Grundbegriffe der Rechtswissenschaften Privatrecht

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 Präsentation transkript:

Grundbegriffe der Rechtswissenschaften Privatrecht Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel www.univie.ac.at/roemisches_recht franz.stefan.meissel@univie.ac.at

Privatrecht Unterscheidung von Öffentlichem Recht * Interessentheorie: private Interessen * Subjektstheorie: keine hoheitlich agierende Parteien, sondern Private * Subjektionstheorie: grds Gleichordnung * Freiräume für autonome Disposition der Parteien (dispositives Recht)

Grundbegriffe des Privatrechts I Meissel/Ofner/Perthold-Stoitzner/Windisch-Graetz, Grundbegriffe der Rechtswissenschaften, Fünftes Kapitel, Teil I. (S. 131 – 165) Private Rechtsgestaltung durch Vertrag: * Vertragsfreiheit * Vertragsabschluss * Rechts- und Geschäftsfähigkeit * Stellvertretung

Allgemeines Privatrecht = Bürgerliches Recht, Zivilrecht Vgl § 1 ABGB „Der Inbegriff der Gesetze, wodurch die Privatrechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt werden, macht das bürgerliche Recht in demselben aus.“

Sonderprivatrechte Unternehmensrecht (früher Handelsrecht -> Handelsrechtsänderungsgesetz, in Kraft seit 1.1.2007) Wertpapierecht Patent-, Marken-, Musterrecht Arbeitsrecht Recht des unlauteren Wettbewerbs …

Systematische Gliederung des Zivilrechts PANDEKTENSYSTEM Allgemeiner Teil Schuldrecht Sachenrecht Familienrecht Erbrecht -> dBGB, Lehrbücher INSTITUTIONENSYSTEM personae (Personen- und Familienrecht) res (Sachen-, Schuld- und Erbrecht) actiones (Klagen) -> ABGB (kein Prozessrecht)

System des ABGB & in der heutigen Privatrechtslehre ABGB: Gliederung: Personenrecht (Rechts- und Geschäftsfähigkeit, Eherecht, Obsorge und Sachwalterschaft) Sachenrecht (1. dingliche & 2. persönliche Sachenrechte: ad 1. Sachen, Besitz, Eigentum, Pfandrecht, Dienstbarkeiten, Erbrecht; ad 2. Verträge und Rechtsgeschäfte, einzelne Verträge, Schadenersatz) Gemeinschaftliche Bestimmungen (Bürgschaft, Pfandvertrag, Vergleich, Zession, Anweisung, Schuldübernahme, Zahlung, Zahlung einer Nichtschuld, Kompensation, Ersitzung und Verjährung) Heutige Privatrechtslehre: Pandektensystem AT, SchuldR, SachenR, FamilienR, ErbR

Wichtigste Rechtsquellen Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) Konsumentenschutzgesetz (KSchG) Ehegesetz (EheG) Eingetragene Partnerschaftsgesetz (EPG) Mietrechtsgesetz (MRG) Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz (EKHG) Produkthaftungsgesetz (PHG) E-Commerce-Gesetz (ECG) IPRG, EVÜ, WEG, PStG

Privatautonome Rechtsgestaltung durch Verträge

Privatautonome Rechtsgestaltung durch Verträge

Privatautonome Rechtsgestaltung durch Verträge Unterscheide weiter: Einseitig/zweiseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte Einseitig verpflichtende RG: nur eine Partei wird verpflichtet -> eine Partei ist Gläubiger, die andere ist Schuldner (zB Schenkungsvertrag) Zweiseitig verpflichtende RG: beide Parteien sind sowohl Gläubiger, als auch Schuldner des Vertragspartners (zB Kaufvertrag: Käufer ist Schuldner des Kaufpreises und Gläubiger des Kaufgegenstandes; Verkäufer ist Schuldner der Kaufgegenstandes und Gläubiger des Kaufpreises)

Das Prinzip der Vertragsfreiheit Abschlussfreiheit Freiheit darüber zu entscheiden, ob überhaupt ein Vertrag abgeschlossen wird Freiheit der Wahl des Vertragspartners Inhaltsfreiheit Grenze: § 879 ABGB, § 878 ABGB (weitgehende) Formfreiheit Vgl § 883 ABGB

Zur Abschlussfreiheit Beachte: vor allem in Monopolsituationen besteht ein Kontrahierungszwang Spezielle gesetzliche Vorschriften §§ 4 f NahVersG §§ 15 ff ElWOG (E-Wirtschafts- und OrganisationsG) Aus den allgemeinen Regel des Zivilrecht abgeleitet Persönlichkeitsschutz iVm Rechtsmissbrauchsverbot Judikatur: Abschlusszwang für alle monopolartigen Unternehmen, die Leistungen anbieten, die ein Durchschnittsmensch normalerweise oder in Notfällen benötigt.

Die Schranken für den Inhalt der Rechtsgeschäfte § 879 Abs 1 ABGB Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. § 879 Abs 2: gesetzliche Verbote (demonstrativ) pactum de quota litis (Ziffer 3) Wucher (Ziffer 5) Def gute Sitten vgl OGH: Gegen die guten Sitten verstößt, was dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht -> Generalklausel/Auffangtatbestand

Die Schranken für den Inhalt der Rechtsgeschäfte Rechtsfolgen (Wirkung) FRAGE: Wessen Interesse schützt das gesetzliche Verbot? Das gesetzliche Verbot schützt das rechtliche Interesse einer Partei  relative Nichtigkeit / Anfechtbarkeit muss von der geschützten Partei (bei Gericht) eingewendet werden (zB Bewucherte bei Wucher) Das gesetzliche Verbot schützt das Allgemeininteresse  absolute Nichtigkeit ist von Amts wegen wahrzunehmen (zB Kaufvertrag über Rauschgift)

Die Schranken für den Inhalt der Rechtsgeschäfte § 878 Satz 1 ABGB Was geradezu unmöglich ist, kann nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages werden. herrschende Lehre: Rechtlich unmöglich zB die Begründung von Stockwerkseigentum Faktisch absurd Lehrbuchbsp: Kauf eines Fabeltiers  Rechtsfolge: absolute Nichtigkeit

Dispositives Recht – Definition & Funktion Nachgiebiges, abdingbares Recht erlaubt abweichende privatautonome Rechtsgestaltung 3 Funktionen Ergänzungsfunktion („Reserverechtsordnung“) Hilfe bei Vertragsauslegung Richtigkeitsgewähr (bei Inhaltskontrolle)

Absolut & relativ zwingendes Recht Absolut zwingendes Recht (ius cogens) Keine Abänderung durch private Vereinbarung „zweiseitig zwingende Normen“ Relativ zwingendes Recht Abweichung zugunsten des geschützten Teils „Einseitig zwingende Normen“ Va im Bereich ArbeitsR, MietR, KSchR

Formfreiheit § 883 ABGB: „Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich; vor Gerichte oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetze bestimmten Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.“ Praktische Überlegungen: Beweisbarkeit?

Einschränkung der Formfreiheit Ratio Schutzfunktion (Übereilungsschutz) Beweisfunktion Beispiele Schenkung reale Übergabe ohne reale Übergabe -> Notariatsakt vgl § 1 Abs 1 NotariatsaktsG Eingehen einer Bürgschaft -> Schriftform

Einschränkung der Formfreiheit Festlegung einer Formvorschrift durch die Parteien zB: „Änderungen dieses Vertrages sind nur gültig, wenn sie in Schriftform erfolgen“* aber: Parteien können einvernehmlich und (sogar) mündlich davon abgehen Spätere mündliche Einigung über die Änderungen des Vertragsinhalts inkludiert die Einigung auf die Formvorschrift zu verzichten Beweis der mündlichen Einigung lediglich erschwert * Bsp Buch S 137

Die vertragliche Einigung Zwei korrespondierende = einander inhaltlich entsprechende Willenserklärungen der Parteien 1. Angebot (Antrag, Offerte, Versprechen) 2. Annahme  Konsens  VERTRAG

Die vertragliche Einigung Angebot A B VERTRAGSABSCHLUSS Annahme

Wirksame Willenserklärung Ernstlichkeit (Bindungswille) Bestimmtheit = ausreichend bestimmter Inhalt Verständlichkeit (für Vertragspartner)

Der Bindungswille Ernstliche Willenserklärung aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet Rechtsfolgewillen (gemäßigte Rechtsfolgentheorie) Der Erklärende muss sich bewusst sein, dass die Erklärung Rechtsfolgen auslöst und im Konfliktfall mit der Anrufung des Gerichtes zu rechnen ist fehlt der Rechtsfolgewille -> Scherzerklärung, Gefälligkeitszusage, gentlemen‘s agreement

Die Vertrauenstheorie Beurteilung von vertraglichen Willenserklärungen nach schützenswertem Vertrauen des jeweils anderen Objektiver Erklärungswert = Wie durfte ein redlicher und verständiger Erklärungsempfänger bei Anwendung ordnungsgemäßer Sorgfalt die Willenserklärung verstehen? Nicht entscheidend: wahre Willen des Erklärenden Wie hat der Vertragspartner die Willenerklärung wirklich verstanden

Die Bestimmtheit der Erklärung die wesentlichen Vertragspunkte = essentialia negotii (gesetzliche Mindestanforderungen) müssen enthalten sein bloße Annahme muss für das Zustandekommen des Vertrages genügen

Die Verständlichkeit der Erklärung nach dem obj Erklärungswert lässt sich für den Vertragspartner ein sinnvoller Rechtsfolgewillen erkennen Auslegung der Willenserklärungen erfolgt nach § 914 ABGB und § 915 ABGB

Die Verständlichkeit der Erklärung Prüfungsschema Auslegung nach § 914 ABGB Vorrang des natürlichen Konsenses wahrer Wille der Parteien zu erforschen, denn falsa demonstratio non nocet = Fehlbezeichnung schadet nicht Bsp: Käufer und Verkäufer wollen Kaufvertrag über einen Peugeot abschließen K und V schreiben Renault in der Kaufvertrag  Kaufgegenstand ist PEUGEOT!

Auslegung von Willenserklärungen Vorgehen bei der Auslegung nach §§ 914 f ABGB natürlicher Konsens? wenn nicht vorhanden, dann: normativer Konsens nach dem objektiven Erklärungswert (gewöhnliche Bedeutung, Übung des redlichen Verkehrs) Bei Mehrdeutigkeit: Unklarheitenregel nach § 915 ABGB Bei einseitig verpflichtende Verträge (§ 915 Satz 1 ABGB) wird „im Zweifel angenommen, dass sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte“ Bei zweiseitig verpflichtenden Verträge (§ 915 Satz 2 ABGB) wird zum „Nachteile desjenigen erkläret, der sich derselben bedienet hat“ = contra-proferentem-Regel Bei gänzlicher Unverständlichkeit: Dissens

Ausdrückliche & konkludente Willenserklärungen ausdrückliche Willenserklärung: Wille wird durch Worte oder allgemein angenommene Zeichen ausgedrückt konkludente Willenserklärung: Wille wird stillschweigend durch solche Handlungen erklärt, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lassen  strenger Maßstab

Ausdrückliche & konkludente Willenserklärungen Schweigen als Zustimmung? Ohne vorherigen Kontakt schreibt A dem B eines Tages eine Stellenbewerbung, die mit folgenden Worten endet: „Ich gehe davon aus, dass Sie mich, falls Sie mir nichts anderes mitteilen, ab nächstem Monat für die vorgesehene Stelle zum Kollektivvertragslohn von 2.000,- beschäftigen werden.“ B antwortet nicht. Ist ein Vertrag zustande gekommen?

Ausdrückliche & konkludente Willenserklärungen Schweigen als Zustimmung? Grundsätzlich qui tacet consentire non videtur = wer schweigt, scheint nicht zuzustimmen Ausnahmen Nach dem redlichen Geschäftverkehr bestand eine Antwortpflicht (zB laufende Geschäftsverbindung) Schweigen kann von den Parteien einvernehmlich als Zeichen für die Zustimmung vereinbart werden beachte: kein einseitiges Festlegen zulässig

Ausdrückliche & konkludente Willenserklärungen Schweigen als Zustimmung? Realangebot Gesetzliche Regelung in § 864 Abs 2 ABGB „Das Behalten, Verwenden oder Verbrauchen einer Sache, die dem Empfänger ohne seine Veranlassung übersandt worden ist, gilt nicht als Annahme eines Antrags. Der Empfänger ist nicht verpflichtet, die Sache zu verwahren oder zurückzuleiten, er darf sich ihrer auch entledigen.“ Verpönte Vertriebsform  Schutz des Konsumenten notwendig vgl Bsp im Buch S 145: Schreiben des Vereins „Tierlieb“

Invitatio ad offerendum Einladung zur Anbotsstellung Fehlen des Bindungswillens, bei Inserieren von Waren (in der Zeitung) Übersendung von Katalogen Ausstellung von Waren in Schaufenster kein bindendes Vertragsangebot an eine unbestimmte Anzahl von Personen (Öffentlichkeit) Person behält sich vor, seinen Vertragspartner auszusuchen

Die stille Annahme ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten Annahme erfolgt durch tatsächliches Entsprechen des Vertragsangebotes. = Willensbetätigung

Ausdrückliche & konkludente Willenserklärungen Die stille Annahme Bsp Skriptum S 143 Katalog = Einladung zur Angebotsstellung ausgefüllter Bestellschein = bindendes Angebot Zusendung der Ware = stille Annahme  Abschluss des Vertrages Beachte: Nicht das Schweigen gilt als die Annahme, sondern die Entsprechung des Angebotes in der hierfür bestimmten (Parteienvereinbarung) oder angemessenen Frist.

Die Bindungsdauer einer Offerte Frage: Ab welchem Zeitpunkt ist der Erklärende an seine Offerte gebunden? Zäsur: Zugang der Erklärung Erklärung gelangt in die Machtsphäre des Empfängers = nach den gewöhnlichen Umständen kann mit der Kenntnisnahme gerechnet werden Erklärung wird wirksam  Bindungswirkung beginnt unabhängig von der tatsächlichen Kenntnisnahme die Erklärung kann nicht mehr widerrufen werden

Die Bindungsdauer einer Offerte Beispiele für Zugang Erklärungsempfänger persönlich mitgeteilt Briefkasten eingeworfen Sekretär/in ausgerichtet Sonderregelung für e-mails nach § 12 ECG E-mail-Box eingelangt und gespeichert kann am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden = Abruf durch dem Empfänger möglich

Die vertragliche Einigung Bindungswirkung beginnt Angebot A B VERTRAGSABSCHLUSS Annahme erlangt Kenntnis erlangt Kenntnis Zugang Zugang

Die Bindungsdauer einer Offerte Frage: Wie lange ist der Erklärende an seine Offerte gebunden? Parteienvereinbarung zB „Ich bleibe Ihnen eine Woche lang im Wort.“ Sonst: gesetzliche Regelung nach § 862 ABGB Unter Anwesenden muss das Angebot sofort angenommen werden Unter Abwesenden innerhalb einer angemessenen Frist (Postweg hin - angemessenen Überlegungsfrist - Postweg zurück)

Die Bindungsdauer einer Offerte Zugang der Annahmeerklärung während der Bindungswirkung des Angebotes  Vertragsabschluss beachte: § 862a ABGB „trotz … Verspätung (der Annahmeerklärung) kommt der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen musste, dass die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt dem andern nicht unverzüglich anzeigt“ sonst: verspätete Annahme = neuerliches Angebot

Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB sind einheitliche Vertragstexte Zweck Rationalisierung & Standardisierung Spezialisierung Wirtschaftliche Überlegenheit der Unternehmer  oft für Kunden nachteilige Abweichung vom dispositiven Recht Geltungsgrund: Vereinbarung (Konsens) – auch konkludent Besondere Bestimmungen Geltungskontrolle: § 864 a ABGB Transparenzgebot: § 6 Abs 3 KSchG Inhaltskontrolle: § 879 Abs 3 ABGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen Geltungskontrolle Ratio Keine „überraschenden oder versteckten Klauseln“ Klausel wird nicht Vertragsbestandteil, wenn sie einen ungewöhnlichen Inhalt hat für den Vertragspartner nachteilig ist und der Vertragspartner nach den Umständen (vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde) nicht mit einer solchen Klausel zu rechnen brauchte;

Allgemeine Geschäftsbedingungen Inhaltskontrolle „eine … Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist … nichtig, wenn sie … einen Teil gröblich benachteiligt.“ Art der Sittenwidrigkeit Klausel muss Nebenpflichten regeln – aber großzügige (konsumentenfreundliche) Auslegung gröbliche Benachteiligung: als Maßstab dient das Ausmaß der Abweichung vom dispositiven Recht

Allgemeine Geschäftsbedingungen Klauselkontrolle nach § 6 Abs 1 u 2 KSchG Gilt nur im Verhältnis Unternehmer - Verbraucher Katalog von jedenfalls unzulässigen Klauseln in § 6 Abs 1 KSchG Katalog von unzulässigen Klauseln in § 6 Abs 2 KSchG, wenn der Unternehmer nicht beweisen kann, dass sie im Einzelnen ausgehandelt worden sind

Allgemeine Geschäftsbedingungen Transparenzgebot „Eine … Vertragsbestimmung ist unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist.“ Gilt nur im Verhältnis Verbraucher – Unternehmer für Verbraucher verständliche und klare Formulierung Verbraucher fehlt meistens die entsprechende Fachkenntnis (Rechtskenntnis) -> keine Verschleierung des Inhaltes (beispielsweise durch Fachtermini) beachte: Verhältnis § 915 ABGB problematisch

Die Rechts- und die Handlungsfähigkeit Rechtsfähigkeit Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein Handlungsfähigkeit Fähigkeit, durch eigenes Handeln Rechte und Pflichten zu begründen Gliedert sich in die Geschäftsfähigkeit und die Deliktsfähigkeit

Die Geschäfts- und die Deliktsfähigkeit Geschäftsfähigkeit Fähigkeit, durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln Rechte & Pflichten zu begründen Deliktsfähigkeit Fähigkeit, durch eigenes rechtswidriges Verhalten schadenersatzpflichtig zu werden

Die Rechtsfähigkeit Natürliche Personen Juristische Personen § 16 ABGB „Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten…“ Juristische Personen das ungeborene Kind / nasciturus beschränkte und bedingte Rechtsfähigkeit bedingt durch die Lebendgeburt beschränkt, da sie nur berechtigt und nicht verpflichtet werden kann (Erbrecht)

Die Rechtsfähigkeit Juristische Personen Personenverbände / Körperschaften Körperschaften auf öff.-rechtlicher Grundlage Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) Gesetzliche Interessensvertretungen Sozialversicherungsträger Universitäten Kirchen- , Religions- und Bekenntnisgemeinschaften Körperschaften des privaten Rechts Vereine Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) Personengesellschaften (OG, KG) Genossenschaften

Die Rechtsfähigkeit Juristische Personen Sachgesamtheiten Stiftungen (gemeinnützige oder mildtätige Stiftungen, Privatstiftungen) Anstalten - Stiftungszweck wird durch sichtbare Einrichtungen erfüllt; zB Museen, Bibliotheken Fonds - nicht auf Dauer gewidmetes Vermögen Handlungsfähig sind juristische Personen durch ihre Organe

Die Geschäftsfähigkeit Die Geschäftsfähigkeit ist abhängig vom Alter (mit zunehmenden Alter nimmt das Ausmaß der Geschäftsfähigkeit zu Individuelle Faktoren (geistige Fähigkeiten) Fehlen der Geschäftsfähigkeit  gesetzlicher Vertreter bei Kindern idR die Eltern Sachwalter

Die Geschäftsfähigkeit Kinder unter sieben Jahren § 865 S 1 ABGB: grundsätzlich geschäftsunfähig Ausnahme Taschengeldparagraph (§ 151 Abs 3 ABGB): alterstypische geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens  Rechtswirksamkeit mit Erfüllung der das Kind treffenden Pflicht Unmündige Minderjährige (7 – 14 Jahre) § 865 S 2 ABGB: Annahme eines „bloß zu ihrem Vorteil gemachten Versprechens“ -> Schenkung zustimmen § 1421 ABGB: Bezahlung bestehender Schulden Sonstige Geschäfte „schwebend unwirksam“

Die Geschäftsfähigkeit Mündige Minderjährige (14 – 18 Jahre) § 152 ABGB: selbständig zu Dienstleistungen verpflichten Ausgenommen Lehr-/Ausbildungsverträge Vorzeitige Vertragsauflösung durch gesetzlichen Vertreter aus wichtigen Gründen § 151 Abs 2 ABGB: Verfügung über Sachen, die zur freien Verfügung überlassen wurden und Einkommen aus eigenem Erwerb Soweit nicht Befriedigung der Lebensbedürfnisse gefährdet wird Volljährige § 21 Abs 2 ABGB: voll geschäftsfähig

Schwebende Unwirksamkeit Die Geschäftsfähigkeit 0-7 Kinder 7-14 Unm. Mj. 14-18 Münd. Mj. Ab 18 Volljährige Schwebende Unwirksamkeit geschäftsunf Voll gf Ausnahme: Ausnahmen: § 151/3 „Taschengeld-§“ § 865 Geschäfte bloß zum Vorteil § 1421 Schulden selbst bezahlen § 151/2 Verfügung über überlassene Gegenstände & eigenen Erwerb § 152 Arbeitsverträge § 153 Deliktfähigkeit

Die Geschäftsfähigkeit Sachwalterbestellung „Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist … alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr … ein Sachwalter zu bestellen“ Zur Besorgung einzelner Angelegenheiten Zur Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten Zur Besorgung aller Angelegenheiten

Die Geschäftsfähigkeit Sachwalterbestellung Innerhalb des Wirkungsbereiches des Sachwalter: ohne Einwilligung des Sachwalters weder rechtsgeschäftlich verfügen, noch sich verpflichten bloß zu ihrem Vorteil gemachtes Versprechen annehmen Ausnahme bei geringfügigen Angelegenheiten des täglichen Lebens lucidum intervallum unbeachtlich

Die Geschäftsfähigkeit Fehlende Einsichtsfähigkeit im Einzelfall Beurteilung der Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes nicht geschäftsfähig „wer den Gebrauch der Vernunft nicht hat“, auch ohne Sachwalterbestellung Bei zeitweiligen oder dauernden Geistesgebrechen Bei vorübergehender Sinnesverwirrung (zB Volltrunkenheit oder Drogenrausch) beachte: lucidum intervallum

Die Deliktsfähigkeit Beurteilung der Deliktsfähigkeit Ab der Mündigkeit ist grundsätzlich die Deliktsfähigkeit gegeben Vorher Haftung der Aufsichtsperson bei Vernachlässigung der Aufsichtspflicht (idR die Eltern) sonst: Billigkeitshaftung des Deliktsunfähigen selbst nach § 1310 ABGB

Ausgewählte Wurzelmängel Willensmängel List und Drohung § 870 ABGB Irrtum § 871 ABGB Wucher § 879 Abs 2 Z 4 ABGB Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis) § 934 ABGB Fehler vor oder bei Vertragsabschluss  Wurzelmangel Betroffene Partei kann den Vertrag anfechten

Ausgewählte Wurzelmängel List und Drohung „Wer von dem anderen Teile durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage veranlasst worden, ist ihn zu halten nicht verbunden“ List = rechtwidrige und vorsätzlich Täuschung ungerechte und gegründete Furcht = Einsatz rw Zwanges unerlaubtes Mittel unerlaubter Zweck Beachte: Hat ein Dritter durch List / durch ungerechte oder gegründete Furcht zum Vertrag veranlasst -> keine Anfechtung möglich

Ausgewählte Wurzelmängel Irrtum Geschäftsirrtum (Irrtum über „Was?“) Erklärungsirrtum Geschäftsirrtum im engeren Sinn Irrtum über die Natur des Geschäftes Irrtum über die Person des Vertragspartners Eigenschaftsirrtum Motivirrtum („Warum?“) grds unbeachtlich

Ausgewählte Wurzelmängel Irrtum Anfechtung bei wesentlichem Irrtum, wenn Irrtum durch den anderen veranlasst wurde oder diesem aus den Umständen hätte offenbar auffallen müssen oder noch rechtzeitig aufgeklärt wurde Vertragsanpassung bei unwesentlichem Irrtum

Ausgewählte Wurzelmängel Wirkung der Anfechtung bei Willenmängel Vertrag wird ex tunc (rückwirkend) aufgehoben Leistungen sind zurückzustellen § 877 ABGB „Wer die Aufhebung eines Vertrages aus Mangel der Einwilligung verlangt, muss dagegen auch alles zurückstellen, was er aus einem solchen Vertrage zu seinem Vorteile erhalten hat.“ evtl auch § 366 ABGB (rei vindicatio)

Ausgewählte Wurzelmängel Laesio enormis (§§ 934 f ABGB) zweiseitig verbindliches Geschäft ein Teil hat nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat Verkürzte kann das Rechtsgeschäft anfechten aber: Vertragspartner kann das Geschäft durch Aufzahlung auf den wahren Wert aufrecht er-halten (Ersetzungsbefugnis=facultas alternativa)

Ausgewählte Wurzelmängel Laesio enormis Seit KSchG 1978 nicht dispositiv Anfechtung ausgeschlossen: Übervorteilte kannte den wahren Wert Erwerb der Sache aus besonderer Vorliebe gemischter Vertrag (teilweise unentgeltlich) gerichtliche Versteigerung „redlich errichteter Vergleich“

Ausgewählte Wurzelmängel Wucher sittenwidriges Geschäft iSd § 879 ABGB Subjektives Kriterium Ausbeutung des Leichtsinnes, der Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung Objektives Kriterium Auffallendes Missverhältnis der Leistungen

Die Stellvertretung Indirekte Stellvertretung Direkte Stellvertretung Außenverhältnis: Vertreter und Dritter sind Vertragspartner Innenverhältnis: Vertreter soll das aus dem Geschäft Erlangte dem Vertretenen zukommen lassen Direkte Stellvertretung Der Vertretene und der Dritte werden Vertragspartner

Indirekte Stellvertretung Vertrag Vertrag ertretener ertreter ritter kontrahiert im eigenen Namen, auf fremde Rechnung

Direkte Stellvertretung Vertrag V D V ertretener ritter ertreter kontrahiert im fremden Namen, auf fremde Rechnung

Die Stellvertretung Voraussetzungen für die direkte Stellvertretung Handeln des Vertreters im Namen des Vertretenen (Offenlegung) Vollmacht des Vertreters Befugnis des Vertreters, für den Vertretenen rechtsgeschäftlich tätig zu werden Erteilung der Befugnis durch eine einseitige Willenserklärung des Vertretenen (Innenvollmacht: Vollmachtserklärung an den Vertreter; Außenvollmacht: Vollmachtserklärung an den Dritten) (zumindest beschränkte) Geschäftsfähigkeit des Vertreters

Vertreter ohne Vollmacht Keine Vollmacht oder Überschreitung der Vollmacht Kein Vertragsabschluss, es sei denn nachträglich Genehmigung des Vertretenen oder Vorteilszuwendung falsus procurator haftet dem Dritten aus culpa in contrahendo Ersatz jener Schäden, die ihm dabei entstanden sind, dass er auf den gültigen Abschluss des Vertrages vertraut hat = Vertrauensschaden

Anscheinsvollmacht Anscheinsvollmacht Voraussetzungen Gültiger Vertragsabschluss zwischen Vertretenem und Dritten trotz Fehlen einer Vollmacht Vertrauen des Dritten auf das Vorliegen einer vermeintlichen Vollmacht schützenswert Voraussetzungen Bestehen eines äußeren Anscheins der Berechtigung, welche vom Vertretenen (oder von einer ihm zurechenbaren Person) verursacht wurde, sowie das gutgläubige (nicht fahrlässige) Vertrauen des Dritten auf den Anschein

Anscheinsvollmacht gem § 1026 Gesetzlich geregelter Fall der Anscheinsvollmacht in § 1026 ABGB Außenvollmacht zunächst vorhanden Dritten blieb die Aufhebung der Vollmacht ohne sein Verschulden unbekannt