrophobe Wände Das Experiment zeigt: Luft wird allmählich durch die Scherspannung herausgespült
Der Salvinia -Effect Wasser Rotierende Luft-Zellen Wasser- Tropfen ® Nach W. Barthlott Rotierende Luft-Zellen Wasser- Tropfen Wasser wird an den Schneebesenspitzen „festgetackert“ Luft
Das Blatt der Salvinia schwimmt ruhend auf der Wasseroberfläche Das Blatt der Salvinia schwimmt ruhend auf der Wasseroberfläche. Der Evolutionsbiologe würde fest-stellen: Das Lufthalten hat Vorteile. Wird das Blatt gewaltsam untergetaucht, schwimmt es schnell wieder auf. Sollte es nicht gleich aufschwimmen, kann es durch die mitgeführte Luft noch lange atmen. Es ist aber nicht erkennbar, weshalb die Evolution daran gearbeitet haben soll, den Strömungswider-stand zu minimieren (Der harte Bioniker interessiert sich aber dafür, was die Evolution „gewollt“ hat). Lufthalten allein reicht nicht! Es muss das Problem der lufthaltenden, rotierenden Luftzellen gelöst werden. Es wäre verwunderlich, wenn das Salvinia-Blatt dieses komplexe Problem gelöst haben sollte, um durch Verminderung der Strömungsreibung Energie zu sparen. Aber vielleicht findet sich noch ein Wassertier, dass die Lufthaltetechnik zur dauerhaften Verminderung des Strömungswiderstands evolutiv verwirklicht hat.
v x Haifischschuppen Fischschleim Pinguinkleid Delfinhaut Thunfischform Pinguinform v x Instabilitätspunkt Umschlagpunkt Anwendungsbereiche der 5 biologischen Methoden zur Verminderung des Reibungswiderstands
Ende www.bionik.tu-berlin.de